Eigentümer der Medienkonzerne: von Familienunternehmen und Patriarchen

netzfrauen.orgDas Erkenntnisinteresse des Autorenteams richtet sich auf die gegebenen Eigentumsstrukturen und die daraus ableitbare Verfügungsgewalt der Medien. Diese zeigt sich im Wirken der Medien, politischen Einfluss auszuüben und das in der Öffentlichkeit vorherrschende Meinungsspektrum zu bestimmen. Die Konzentration der Medien hat in den letzten dreißig Jahren kontinuierlich zugenommen, es sind nur eine Handvoll Verleger, die den Medienmarkt in Deutschland kontrollieren.

„Im vorherigen Artikel war unser Blick auf die Meso-Ebene gerichtet, sprich: auf die Verflechtungen der größten deutschen Medienunternehmen innerhalb unterschiedlicher Teile der Medienbranche. Demnach sind Unternehmen über die unterschiedlichen Medienmärkte hinweg aktiv, wobei einzelne große Unternehmen eine marktbeherrschende Stellung einnehmen. Durch die Betrachtung der größten und bekanntesten player wurde sichtbar, welche Ausmaße die Verflechtungen und Beteiligungen in den Mediensegmenten von Print bis Rundfunk annehmen.

In diesem Kapitel wird durch eine nähere Betrachtung der Besitzverhältnisse dieser marktbeherrschenden Unternehmen der Blick auf die Medienkonzentration ergänzt.

Wir wenden uns also der Mikro-Ebene zu, um offenzulegen, welche Eigentümerstrukturen die deutschen Mediengiganten charakterisieren. Dabei ist vor allem aufzuzeigen, wer eigentlich hinter den Medienkonzernen steht und wer von ihrer enormen Macht und ihren hohen Gewinnen profitiert. Sind es einzelne Personen und Familienclans, oder spielen vielmehr institutionelle Anleger und Kapitalmärkte eine Rolle?

1.1.   Die Eigentümer der deutschen Medienkonzerne – eine Geschichte idealtypischer Familienunternehmen…

Ein Blick auf Tabelle 10 zeigt, dass sich nahezu alle der zehn größten deutschen Medienkonzerne größtenteils in Familienbesitz befinden. Ausnahmen sind nur die ProSiebenSat.1-Gruppe sowie die beiden Anstalten des öffentlichen Rechts (ZDF und die ARD). Die Besitzstruktur aller anderen Medienkonzerne lässt sich anhand der schematischen Darstellung (Abb. 2) verdeutlichen.

Die Besitzverhältnisse der meisten deutschen Medienkonzerne haben jeweils die gleiche Struktur: hinter den Medienkonzernen stehen einzelne Familien, welche direkt und/oder indirekt am Unternehmen beteiligt sind und Kontrolle ausüben. Teilweise sind die Medienkonzerne dabei nicht als ein Unternehmen, sondern als eine „dezentrale“ Gruppe organisiert, d.h. unterschiedliche Unternehmen bilden ein ganzes Unternehmensgeflecht. Diese Unternehmensgeflechte sind aber letztendlich auch auf eine einzelne Familie zurückzuführen (auf die Rechtsform der einzelnen Großkonzerne gehen wir weiter unten noch gesondert ein). So steckt hinter dem Bertelsmann-Konzern die Familie Mohn, und insbesondere Liz Mohn. Der Axel Springer-Konzern wird mehrheitlich von der Familie Springer besessen. Die Bauer Media Group wird zum großen Teil von Yvonne Bauer kontrolliert, die weiteren Familienmitglieder spielen eine eher untergeordnete Rolle. Die Georg von Holtzbrinck Gruppe befindet sich im Besitz von Dr. Stefan von Holtzbrinck, Monika Schoeller (geb. von Holtzbrinck) sowie ihrer Tochter Christiane Schoeller, usw.

Im Mediensystem sind also – ähnlich wie in anderen Teilen der deutschen Wirtschaft – Familienunternehmen dominant. Genau dieses Bild wird von den Medienunternehmen selbst auch gerne vermittelt: sie seien traditionsreiche und über mehrere Jahrzehnte und Generationen in den einzelnen Regionen Deutschlands fest verwurzelte Unternehmen. Das Bild der Familienunternehmen ist ein beliebtes Stilmittel in den jeweiligen Unternehmensgeschichten. Auf der Website der Burda Media Group findet sich für dieses Selbstverständnis ein gutes Beispiel:

„Als Familienunternehmen mit über 100-jähriger Geschichte verbindet Hubert Burda Media Tradition und Innovation. […] Hubert Burda ist seit den sechziger Jahren im Unternehmen tätig und übernahm nach dem Tod seines Vaters 1986 das Stammgeschäft mit insgesamt 15 Zeitschriften und den Druckereien. Unter seiner Führung entwickelte das Unternehmen Meilensteine der deutschen Mediengeschichte.“

