3 Stimmen zum Bundeskongress der Dienstleistungsgewerkschaft ver.di in Leipzig

Rund 1.000 Delegierte der Vereinten Dienstleistungsgewerkschaft (ver.di) berieten in Leipzig eine Woche lang über Themen wie Digitalisierung, den sozial-ökologischen Umbau von Wirtschaft und Gesellschaft sowie über Gute Arbeit.

Auf dem ver.di-Kongress wurden rund 1.000 Anträge beraten sowie die Führungsgremien neu besetzt, darunter der neunköpfige Bundesvorstand. Frank Werneke wurde mit 92,7 Prozent zum neuen ver.di-Vorsitzenden gewählt und Andrea Kocsis mit 91,5 Prozent sowie Christine Behle mit 91,1 Prozent zu seinen Stellvertreterinnen. Daneben wurde auch der Gewerkschaftsrat, das höchste ehrenamtliche Gremium zwischen den Kongressen, neu gewählt.

ver.di:

1.   „Leidenschaftlicher Tarifverhandler“

Immer wieder unterbrochen von starkem Beifall der rund 1.000 Delegierten hat der neue ver.di-Vorsitzende Frank Werneke am Mittwoch auf dem ver.di-Bundeskongress in Leipzig deutliche Positionen bezogen. Für eine solidarische Gesellschaft, gegen Ausgrenzung und Fremdenfeindlichkeit, für eine Stärkung der Tarifbindung und gegen unsichere, schlecht bezahlte Arbeit, für soziale Gerechtigkeit und Demokratie – und entschieden gegen Rechts. „Wir nehmen das politische Mandat der Gewerkschaften ernst“, sagte Werneke, „und wir leben es.“  Es gelte, Spaltung zu überwinden, auf dem Arbeitsmarkt und in der Gesellschaft.

Am Tag zuvor war Werneke mit 92,7 Prozent der Stimmen zum neuen ver.di-Vorsitzenden gewählt worden. Er folgt auf Frank Bsirske, dessen Stellvertreter er in den vergangenen 18 Jahren war. In seiner Grundsatzrede setzte er gleich zu Beginn auf eine Stärkung der Tarifbindung. Er wolle „Fortschritt in der Arbeitswelt und die Einkommensentwicklung durch Tarifverträge organisieren“, sagte Werneke. Er sage das „als leidenschaftlicher Tarifverhandler – und als jemand, der zuerst auf die eigene Kraft baut, statt auf politische Entscheidungen von Regierungen zu setzen“. Doch auch politische Weichenstellungen seien nötig: „Das Tarifvertragsgesetz muss geändert werden. Die Allgemeinverbindlichkeit darf nicht mehr an der faktisch vorgegebenen Vetomöglichkeit der Arbeitgeberverbände scheitern.“ Auch werde ver.di weiter dafür streiten, dass Bund, Länder und Kommunen öffentliche Aufträge nur noch an tarifgebundene Unternehmen vergeben dürfen – und zwar „ohne Ausnahme“.

Das Gemeinwohl schützen

Wie wichtig die Stärkung der Tarifpolitik sei, werde auch angesichts der Situation in Bereichen der Sozial- und Gesundheitsversorgung deutlich. Beispiel Altenpflege. Die gehörte bis Mitte der 90er Jahre zur öffentlichen Daseinsvorsorge in der Verantwortung der Kommunen und Wohlfahrtsverbände. Nachdem die damalige Bundesregierung die Altenpflege für privates Kapital geöffnet habe, seien inzwischen  auch „Hedgefonds groß in den Markt der Altenpflege eingestiegen“. Und die tarifungebundenen privaten Pflegeunternehmen, so Werneke,  verschafften sich „systematisch über Lohndumping und schlechte Arbeitsbedingungen Wettbewerbsvorteile“. Das müsse grundlegend anders werden: „Wir wollen wieder Gemeinwohl statt Profite auf Kosten der zu pflegenden Menschen und der Beschäftigten. Altenpflege und Krankenversorgung müssen der Verwertungslogik des Kapitals entzogen werden. Pflegeeinrichtungen sind keine Fabriken.“

Scharf kritisierte Werneke die „Entsicherung und Entwertung von Erwerbsarbeit“ als Folge der Politik der Agenda 2010 mit ihren Hartz-Gesetzen. Durch Mini- und Midijobs, durch Missbrauch von Leiharbeit und Werkverträgen sei Arbeit „millionenfach entsichert worden“ und werde schlecht bezahlt. Rund 9 Millionen Menschen in Deutschland, mehr als jede und jeder fünfte Beschäftigte, müsse für einen Niedriglohn arbeiten. „Das ist eine Schande für Deutschland“, rief Werneke den Delegierten zu. Und: „Wir wollen Hartz IV überwinden. Herumreparieren reicht nicht.“ Prekäre Arbeit müsse eingedämmt werden, sachgrundlose Befristungen etwa gehörten abgeschafft, „und zwar alle“.

