Ja, die Realisierung des Konzeptes der KollegInnen von Aerospace hätte die Welt verändern können! Aber diese Veränderung ist im Kapitalismus nicht möglich. Deshalb mußte Lucas Aerospace letzlich scheitern. Die KollegInnen des Werkes stellten die Bedürfnisse und Interessen der Menschen in Großbritannien, der ganzen Welt und ihre eigenen in den Mittelpunkt!
Das ist im Kapitalismus nicht vorgesehen. Auch wenn zB die DGB-Gewerkschaften, besonders die IGM, in ihrer Werbung schreiben: Der Mensch steht im Mittelpunkt! Dort steht er eben nicht. Er ist sowohl als Produzent wie auch als Konsument nur Mittel zum Zweck. Die IGM müßte also schreiben: Der Profit steht im Mittelpunkt. Oder sie sollte schreiben: Der Mensch sollte im Mittelpunkt stehen. Wenn sie aber schreibt: Der Mensch steht im Mittelpunkt, entlarvt sie sich als Lügenbaron, will den Mitgliedern die Gehirne vernebeln.
Die Kolleginnen von Aerospace mußten scheitern, auch wenn sie von den Mitgliedern der Gewerkschaften, der Labour-Party und der Zivilgesellschaft massenhafte Unterstützung bekamen – rechte Führer der Labour-Party ließen sie scheitern. Da brauchten erst gar nicht die Kapitalisten selbst mit Justiz, Polizei und Militär tätig werden. Wie dann Frau Thatcher später gegen die Bergarbeiter!
Jedenfalls ist das Konzept der Kollegen von Aerospace mit dem Ingenieur und Gewerkschafter Mike Cooley an der Spitze, das sie damals in vielen fertigen sinnvollen Produkten realisierten, eine bisher einzigartige Leistung in der Geschichte der Arbeiterbewegung! (Siehe die Photos der entwickelten Produkte im Artikel!)
Es ist bewundernswert, wieweit die KollegInnen ihr Projekt vorantreiben konnten! Als dann der Firmenleitung der Sinn des Projekts, dh auch die Verantwortungsübernahme durch die ArbeiterInnen, klar wurde, schlugen bei ihr die Alarmglocken. Und gemeinsam mit rechten Labour-Führern gingen sie gegen Mike Cooley und seine KollegInnen vor.
Das alles ist 50 Jahre her und damit überholte Arbeitergeschichte? Das Gegenteil ist der Fall!
Das Projekt der KollegInnen von Aerospace war eine kreative, organisatorische Kraftleistung, die uns den Weg zeigt für unsere heutigen Probleme. Sowohl im Film aus auch im Artikel wird deutlich, daß Großbritannien am Beginn der Entindustrialisierung stand und die KollegInnen davor, ihre Arbeitsplätze zu verlieren.
Das Projekt der KollegInnen bei Lucas Aerospace war auch deshalb ungewöhnlich – und bisher einmalig – weil es eigenständig und von unten, erst ohne und dann gegen rechte Labour- und Gewerkschaftsführer realisiert wurde. Es war eine Leistung der ArbeiterInnen allein auf ihrer Kraft und Kreativität beruhend! Eine Leistung, die nicht dadurch gemindert wurde, daß die Massenfertigung der entwickelten Produkte von den möglichen Firmen nicht in Angriff genommen wurde. Die Kraft der UnterstützerInnen, es gab sie landesweit, reichte nicht aus, die Firmenleitung und die Regierung zu zwingen, sich mit ihren kapitalistischen Interessen dem Willen der ArbeiterInnen zu beugen.
Ihr Handeln mit der Besetzung eines Werkes und der Realisierung ihres Konzeptes war die proletarische Antwort auf die Bedrohung.
In Deutschland geht die Entindustrialisierung mit großen Schritten voran, die Autoindustrie ist stark davon betroffen, es stehen Werksschließungen und Massenentlassungen an. Die ArbeiterInnen stehen vor der Alternative: Entweder sie wehren sich und ihr Kampf wird immer gleich politisch, wenn sie streiken, den Betrieb besetzen und eine Alternative-Produktion von nützlichen, sinnvollen Produkten fordern und realisieren oder sie kapitulieren und lassen sich -sozialverträglich- abfinden. Und die DGB-Gewerkschaft, in diesem Fall die IGM, in Zufriedenheit verkündet, wie lange und wie hart sie dafür gerungen habe, diese gute sozialverträgliche Abfindung herausgeholt zu haben. Wobei man fragen muß, was sozialverträglich heißt, wenn die KollegInnen mit dem Geld vielleicht einige Jahre gut leben mögen aber die die nächsten Generationen, also auch ihre Kinder und Enkel, in die Röhre schauen, mit Aussicht auf prekäre Jobs.
