Die Äußerungen von Detlef Scheele – Vorstandsvorsitzender der Skandalagentur – sind nicht nur arrogant und zynisch, sie sind widerlich

Seit dem 1. April 2017 ist SPD-Mitglied Detlef Scheele Vorstandsvorsitzender der Bundesagentur für Arbeit (BA). Er hat in seinen öffentlichen Verlautbarungen von vorne herein seine Hardliner Positionen klargestellt und ganz neue Wortschöpfungen kreiert. So spricht er davon, dass er eine „fürsorgliche Belagerung“ befürwortet und meint, dass der Fallmanager den „Arbeitslosen und seine Familie öfter sehen solle“ und mehr „Aufmerksamkeit widmen“ möchte, denn die „Vermittlungszahlen sind deutlich angestiegen, wenn die Kontaktdichte sich erhöht“.

 

Auch spricht sich Scheele gegen eine „Rückabwicklung“ der sogenannten Arbeitsmarktreformen aus. Er macht damit deutlich, wie die Leistungsgewährung aussehen wird, nämlich so, dass er den Druck auf die Menschen ohne bezahlte Arbeit erhöhen wird und sie, wo eben möglich, aus dem Leistungsbezug herausdrängt.

Aktuell hält er eine Erhöhung des Hartz-IV-Regelsatzes auf monatlich 600 Euro für nicht zielführend, weil er bezweifelt, dass „jemand mit 600 Euro deutlich zufriedener wäre. Wer sorgenlos leben möchte, der muss sich berappeln und möglichst gut entlohnte Arbeit finden“.

Diese Ausrichtung des Vorsitzenden passt gut zu einer öffentlichen Arbeitsverwaltung, die die Öffentlichkeit scheut, vor allem dann, wenn es um ihre zahlreichen Skandale in den letzten 20 Jahren geht.

Die meisten Menschen kennen die Arbeitsverwaltung lediglich aus dem Fernsehen, wenn immer am Monatsanfang von der Bundesagentur für Arbeit in Nürnberg die neusten offiziellen Arbeitslosenzahlen bekannt gegeben und kommentiert werden. Ähnliche Rituale finden auch auf der örtlichen Ebene bei den Agenturen für Arbeit statt.

Nur wenige Menschen kennen die Agentur für Arbeit aber als gigantischen Info-Pool, in dem es Zahlen über Zahlen gibt und gesammelt wird, was das Zeug hält. Da fallen Daten auf der Einnahmenseite z.B. von den Beiträgen zur Arbeitslosenversicherung an, aus denen man detaillierte Informationen über Beschäftigungs- und Unternehmensstrukturen, Erwerbseinkommen und Arbeitszeiten bekommen kann. Auf der Ausgabenseite erhält man Informationen über die Qualifikation, Geschlecht, Alter, Gesundheit und Umfeld der Leistungsempfänger.

Bei der Agentur für Arbeit handelt es sich um eine öffentliche Verwaltung, die der Öffentlichkeit auch Auskunft, Rechenschaft und Aufklärung geben muss.

Doch wehe dem, der dies dann auch einfordert.

Umbau der Bundesanstalt für Arbeit und die Folgen

Im Jahr 2002 wurde im Rahmen einer von vielen der sogenannten Reformen der rot-grünen Bundesregierung der Präsident, der damals noch Bundesanstalt für Arbeit genannten Institution, durch einen dreiköpfigen Vorstand ersetzt, dessen Mitglieder aufgrund ihrer Vorstandstätigkeit keinen Beamtenstatus mehr hatten, dafür aber deutlich höhere Gehälter als die bisherigen Präsidenten bekamen. Der Macher an der Spitze der Bundesanstalt war damals der selbstherrliche Florian Gerster.

Der Verwaltungsrat ist das zentrale Organ der Selbstverwaltung der Bundesagentur für Arbeit. Er besteht drittelparitätisch aus je sieben ehrenamtlichen Vertretern der Beschäftigten, der Unternehmen und der öffentlichen Körperschaften. Er soll u.a. die Arbeit des hauptamtlichen Vorstands überwachen und ihn in allen aktuellen Fragen des Arbeitsmarktes beraten.

Der Verwaltungsrat konnte die zahlreichen Affären in den letzten 20 Jahren aber nicht verhindern.