Ganz ähnlich lautet die Selbstdarstellung des Springer-Konzerns (Springer-Verlag GmbH, 2018), welcher auf seinen Gründer Julius Springer stolz ist;  oder auch die Selbstbeschreibung der DuMont-Mediengruppe: Diese lässt auf ihrer Website verlautbaren, dass sie zu „den großen, traditionsreichen Medienhäusern Deutschlands“ gehört, dessen Kerngeschäft als „Kölner Familienunternehmen“ der Qualitätsjournalismus für Tageszeitungen und deren digitale Angebote ist (DuMont Mediengruppe, 2019).

Und auch Bertelsmann konstruiert eine Familiengeschichte, die mit einer zentralen Unternehmenspersönlichkeit verknüpft ist. Der Bertelsmann-Verlag wurde 1835 von Carl Bertelsmann als Kleinverlag der christlichen Erweckungsbewegung gegründet. Noch in der vierten Generation wird die herausragende Rolle des Chefs betont: „Reinhard Mohn ist eine der großen deutschen Unternehmerpersönlichkeiten: In wenigen Jahrzehnten machte er aus dem mittelständischen Betrieb Bertelsmann einen der größten Medienkonzerne der Welt.“ (Bertelsmann Stiftung 2018).

Die Darstellung Reinhard Mohns rückt insbesondere seine Ideen und Bücher zur partnerschaftlichen Unternehmenskultur, Teamarbeit und Eigenverantwortung in den Vordergrund (Böckelmann und Fischler, 2004). Um diesen gesellschaftlichen Gestaltungsanspruch weiter zu befördern, gründete Mohn 1977 die Bertelsmann Stiftung – auch um die Unternehmenskontinuität in der Familie Bertelsmann und in der nächsten Generation unter Liz Mohn und ihren Kindern sicherzustellen.

Eine Ausnahmeerscheinung in Sachen Eigentümerstrukturen ist lediglich die ProSiebenSat.1 SE, welche sich nicht in Familien-, sondern im Streubesitz befindet. Kein Anteilseigner hält eine Mehrheit an den Aktien, diese sind weit verstreut auf unterschiedliche Personen und Unternehmen. Ein näherer Blick offenbart aber, dass insbesondere internationale Finanzinvestoren Geschmack an der kommerziellen Fernsehkette gefunden haben. Die Capital Group Companies hält ca. 15 % der Aktien, und auch BlackRock, der weltweit größte Vermögensverwalter, ist mit ca. 9 % an ProSiebenSat.1 beteiligt. Auch der weitere Aktienbesitz liegt bei internationalen Finanzinvestoren, wie etwa dem Europacific Growth Fund oder der Vanguard Group (kek Mediendatenbank 2018, Orbis Bureau van Dijk 2018; Jakobs 2016). Das war aber nicht immer der Fall. Vor 2002 war ProSiebenSat.1 in der Hand von Leo Kirch, einem Medienmogul, der auf Augenhöhe mit Springer, Bertelsmann und weiteren aktiv war. Erst mit seiner Pleite und dem anschließenden Ausscheiden aus der Medienbranche bot sich ein Fenster für außenstehende Anleger (für Details zum Fall Leo Kirch siehe Heimeier, 2013).

Im internationalen Vergleich fällt die zentrale Stellung einzelner Familien im deutschen Mediensystem besonders auf. Wie erwähnt gibt es aber auch andere große Medienkonzerne, die zwar von einzelnen Familien weitgehend kontrolliert werden, wie Comcast (Roberts-Familie) oder News Corp (Murdoch-Familie). In diesen Konzernen sind aber auch internationale Finanzinvestoren zu finden (z.B. Vanguard und BlackRock). Darüber hinaus sind viele große Medienkonzerne in der Hand von internationalen Finanzinvestoren, wie zum Beispiel Time Warner, WPP und Disney (Jakobs, 2016).