Das Rentenniveau anheben

Eindeutige Position bezog der neue ver.di-Vorsitzende auch zum gesetzlichen Mindestlohn, dessen Durchsetzung einer der großen politischen Erfolge der Gewerkschaft ver.di gewesen sei. Der Mindestlohn müsse von derzeit 9,19 Euro auf 12 Euro erhöht werden – „und zwar ohne Ausnahme. Und noch in dieser Legislaturperiode“. Starken Beifall der Delegierten erhielt Werneke auch, als er sich für „einen konkreten Fahrplan für die Schaffung einer Rentenversicherung“ aussprach, „in die alle einzahlen, inklusive Abgeordnete. Das würde zu einem erfreulichen Realitätsschub in der rentenpolitischen Diskussion führen – und den können wir gut gebrauchen“. Ebenso hinzugezogen werden sollen Selbstständige bei einer Beteiligung ihrer Auftraggeber und perspektivisch auch zukünftige Beamtinnen und Beamte. Das Rentenniveau sei schrittweise wieder anzuheben, auf über 50 Prozent.

In der Klimapolitik, so Werneke, sei „eine ökologische Energie-, Verkehrs- und Agrarwende“ dringlich. Dabei müsse es allerdings sozial gerecht zugehen. Nötig sei insbesondere auch ein Ausbau des öffentlichen Personennahverkehrs, „nicht nur in den Städten, sondern auch in ländlichen Räumen“. Und dazu gehörten auch mehr Beschäftigte zu guten Löhnen und Arbeitsbedingungen. Es brauche überdies eine stärkere Vernetzung der Verkehre und neuen Mobilitätskonzepte. Das aber sei eine öffentliche Aufgabe und dürfe nicht „Uber und auch nicht Drive Now – und damit etwa BMW, Daimler oder VW – überlassen werden. Mobilität für alle Menschen ist Teil der öffentlichen Daseinsvorsorge. Das wollen wir nicht den wirtschaftlichen Interessen der Privaten überlassen.“

Die Fluchtursachen bekämpfen

Klare Worte fand der neue ver.di-Vorsitzende auch in Hinblick auf den Umgang zahlreicher europäischer Regierungen mit geflüchteten Menschen. Sie setzten „immer stärker auf die Abschottung, auf Abschreckung und auf Abschiebung, statt die Ursachen zu bekämpfen“. Damit werde „tausendfach das Sterben vor den Küsten Europas billigend in Kauf genommen“. Dagegen richte ver.di die klare Botschaft: „Diese menschenverachtende Abschottungspolitik der Europäischen Union verurteilen wir zutiefst! Unsere Solidarität gehört den Menschen, die in Not und auf der Flucht sind.“ Die Delegierten bekräftigten das mit starkem Applaus.

2. Gute Arbeit ist das Leitbild von ver.di

Gute Arbeit ist und bleibt das Leitbild von ver.di, so der erste Leitantrag A001 des Bundeskongresses. Um gute Arbeit zu erreichen, kämpft ver.di für die Verteidigung und Rückeroberung der Flächen- bzw. Branchentarifverträge. Die Gewerkschaft will damit den durch die Agenda-Reformen befeuerten Unterbietungswettlauf bekämpfen. Dazu bedarf es auch Mindeststandards. ver.di setzt sich deshalb weiterhin dafür ein, dass noch in dieser Legislaturperiode der Mindestlohn auf mindestens 12 Euro pro Stunde angehoben und anschließend an die Tariflohnentwicklung des Vorjahres angepasst wird. Da aber der Mindestlohn nur eine untere gesetzliche Grenze einzieht, bleibt das beste Mittel gegen Niedriglöhne eine Ausweitung der Tarifbindung und gute Tarifabschlüsse. Zudem setzt sich ver.di für ein echtes Entgeltgleichheitsgesetz auch im Privatsektor ein, damit die Geschlechter bei gleicher Arbeit nicht unterschiedlich behandelt werden. So haben es die Delegierten am vierten und fünften Kongresstag beschlossen.

Gute Arbeit statt prekärer Beschäftigung

ver.di geht weiterhin gegen prekäre Beschäftigung vor: Das heißt Sozialversicherungspflicht für Mini- und Midijobs ab dem ersten Euro, Zurückdrängen von unfreiwilliger Teilzeitarbeit und die Abschaffung sachgrundloser Befristungen und Kettenbefristungen. Langfristig sollen auch ausbeuterische Formen der Leiharbeit abgeschafft werden (so der Änderungsantrag Ä001 zu A001). Die Delegierten diskutierten hier, ob es reicht, die Leiharbeit mit Hilfe von Tarifverträgen zu verbessern und zu guter Arbeit zu machen oder ob Leiharbeit Arbeitgebern vor allem prekäre Beschäftigungsformen ermöglicht und somit eine sichere Lebensplanung unmöglich macht.

Erkenntnisse nutzbar machen

Die Offensive für Gute Arbeit soll in Betrieben und Verwaltungen ausgebaut, Konzepte weiterentwickelt und die Anwendung des „DGB-Index Gute Arbeit“ ausgeweitet werden. Befragungs- und Forschungsergebnisse und gute Fallbeispiele sollen transparent und für andere nutzbar gemacht werden. Mit diesem Ziel berichtet die Mitgliederzeitung ver.di publik schon seit Jahren in jeder Ausgabe über Themen der Guten Arbeit.

Arbeitsschutz und Arbeitszeitpolitik

ver.di setzt sich für sichere, selbstbestimmte und zukunftsgerechte Arbeit ein. Das zentrale Problem der Arbeitsintensivierung muss angegangen werden. Die Veränderungen in der Arbeitswelt durch Globalisierung, Digitalisierung, neue Arbeitsformen und auch die demografischen Entwicklungen hin zu einer insgesamt älter werdenden Gesellschaft erfordern eine Stärkung des Arbeitsschutzes: Fehlende Gefährdungsbeurteilungen sind viel schärfer zu sanktionieren.