 

Hier ein Ausschnitt der Skandale in der Arbeitsverwaltung:

2002

Am 22.08.2002 gab der damalige Vorstandsvorsitzende der Bundesanstalt für Arbeit, Florian Gerster in einer Pressemitteilung bekannt, dass für den Umbau seiner Behörde ein Zeitraum von zwei Jahren veranschlagt werde. Der Umbauprozess werde „in seinem Kern“ solange dauern. Die Bundesanstalt sollte künftig den Namen „Bundesagentur für Arbeit“ tragen, näher mit den „Arbeitgebern“ zusammenarbeiten und sich mehr als Dienstleister verstehen. Damit sollte die aktive Entwicklung hin zu einer Dienstleistungseinrichtung hervorgehoben werden. Die Bezeichnung „Anstalt“ hätte eher Verwaltung und „Obrigkeitsstaat“ betont.

2003

Im April 2003 wurde Florian Gerster der Luxusumbau der Nürnberger Chefetage vorgeworfen. Das Projekt kostete 2,6 Millionen Euro. Es umfasste nicht nur die Chefetage, sondern auch die Räume für die allmonatliche Pressekonferenz. Man hatte den Eindruck, dass der Bau das Symbol für den neuen Status von Florian Gerster war. Er überzog aber deutlich, als er einen 1,3 Millionendeal mit dem Beratervertrag mit der Berliner “WMP Eurocom” ohne Ausschreibung einfädelte. Ebenfalls aus Mitteln der Arbeitslosenkasse.

Anschließend wurden Verträge mit fünf Beraterfirmen und einem Gesamtvolumen von 38 Millionen Euro bekannt. Es wurden auch Vorwürfe laut, er solle veranlasst haben, dass interne Protokolle der Behörde verfälscht wurden, um die Affäre zu vertuschen, damit war Florian Gerster nicht mehr als Vorstandsvorsitzender zu halten.

Allerdings: Nach seiner Entlassung bezog Gerster immer noch Zahlungen aus seiner Tätigkeit bei der Bundesagentur. Dies hatte er sich schon frühzeitig vertraglich entsprechend zusichern lassen.

2004

Bei der Affäre um angeblich gefälschte Vermittlungsstatistiken im Jahr 2004 war sogar der Ruf nach Abschaffung der Bundesanstalt für Arbeit laut geworden. Wegen rückläufiger Vermittlungsquoten stand die Arbeitsverwaltung unter Druck. Die neu benannte Agentur bekam den Auftrag, den Vermittlungsprozess am Arbeitsmarkt zu beschleunigen und passgenauer zu organisieren.

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Im selben Jahr wurde die Bundesagentur für Arbeit bei der Verleihung des Datenschutz-Negativpreises Big Brother Awards in der Kategorie – Behörden und Verwaltung – ausgezeichnet, die Gründe dafür wurden in der Laudatio genannt: „wegen

  1. a) der inquisitorischen Fragebögen zu ALG 2,
  2. b) der Unwilligkeit, die Fragebögen vor 2005 datenschutzgerecht zu überarbeiten, sowie
  3. c) der vermuteten Zugriffsmöglichkeit auf die Daten der Arbeitssuchenden von sämtlichen Arbeitsagenturen.“
2005

Es kam der Vorwurf auf, dass laut internen Weisungen, Termine von Beschäftigten mit zusätzlichem Arbeitslosengeldbezug (Aufstocker) absichtlich unpassend zu legen, um die Sanktionsquote erhöhen zu können.

2009

Das Fernsehmagazin Monitor kritisierte im August, dass eine steigende Anzahl von Arbeitssuchenden nach einem schriftlichen Testverfahren als „dauerhaft geistig behindert“ eingestuft wurde, um dann an eine Werkstatt für behinderte Menschen vermittelt zu werden. Sie fallen somit aus der Arbeitslosenstatistik und verursachen zudem weniger Kosten für die Agentur. Eine fachärztliche Untersuchung zur Feststellung der geistigen Behinderung fand nicht statt. Monitor verwies noch darauf, dass die Zahl der jährlich auf Behindertenwerkstätten verwiesenen Arbeitssuchenden von 22.678 im Jahr 2004 auf 27.350 im Jahr 2008 angestiegen war.

