BGH: Sozialleistungsträger müssen umfassend über alle in Frage kommenden Leistungsansprüche beraten – wenn nicht droht Amtshaftung

Immer wieder berichten Sozialberatungsstellen darüber, dass ihre Klienten von den Sozialleistungsträger weggeschickt werden, dort Unterlagen angeblich nicht angekommen sind und Anträge auf Leistungen ohne Begründung mündlich abgelehnt werden.

Viele ratsuchende Menschen wissen gar nicht, dass fast alle Sozialleistungsträger mit ihren Verbänden und Stellen sowie die Anbieter von sozialen Leistungen auch eine Auskunfts- und Beratungspflicht haben. Wenn ihr Anliegen schroff abgewiesen wird, fühlen sie sich noch mehr als Bittsteller und entwickeln eine ohnmächtige Wut oder resignieren ganz.

Die Auskunfts- und Beratungspflicht dient dazu, die Betroffenen auf ihre Rechte und Pflichten hinzuweisen, dabei sollen die Träger dem Gebot der Sachlichkeit Rechnung tragen und sachangemessen und zutreffend informieren. Die betroffenen Ratsuchenden müssen davon ausgehen können, dass die jeweiligen öffentlichen Stellen sie rechts- und sachkundig informieren und beraten und sie deren Ausführungen vertrauen können. Deshalb sind die jeweiligen Stellen verpflichtet, zutreffende Auskünfte zu geben und ausführlich zu beraten, ungeachtet eines ggf. anderen eigenen Standpunkts.

Der Bundesgerichtshof (BGH) hat in einem bedeutsamen Urteil deutlich auf die Beratungspflicht von Sozialleistungsträgern hingewiesen und festgelegt, welche Anforderungen an die Beratungspflicht des Trägers zu stellen sind.

Die Auskunftspflicht bezieht sich insbesondere darauf, den für die Sozialleistung zuständigen Träger zu benennen sowie Sach- und Rechtsfragen im Einzelfall erschöpfend zu beantworten. Die Institutionen sind verpflichtet, über alle sozialen Angelegenheiten nach dem Sozialgesetzbuch Auskünfte zu erteilen, dabei müssen sie sogar untereinander zusammen arbeiten, um eine möglichst umfassende Auskunftserteilung durch eine Stelle sicherzustellen.

In der Praxis müssten diese Stellen von sich aus, Vorgänge weiterleiten, als Lotse im System fungieren und den Rat- und Hilfesuchenden unterrichten, wo und von wem was derzeit bearbeitet wird und an wen die Vorgänge weitergegeben wurden.

Die zunehmende „Verbetriebswirtschaftlichung des Sozialen“ hat mit dazu beigetragen, dass bei den Stellen oftmals die Auskunft und der Rat in der Art gegeben werden, um die Menschen davon abzubringen ihre Sozialleistung zu beantragen und beim Sparen des Trägers mitzuhelfen.

Die Auskünfte und Beratung gibt es in der alltäglichen Praxis für die Ratsuchenden gar nicht mehr. Die Rechte der Betroffenen werden verletzt, Unterlagen erreichen die Institutionen angeblich nicht und den Menschen wird mangelnde Mitwirkung unterstellt, wie die nachfolgenden Beispiele aus Dortmund verdeutlichen.

Krankenkasse: Das Krankengeld wird häufig nicht ausgezahlt, da die Krankmeldung nicht bei den eingereichten Unterlagen dabei gewesen sein soll. Eine Frau ist deshalb über 3 Wochen ohne Einkommen. Alle Unterlagen einschließlich der Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung (AU) wurden in einem Umschlag bei der Krankenkasse persönlich eingereicht. Dabei hat sie gar nicht dafür Sorge zu tragen, dass die AU vorliegt, da die Frau bei diesem sozialrechtlichen Vorgang keine Beteiligte ist, sondern der Arzt, der die AU ausstellt, müsste sie der Krankenkasse beibringen, bzw. die Krankenkasse bei ihm anfordern. Erst nachdem der Arzt die AU zur Krankenkasse gefaxt hatte, konnte die Auszahlung erfolgen.

Immer mehr Menschen sind gezwungen, als Solo-Selbständige zu arbeiten. Die Mehrheit von ihnen wählte früher nicht eine private Krankenversicherung, wie es im dualen Kassensystem vorgesehen ist, sondern favorisierte eine freiwillige Gesetzliche Krankenversicherung (GKV)-Mitgliedschaft. Mittlerweile sind etwa 71 Prozent der Selbständigen in der GKV und rund 51 Prozent der Selbständigen in der Private Krankenversicherung (PKV) Solo-Selbständige.