Tab. 10 : Eigentumsstrukturen der Medienkonzerne
Unternehmen Unternehmensform EigentümerInnen
1 Bertelsmann SE (Gütersloh) Europäische Aktiengesellschaft Bertelsmann Stiftung (77,6 %), Familie Mohn (ca.19,1 %)
2 ARD (München/Berlin) Anstalt des öffentlichen Rechts
3 ProSiebenSat.1 SE (Unterföhring) Europäische Aktiengesellschaft Internationale Finanzinvestoren wie Capital Group Companies (ca. 15 %) sowie Blackrock (ca. 9 %)
4 Axel Springer SE (Berlin/Hamburg) Europäische Aktiengesellschaft Familie Springer (ca. 80 %), Dr. Mathias Döpfner (2,8 %),

Rest: Banken u. internationale Finanzinvestoren

5 Bauer Media Group (Hamburg) Unternehmensgruppe bestehend aus KGs und GmbHs Yvonne Bauer (85 %),

Rest: weitere Mitglieder der Familie Bauer

6 Hubert Burda Media (Offenburg) Unternehmensgruppe bestehend aus KGs und GmbHs Jacob Linus Burda (49,95 %), Elisabeth Furtwängler (49,95 %)
7 ZDF (Mainz) Anstalt des öffentlichen Rechts
8 Georg von Holtzbrinck Gruppe (Stuttgart) Unternehmensgruppe bestehend aus KGs und GmbHs Dr. Stefan von Holtzbrinck (50 %), Christiane Schoeller (45 %), Monika Schoeller (5 %)
9 Funke Mediengruppe (Essen) Unternehmensgruppe bestehend aus GmbHs und GmbH & Co. KGaA Familie Grotkamp und

Dr. Stephan Holthoff-Pförtner

10 DuMont Mediengruppe (Köln) Unternehmensgruppe bestehend aus GmbHs und GmbH & Co. KGaA Familie DuMont
Quelle: kek, 2018b, 2019b; Orbis Bureau van Dijk 2018; Northdata, 2019
1.2.   … Oder als Geschichte einzelner (meist) männlicher Firmenpatriarchen?

Unternehmensgeschichte lässt sich aber auch anders lesen. Es ist eine Geschichte, in der einzelne (meist männliche) Unternehmenspatriarchen über die Familie und die MitarbeiterInnen des Unternehmens dominieren und – durch die besondere Stellung von Medien in der Gesellschaft – auch diese zentral beeinflussen. Studien und Berichte über die großen deutschen Medienunternehmer sind mit Hinweisen auf eine Unternehmenskultur durchzogen, welche geprägt ist von einem übermächtigen, herrischen Unternehmenspatriarchen, der über sein Reich regiert und keinen Widerspruch zulässt.

So schreibt zum Beispiel die Journalistin Hildebrandt (2012) in einem Portrait über Axel und Friede Springer: „Springer war ein Patriarch, der für seine Stimmungsschwankungen und seine Ungeduld gefürchtet wurde.“ Auch die großangelegte Biografie des Historikers und Politikwissenschaftlers Hans-Peter Schwarz zeichnet einen „Mann mit vielen Gesichtern“ (zitiert nach Ullrich, 2008): Springer war ein dandyhafter Lebemann mit einem ausgeprägten Hang zur Untreue, freigeistiger Pressezar mit weitreichender Medienmacht und politischem Gestaltungsanspruch, hart arbeitender Konzernlenker, aber auch unberechenbarer, rastloser, egomanischer Alleinherrscher, welcher leicht erregbar war und zu Wutanfällen neigte. In einem Portrait im Stern beschreibt Journalist Posche den etablierten, schwerreichen „Mammutverleger“ Springer, mittlerweile in fünft er Ehe mit Friede Springer, wie folgt: „Er hatte eine junge Frau, er hatte Häuser, Villen, Residenzen und Landsitze. Er lebte auf Kampen im Klenderhof, auf Gut Schierensee in Holstein, in der Villa Tranquillitati auf Schwanenwerder, auf der Insel Patmos, im schweizerischen Kloster, in Jerusalem und London und auf seiner eigenen Yacht. […] Wollte er über die politische Lage im Lande sinnieren, lud er sich GröVaz [größter Verleger aller Zeiten, Anm. der Autoren] und Minister ins Haus, Politiker aus dem In- und Ausland, sogar den Kanzler. Wenn es im Verlag einmal brannte, düsten seine Flanellmännchen mit dem Firmenflieger zum Rapport. Ansonsten hatten die Satelliten um den mächtigen Hausjuristen Bernhard Servatius alles im Griff.“ (Posche, 2008).

Auch im Fall Bertelsmann zeigt sich ein etwas anderes Bild, als dies gern auf Unternehmens- und Stiftungswebsites kommuniziert wird. So zeichnen Böckelmann und Fischler (2004) in ihrer detaillierten Studie über den Bertelsmann-Komplex ein Bild voller Machtansprüche, Führungswillen und bedingungsloser, hierarchischer Unterordnung.  Reinhard Mohn predigt zwar die Eigenverantwortung von MitarbeiterInnen und das partnerschaftliche Arbeiten als Unternehmensideal, dahinter aber verbirgt sich eine ausgeklügelte Unternehmensstrategie, um die Motivation und Leistungsbereitschaft der ArbeitnehmerInnen zu steigern. Und es scheint zu gelingen: ArbeitnehmerInnen, egal auf welcher hierarchischen Ebene, bezeichnen sich als „Bertelsmänner“, während Firmenziele und die (langfristige) Ausrichtung des Unternehmens durch die beherrschende Familie vorgegeben werden. Der Gewinn bleibt „unverzichtbarer Maßstab des Handels“ (Böckelmann und Fischler, 2004, S. 201-202).