2011

Die Hertener Allgemeine berichtete am 01.07.2011: „Um Publikumsverkehr, persönliche Gespräche, Telefonkontakte, Postbearbeitung, das Schreiben von Verfügungen sowie Entscheidungen und deren Umsetzung kümmert sich im Jobcenter (ehemals „Vestische Arbeit“) der sogenannte „Leistungsbereich“. Drei Team-Leiter und 25 weitere Kollegen aus diesem Bereich haben jetzt einen Brandbrief an den Landrat, den Hertener Bürgermeister sowie an die Führungsetagen von Arbeitsagentur und Jobcenter gerichtet, außerdem an die Personalräte der Stadt Herten, der Kreisverwaltung und der Bundesagentur für Arbeit. In dem Brief stellen die Mitarbeiter klar, dass sie ´für alle Tätigkeiten im Bereich Leistungsgewährung nach dem SGB II mit sofortiger Wirkung alle Verantwortung ablehnen`. Will sagen: Sie wollten für die Dinge, die in der Behörde schief laufen, nicht mehr den Kopf hinhalten oder gar haftbar gemacht werden.

Und schief lief offenbar eine Menge: Seit sechseinhalb Jahren bestehe Personalmangel, und das bei immer weiter steigenden Fallzahlen. Die Umsetzung des ´Bildungspaketes`, das Kindern und Jugendlichen zum Beispiel Musikunterricht oder die Mitgliedschaft in einem Sportverein ermöglichen soll, sei ´leider nicht mehr zu bewältigen`. Die 28 Unterzeichner des Briefes verweisen auf 1.950 unbearbeitete Poststücke. Entsprechend würden sich die Beschwerden von Hartz-IV-Empfängern häufen“.

2013

Inge Hannemann war seit 2005 Mitarbeiterin beim Jobcenter Hamburg-Altona. Sie weigerte sich über Monate hinweg, bei Regelverstößen Sanktionen zu verhängen und hatte das Hartz-IV-System öffentlich als unmenschlich und verfassungswidrig angeprangert. Zudem kritisierte sie einige Umgangsweisen mit Beziehern von Arbeitslosengeld II, sowie diesbezügliche Vorgaben im Jobcenter. Das alles war ihrem Anstellungträger zu viel, sie wurde im April 2013 mit sofortiger Wirkung vom Dienst freigestellt und erhielt Hausverbot. Dagegen klagte sie vor dem Hamburger Arbeitsgericht auf Weiterbeschäftigung. Der Eilantrag Hannemanns auf Weiterbeschäftigung wurde vom Arbeitsgericht am 30. Juli 2013 abgewiesen.

Das Jobcenter Hamburg wurde in einer Online-Petition aufgefordert, die arbeitsrechtlichen Sanktionen gegen Inge Hannemann aufzuheben, über 16.000 Menschen unterstützten die Petition.

Sie war die erste Mitarbeiterin eines deutschen Jobcenters, die sich in der Öffentlichkeit kritisch gegen die Arbeitsmarktpolitik der Agenda 2010 aussprach. Die Bundesagentur für Arbeit erklärte, noch während des laufenden arbeitsrechtlichen Verfahrens gegenüber der Presse, dass es die behaupteten Missstände nicht gebe und Frau Hannemann tausende Mitarbeiter in den Jobcentern gefährde. Inge Hannemann widersprach dem, denn sie konnte ihre Kritik mit Dokumenten belegen. Das Arbeitsgericht der Hansestadt hat im April 2014 ihre Klage auf Weiterbeschäftigung als Arbeitsvermittlerin wegen Formfehler abgewiesen.

Am 23. Oktober 2013 reichte sie die Petition “Arbeitslosengeld II – Abschaffung der Sanktionen und Leistungseinschränkungen (SGB II und SGB XII)” ein und am 16.12.2013 hatte sie die notwendigen 50.000 Unterschriften gesammelt, damit die Petition behandelt werden konnte. In der Sitzung des Petitionsausschusses am 17.03.2014 wurde dann ein Verzicht auf Sanktionen beim Arbeitslosengeld II von der Bundesregierung abgelehnt.

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In seiner Sendung im Juli berichtete Monitor über die unzureichende Prüfung von Unternehmen der Arbeitnehmerüberlassung. Für 18.500 Leiharbeitsfirmen seien nur 55 Prüfer der Bundesagentur für Arbeit zuständig. Sanktionen oder Auflagen gab es auch bei mehrfachen Verstößen für die Unternehmen nicht.