Weil sich das durchschnittliche Einkommen eines Solo-Selbständigen kaum vom Durchschnittseinkommen der abhängig Beschäftigten unterscheidet, in vielen Fällen sogar niedriger ist, wenden Selbständige mit den niedrigsten Einkommen rund 46,5 Prozent ihrer Einkünfte für eine Versicherung auf, unter den gering verdienenden Selbständigen, die in der PKV versichert sind, liegt dieser Wert sogar bei 58 Prozent. Um überhaupt ihre Existenz abzusichern, sind sie auf eine flankierende Unterstützung, oft durch Familienmitglieder, angewiesen.

Die Versicherten werden aber kaum über das neue GKV-Entlastungsgesetz informiert, das den Mindestbeitrag Selbstständiger für die Kranken- und Pflegeversicherung knapp unter 200 Euro senkt.

Wohngeldamt: Die Wohngeldberechtigten werden im Gespräch bewusst falsch darüber informiert, dass sie keinen Anspruch haben, weil sie z.B. Studierende sind oder berufstätige Menschen angeblich monatlich zu viel verdienen, obwohl die Einkommensberechnung für den Jahreszeitraum gilt. Der Antrag wird erst gar nicht angenommen und damit wird kein Verwaltungsvorgang begründet.

Wohnraumsicherung: Diese Stelle schickt vermehrt Rat- und Hilfesuchende weg, mit dem Hinweis, dass viele Angestellte krank und zu wenig Personal vorhanden sei. Der alleinerziehenden Mutter, der die Stromsperre droht, wird bedeutet, wenn sie die Energieschulden mit einem Darlehen der Stadt Dortmund bezahlen möchte, was ihr Recht ist, dann sollte man doch mal das Jugendamt über ihr „unwirtschaftliches“ Verhalten informieren. Einer „Mutter, die nicht haushalten könne, könne man auch die Kinder wegnehmen“. Die Frau verzichtete auf das Darlehen, sie lieh sich das Geld im Bekanntenkreis.

Jobcenter: Für Menschen, die Sozialgeld nach SGB II beziehen ist es normal geworden, dass ihre Unterlagen angeblich nicht beim Jobcenter vorliegen und sie wochenlang kein Einkommen haben, weil die Leistung nicht berechnet werden kann. Alle Beteuerungen und Zeugen helfen nicht, ihnen wird dazu unterstellt, dass sie nicht „mitwirken“, was zu Sanktionen d.h. weniger Geld führen kann. Obwohl die Bundesagentur (BA) im Juni 2018 „die Ausstellung von Eingangsbestätigungen“ befürwortet, wird diese wichtige Dokumentation im Verwaltungsverfahren nur in Ausnahmefällen und auf massive Beharrlichkeit ausgestellt. So musste der junge mittellose Mann persönlich zum Jobcenter fahren, um die Bearbeitung seines Antrags zu beschleunigen und nahm die öffentlichen Verkehrsmittel. Er wurde erwischt und anschließend mit einer saftigen Geldbuße überzogen.

Kindertagesgebühren: Bei einer alleinerziehenden Frau hatten sich Kindertagesstättenbeiträge incl. Kosten und Säumniszuschläge in Höhe von insgesamt 18.472,55 Euro angesammelt. Während des Erhebungszeitraums war die Frau zunächst im HARTZ-IV-Bezug und dann befand sie sich in einer Ausbildung mit einer Vergütung von 760 Euro netto. Dabei hätten die Kitafachkräfte die Frau darüber informieren müssen, dass sie einen Antrag auf Befreiung von den Beiträgen stellen kann und ihr bei der Antragstellung helfen können. Im Gegenteil, die Stadt Dortmund hat einen Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahren gestellt und so die Frau in den „Konkurs“ getrieben.

Stadt Dortmund: Bei der Eintreibung von rückständigen Gebühren oder im Rahmen der Amtshilfe wird sofort das gesamte Marterpaket ausgerollt – die Lohnpfändung, die Kontopfändung und die Vermögensauskunft werden verhängt, mit dem Eintrag in das Schuldnerverzeichnis – und das auch bei Forderungen von unter 100 Euro. Spätestens ab diesem Zeitpunkt hat der Bürger ein massives Problem, egal ob er wegen geringem Einkommen, Schussellichkeit oder Protest die Gebühren nicht abgeführt hat, er kommt an sein Geld auf der Bank nicht mehr ran, riskiert seinen Arbeitsplatz durch die Lohnpfändung und seine Vermögenssituation kann beim Amtsgericht Hagen im Schuldnerverzeichnis eingesehen werden.