Interessanterweise zeigt sich in den letzten Jahren eine Verschiebung in der Medienkonzern-Steuerung, zumindest hinsichtlich des Geschlechts. Hatten in der Vergangenheit vor allem Männer das (alleinige) Sagen in den Medienkonzernen, sind gegenwärtig zu einem wesentlichen Anteil Frauen an der Spitze der deutschen Verlagshäuser zu finden. Das Manager Magazin titulierte das mit „Frauenwirtschaft“ (Boldt, 2012). Vier der größten Medienkonzerne werden von Frauen geführt, Liz Mohn (Bertelsmann), Friede Springer (Axel Springer), Yvonne Bauer (Bauer Media) und Petra Grotkamp (Funke Mediengruppe). Zählt man Monika Schoeller und ihre Tochter Christiane, die bei der Verlagsgruppe Holtzbrinck eine wichtige Rolle spielen, sowie Maria Furtwängler, die einflussreiche Frau von Hubert Burda und auch Mit-Gesellschafterin in der Burda Media Group, noch hinzu, so sind in fast allen Milliardenkonzernen der Branche „starke Frauen“ vertreten (Boldt, 2012; Lipinski, 2016).

Yvonne Bauer wird in „Frauenwirtschaft“ auch gleich mit einer Interpretation zitiert, warum dies der Fall ist: „Medien sind sehr emotionale Produkte, […] vielleicht ist dies der Grund, warum es gerade in diesem Bereich so viele starke Frauen gibt“ (Boldt, 2012). Ein anderer Grund für den vergleichsweisen hohen Frauenanteil an der Spitze dieser Konzerne scheint dem Umstand geschuldet, dass etwa Liz Mohn und Friede Springer ihre – um einiges älteren – Ehemänner schlicht überlebt haben. Emotionalität sei also einmal dahingestellt. Überhaupt gibt es auch Anzeichen, dass trotz weiblicher Führungsrolle der patriarchale Stil beibehalten wird, und die weiblichen Firmenherrscherinnen sich auch durchzusetzen wissen.

So zum Beispiel Friede Springer: Nach dem Tod Axel Springers erbte sie und die weitere Familie Springer nur 26,1 Prozent der Springer-Aktien. Es dauerte bis 2002, den verhassten Mitaktionär Leo Kirch zu Boden zu ringen: Gemeinsam mit dem Vorstandsvorsitzenden Matthias Döpfner löst Friede Springer eine vereinbarte Rückkaufoption für die Anteile Springers an ProSiebeSat.1 ein. Der Preis von 767 Millionen Euro stürzt den TV-Mogul in weiterer Folge in den Ruin (Piech o. J.). Seitdem macht Friede Springer in regelmäßigen Abständen immer wieder klar, dass sie weder bereit ist, ihre Macht zu teilen, noch ans Aufhören denke. Erst Ende 2018 kam es zu einer Neuordnung der Unternehmensanteile, was ihr weiterhin die alleinige Macht sichert (Meedia Redaktion, 2018). Die langjährige Führungsrolle beim Springer-Konzern macht sie deutschlandweit zu einer der reichsten Frauen. Auf der Forbes-Liste der reichsten Menschen der Welt befindet sich Friede Springer auf Platz 529 (Forbes 2019b; zum Stichtag 4.7.2019).

Ähnliches zeigt sich bei Bertelsmann: Liz Mohn verfügt dreißig Jahre nach dem Tod ihres Ehemannes über eine weitreichende Machtfülle. Sie ist im Aufsichtsrat des Konzerns, im Präsidium der Stiftung und gleichzeitig auch in der achtköpfigen Bertelsmann-Verwaltungsgesellschaft. Hier kann sie mit einer Sperrminorität alle Entscheidungen verhindern, die ihr zuwider sind. An ihrem siebzigsten Geburtstag lässt sie verkünden, dass sie nicht daran denke, abzutreten (ntv 2011). Laut Forbes verfügt sie und ihre Familie über ein Vermögen von rund 2,7 Mrd. Euro und rangiert damit auf Platz 715 der Reichsten der Welt (Forbes 2019a; Stichtag 4.7.2019).

