Schlagwort-Archive: Rentenpolitik

FAZ: Dümmlich – akademischer Renten – Zynismus

Von Werner Rügemer

Die Unternehmer-Postille FAZ veröffentlichte am 9. Juni 2023 den ganzseitigen Artikel „Renten, stabiler als gedacht?“ Dafür holte sie zwei hochrangige Wissenschaftler: Senior Economist Benjamin Bittschi vom Institut für Wirtschaftsforschung WIFO in Wien und Professor Berthold Wigger vom Karlsruher Institut für Technologie KIT. Beide werden mit ihren erfolgreichen Karrieren in diversen Universitäten vorgestellt, Wigger noch als Mitglied des „Wissenschaftlichen“ Beirats beim Bundesfinanzministerium. Die Idylle wird durch ein großes Buntfoto untermalt: Ein Rentner in Sommerkleidung räkelt sich bequem im Gartenstuhl unter den hohen Bäumen des Kurparks Bad Füssing. FAZ: Dümmlich – akademischer Renten – Zynismus weiterlesen

Die Grundrente läuft immer noch nicht rund – viele alte Menschen warten auf ihr Geld

Nach jahrelangem Hin und Her war es nach dem dritten Anlauf so weit: Zum Jahresbeginn 2021 wurde die Grundrente eingeführt. Langjährig  Rentenversicherte mit geringem Einkommen sollten automatisch einen monatlichen Zuschlag auf ihre Altersrente erhalten. In der Bundesregierung hatte man sich darauf geeinigt, dass die Bewilligung der Grundrente von einer Einkommensprüfung abhängig gemacht wird, wobei Rentenversicherung und Finanzverwaltung zusammenarbeiten sollen.

Die Rentenversicherung ist mit der Prüfung der Ansprüche auf die Grundrente der rund 26 Millionen Menschen im Altersrentenbezug allein gelassen worden. Ein Jahr nach der Einführung warten noch immer viele auf ihr Geld, da noch nicht alle Ansprüche geprüft werden konnten. Die Grundrente läuft immer noch nicht rund – viele alte Menschen warten auf ihr Geld weiterlesen

Eine kurze Geschichte des Nachholfaktors

Die Debatte um den Nachholfaktor nimmt kein Ende. Immer wieder wird mit den gleichen falschen Argumenten und Behauptungen die nächste massive Rentenkürzung gefordert. Alle Fakten sprechen gegen die Erzählung von der betrogenen Jugend. Angesichts einer komplexen Materie und verzerrter Fakten ist dies aber kaum zu durchschauen.

Anders als vielfach behauptet, wurde der Nachholfaktor nicht während der Finanzkrise 2008 im Kontext sinkender Löhne eingeführt. Er wurde bereits 2007 eingeführt im Kontext der Rente mit 67 (RV-Altersgrenzenanpassungsgesetz). Ziel des Nachholfaktors war, Rentenkürzungen durchzusetzen, um das Rentenniveau wie vorgesehen zu kürzen. Mit Einführung wurde bereits eine Rentendämpfung von 1,75 Prozent als nachzuholen festgeschrieben, damit das Rentenniveau mittelfristig wieder den erwünschten abgesenkten Wert erreicht. Der Nachholfaktor ist also Ergebnis der politischen Idee des Beitragssatzdogmas und eines sinkenden Rentenniveaus. Damit zielt die Forderung zur Wiederanwendung des Nachholfaktors darauf, die Renten langsamer steigen zu lassen als die Löhne.

Dennoch verstummt die Forderung um die Wiedereinsetzung des Nachholfaktors aus wirtschaftsnaher und wirtschaftsliberaler Ecke nicht. Eine kurze Geschichte des Nachholfaktors weiterlesen

Die Ampelkoalition und die Sozialpolitik

Von Sozialberatung Ruhr

Anfang November 2021 hatte die Deutsche Rentenversicherung mitgeteilt, dass die Westrentner im kommenden Jahr (2022) mit einem Plus von 5,2 % und im Osten mit 5,9 % rechnen dürfen.
Vor dem Hintergrund massiver Geldentwertung (destatis vom 10.11.2021 für Oktober 2021 + 4,5 %) schien es so, als sei diese Inflationsrate durch die entsprechende Rentenerhöhung kompensierbar.