Seit einem Jahr ist die Stadt Dortmund dazu übergegangen, für zahlungsunfähige Menschen, gegen die sie eine Forderung hat, einen Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens zu stellen. Für die betroffenen Menschen bedeutet dies unglaublichen Stress und Verunsicherung, da das Insolvenzgericht sie dann auffordert, innerhalb von 4 Wochen einen eigenen Insolvenzantrag zu stellen, was aber bei der Unterbesetzung der anerkannten Beratungsstellen nicht möglich ist, die verzweifelten Leute sich an kommerzielle Berater wenden und sich zusätzlich verschulden.

Erst nach überregionalen Protesten gegen die Praxis der Stadt Dortmund, mit Bußgeldern gegen obdachlose Menschenvorzugehen, weil „das Nächtigen unter Brücken, auf Parkbänken oder vor Schaufensternischen eine Ordnungswidrigkeit darstellt“, wurde dieses Vorgehen eingestellt. Allein in vier Wochen im Herbst 2018 wurden in Dortmund Obdachlose insgesamt 50 Mal vom Ordnungsamt verwarnt oder angezeigt. Jeder Verwarnung folgte auch ein Knöllchen über 20 Euro. Wobei allen Beteiligten klar war, dass diese Menschen um ihr tägliches Brot kämpfen müssen und meist keine 20 Euro besitzen. Wenn nun die 20 Euro von den Obdachlosen nicht bezahlt wurden, folgte den 20 Euro ein zusätzliches Bußgeld von 28 Euro, d.h. dann waren 48 Euro fällig. Bei Nichtzahlung bedrohte man die Menschen mit einer Haftstrafe.

Die Beispiele zeigen, dass dem einzelnen rat- und hilfesuchenden Menschen Rechte schlichtweg verwehrt werden, er erst gar nicht in verwaltungsrechtliche Verfahren kommt, keine Rechtsmittel einlegen kann, unter dem Existenzminimum leben muss, immer in der Gefahr lebt, Wohnung und Arbeitsplatz zu verlieren und kaum noch Unterstützung findet, seine Rechte einzufordern.

Der BGH hat kürzlich noch klargestellt, dass Sozialleistungsträger umfassend über alle infrage kommenden Leistungsansprüche beraten müssen und wenn nicht, ihnen Amtshaftung droht.

Im Folgenden wird die Pressemitteilung des BGH wiedergegeben:

Anforderungen an die Beratungspflicht des Sozialhilfeträgers bei deutlich erkennbarem Beratungsbedarf in einer wichtigen rentenversicherungsrechtlichen Frage
Urteil vom 2. August 2018 – III ZR 466/16

Der III. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat sich heute in einer Entscheidung mit der Frage befasst, welche Anforderungen an die Beratungspflicht des Trägers der Sozialhilfe gemäß § 14 Satz 1 SGB I zu stellen sind, wenn bei Beantragung von laufenden Leistungen der Grundsicherung wegen Erwerbsminderung (§§ 41 ff SGB XII) ein dringender rentenversicherungsrechtlicher Beratungsbedarf erkennbar ist.

Sachverhalt:

Der Kläger, der schwerbehindert ist, nimmt den beklagten Landkreis als Sozialhilfeträger unter dem Gesichtspunkt der Amtspflichtverletzung (§ 839 Abs. 1 Satz 1 BGB i.V.m. Art. 34 Satz 1 GG) wegen fehlerhafter Beratung auf Schadensersatz in Anspruch.

Der 1984 geborene Kläger besuchte vom 1. August 1991 bis zum 31. Juli 2002 eine Förderschule für geistig Behinderte. Anschließend nahm er vom 2. September 2002 bis zum 27. September 2004 in einer Werkstatt für behinderte Menschen an berufsbildenden Maßnahmen teil. Da es ihm in der Folgezeit nicht möglich war, ein seinen Lebensbedarf deckendes Erwerbseinkommen zu erzielen, beantragte seine zur Betreuerin bestellte Mutter im Dezember 2004 bei dem Landratsamt laufende Leistungen der Grundsicherung nach dem Gesetz über eine bedarfsorientierte Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung (gültig bis zum 31. Dezember 2004) beziehungsweise nach §§ 41 ff SGB XII (gültig ab dem 1. Januar 2005).