1.3.   Die rechtlichen Konstruktionen der „Familienunternehmen“: kaltes Kalkül und Kontrollwahn

Wie in Kapitel 6.2 ausgeführt stecken hinter den größten deutschen Medienkonzernen einzelne Familienclans, die direkt und/oder indirekt am Unternehmen (oder der Unternehmensgruppe) beteiligt sind. Betrachtet man die Rechtskonstruktionen dieser Medienkonzerne genauer, treten zwei Prinzipien zu Tage, die sich durch die rechtliche Organisation der Medienkonzerne ziehen: Kontrolle und Risikominimierung.

Ein Blick in die Firmenbücher zeigt, dass sowohl bei der Bertelsmann SE als auch bei der Axel Springer SE, trotz ihrer Rechtform als Aktiengesellschaft, die Eigentümerschaft sehr stark auf jeweils eine Familie konzentriert ist.

Bei der Bertelsmann SE sind die großen Anteilseigner die Bertelsmann Stiftung (77,6 % der Aktien) und die Familie Mohn (19,1 % der Aktien). Die Stiftung und die Bertelsmann SE sind zwar zwei formal getrennte Einheiten, faktisch sind sie aber über Aktienbesitz und zentrale Personen der Familie Mohn miteinander verbunden (Orbis Bureau van Dijk, 2018; Lobbypedia, 2018a).

Abbildung 3 stellt die bestimmende Rolle der Familie bei der Axel Springer SE dar: Ein Großteil der Aktien wird von der Familie Springer kontrolliert (Ariane Springer, Axel Sven Springer und Dr. Friede Springer). Die weiteren ca. 44 % befinden sich in Besitz unterschiedlicher Banken und internationaler Finanzinvestoren, wie der Capital Group, BlackRock, der Allianz SE und dem Fidelity Investment Trust (Orbis Bureau van Dijk, 2018; kek Mediendatenbank, 2018b). Ein Blick in das Firmenbuch zeigt außerdem, dass Dr. Friede Springer nicht nur zentrale Anteilseignerin ist, sondern auch Mitglied des Aufsichtsrats, was sie zu einer mächtigen Person im Unternehmen macht (Orbis Bureau van Dijk, 2018; Boldt, 2012).

Es zeigt sich also, dass bei den beiden europäischen Aktiengesellschaften Bertelsmann und Springer über spezielle Rechtskonstruktionen und durch die Mehrheitsverhältnisse die Kontrolle bei der Familie, und insbesondere den beiden Frauen Liz Mohn und Friede Springer, liegt.

Hinsichtlich der Risikominimierung lässt sich feststellen, dass alle großen deutschen Medienkonzerne Rechtskonstruktionen gewählt haben, bei denen die Haftung der EigentümerInnen beschränkt ist. So liegt zum Beispiel im Falle der als Unternehmensgruppen organisierten Medienhäuser die unbeschränkte Haftung bei einer Sub-Firma (z.B. bei einer extra dafür gegründeten GmbH) und nicht bei natürlichen Personen (also nicht bei einem der Familienmitglieder). Ähnlich ist es bei den europäischen Aktiengesellschaften. Hier haften diese als eigenständige Rechtspersönlichkeiten mit ihrem Firmenvermögen; die EigentümerInnen tragen nur das Risiko des Wertverlusts ihrer Aktien (bpb, 2004; Zandonella, 2009). In beiden Fällen (Unternehmensgruppen und Aktiengesellschaften) wird dadurch also für die hinter solchen Firmenkonstruktionen stehenden BesitzerInnen das Risiko, mit dem eigenen Vermögen haften zu müssen, minimiert (bpb, 2004; Becker & Schreiner, 2016).

Ein Blick in das Handelsregister zeigt, dass sowohl bei der Bauer Media Group als auch der Hubert Burda Media Group dies vor wenigen Jahren noch anders geregelt war: bis zu Beginn der 2010er Jahre war in beiden Unternehmensgruppen noch der jeweilige Familienpatriarch als privathaftender Komplementär eingetragen. Dies wurde erst vor kurzem geändert.

Mit 2016 übernahm bei der Bauer Media Group zum Beispiel eine in Luxemburg ansässige Gesellschaft (die HB GmbH) die persönliche Haftung, wohingegen das Privathaftungsrisiko der Bauer-Erbinnen reduziert worden ist (Northdata, 2019, Lipinski, 2016; Boldt, 2012). Ein wichtiges Motiv hinter der neuen Firmenkonstruktion könnte sein, dass diese neben einem reduzierten Risiko für die Familie gleichzeitig nur eine minimale Mitbestimmung der MitarbeiterInnen ermöglicht. Die Mitarbeitermitbestimmung scheint bei diesem Unternehmen also nicht besonders hoch im Kurs zu stehen (Lipinski, 2016).