Die Arbeitszeitgestaltung ist vor allem ein Element des Arbeits- und Gesundheitsschutzes. ver.di wird sich zum Schutz der Gesundheit für eine Verkürzung der durchschnittlichen Arbeitszeit einsetzen. Das Ziel ist die kurze Vollzeit mit Lohn- und Personalausgleich. Die Forderung nach einer 30-Stunden-Woche bei vollem Lohn- und Personalausgleich soll breit in ver.di diskutiert werden. Die Arbeitszeit soll gesundheitsverträglich gestaltet werden. Dabei geht es auch darum, die Mindeststandards des Arbeitszeitgesetzes zu verteidigen. Die Ausnahmemöglichkeiten, die das Arbeitszeitgesetz bereits heute bietet, sind aus Sicht von ver.di für alle betrieblichen Flexibilitätserfordernisse mehr als ausreichend.

Zudem macht sich ver.di für eine gesetzlich abgesicherte geförderte Bildungsteilzeit stark, die sich an dem Modell der Altersteilzeit orientiert und durch betriebliche Weiterbildungsoffensiven mit entsprechenden Zeitbudgets ergänzt werden soll. Berufliche Weiterbildung ist zu fördern, dafür muss Zeit zur Verfügung gestellt werden.

Mitbestimmung stärken

ver.di setzt sich dafür ein, die Mitbestimmung zu stärken und auszubauen, das betrifft die Unternehmensmitbestimmung, aber auch die Betriebsverfassung und die Personalvertretung. So soll die Wahl von Betriebsräten für Betriebe mit bis zu 100 Wahlberechtigten vereinfacht werden, der Kündigungsschutz von Initiator*innen von Betriebsratswahlen soll ausgeweitet und die Behinderung von Betriebsratswahlen konsequent strafverfolgt werden. Gegen Union Busting soll effektiver vorgegangen werden, mit einer Koordinierungsstelle, angesiedelt in der ver.di-Bundesverwaltung, die die Fälle bündelt und die Erstberatung koordiniert, und durch bessere Strafverfolgung (A140)). Eine lückenlose Interessenvertretung bei Betriebsübergängen vom privaten in den öffentlichen oder kirchlichen Bereich und umgekehrt ist sicherzustellen (A147). Vertreter*innen in Jugend und Ausbildungsvertretungen sollen per Gesetz besser geschützt werden (A161).

ver.di wird dafür eintreten, dass ein Konzernbetriebsrat auch dann in Deutschland gebildet wird, wenn der Sitz des herrschenden Unternehmens im Ausland liegt. Und Beschäftigte eines qualifizierten Betriebsteils sollen auch dann einen Betriebsrat wählen können, wenn der Sitz des Hauptbetriebsteils im Ausland liegt.

Da das Bundespersonalvertretungsrecht seit über drei Jahrzehnten keiner nennenswerten Novellierung unterzogen wurde, fordert ver.di die unmittelbare Geltung des Betriebsverfassungsgesetzes für den öffentlichen Dienst des Bundes, um für Personalräte das gleiche Niveau an Mitbestimmungsrechten zu erreichen wie für Betriebsräte. Die Schlechterstellung von Beschäftigten im kirchlichen Bereich durch kirchliche Mitarbeitervertretungsgesetze ist nicht mehr zu akzeptieren.

Zukunftsgerechte Tarifpolitik für Gute Arbeit

Von elementarer Bedeutung ist die Stabilisierung von Flächentarifverträgen sowie „Häuserkämpfe“ um Tarifbindung. Dazu bedarf es einer Stärkung von oben zum Beispiel durch eine Erleichterung von Allgemeinverbindlichkeitsregelungen zu erreichen.

ver.di will die Kollektive Gewerkschaftsarbeit in den Fachbereichen stärken und die Kräfte strategisch und systematisch bündeln, um Unternehmen ohne Tarifbindung zu erschließen oder wieder zu erschließen oder bestehende Tarifverträge zu stabilisieren, Tarifflucht zu verhindern und neue Branchentarifverträge zu verhandeln. Und ver.di wird gegen Mitgliedschaften in Arbeitgeberverbänden ohne Tarifbindung (OT-Mitgliedschaften) vorgehen.

2.   Wir streiken weiter

Für den Klimaschutz schwenkte die ver.di-Jugend am 6. Kongresstag ihre Fahnen. Die 16-jährige Schülerin Freya Matilda Schlabes, die seit 2018 bei Fridays for Future aktiv ist, äußerte sich vor den Delegierten des 5. ver.di-Bundeskongresses empört angesichts des am letzten Freitag beschlossenen Klimapakets, das ein Schlag ins Gesicht sei. „Wie können sie es wagen, uns etwas als Klimapolitik zu verkaufen, das rein gar nichts verändert?“ Die Erde brenne, doch die Verantwortlichen verschieben es auf später. „Wir haben aber keine zweite Erde in Reserve.“

1,4 Millionen Menschen gingen in ganz Deutschland am Fridays for Future am 20. September für den Klimastreik auf die Straße. Freya Matilda Schlabes kündigte an, weiterzumachen: „Wir geben unsere Erde nicht auf. Wir streiken weiter, bis sie endlich handeln, und dafür müssen wir viel mehr werden.“

Bei ver.di stößt Fridays for Future auf viel Zuspruch. So erläuterte Katharina Stierl, die Geschichte studiert, seit März bei den Students for Future aktiv ist und dort die Gewerkschaftskontakte koordiniert, die Studentinnen und Studenten seien überall auf offene Ohren bei den Gewerkschaften gestoßen. Stierl, die seit 2012 ver.di-Mitglied ist, sagte, sie sei stolz, dass ihre Gewerkschaft die Zeichen der Zeit erkenne. Sie lud ein, in die Hörsäle zu kommen, um gemeinsam für „unsere Zukunft“ zu streiten, auch wenn es nicht immer leicht werde mit den bevorstehenden Veränderungen wie dem Kohleausstieg.

