Das Märchen von der Kostensteigerung im Gesundheitswesen

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Schon jedes Kind weiß, dass ein Märchen nicht deshalb wahr wird, wenn man es nur oft genug erzählt bekommt.

Seit über 30 Jahren sollen die Kosten des Gesundheitswesens permanent explodieren. Fakt ist: Weder die Ausgaben der Gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) noch die Ausgaben für Gesundheit insgesamt sind in dem Zeitraum angestiegen. Sie bewegen sich tatsächlich parallel zur Steigerung des Bruttoinlandsprodukts, immer bei einem Anteil von rund 10 %. Mittlerweile sind es die Arbeitnehmer, die den größten Anteil der Ausgaben für die Gesundheit zahlen, allein schon über die Lohnsteuer. Nach den Berechnungen der Dienstleistungsgewerkschaft ver.di haben die Lohnsteueraufkommen vor 25 Jahren rund 30 % der gesamten Steuereinnahmen ausgemacht. Der Anteil der Steuern auf Gewinne und Vermögen war damals ungefähr genauso hoch. Heute beträgt der Anteil der Lohnsteuer rund 36 % und der der Gewinn- und Vermögenssteuern ist auf 14 % gesunken.

Die Beitragssätze steigen seit Jahren an und die Krankenkassen erwirtschaften sogar noch Überschüsse. Dennoch wird immer über die Höhe der sog. Lohnnebenkosten geklagt, obwohl gegenüber Unternehmen in Frankreich, Holland und des USA die deutschen Unternehmen weniger belastet werden. Man droht sogar wegen der sog. Lohnnebenkosten ins Ausland zu gehen oder aber Arbeitsplätze einzusparen. Mit Erfolg: Die Unternehmen zahlen seit 2011 in die GKV 1 % weniger ein, als die Arbeitnehmer. Dies bedeutet erstmals das Durchbrechen der paritätischen Belastung von Arbeitgebern und Arbeitnehmern. Auf der Ausgabenseite sieht es so aus, dass die Entgelte der 4,2 Millionen Beschäftigten im Gesundheitswesen real gesunken sind und damit keine Explosion auslösen konnten.

Schon eher könnten dies die Reinerträge der niedergelassen Ärzte in Höhe von 13.833 Euro pro Monat

oder

die Kosten der neu erfundenen Massenerkrankungen z.B. postmenopausale Osteoporose, erektile Dysfunktion, Reizdarm, physiologische Zustände, wie beispielsweise das Altern, werden als Krankheit umdefiniert, Schüchternheit mutiert zur sozialen Phobie, die Glatze zu einem Hormonmangel

oder

im Jahr 2012 gaben die Krankenkassen 30,6 Milliarden Euro für Medikamente aus, das sind 2,6 Prozent mehr als im Jahr 2011.

oder

die horrenden Gewinne der privatisierten Krankenhäuser bzw. Krankenhauskonzerne

oder

das glänzende Pharmageschäft z.B. hat der Bayer-Konzern im Jahr 2013 sein bestes Ergebnis in der Unternehmensgeschichte erwirtschaftet. Unter dem Strich waren dies 3,2 Milliarden Euro, ein Anstieg gegenüber dem Vorjahr von über 32 Prozent

oder

der boomende Markt für Medizintechnik mit einem Volumen von ca. 18 Milliarden Euro jährlich (2010) auslösen.

Wenn man wirklich sparen will, muss man vor allem bei der Pharmaindustrie ansetzen. Allerdings handelt es sich hier um riesige Konzerne mit großen Profiten und riesiger Macht. Entsprechend groß ist ihre Lobbyarbeit und ihr Einfluss auf die Gesetzgebung.

Wir könnten jährlich schon insgesamt 4,6 Milliarden Euro bei den Ausgaben für Medikamente sparen. Einerseits müssten die Ärzte konsequent günstigere Generika verschreiben und andererseits müsste das Preisniveau patentgeschützter Medikamente auf das Niveau der Preise in Frankreich herabgesetzt werden. Hier sind patentgeschützte Präparate im Schnitt ein Drittel günstiger als in Deutschland.

Trotz einer Umverteilung der Kosten von oben nach unten ist das Gesundheitssystem keinesfalls gefährdet. Einige können da richtig viel Geld verdienen. Solange die Gesundheit noch eine Ware ist, wird dies aus so bleiben.

Wenn die Entwicklung so weiter geht, werden die verbliebenen Reste des Sozialstaates durch die Beschäftigten mehr und mehr selbst finanziert werden.

Hier muss wieder gegengesteuert werden und Gesundheitsversorgung als ureigenste Aufgabe des öffentlichen Dienstes begriffen werden, die keinen Platz lässt für Gesundheitskonzerne mit dem Blick auf das schnell verdiente Geld.

Die sozialen Sicherungssysteme müssen schnellsten ausgebaut werden und jede Berufsgruppe und jede Einkommensart muss in die Finanzierung mit einbezogen werden.

Quellen: Statisches Bundesamt; Hans-Böckler-Stiftung, WAZ, ver.di

 Bild: ATIK-online