Betrachtet man den Fall der Hubert Burda Media Group näher, ergibt sich auch hier ein ähnliches Bild. War bis Mitte 2017 noch Dr. Hubert Burda persönlich haftender Gesellschafter, so stieg am 20. Juli 2017 die Hubert Burda Media Holding Geschäftsführung SE (also eine europäische Aktiengesellschaft) als persönlich haftender Gesellschafter in das Unternehmen ein (Northdata, 2019). Auch hier dient die Neuregelung dazu, dass die nächste Generation der Burda-Familie (Jacob Linus Burda und Elisabeth Furtwängler, geb. Burda) nicht über ihren Stammkapitalanteil hinaus haftbar gemacht werden kann.

Auch bei anderen deutschen Medienkonzernen (DuMont Mediengruppe, Funke Mediengruppe, Verlagsgruppe Georg von Holtzbrinck) lässt sich aufgrund der rechtlichen Struktur eine Gleichzeitigkeit von Kontrolle und Risikominimierung ausmachen (Northdata, 2019; kek, 2018b).

1.4.   Der gesellschaftliche Einfluss der Medienunternehmen – drei Beispiele

Anhand von Springer, Bertelsmann und Holtzbrinck sollen im Folgenden exemplarisch die Verflechtungen mit medienfremden Bereichen aufgezeigt werden. Damit ist beabsichtigt, Hinweise zu liefern, auf welche unterschiedliche Art und Weise Medienunternehmen, bzw. deren EigentümerInnen gesellschaftlichen Einfluss geltend machen.

1.4.1.    Friede Springer – Informelle Freundschaften und dazu ein Schuss professionalisierter Lobbyismus

Wie schon im vorherigen Kapitel erwähnt, ist insbesondere Friede Springer als Großaktionärin der Axel Springer SE die zentrale Person des Unternehmens. Neben ihrer Unternehmenstätigkeit ist sie in diversen Stiftungen und „wohltätigen“ Organisationen tätig und gilt als mit Bundeskanzlerin Angela Merkel gut befreundet (Forbes, 2019b). Angela Merkels Ehemann, Prof. Dr. Joachim Sauer, ist Kuratoriumsmitglied der Friede-Springer-Stiftung (Schreier, 2016). Sowohl Friede Springer als auch der Vorstandsvorsitzende der Axel Springer SE, Mathias Döpfner, waren beim legendären Ackermann-Abendessen im Kanzleramt am 22. April 2008 geladen (Abgeordnetenwatch, 2017).

Neben guten persönlichen Kontakten zu Wirtschaft und Politik pflegt die Springer SE auch Kontakt in professionellerer Form durch hauptberufliche Lobbyisten. So berichtet Christoph Keese als Konzerngeschäftsführer von Public Affairs direkt an Konzernchef Mathias Döpfner; er scheint sowohl innerhalb der Medienbranche als auch darüber hinaus bestens vernetzt zu sein. Neben seiner Funktion als urheberrechtspolitischer Sprecher beim Bundesverband Deutscher Zeitungsverleger ist er auch Mitglied des Kuratoriums des Humboldt-Forum Wirtschaft. Von 2004 bis 2009 war er Mitglied des Kuratoriums der neoliberalen Friedrich August von Hayek Stiftung (Lobbypedia, 2018b). Auch Dietrich von Klaeden ist für die guten Beziehungen der Axel Springer SE zu Parlamenten, Ministerien und Verbänden zuständig, und er ist Mitglied der Atlantik-Brücke. Beide, Keese und von Klaeden, scheinen insbesondere beim Leistungsschutzrecht massiv Lobbyarbeit geleistet zu haben. Praktisch auch, dass der Bruder von Dietrich von Klaeden zur gleichen Zeit Staatsminister im Kanzleramt war (Beckedahl 2012; Lobo, 2012).