Die stellvertretende ver.di-Vorsitzende Christine Behle sagte am Dienstag bei ihrer Bewerbungsrede auf dem 5. ver.di-Bundeskongress mit Blick auf die bevorstehende Tarifrunde im Nahverkehr, „pumpt schon mal eure Fahrräder auf“. Katharina Stierl brachte deshalb zwei Fahrradpumpen mit zum Kongress – eine für Christine Behle und eine weitere für Frank Werneke.

Der ver.di-Vorsitzende Frank Werneke versprach, ver.di werde gemeinsam für eine ökologische Wende kämpfen, die gerecht gestaltet werde. Der Klimaschutz gehe vor allem nur mit einem starken öffentlichen Nahverkehr. Außerdem werde ver.di die Klimastreikwoche an den Hochschulen vom 2. bis 6. Dezember überall dort unterstützen, wo es möglich ist.

3. Für Demokratie, Solidarität und Vielfalt

Das gewerkschaftliche Engagement von ver.di gründet sich auf Solidarität und Respekt gegenüber allen Menschen – unabhängig von Geschlecht, Herkunft, Religion, Alter und Hautfarbe. Das Ziel ist, gemeinsam für die Verbesserung der Lebens- und Arbeitsbedingungen aller zu kämpfen. Das haben die Delegierten am 6. Kongresstrag in Antrag E001 beschlossen.

ver.di stellt sich Nationalismus, Rechtspopulismus, Rechtsextremismus, Antisemitismus und Fremdenfeindlichkeit entgegen und beteiligt sich aktiv an Bündnissen und Protesten gegen Aktivitäten rechtspopulistischer und rechtsextremer Organisationen und Parteien. Personen, die sich in solchen Parteien oder Organisationen aktiv beteiligen und sich menschenverachtend oder gewerkschaftsfeindlich äußern, schließt ver.di im Rahmen der satzungsrechtlichen Möglichkeiten von der Mitgliedschaft aus. Aktive Mitgliedschaft umfasst z.B. das Bekleiden von Mandaten, das Bewerben um ein politisches Mandat sowie jeglichen Wahlkampf im Namen von solchen Parteien oder Organisationen. Der ver.di-Vorsitzende Frank Werneke stellte in der Diskussion klar, „wir haben klare Kante gezeigt“. Das sei die juristisch weitestgehende Möglichkeit, um Rechtsextreme und Rechtspopulisten auszuschließen.

Menschen, die vor Krieg oder Bürgerkrieg fliehen oder in ihrer Heimat wegen ihrer politischen Überzeugungen, ihrer sexuellen Orientierung, ihrer ethnischen oder religiösen Zugehörigkeit verfolgt werden, müssen in Deutschland und Europa Schutz finden. Für ver.di ist das Grundrecht auf Asyl und die Einhaltung der UN-Flüchtlingskonvention unantastbar. Die Gewerkschaft besteht darauf, dass die Menschenrechte eingehalten werden. Sie wird weiter einfordern, dass Menschen, die bei ihrem Versuch nach Europa zu kommen in Lebensgefahr geraten, gerettet werden müssen. Die Kriminalisierung ziviler Seenotrettung muss ein Ende finden.

Für Frieden und Abrüstung

Krieg als Mittel der Politik lehnt ver.di grundsätzlich ab (E135). ver.di hält die Vorstellung, dass Frieden und Sicherheit durch mehr und überlegenere Waffen gesichert werden könne, für grundlegend falsch. Deshalb engagiert sich ver.di in gesellschaftlichen Bündnissen für Abrüstung, wie dem Aufruf „Abrüsten statt aufrüsten“, und für die Verhinderung von Rüstungsexporten. Das schließt auch die Abrüstung von Atomwaffen sowie aller anderen Massenvernichtungswaffen und die Ratifizierung und Beachtung des Vertrages zur Nichtweiterverbreitung von Kernwaffen durch alle Staaten ein. Daher setzt sich ver.di dafür ein, dass die Bundesregierung den UNO-Vertrag über das Verbot von Atomwaffen unterzeichnet, wie das schon etwa 130 Staaten getan haben.