Mittlerweile liegt der Koalitionsvertrag vor. Auf Seite 74 des hier vorliegenden Ausdrucks wird ausgeführt, dass der sogenannte Nachholfaktor in der Rentenberechnung ab 2022 wieder aktiviert werden soll. Dieses Berechnungsmonstrum greift in die Berechnung von Rentenerhöhungen ein. An sich ist es so, dass, wenn die Löhne steigen, im Folgejahr auch die Renten steigen. Die Ampelkoalition und die Sozialpolitik weiterlesen

Die Rentenkommission empfiehlt: Weiter so! – nur unauffälliger…

Der Abschlussbericht vermittelt, es ist alles in Ordnung. Die bisherige Rentenpolitik ist nicht zu beanstanden. Altersarmut? Gesunkenes Rentenniveau? Kommt im Bericht nicht vor. Privatvorsorge? Hat sich positiv verbreitet. Die zentrale Fragestellung der Kommission war: wie können die Kosten des Babyboomer-Bergs ab 2025 begrenzt werden? Ihre Antwort auf einen Nenner gebracht lautet: Die Rentner werden mehr, deshalb müssen die Renten sinken. Dazu ist der ab 2001 eingeschlagene Kurs konsequent fortzusetzen, mit drei zentralen Elementen. Die Rentenkommission empfiehlt: Weiter so! – nur unauffälliger… weiterlesen

Jeder sechste Mensch im Rentenbezug ist von Armut bedroht – die Überschuldung nimmt zu

Kleine Renten sind das Resultat von schlecht bezahlter Arbeit, Arbeitslosigkeit, Krankheiten, aber auch von Kindererziehung oder der Pflege von Angehörigen. Alte Menschen, die nach ihrem Erwerbsleben arm sind, haben damit meistens bis zum Ende ihres Lebens zu kämpfen. Aus eigener Kraft können sie im Rentenalter der Armut kaum entkommen. Die wenigsten können dazuverdienen, um ein gutes Alterseinkommen zu erreichen. Altersarmut ist für den Einzelnen fast immer ein dauerhaftes Problem. Von Altersarmut betroffen sind vor allem alleinstehende Frauen, langzeitarbeitslose Personen und Menschen ohne Berufsausbildung. Jeder sechste Mensch im Rentenbezug ist von Armut bedroht – die Überschuldung nimmt zu weiterlesen

Wie die Rente demontiert wurde

Von Dagmar Hühne und Holger Balodis

Die meisten Kritiker der deutschen Rentenpolitik verbinden die Demontage der gesetzlichen Rente mit der Riester-Reform des Jahres 2001. Die von Gerhard Schröder initiierte und von Walter Riester exekutierte Rentenreform gilt als Zäsur in der deutschen Rentenpolitik. Hochoffiziell verabschiedete sich die Bundesregierung von den Rentenzielen Armutsvermeidung und Lebensstandardsicherung. Zusammen mit dem wenige Jahre später beschlossenen Nachhaltigkeitsfaktor und der Rente mit 67 wurde der Anspruch aufgegeben, dass sich Löhne und Renten annähernd im Gleichklang entwickeln sollten. Stattdessen stürzt das neu definierte Rentenniveau (oder wie es korrekt heißt: Sicherungsziel vor Steuern) dramatisch ab, von rund 53 Prozent im Jahr 2000 auf möglicherweise 43 Prozent im Jahr 2030[1]. Wie die Rente demontiert wurde weiterlesen

Rentenroulette und Pokerrente – Bundesregierung liefert Betriebsrenten den Aktienmärkten aus

Als die rot-grüne Koalition im Jahr 2002 ihre „große Rentenreform“ auf den Weg brachte und der Einstieg in die kapitalgedeckte Rente erstmals vollzogen war, wurde dies als der große Wurf gefeiert. Das deutsche Rentensystem sollte nun endlich zukunftssicher sein.

Doch schon im Jahr 2006 hatte der inzwischen verstorbene Robert Kurz unter der Überschrift „Zeitbombe Betriebsrenten“ auf folgenden Zusammenhang hingewiesen: „Die gesamte Weltwirtschaft schiebt einen Berg von Schulden, faulen Krediten und Abschreibungstiteln vor sich her. Einen wenig beachteten Aspekt bilden die Betriebsrenten der westlichen Konzerne. Entstanden in den längst vergangenen Zeiten der fordistischen Prosperität, sind sie zum Risikofaktor des neuen Finanzkapitalismus geworden.“

Zehn Jahre später ist das Jammern groß. Erst jetzt wird offensichtlich, dass die Rentner in Wahrheit in eine Falle gelockt wurden, aus der es kein Entkommen gibt. Die gesetzlich garantierte Rente fällt und fällt, aber die private Vorsorge, die die Lücke schließen sollte, gleicht das nicht aus.
Die Altersvorsorge von 17 Millionen Menschen ist bedroht, denn die Pensionskassen können nur noch Anleihen mit niedrigen Zinsen aufnehmen. Der Anlagennotstand lässt die Renten schrumpfen.