Nachdem die Mutter des Klägers im Jahr 2011 von einer (neuen) Sachbearbeiterin des Landratsamts des Beklagten erstmals darüber informiert worden war, dass der Kläger einen Anspruch auf Leistungen aus der gesetzlichen Rentenversicherung wegen voller Erwerbsminderung habe, bewilligte die Deutsche Rentenversicherung Bund auf entsprechenden Antrag des Klägers eine monatliche Erwerbsunfähigkeitsrente mit Wirkung ab 1. August 2011. In dem Rentenbescheid wurde unter anderem festgestellt, dass die Anspruchsvoraussetzungen bereits seit dem 10. November 2004 erfüllt seien.

Der Kläger verlangt Schadensersatz in Höhe der Differenz zwischen der vom 10. November 2004 bis 31. Juli 2011 gewährten Grundsicherung und der ihm in diesem Zeitraum bei rechtzeitiger Antragstellung zustehenden Rente wegen voller Erwerbsminderung. Er hat vorgetragen, der geltend gemachte Differenzschaden wäre nicht eingetreten, wenn die Bediensteten des Beklagten ihn beziehungsweise seine Betreuerin bereits im Jahr 2004 auf die Möglichkeit des Rentenbezugs hingewiesen hätte.

 

Prozessverlauf:

Das Landgericht hat der auf Zahlung von 50.322,61 € nebst Zinsen gerichteten Klage stattgegeben. Auf die hiergegen gerichtete Berufung des Beklagten hat das Oberlandesgericht unter Abänderung des erstinstanzlichen Urteils die Klage abgewiesen.

 

Die Entscheidung des Bundesgerichtshofs:

Der III. Zivilsenat hat auf die Revision des Klägers das Urteil des Oberlandesgerichts aufgehoben und die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an einen anderen Senat des Berufungsgerichts zurückverwiesen.

Soweit das Berufungsgericht eine Amtspflichtverletzung des Beklagten im Zusammenhang mit den ihm nach § 14 Satz 1 SGB I obliegenden besonderen sozialrechtlichen Beratungs- und Betreuungspflichten verneint hat, hält dies einer rechtlichen Überprüfung nicht stand. Unter den gegebenen Umständen war anlässlich der Beantragung von Leistungen der Grundsicherung zumindest ein Hinweis vonseiten des Beklagten notwendig, dass auch ein Anspruch des Klägers auf Gewährung einer Erwerbsunfähigkeitsrente in Betracht kam und deshalb eine Beratung durch den zuständigen Rentenversicherungsträger geboten war.

Im Sozialrecht bestehen für die Sozialleistungsträger besondere Beratungs- und Betreuungspflichten. Eine umfassende Beratung des Versicherten ist die Grundlage für das Funktionieren des immer komplizierter werdenden sozialen Leistungssystems. Im Vordergrund steht dabei nicht mehr nur die Beantwortung von Fragen oder Bitten um Beratung, sondern die verständnisvolle Förderung des Versicherten, das heißt die aufmerksame Prüfung durch den Sachbearbeiter, ob Anlass besteht, den Versicherten auch von Amts wegen auf Gestaltungsmöglichkeiten oder Nachteile hinzuweisen, die sich mit seinem Anliegen verbinden; denn schon gezielte Fragen setzen Sachkunde voraus, über die der Versicherte oft nicht verfügt. Die Kompliziertheit des Sozialrechts liegt gerade in der Verzahnung seiner Sicherungsformen bei den verschiedenen versicherten Risiken, aber auch in der Verknüpfung mit anderen Sicherungssystemen. Die Beratungspflicht ist deshalb nicht auf die Normen beschränkt, die der betreffende Sozialleistungsträger anzuwenden hat.

Ist anlässlich eines Kontakts des Bürgers mit einem anderen Sozialleistungsträger für diesen ein zwingender rentenversicherungsrechtlicher Beratungsbedarf eindeutig erkennbar, so besteht für den aktuell angegangenen Leistungsträger auch ohne ein entsprechendes Beratungsbegehren zumindest die Pflicht, dem Bürger nahezulegen, sich (auch) von dem Rentenversicherungsträger beraten zu lassen (vgl. § 2 Abs. 2 Halbsatz 2, § 17 Abs. 1 SGB I).