4. Für Demokratie, Solidarität und Vielfalt

Das gewerkschaftliche Engagement von ver.di gründet sich auf Solidarität und Respekt gegenüber allen Menschen – unabhängig von Geschlecht, Herkunft, Religion, Alter und Hautfarbe. Das Ziel ist, gemeinsam für die Verbesserung der Lebens- und Arbeitsbedingungen aller zu kämpfen. Das haben die Delegierten am 6. Kongresstrag in Antrag E001 beschlossen.

ver.di stellt sich Nationalismus, Rechtspopulismus, Rechtsextremismus, Antisemitismus und Fremdenfeindlichkeit entgegen und beteiligt sich aktiv an Bündnissen und Protesten gegen Aktivitäten rechtspopulistischer und rechtsextremer Organisationen und Parteien. Personen, die sich in solchen Parteien oder Organisationen aktiv beteiligen und sich menschenverachtend oder gewerkschaftsfeindlich äußern, schließt ver.di im Rahmen der satzungsrechtlichen Möglichkeiten von der Mitgliedschaft aus. Aktive Mitgliedschaft umfasst z.B. das Bekleiden von Mandaten, das Bewerben um ein politisches Mandat sowie jeglichen Wahlkampf im Namen von solchen Parteien oder Organisationen. Der ver.di-Vorsitzende Frank Werneke stellte in der Diskussion klar, „wir haben klare Kante gezeigt“. Das sei die juristisch weitestgehende Möglichkeit, um Rechtsextreme und Rechtspopulisten auszuschließen.

Menschen, die vor Krieg oder Bürgerkrieg fliehen oder in ihrer Heimat wegen ihrer politischen Überzeugungen, ihrer sexuellen Orientierung, ihrer ethnischen oder religiösen Zugehörigkeit verfolgt werden, müssen in Deutschland und Europa Schutz finden. Für ver.di ist das Grundrecht auf Asyl und die Einhaltung der UN-Flüchtlingskonvention unantastbar. Die Gewerkschaft besteht darauf, dass die Menschenrechte eingehalten werden. Sie wird weiter einfordern, dass Menschen, die bei ihrem Versuch nach Europa zu kommen in Lebensgefahr geraten, gerettet werden müssen. Die Kriminalisierung ziviler Seenotrettung muss ein Ende finden.

Für Frieden und Abrüstung

Krieg als Mittel der Politik lehnt ver.di grundsätzlich ab (E135). ver.di hält die Vorstellung, dass Frieden und Sicherheit durch mehr und überlegenere Waffen gesichert werden könne, für grundlegend falsch. Deshalb engagiert sich ver.di in gesellschaftlichen Bündnissen für Abrüstung, wie dem Aufruf „Abrüsten statt aufrüsten“, und für die Verhinderung von Rüstungsexporten. Das schließt auch die Abrüstung von Atomwaffen sowie aller anderen Massenvernichtungswaffen und die Ratifizierung und Beachtung des Vertrages zur Nichtweiterverbreitung von Kernwaffen durch alle Staaten ein. Daher setzt sich ver.di dafür ein, dass die Bundesregierung den UNO-Vertrag über das Verbot von Atomwaffen unterzeichnet, wie das schon etwa 130 Staaten getan haben.

5. Aktiver Staat hat die Schlüsselrolle

Eine ausführliche, überaus konzentrierte und streckenweise auch sehr emotionale Debatte führten die Delegierten des Bundeskongresses zum Thema ökologischer Umbau. Zur Abstimmung stand ein Leitantrag des ver.di-Gewerkschaftsrats. „Die fortschreitende Zerstörung unserer natürlichen Lebensgrundlagen muss gestoppt werden,“ heißt es da gleich zu Beginn. Und: „ver.di stellt sich dieser großen gesellschaftlichen Herausforderung.“ Wie die Gewerkschaft sich die Bewältigung dieser Herausforderung vorstellt, welche konkreten Aufgaben aus ihrer Sicht zügig angegangen werden müssen, ist in dem Antrag mit der Nummer C001 und dem eher sperrigen Titel „Nachhaltige Wirtschaft und aktiver Staat“ detailliert ausgeführt.

Gute Arbeit und soziale Sicherheit

Dem vorangestellt ist die grundlegende Voraussetzung: „Der ökologische Umbau kann nur gelingen, wenn die betroffenen Menschen mitgenommen werden. Unsere gewerkschaftliche Aufgabe ist es, betriebs- und tarifpolitisch dafür zu sorgen, dass die ökologische Transformation einhergeht mit mehr guter Arbeit und sozialer Sicherheit. Dabei ist die Umweltbewegung ein wichtiger Bündnispartner.“  Der ökologische Umbau, heißt es da weiter, sei „in erster Linie eine politische Gestaltungsaufgabe.“ Das erfordere einen „aktiven Staat“, denn der Staat spiele „beim sozial-ökologischen Umbau eine Schlüsselrolle, die er mit einer aktiven Investitionspolitik, Industrie- und Dienstleistungspolitik sowie Struktur- und Regionalpolitik ausfüllen muss“.

Investitionen in die Infrastruktur

Der Bogen der konkreten Vorschläge, die in dem Antrag aufgeführt sind, ist weit gespannt. Allem voran steht die Forderung nach einer entschiedenen Ausweitung der öffentlichen und sozialen Dienstleistungen im sozial-ökologischen Sinn. Im Sozial-, Gesundheits-, Bildungs-, Kultur- und Wohnungsbaubereich gebe es große Versorgungslücken, die „nicht durch profitorientierte Geschäftsmodelle privater Unternehmen geschlossen“ werden. Erforderlich seien überdies massive Investitionen in die öffentliche Infrastruktur wie etwa die Verkehrsinfrastruktur, Energie, Wohnen und Gebäude. So sei ein „attraktives und gut abgestimmtes Angebot von öffentlichem Nah- und Fernverkehr“ für das Gelingen eines ökologischen Umbaus von erheblicher Bedeutung.