2019 sprach der VW-Arbeiter Lars Hirsekorn auf einer Betriebsversammlung in Braunschweig über die Konversion der Auto-Produktion in nützliche Fahrzeuge für den öffentlichen Verkehr. Die Produktion von PKW hielt er für eine Sackgasse. Da er Alternativen für die KollegInnen anbot, bekam er viel Beifall. https://gewerkschaftslinke.hamburg/2019/09/10/autokritische-rede-von-vw-arbeiter-lars-hirsekorn-auf-betriebsversammlung-in-braunschweig/ Das war der Beginn einer Diskussion unter Beschäftigten und in der Öffentlichkeit über Konversion in der Autoindustrie. Die Diskussion über Konversion, Besetzung und Betriebsübernahme ist der erste Schritt zur Schaffung einer wirklich kämpferischen Gewerkschaft, zu Klassenkampf.
Neuerdings, im Rahmen der Kriegsrüstung, wird Konversion der Autoindustrie von den Waffenfabriken in einem umgekehrten Sinne in die Diskussion gebracht: Pflugscharen zu Schwertern! In nicht mehr gebrauchten Autofabriken sollen Panzer und andere Waffen gebaut werden.
Besonders peinlich; die IGM macht mit bei „Pflugscharen zu Schwertern“: Die IG Metall in Baden-Württemberg hat gerade einen Tarifvertrag abgeschlossen, genannt Tarifvertrag zum regionalen Personaleinsatz, der es kriselnden Unternehmen ermöglicht, Beschäftigte zum Beispiel an die boomenden Rüstungsunternehmen zu verleihen.
Die Diskussion um Konversion bekommt damit eine wesentlich höhere politische Brisanz: Gehörst Du zu den Kriegsvorbereitern oder bist Du für ein besseres Leben?
Die Unterstützung des Kampfes der KollegInnen in ihrem Klassenkampf – in der Auto-Industrie und in allen anderen Branchen, denn überall sind Massenentlassungen und Betriebsschließungen in Gange – ist der Beginn einer Volks-Rebellion.
In einem alten Arbeiterlied, das auf der ganzen Welt gesungen wurde, heißt es
Es rettet uns kein höh’res Wesen,:
kein Gott, kein Kaiser noch Tribun
Uns aus dem Elend zu erlösen
können wir nur selber tun!
Die Kollegin Julia drückte es in ihrer Rede vor Daimler-KollegInnen in Bremen so aus:
„Es ist aber ein Irrglaube, dass Unterwürfigkeit und Verzicht den Arbeitsplatz rettet oder sichert. Ich weiß nicht wie viele 100derte Belegschaften damit in der Vergangenheit schon auf die Fresse gefallen sind. Wenn uns etwas rettet, dann nur wir selbst, unser Zusammenhalt, unsere Kampfkraft und das Wissen: Ohne uns geht hier nichts. Wir können ohne die Kapitalisten – Sie aber nicht ohne uns.“
In dem Lied heißt es:
Völker, hört die Signale!
Auf zum letzten Gefecht!
Die Internationale
erkämpft das Menschenrecht.
Es steht uns wahrlich das letzte Gefecht bevor. Und unser Menschenrecht, unser Überleben können wir nur international erkämpfen. Aber hier müssen wir anfangen.
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Infos zu Lucas Aerospace 1975
Mitte der siebziger Jahre entwickelten die TechnikerInnen von Lucas Aerospace ein Konzept, das die Welt hätte verändern können – wenn das Unternehmen, die Labour-Regierung und die Gewerkschaften mitgemacht hätten.
https://www.pit-wuhrer.de/kapital/ka_07_02_15_lucas.html
Die treibende Kraft: Der Ingenieur und Gewerkschafter Mike Cooley
Mike Cooley: «Produkte für das Leben statt Waffen für den Tod». Rowohlt Verlag. Hamburg 1982.
Film zu Aerospace 24 Minuten: https://www.youtube.com/watch?v=0pgQqfpub-c&t=64s
Der Beitrag erschien auf https://gewerkschaftslinke.hamburg/ und wird mit freundlicher Genehmigung des Autors hier gespiegelt. Bild: Pit Wuhrer