2014

Anfang Januar 2014 wurde bekannt, dass seit Monaten eine Studie der BA unbeachtet im Netz stand, die brisante Daten zur psychosozialen Lage der rund 4,3 Millionen Bezieher von Arbeitslosengeld 2 enthielt. Die Studie zeigte auch auf, dass der erhebliche Hilfe-, Betreuungs-, Behandlungs- und Beratungsbedarf vieler Hilfeempfänger nicht einmal ansatzweise gedeckt wurde. So hatten 25 Prozent der erwerbsfähigen Hartz-IV-Empfänger, also mehr als eine Million Menschen Schuldenprobleme. 2011 erhielten aber nur 34.000 eine Schuldnerberatung. Ähnlich sieht es beim Thema Sucht aus: Vorsichtig geschätzt hatte laut der Studie etwa jeder zehnte erwerbsfähige Hilfe-Bezieher, das sind mehr als 400.000, ein Suchtproblem. Eine Beratung erhielten 2011 nicht einmal 10.000. Außerdem ging die Studie davon aus, dass knapp eine Million der 4,3 Millionen Grundsicherungs-Empfänger psychosoziale Probleme hatten. Eine Betreuung erhielten 2011 nur 19.000 Menschen.

Das Bremer Institut für Arbeitsmarktforschung und Jugendberufshilfe (BIAJ) fragte in einer Kurzmitteilung am 27.01.2014: „Nach 327 Millionen Euro im vergangenen Haushaltsjahr könnten im Verlauf des Haushaltsjahres 2014 von den 303 Jobcentern in gemeinsamen Einrichtungen (gE) insgesamt bis zu 450 Millionen Euro der Bundesmittel für „Leistungen zur Eingliederung nach dem SGB II“ (kurz: „SGB II- Eingliederungsleistungen“/EGL) gesperrt. Anschließend wurde sie in deren Verwaltungskostenbudgets umgeschichtet – bis zu 450 Millionen Euro der knapp 2,6 Milliarden Euro für SGB II-Eingliederungsleistungen dieser 303 (von insgesamt 408) Jobcenter. Diesen 303 Jobcentern (gE) wurden nach gegenwärtigem Stand rechnerisch voraussichtlich etwa 3,6 Milliarden Euro für „Verwaltungskosten für die Durchführung der Grundsicherung für Arbeitsuchende“ zugewiesen, davon etwa 3,0 Milliarden Euro vom Bund, der lediglich 84,8 Prozent der Gesamtverwaltungskosten der Jobcenter zu tragen hat.

Die Verwaltungskostenbudgets blieben weitgehend geheim, oder es wurden sogar die tatsächlichen Ausgaben verzerrt dargestellt, indem man den kommunalen Finanzierungsanteil (15,2 Prozent) an den Gesamtverwaltungskosten `vergaß´”.

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Harald Thomé, ein bundesweit anerkannter und bekannter Dozent für Sozialrecht und Mitherausgeber des „Leitfaden ALG II/Sozialhilfe“, hatte auf seiner Homepage mehr als 150 Telefonlisten zusammengetragen und damit Betroffenen die telefonische Erreichbarkeit der Mitarbeiter ermöglicht. Doch was in den Verwaltungen der Kommunen, Ministerien und Behörden selbstverständlich ist, wurde ausgerechnet bei Existenzsicherungsbehörden zum Problem.

In seinem Newsletter vom 08.01.2014 schrieb Harald Thomé, dass er das rechtliche und finanzielle Risiko der Veröffentlichung von Telefonlisten nicht mehr tragen konnte: „Gleichzeitig haben mich, unter Androhung von rechtlichen Schritten, in zehn Fällen Jobcenter selbst aufgefordert, die Telefonlisten aus dem Netz zu entfernen… In vier Fällen konnte das ohne große Auseinandersetzungen geklärt werden, in drei Fällen habe ich die Listen aus dem Netz genommen, in einem Fall – gegenüber dem Jobcenter Delmenhorst – habe ich mich gegen die Unterlassungsandrohung gewehrt und es wurde im Ergebnis eine modifizierte Liste ohne Vornamen ins Netz gestellt. Von zwei Jobcentern kamen Aufforderungen, die Listen aus dem Netz zu nehmen. Im härteren Fall wurde vom Jobcenter Berlin-Spandau mit Schreiben vom 13. Dezember 2013 angedroht, dass zur Vermeidung von über 500 Einzelanträgen auf Unterlassung durch jeden Beschäftigten des Jobcenters angeraten wird, die Liste aus dem Netz zu nehmen.