Sozialverträglicher Kohleausstieg

ver.di unterstützt „einen geregelten Ausstieg aus der Kohleverstromung“, verweist aber in dem Antrag abermals explizit darauf, dass dieser sozialverträglich gestaltet werden muss, „dass die vom Ausstieg aus der Kohleverstromung betroffenen Beschäftigten in den Stein- und Braunkohlekraftwerken und im Tagebau umfassend und vollständig abgesichert werden müssen“. Gewährleistet werden müsse auch, dass Strom, Wärme und Mobilität „auch für Geringverdiener erschwinglich bleiben“. Generell müsse es Leitlinie sein, dass die Kosten des ökologischen Umbaus „gerecht verteilt werden“.

Erhalt des Hambacher Forstes

Insbesondere Mitglieder der ver.di Jugend unter den rund 1.000 Delegierten machten sich in der Debatte engagiert für eine Erweiterung des Antrags um ihre Forderung nach Erhalt des Hambacher Forstes in Nordrhein-Westfalen stark. Der Wortlaut: „Der Bundeskongress spricht sich ausdrücklich gegen die geplante Rodung des Hambacher Forsts sowie die generelle Zerstörung von Dörfern und Natur für den Braunkohleabbau aus.“ Die Antragskommission auf dem Kongress hatte empfohlen, die Forderung, die auch in einem anderen Antrag (C039) enthalten war, dem Leitantrag lediglich als Arbeitsmaterial anzugliedern. Nach langer Debatte, und dies war der emotionale Teil, empfahl auch die Antragskommission die Aufnahme der zitierten Passage in den Hauptantrag C001. Dem folgten die Delegierten mit großer Mehrheit – unter dem Jubel und Beifall nicht nur der ver.di Jugend.

Abkehr von der „schwarzen Null“

Der sozial-ökologische Umbau, die erforderlichen öffentlichen Investitionen, so heißt es in dem Antrag, erfordert „eine Stärkung der staatlichen Einnahmen mittels einer gerechten Steuerpolitik“. Eine Abkehr von der Politik der „schwarzen Null“ sei ebenso vonnöten wie die Abschaffung der sogenannten Schuldenbremse, die ab 2020 nach dem Bund auch für die Länder gelten soll. „Und damit die Reichen nicht zu Lasten der Allgemeinheit noch reicher werden, sind Steuersenkungen zugunsten der Unternehmen und der Vermögenden abzulehnen,“ so der Antrag in aller Klarheit. Im Gegenteil seien besonders hohe Einkommen und Vermögen endlich angemessen, also deutlich höher zu besteuern, als es bislang der Fall ist. Beschlossen wurde der Antrag C001 schließlich mit großer Mehrheit, bei nur vereinzelten Gegenstimmen.

6. Wider die prekäre Plattformökonomie

Wie sinnvoll neue Technologien und Künstliche Intelligenz, KI, eingesetzt werden können, hat der 5. ver.di-Bundeskongress selbst gezeigt. Erstmals standen allen Delegierten und auch allen ver.di-Mitarbeiter*innen sämtliche Anträge und Unterlagen digital zur Verfügung. Und sie standen nicht nur auf einer geschützten Plattform bereit, sondern wurden auch in Sekundenschnelle aktualisiert. So schnell kommt schreibend niemand mit. Und auch keine Druckerei, wenn die zigste kleine Änderung in eine Formulierung während der Antragsdebatten hinzugefügt wird.

Quelle: https://www.verdi.de/ueber-uns/bundeskongress-2019

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UZ vom 04.10.19:

Ringen um mehr Einfluss

ver.di-Bundeskongress beendet – Kehrtwende beim Sozialabbau nicht in Sicht

Von Herbert Schedlbauer

Der neue Bundesvorsitzende der Vereinten Dienstleistungsgewerkschaft (ver.di), Frank Werneke, forderte auf dem 5. Ordentlichen Bundeskongress in Leipzig einen „massiven Umbau von Wirtschaft und Gesellschaft“. Als wichtigste Aufgabe für die kommenden vier Jahre will er die Tarifflucht stoppen. Immer mehr Unternehmer verabschieden sich aus den Flächentarifverträgen. Das spalte nicht nur ganze Belegschaften, sondern erschwere auch die gewerkschaftliche Organisation der Beschäftigten.
Die Änderungen des Tarifvertragsgesetzes durch Rot-Grün und der Großen Koalition ermöglichten erst die Absenkung der Löhne. Sie haben den Arbeitsmarkt in Deutschland zum Billiglohnland und Leiharbeit sowie prekäre Beschäftigung zur Normalität gemacht. Wieso dies heute erst alles möglich ist, warum die Gewerkschaften und die Menschen in diese Situation kamen, spielte dabei auf dem ver.di-Bundeskongress nur eine untergeordnete Rolle. Wenige Redner und Beobachter nannten die Dinge beim Namen und machten darauf aufmerksam, wer die gesetzlichen Grundlagen schuf.