1.4.2.   Bertelsmann – besonders die Stiftung ist umtriebig und unternehmenslustig

Wie schon beschrieben ist die Bertelsmann SE eng verknüpft mit der Bertelsmann Stiftung sowie der Familie Mohn. Die Bertelsmann Stiftung wurde 1977 vom damaligen Unternehmenspatriarch Reinhard Mohn gegründet und erhielt 1993 den Großteil der Aktien am Medienunternehmen Bertelsmann. Durch diese Konstruktion konnten nicht nur gut zwei Milliarden Euro Erbschafts- oder Schenkungssteuer umgangen werden, sondern auch die langfristige Kontrolle des Bertelsmann-Konzerns durch die Familie Mohn sichergestellt werden (Lobbypedia, 2018a; Schumann, 2006). Der Bertelsmann-Komplex zeichnet sich, wie diverse Studien, Berichte und Bücher belegen, durch seinen Willen und Anspruch zur gesellschaftlichen Gestaltung und Veränderung aus (dies knüpft vermutlich an die Unternehmensfrühgeschichte und seine Nähe zur christlichen Erweckungsbewegung an). Insbesondere die Stiftung, aber auch die Aktiengesellschaft, sind auf die Vision Reinhard Mohns ausgerichtet: Nicht nur rein unternehmerisch tätig zu sein, sondern auch sozial, kulturell und politisch zu wirken, d.h. mitzugestalten, zu verändern, zu reformieren (Böckelmann und Fischler, 2004). Die Stiftung versteht sich als Deutschlands führende Reformwerkstatt, in der gesellschaftliche Veränderung angedacht, Reformen vorbereitet und Denkanstöße gegeben werden. Dafür verfügte sie zum Beispiel 2017 über einen Jahresetat von ca. 90 Millionen Euro für Studien, Forschungsarbeiten und ihre weitere Projektarbeit. In ihrem 40-jährigen Bestehen wurden insgesamt rund 1,4 Milliarden Euro für „gemeinnützige Arbeit“ bereitgestellt (Bertelsmann Stiftung 2018).

Inhaltlich arbeitet die Stiftung zu vielen gesellschaftlichen Themenbereichen, wie Bildung, Schule und Universitäten; Gesundheitspolitik; Arbeitsund Sozialpolitik; Außenund Sicherheitspolitik. Dabei werden allerdings keine Stipendien vergeben oder Projekte Dritter unterstützt, die sich an die Stiftung wenden. Die Stiftung fördert nur selbstdefinierte Projekte, Netzwerke und stiftungsnahe Zentren (Lobbypedia, 2018a; Böckelmann und Fischler, 2004). Die Liste an Projekten, Studien, Berichten und stiftungsnahen Zentren ist fast unüberschaubar; einige wenige sind dennoch exemplarisch zu nennen: Die Stiftung ist an unterschiedlichen Zentren, wie dem Centrum für angewandte Politikforschung (CAP), dem Centrum für Hochschulentwicklung (CHE), dem Centrum für Krankenhausmanagement (CKM) sowie der Bertelsmann Wissenschaftsstiftung, beteiligt. Gesellschafts- und wirtschaftspolitisch ist die Bertelsmann Stiftung immer wieder durch ihr Bekenntnis zu „freien“ Märkten, Globalisierung, Ökonomisierung von Bildung, Gesundheit und Forschung  sowie Deregulierung  von Staatsaufgaben und den Abbau des Sozialstaats aufgefallen. So initiierte die Stiftung immer wieder eigene Kampagnen, wie etwa 2005 die „Du bist Deutschland“-Kampagne oder die „Unternehmen für die Region“-Kampagne im Jahr 2007, um bestimmte Positionen im gesellschaftlichen Diskurs zu befördern. Seit 2014 setzt sie sich massiv für das EU-USA-Freihandelsabkommen (TTIP) ein, z.B. wurde eine „TTIP Roadshow“ veranstaltet (Lobbypedia, 2018a; Böckelmann und Fischler, 2004).

Neben dem Setzen und Beeinflussen gesellschaftlicher Diskurse wird auch der direkte Kontakt mit politischen Entscheidungsträgern und der wirtschaftlichen Führungselite gesucht. Dies geschieht zum Beispiel auf Seminaren, wie dem International Bertelsmann Forum, oder während der regelmäßigen „Bertelsmann Partys“ sowie in den vielen Gesprächskreisen, die in Gütersloh veranstaltet werden (Schuhmann, 2006). Das Kuratorium der Bertelsmann Stiftung hat die wichtige Funktion, Führungsgrößen aus Wirtschaft, Politik und Wissenschaft an die Stiftung zu binden. In diesem sitzen unter anderem Personen mit hohen Funktionen in anderen Wirtschaftsbereichen, wie etwa Werner J. Bauer, ehemaliger Aufsichtsratsvorsitzender der Nestlé AG, oder Prof. Dr. Wolfgang Herrmann, Präsident der Technischen Universität München. Natürlich sind auch PolitikerInnen im Kuratorium vertreten, z.B. Viviane Reding, Mitglied des Europäischen Parlaments (Fraktion der EVP) und bis Juni 2014 EU-Kommissarin für Justiz (Lobbypedia, 2018a).