Allen Unkenrufen zum Trotz, wurde nun durch das Bundeskabinett das sogenannte „Betriebsrentenstärkungsgesetz“ beschlossen, konkret heißt das, dass die Arbeitgeber eine reine Beitragszusage machen können, ohne jegliche Garantien auf eine spätere Rentenzahlung.

Das neue Gesetz wird dazu führen, dass die Beschäftigten zukünftig über noch mehr Entgeltumwandlung auf Lohn verzichten und damit ihre gesetzliche Rente und die aller künftigen Rentner kürzen. Gleichzeitig werden sie am Ende ihres Berufslebens nicht wissen, mit wieviel Betriebsrente sie rechnen können.

Ein Großteil ihres Geldes wird zukünftig hochriskant auf den Aktienmärkten angelegt werden. Läuft es schlecht, müssen laufende Renten gekürzt werden. Die Arbeitgeber übernehmen keinerlei Haftung und keinerlei Verantwortung mehr. Rentenroulette und Pokerrente – Bundesregierung liefert Betriebsrenten den Aktienmärkten aus weiterlesen

Das Drei-Säulen-Modell der Altersvorsorge – zwei von drei Säulen wackeln schon

fzfdhfduzthvZu Beginn dieses Jahrhunderts wurde das alte Ziel der Rentenversicherung, der Sicherung des Lebensstandards nach einem langen Erwerbsleben, verlassen und die Beitragsstabilität, sprich Senkung der „Lohnnebenkosten“ in den Vordergrund gestellt. Die Beiträge sollen bis zum Jahr 2030 nicht über 22 Prozent steigen und bis zu diesem Zeitpunkt das Rentenniveau um 20 Prozent sinken. Für die Beschäftigten heißt das, dass die gesetzliche Rente an Wert verlieren wird und sie privat und betrieblich vorsorgen sollen.

Das neue System wird das „Drei-Säulen-Modell“ genannt. Die Gesetzliche Rentenversicherung als erste Säule der Altersversorgung beruht auf dem Umlageverfahren, das heißt, die Erwerbstätigen zahlen mit ihren Beiträgen die laufenden Renten. Dagegen basieren die betriebliche Altersversorgung und die private Altersvorsorge auf dem Kapitaldeckungsverfahren. Die Beiträge der Versicherten werden dabei auf einem persönlichen Beitragskonto zuzüglich Zinsen und Zinseszinsen, sowie der von den Versicherungsunternehmen erwirtschafteten Überschüsse angesammelt. Hieraus werden dann die Versicherungsleistungen entweder in einer einzigen Summe oder als monatliche private Rente ausgezahlt. Der Staat unterstützt die betriebliche und private Altersvorsorge mit Zuschüssen. Das Drei-Säulen-Modell der Altersvorsorge – zwei von drei Säulen wackeln schon weiterlesen

Die Betriebsrenten sind als kapitalgedeckte Altersvorsorge gescheitert

2-format2010Als die rot-grüne Koalition im Jahr 2002 ihre große Rentenreform auf den Weg brachte und der Einstieg in die kapitalgedeckte Rente erstmals vollzogen war, wurde dies als der große Wurf gefeiert. Das deutsche Rentensystem sollte nun endlich zukunftssicher sein.

Doch schon im Jahr 2006 hatte der inzwischen verstorbene Robert Kurz unter der Überschrift „Zeitbombe Betriebsrenten“ auf folgenden Zusammenhang hingewiesen: „Die gesamte Weltwirtschaft schiebt einen Berg von Schulden, faulen Krediten und Abschreibungstiteln vor sich her. Einen wenig beachteten Aspekt bilden die Betriebsrenten der westlichen Konzerne. Entstanden in den längst vergangenen Zeiten der fordistischen Prosperität, sind sie zum Risikofaktor des neuen Finanzkapitalismus geworden.“
Fast zehn Jahre später ist das Jammern groß. Erst jetzt wird offensichtlich, dass die Rentner in Wahrheit in eine Falle gelockt wurden, aus der es kein Entkommen gibt. Die gesetzlich garantierte Rente fällt und fällt, aber die private Vorsorge, die die Lücke schließen sollte, gleicht das nicht aus.
Die Altersvorsorge von 17 Millionen Deutschen ist bedroht, denn die Pensionskassen können nur noch Anleihen mit niedrigen Zinsen aufnehmen. Der darauf folgende Anlagennotstand lässt die Renten schrumpfen. Die Betriebsrenten sind als kapitalgedeckte Altersvorsorge gescheitert weiterlesen