Werneke vermied es, die Verursacher der Zustände zu nennen, die für Sozialabbau, Umverteilung von unten nach oben, für prekäre Beschäftigung und Existenznöte verantwortlich sind. Hätte er SPD und Bündnis 90/Grüne und die Große Koalition beim Namen genannt, müsste die Gewerkschaft sich kritischer und distanzierter zu diesen Parteien verhalten. So aber bleibt der fade Beigeschmack, dass nicht nur der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB), sondern auch ver.di und andere Einzelgewerkschaften durch ihre Nähe zur SPD sich selbst Schranken auferlegten. Ändern lässt sich dies nur von der Basis her. Sie wird maßgeblich dazu beitragen müssen, das Motto des Bundeskongresses, „zukunftsgerecht“, auch umzusetzen und die Gewerkschaften wieder als Gegenpol zur unternehmerischen Willkür zu machen. Sonst wird es noch schwieriger, den Sozialabbau zu stoppen.

Doch zum jetzigen Zeitpunkt ist eine Kehrtwende nicht in Sicht. Dazu wäre auch eine breite Analyse der Herrschaftsverhältnisse und die Entwicklung von gewerkschaftlichen Gegenpositionen nötig. So bleiben die Verursacher der jetzigen Lage auch diesmal wieder außen vor. Das Kapital und seine Helfershelfer, CDU, SPD, FDP, Bündnis 90/Grüne und AfD werden auch nach diesem Gewerkschaftstag nicht viel zu befürchten haben.

Die Misere in der Altenpflege und Krankenversorgung, die bis Mitte der 1990er Jahre in der Hand der Kommunen und Wohlfahrtsverbände waren, soll rückgängig gemacht werden. Private Unternehmen haben mit Hilfe der Politik das Gesundheitswesen privatisiert, Lohndumping und schlechte Arbeitsbedingungen durchgesetzt. Deshalb müsse die Altenpflege und Krankenpflege der Verwertungslogik des Kapitals entzogen werden.
Laut ver.di können die Klimaziele nur eingehalten werden, wenn es einen massiven Ausbau des ÖPNV zu niedrigen Preisen gibt. Notwendig sind deshalb wirklich große Investitionen nicht nur in den Städten, sondern auch auf dem Land. Das muss für alle bezahlbar sein. Klimaschutz und Ausbau des ÖPNV, die Schaffung von neuen Arbeitsplätzen bei Verkehrsgesellschaften werden deshalb zur Tarifsache gemacht.
Um der drohenden Altersarmut entgegen zu wirken, fordert ver.di die Rente mit 63 Jahren, bezahlbare Wohnungen und eine deutliche Verlängerung der Bezugsdauer von Arbeitslosengeld. Außerdem spricht sich die Gewerkschaft für die Abschaffung der Sanktionen und die Überwindung bei Hartz IV aus.

Thema waren auch die Angriffe der Unternehmer auf das bestehende Arbeitszeitgesetz und die Schleifung des Acht-Stunden-Tages. Bei der Arbeitszeit besteht kein zusätzlicher Flexibilisierungsbedarf. „Ein Aufweichen des Arbeitszeitgesetzes sei für die Arbeitsbedingungen in der Pflege, oder auch in der Paket- und Briefzustellung, eine Katastrophe.“
Die Dienstleistungsgewerkschaft weiß, dass ein stärkerer Widerstand nur durch breite Mobilisierungen möglich wird. Dies ist aber nicht nur durch mehr Mitglieder zu erreichen. Notwendig bleibt, dazu auch Strategien und Kampagnen zu entwickeln, die ver.di in eine Offensive gegenüber dem herrschenden Kapital bringt. Will man den Angriffen durch Politik und Kapital auf die Beschäftigten entgegenwirken, wird man einheitliche Forderungen entwickeln müssen, die fachbereichsübergreifend umzusetzen sind. Dazu gehört zweifelsfrei die Forderung nach einer wöchentlichen Arbeitszeitverkürzung. Dies zu organisieren und zum Inhalt jeder Tarifauseinandersetzung zu machen wäre nicht nur ein Mitgliederwerbemagnet. Die Tarifforderung für eine Verkürzung der Arbeitszeit ist auch die richtige Antwort auf den Klassenkampf durch Kapital und Kabinett von oben. Ein erster Schritt wurde jetzt nach 12 Jahren und drei Kongressen gegen den hauptamtlichen Apparat erreicht. Der Bundesvorstand muss eine breite Diskussion innerhalb von ver.di veranlassen. Ausdrücklich wird sich dabei auf die 30-Stunden-Woche mit vollem Lohn- und Personalausgleich bezogen.
Gewerkschaftspolitisch positioniert sich ver.di klar gegen den Rechtsruck in der Gesellschaft. Dieser Widerstand gegen rechts muss auf allen Ebenen, in den Betrieben, auf der Straße und den Parlamenten, aber auch im Netz geführt werden. Mitglieder der AfD hätten in der ver.di nichts zu suchen. Mit Ausschlussverfahren tut man sich jedoch schwer. Befürchtet wird, dass Verfahren verloren gehen, wenn die Betroffenen dagegen juristisch vorgehen. Die Begründung von ver.di: Diese müssten dann wieder durch ver.di aufgenommen werden.
Wernekes Rede war in weiten Teilen sozialdemokratisch geprägt. Für mehr Mobilität und Aktionen berief er sich allerdings auch auf den Kommunisten und Gründer der Kommunistischen Partei Italiens, Antonio Gramsci: „Bildet euch, wir brauchen all eure Klugheit. Bewegt euch, wir brauchen all eure Begeisterung. Und organisiert euch, denn wir brauchen all eure Kraft.“ Nach Gramsci zu arbeiten, würde ver.di jedenfalls ein Stück mehr zukunftsgerechter machen.