Konkret: Eine Unterlassungsverfügung hätte im Fall des Unterliegens Prozess- und Anwaltskosten im Wert von rund 800 € nach sich gezogen, bei 500 Fällen macht das rund 400.000 € aus.

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In einer internen Veranstaltung der Bundesagentur wurden Sanktionsquoten definiert, die von dem Personal der Jobcenter einzuhalten seien. Die Geschäftsführungen wurde explizit dazu angehalten, die Straf-Quoten zu erhöhen. Der verfassungsrechtlich unhaltbare Skandal, dass es die Sanktionsquoten gab, wurde von der Behörde dementiert, obwohl es genügend Beweise dafür gab.

2015

Im Laufe der Jahre hatte sich die Praxis etabliert, dass es nur noch auf dem Rechtsweg möglich ist, Informationen von der Arbeitsverwaltung zu bekommen. Einzelpersonen oder Erwerbsloseninitiativen mussten auf die Herausgabe von Arbeitsanweisungen und Richtlinien regelmäßige klagen, um Rechtssicherheit für die erwerbslosen Menschen zu erhalten.

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Bei der Bundesagentur wurden Online-Tools entwickeln, um Hartz-IV-Bezieher u.a. bei Facebook auszuspionieren. Die Agentur teilte mit, dass unter anderem Foren, Blogs und soziale Netzwerke durchforstet werden sollten. Insbesondere „aktuelle Diskussionsthemen mit Bezug auf die BA“ sollten dabei im Fokus stehen. Sie bestätigte wieder einmal die Rolle der Behörde als Spionage-Amt.

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Im gleichen Jahr suchte die Bundesagentur öffentlich per Stellenanzeige nach Streikbrechern. Sie bezog sich dabei auf den § 320, Absatz 5 des Dritten Buches Sozialgesetzbuch, nach dem eine Streikanzeigepflicht der Unternehmen gegenüber der Bundesagentur für Arbeit/Bundesbehörde besteht. Die BA wollte somit einem privatwirtschaftlichen Unternehmen helfen, einen Streik zu brechen. Nach der Veröffentlichung durch einige Initiativgruppen hatte man die Stellenanzeige wieder zurückgenommen.

2017

Seit dem Jahr 2010 wurde an der Entwicklung einer Eingabesoftware gearbeitet und 60 Millionen Euro dafür ausgegeben, um zu erreichen, die Arbeit der Sachbearbeitung um 2 Minuten zu verkürzen. Weil die Software dann nicht funktionierte und sich als untauglich erwies, wurde das Programm eingestellt.

Ein Beispiel dafür, dass in den letzten 5 Jahren etwa 4,5 Milliarden Euro allein für Entwicklung und Betrieb im Bereich IT verschleudert wurden, während bei den erwerbslosen Menschen jeder Cent mehrmals umgedreht, Leistungen oft unrechtmäßig gekürzt und Sanktionen ausgesprochen wurden, die die Existenz gefährden.

2019

Im Mai 2019 hatte der Südwestrundfunk (SWR) einen Skandal in der Jobbörse der Bundesagentur aufgedeckt. Datenhändler hatten täglich tausende von Fake-Stellenangeboten geschaltet, um die Daten von Bewerbern an Zeitarbeitsfirmen weiterzuverkaufen. Sie hatten sich dabei als private Arbeitsvermittler ausgegeben. Den Nutzern der Jobbörse waren bei einer Suche alle verfügbaren Stellenangebote erschienen, sie konnten nicht unterscheiden, ob es sich bei einem Stellenangebot um eine von der BA betreute Anzeige handelt oder ob sie ein Unternehmen oder ein Vermittler selbst eingestellt hatte.

Als Datenschützer mehr Transparenz forderten, wurden die betroffenen Anzeigen daraufhin entfernt und eine interne Überprüfung ergab erst, welche Dimension dieser Fall einnahm: Die Agentur nahm 32.000 Jobinserate von elf Firmen aus der Jobbörse heraus, die insgesamt 120.000 erfundene offene Stellen inseriert hatten. Die Behörde gab zu, dass man im großen Stil fingierte Stellenangebote gefunden habe und mit krimineller Energie bewusst getäuscht worden war.