Auf der Grundlage der von den Vorinstanzen getroffenen Feststellungen bestand im vorliegenden Fall ein dringender Beratungsbedarf in einer wichtigen rentenversicherungsrechtlichen Frage. Dies war für die Grundsicherungsbehörde beziehungsweise das Sozialamt des Beklagten ohne weitere Ermittlungen eindeutig erkennbar. Der zu 100 % schwerbehinderte Kläger hatte nach dem Besuch einer Förderschule für geistig Behinderte berufsbildende Maßnahmen erfolgreich absolviert und war anschließend in einer Werkstatt für behinderte Menschen tätig (versicherungspflichtige Beschäftigung). Er war jedoch auf Grund seiner Behinderung außerstande, seinen notwendigen Lebensunterhalt aus eigenen Mitteln (Einkommen, Vermögen) zu bestreiten. In einer solchen Situation musste ein mit Fragen der Grundsicherung bei Erwerbsminderung befasster Sachbearbeiter des Sozialamts mit Blick auf die Verzahnung und Verknüpfung der Sozialleistungssysteme in Erwägung ziehen, dass bereits vor Erreichen der Regelaltersgrenze ein gesetzlicher Rentenanspruch wegen Erwerbsunfähigkeit bestehen konnte. Es war deshalb ein Hinweis auf die Notwendigkeit einer Beratung durch den zuständigen Rentenversicherungsträger geboten.

Das Berufungsgericht hat dahinstehen lassen, ob und gegebenenfalls in welcher Höhe für den geltend gemachten Zeitraum ein Rentenanspruch tatsächlich begründet war, so dass insoweit ergänzende Feststellungen zu treffen sind.

 

Die maßgeblichen Vorschriften lauten:

  • 2 SGB I

Soziale Rechte

Die nachfolgenden sozialen Rechte sind bei der Auslegung der Vorschriften dieses Gesetzbuchs und bei der Ausübung von Ermessen zu beachten; dabei ist sicherzustellen, daß die sozialen Rechte möglichst weitgehend verwirklicht werden.

  • 14 SGB I

Beratung

1Jeder hat Anspruch auf Beratung über seine Rechte und Pflichten nach diesem Gesetzbuch. 2Zuständig für die Beratung sind die Leistungsträger, denen gegenüber die Rechte geltend zu machen oder die Pflichten zu erfüllen sind.

  • 17 SGB I

Ausführung der Sozialleistungen

(1) Die Leistungsträger sind verpflichtet, darauf hinzuwirken, daß

jeder Berechtigte die ihm zustehenden Sozialleistungen in zeitgemäßer Weise, umfassend und zügig erhält,

die zur Ausführung von Sozialleistungen erforderlichen sozialen Dienste und Einrichtungen rechtzeitig und ausreichend zur Verfügung stehen,

der Zugang zu den Sozialleistungen möglichst einfach gestaltet wird, insbesondere durch Verwendung allgemein verständlicher Antragsvordrucke und

  • 839 BGB

Haftung bei Amtspflichtverletzung

(1) 1Verletzt ein Beamter vorsätzlich oder fahrlässig die ihm einem Dritten gegenüber obliegende Amtspflicht, so hat er dem Dritten den daraus entstehenden Schaden zu ersetzen. 2Fällt dem Beamten nur Fahrlässigkeit zur Last, so kann er nur dann in Anspruch genommen werden, wenn der Verletzte nicht auf andere Weise Ersatz zu erlangen vermag.

(2) 1Verletzt ein Beamter bei dem Urteil in einer Rechtssache seine Amtspflicht, so ist er für den daraus entstehenden Schaden nur dann verantwortlich, wenn die Pflichtverletzung in einer Straftat besteht. 2Auf eine pflichtwidrige Verweigerung oder Verzögerung der Ausübung des Amts findet diese Vorschrift keine Anwendung.

(3) Die Ersatzpflicht tritt nicht ein, wenn der Verletzte vorsätzlich oder fahrlässig unterlassen hat, den Schaden durch Gebrauch eines Rechtsmittels abzuwenden.

Art. 34 GG

1Verletzt jemand in Ausübung eines ihm anvertrauten öffentlichen Amtes die ihm einem Dritten gegenüber obliegende Amtspflicht, so trifft die Verantwortlichkeit grundsätzlich den Staat oder die Körperschaft, in deren Dienst er steht. 2Bei Vorsatz oder grober Fahrlässigkeit bleibt der Rückgriff vorbehalten. 3Für den Anspruch auf Schadensersatz und für den Rückgriff darf der ordentliche Rechtsweg nicht ausgeschlossen werden.

Vorinstanzen: 

LG Dresden – Urteil vom 4. Dezember 2015 – 5 O 1028/14

OLG Dresden – Urteil vom 17. August 2016 – 1 U 48/16

Karlsruhe, 2. August 2018

Pressestelle des Bundesgerichtshofs 
76125 Karlsruhe

 

Dieses Urteil vom obersten Gericht ist sehr bedeutsam, auch weil es klar und eindeutig ist. Die betroffenen Menschen sollten es gegenüber den Sozialleistungsträgern immer wieder zitieren und darauf verweisen.

 

 

Quelle: BGH

Bild: flickr.123 cco