1.4.3    Von Holtzbrinck – Ein Herz für die Bildung

Gesellschaftlichen Einfluss übt auch die Familie von Holtzbrinck, insbesondere Dieter von Holtzbrinck mit seiner nach ihm benannten Stiftung, aus. Diese ist zwar lange nicht so groß wie die Bertelsmann-Stiftung und die beiden Springer-Stiftungen aber sie vermag ebenfalls Einfluss auszuüben. Ihr zentrales Projekt im Bildungsbereich, die Initiative „Wirtschaft Verstehen Lernen“, wurde 2012 ins Leben gerufen und hat seitdem schon beachtlichen Einfluss geltend gemacht. Hinter der Initiative steht die Grundidee, dass „jede Schulabgängerin und jeder Schulabgänger über ein ökonomisches Grundwissen verfügen [sollte], das sie oder ihn befähigt, solide private, berufliche und staatsbürgerliche Entscheidungen zu treffen“ (DvH Stiftung, 2019). Dieses ökonomische Grundwissen soll in einem eigenständigen Schulfach „Wirtschaft“ unterrichtet werden.

Auf der Website werben unter anderem Dr. h.c. Michael Klett, Vorsitzender des Aufsichtsrats der Ernst Klett AG, welcher im Kerngeschäft Schulbücher herausgibt, Gerda Windey, Ministerialdirektorin im Ministerium für Kultus, Jugend und Sport, Baden-Württemberg, sowie Prof. Dr. Bernd Engler, Rektor der Eberhard-Karls-Universität Tübingen, für eben jenes Schulfach Wirtschaft (DvH Stiftung, 2019).

Bei näherer Betrachtung und Analyse tritt bei diesem Projekt „Wirtschaft Verstehen Lernen“ eine spezifisch wirtschaftsliberale Perspektive zu Tage, auf Kosten derer kritischere Wirtschaftsverständnisse ausgeblendet werden sollen. Darauf verweist u.a. der Duisburger Sozialökonom Till van Treeck (2014), der die Initiative „Wirtschaft Verstehen Lernen“ als einseitig und tendenziell marktliberal beurteilt.

Doch die Dieter von Holtzbrinck Stiftung hat nicht nur eine Initiative gestartet und einige einflussreiche Menschen gefunden, die diese unterstützen. Sie bietet ein nahezu perfektes Rundumpaket für das Bundesland Baden-Württemberg an, das 2016 ein eigenständiges Pflichtfach „Wirtschaft“ eingeführt hat. Es werden maßgeschneiderte Unterrichtsmaterialien und Lehrbroschüren (erstellt von dem zum Holtzbrinck-Verlag gehörenden Handelsblatt) zur Verfügung gestellt. In den Unterrichtsmaterialien schreibt unter anderem auch der Präsident des Industrie- und Handelskammertages (DIHK) ein Gastwort. Weiterhin wird eine Stiftungsprofessur an der Universität Tübingen eingerichtet, die u.a. zukünftige Wirtschaftslehrer ausbilden soll. Teil der Ausbildung ist dabei, dass die angehenden Pädagogen in Unternehmen hospitieren: Die Stiftung fördert zusätzlich die Schnuppereinsätze. Und auch der Weg ins zuständige Ministerium ist kurz, nachdem doch die Ministerialdirektorin des Landes im Beirat der Holtzbrinck-Stiftung sitzt (Kramer, 2015)“.

 

Der Artikel ist aus dem Report Nr. 118 „Zur Politischen Ökonomie der Medien in Deutschland“  des isw – Institut für sozial-ökologische Wirtschaftsforschung e.V. und wird hier mit freundlicher Genehmigung gespiegelt.

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Zum Report Nr. 118 „Zur Politischen Ökonomie der Medien in Deutschland“:

Das Erkenntnisinteresse des Autorenteams richtet sich auf die gegebenen Eigentumsstrukturen und die daraus ableitbare Verfügungsgewalt der Medien. Diese zeigt sich im Wirken der Medien, politischen Einfluss auszuüben und das in der Öffentlichkeit vorherrschende Meinungsspektrum zu bestimmen. Die Konzentration der Medien hat in den letzten dreißig Jahren kontinuierlich zugenommen, es sind nur eine Handvoll Verleger, die den Medienmarkt in Deutschland kontrollieren.

Die Autoren verweisen auf die idealisierte, widersprüchliche Rolle der Medienindustrie als demokratische Institution und auf ihre Doppelrolle: Einerseits ist sie Bestandteil des wirtschaftlichen Gesamtprozesses und formt diesen mit ihrem enormen Machteinfluss mit, andererseits hat sie die demokratische Rolle in der Bereitstellung von Informationen für die Bürger*innen und der öffentlichen Kontrolle von Staatsorganen. Es zeigt sich, dass kommerzielle Medienunternehmen weit mehr geneigt sind, ihrer Rolle als profitgetriebene Unternehmen im Rahmen der kapitalistischen Produktionsweise nach-zugehen, als ihrer Rolle als demokratische Grundinstitution nachzukommen.

isw-report 118 Sept. 2019 / 60 S. / 4,00 Euro zzgl. Vers.

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