Quelle:  https://unsere-zeit.de/

 

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TAZ: Werneke gibt sich kämpferisch

Der neue Gewerkschaftschef fordert einen „Umbau von Wirtschaft und Gesellschaft“. Der Plan: eine ökologische Energie-, Verkehrs- und Agrarwende.

Die Abwechslung auf dem Bundeskongress der Dienstleistungsgewerkschaft Verdi in Leipzig war nur kurz. Am Mittwochnachmittag zogen mehrere ­Dutzend jugendliche VerdianerInnen singend und Fahnen schwingend in den Saal ein. Ihr Anliegen: radikale Arbeitszeitverkürzung! Für eine 30-Stunden-Woche bei vollem Lohn- und Personalausgleich solle Verdi eintreten.

Auch wenn die Delegierten mit wohlwollenden Applaus ihre Dankbarkeit zeigten, für ein paar ­Minuten aus ihrem Beratungsmarathon gerissen worden zu sein: Deutschlands zweitgrößte Gewerkschaft wird sich diese Forderung erst mal nicht zu eigen machen.

Gleichwohl ließ ihr neugewählter Vorsitzender Frank Werneke in seiner ersten Grundsatzrede keinen Zweifel daran, dass Verdi auch unter seiner Führung weiterhin den Anspruch hat, die linkeste Gewerkschaft Deutschlands zu sein. So sprach sich der 52-jährige Nachfolger von Frank Bsirske für nicht weniger als einen „massiven Umbau von Wirtschaft und Gesellschaft“ aus.

In seiner mehr als einstündigen Rede am Mittwochmorgen fanden sich viele altbekannte Forderungen – von der Wiedereinführung der Vermögenssteuer bis zur Überwindung von Hartz IV („Herumreparieren reicht nicht!“). Aber Werneke setzte auch einige neue Akzente.

Beispiel Wohnungspolitik: Spekulationen mit Grund und Boden müssten bekämpft werden, forderte er. Wenn anderes nichts nütze, müsse das Spekulantentum auch „mit Enteignungen angegangen werden“.

Zusätzlich müssten jährlich 100.000 neue Sozialwohnungen gebaut werden. Doch das alleine reiche nicht, um der Wohnungsmisere wirkungsvoll zu begegnen. Auch gehe es darum, die Marktmacht der rein profitorientierten privaten Wohnungskonzerne zugunsten öffentlicher und genossenschaftlicher Wohnungsbaugesellschaften einzuschränken.

Ausdrücklich begrüßte Werneke den Mietendeckel, wie ihn die rot-rot-grüne Landesregierung in Berlin plant. „Wohnen ist ein soziales Grundrecht, das nicht der Logik des Marktes unterworfen werden darf“, sagte er.

Großen Raum nahm außerdem die Klimapolitik ein. Wie schon sein Vorgänger Bsirske stellte sich auch Werneke an die Seite der Fridays for Future, mit der Verdi „auch in der kommenden Zeit eng zusammenarbeiten“ werde. „Wir brauchen jetzt eine ökologische Energie-, Verkehrs- und Agrarwende“, forderte er. Erforderlich sei eine „ökologische Transformation, bei der es sozial gerecht zugeht“. Das von der Großen Koalition beschlossene Klimapaket bezeichnete er als „eine klare Enttäuschung“.

Scharf verurteilte Werneke, dass die allermeisten Regierungen Europas statt auf die Bekämpfung von Fluchtursachen immer stärker auf Abschottung sowie die Abschreckung und Abschiebung geflüchteter Menschen setzten. „Damit wird von den Regierenden tausendfach das Sterben vor den Küsten Europas billigend in Kauf genommen“, empörte er sich. „Diese menschenverachtende Abschottungspolitik der Europäischen Union verurteilen wir zutiefst!“ Die Solidarität von Verdi gehöre demgegenüber den Menschen in Not und den Menschen, die auf der Flucht sind.

Deutliche Worte fand Werneke auch für die AfD. In der Partei seien „rechtsextreme Sozialpopulisten“ am Werk. Wenn es um Arbeitsplätze, bezahlbaren Wohnraum und soziale Sicherung gehe, versuchten sie, Einheimische gegen Geflüchtete zu treiben. Statt die Armut der Ärmsten zu bekämpfen, werde Ängste, Neid und Hass geschürt. Deshalb seien sie „Täuscher“.

In der Realität verlaufe der Verteilungskonflikt „nicht zwischen Menschen unterschiedlicher Herkunft, sondern zwischen oben und unten, zwischen Kapital und Arbeit“, sagte Werneke unter großem Beifall. Verdi stehe „für eine freie solidarische Gesellschaft, in der die Menschen gleich welchen Glaubens, gleich welcher Herkunft materiell, kulturell und politisch teilhaben können“.

Als erster Gewerkschaftschef schloss sich Werneke der Forderung nach einem Paritätsgesetz an. „Wir wollen die gleichberechtigte Teilhabe von Frauen an politischen Mandaten“, sagte er.

Verdi selbst geht dabei mit gutem Beispiel voran – und übererfüllt bereits die Quote: Von den 932 Bundeskongressdelegierten, die noch bis zum Samstag in der Leipziger Messe tagen, sind 557 weiblich. Dem am Dienstag gewählten Bundesvorstand gehören sechs Frauen und nur drei Männer an.

Quelle: https://taz.de/