Doch was die BA selbst und Datenschützer als kriminell einstuften, blieb nach einer Entscheidung der Staatsanwaltschaft Berlin im Jahr 2020 ohne Folgen. Sie hat das Verfahren gegen einen mutmaßlichen Datenhändler mangels hinreichenden Tatverdachts nach § 170 Absatz 2 der Strafprozessordnung eingestellt.

2021

In den ersten Monaten des Jahres stand das Reiseverhalten des 21-köpfigen Verwaltungsrats der BA im öffentlichen Blickpunkt. Es ging um Reisen der Vertreter von Unternehmen, Gewerkschaften und Politik. Der Bundesrechnungshof übte in einem Bericht Kritik daran, dass mehrere Mitglieder des Verwaltungsrats 2018 je 242 Euro für die Übernachtung in einem Fünf-Sterne-Hotel erstattet bekamen, die ohne Rückfragen der Abrechnungsstelle ausgezahlt wurden. Auch tauchten in den Abrechnungen Flüge für 50.000 Euro auf, häufiger in der Business Class. Die Prüfer kritisierten auch, die BA berücksichtige bei ihren Tagesgeldabrechnungen die systematisch unentgeltlich bereitgestellte Verpflegung nicht. Weiter merkten sie an, dass die Abrechnungspraxis für Mietwagen mit überwiegend privater Nutzung sogar den „Anschein privater Vorteilsnahme“ erzeuge. Die Rechnungsprüfer forderten die Behörde auf, zu viel gezahlte Erstattungen zurückzufordern.

Auftreten von Detlef Scheele nicht nur arrogant und zynisch, sondern widerlich

Vor dem Hintergrund dieser Skandale erscheint das Auftreten von Detlef Scheele nicht nur arrogant und zynisch, sondern einfach nur widerlich.

Schon im Herbst 2020 wies er eine Erhöhung der Leistung für besonders von der Krise betroffenen Menschen schroff zurück und nannte das hiesige Hartz-IV-System „Im europäischen Vergleich ist das – wenn man von Skandinavien absieht – eine großzügige Regelung“, auch müsse man dabei den Steuerzahler im Blick behalten, der die Grundsicherung finanziere und er meint sich keine Grundsicherung vorstellen zu können, die „ein auskömmliches Leben ermöglicht, wie es jemand hat, der arbeiten geht“. Die Lösung könne nicht in der Erhöhung des Hartz-IV-Satzes liegen, sondern darin, mehr Menschen wieder in den Arbeitsmarkt zu integrieren.

Obwohl er genau weiß, dass es ein auskömmliches Leben für die Menschen in den unteren Lohngruppen und den Teilzeitbeschäftigten, die regelmäßig arbeiten gehen, nicht gibt. Sie müssen bei den Jobcentern als „Aufstocker“ SGB II-Mittel beantragen, weil sie von ihrer Arbeit nicht leben können, aber voll im Arbeitsmarkt integriert sind und zwar als Billiglöhner.

Aktuell hält Detlef Scheele eine Erhöhung des Hartz-IV-Regelsatzes auf monatlich 600 Euro wie von Sozialverbänden und Gewerkschaften gefordert, für nicht zielführend, weil er bezweifelt, dass „jemand mit 600 Euro deutlich zufriedener wäre. Wer sorgenlos leben möchte, der muss sich berappeln und möglichst gut entlohnte Arbeit finden“.

Viele Kritiker von Detlef Scheele fragten sich in den letzten Tagen, ob der Mann denn der Richtige für das Amt des Vorstandsvorsitzenden der Bundesagentur für Arbeit ist.

 

Die Frage ist einfach zu beantworten: Für das menschenverachtende Hartz-IV-System mit seinen Funktionen wie die Sanktionen zur Disziplinierung, dem Wegfall der grundgesetzlich garantierten Berufsfreiheit, Abschreckung als Mittel zur Lohnsenkung und Voraussetzung für den Ausbau des Niedriglohnsektors ist Detlef Scheele der richtige Mann am richtigen Platz.

 

 

 

 

 

Quellen: Bundesrechnungshof, BA, SWR, Monitor, waz,  harald-thome.de, ingehannemann.de/ , sueddeutsche.de,  gegen-hartz.de, Hertener Allgemeine

Bildbearbeitung: L.N