Der Überfall Russlands auf die Ukraine hat in Deutschland eine neue Rüstungsdebatte entfacht. Nach Planung der Bundesregierung soll künftig das umstrittene 2-Prozent-Ziel der NATO für Militärausgaben (über-)erfüllt und zusätzlich durch ein «Sondervermögen» von 100 Milliarden Euro abgesichert werden. Diese zumindest in absoluten Zahlen größte Ausgabensteigerung in der Geschichte der Bundesrepublik wird unter den Bedingungen der Schuldenbremse zu Lasten sozialer Ausgaben und notwendiger Investitionen wie z.B. in den Klimaschutz erfolgen.
Profitieren wird von dieser Politik vor allem die deutsche Rüstungsindustrie. Wir stellen in einem kleinen Who-is-Who der Waffenschmieden die wichtigsten Akteure vor – neben konkreten Waffenproduzenten sind Unternehmen beschrieben, die als Zulieferer zu den Systemherstellern wesentliche Komponenten produzieren, sowie Ausrüster und Dienstleister der Bundeswehr. Dies ist nur ein kleiner Teil der etwa 300 Firmen, die – gut vernetzt mit Politik und Behörden – das Rückgrat der deutschen Rüstungsindustrie bilden und Deutschland zum fünftgrößten Waffenexporteur der Welt machen.
Rüstungsindustrie ist ein in Deutschland negativ besetzter Begriff – zu Recht: Zwei Weltkriege und unfassbares Leid gehen auf die Verwendung von deutsche Waffen zurück. Der «Stolz» auf die technologischen «Errungenschaften» und die Leistungsfähigkeit der deutschen Rüstungsindustrie ist in den Trümmern zurückgeblieben. In die heutige Waffenproduktion involvierte Firmen scheuen den Begriff – «wehrtechnische Industrie», «Verteidigungsindustrie» oder «Unternehmen der Sicherheitstechnik» umschreiben dieses Feld marketingkonform und unverfänglich. Die Rüstungsindustrie ist in Deutschland bis auf wenige große Firmen unsichtbar geworden.
Das Bestreben hier ist nicht, an der negativen Konnotation etwas zu ändern – sie sollte uns aber auch nicht davon abhalten, uns mit dem Bereich auseinander zu setzen. Es kann durchaus auch gefährlich sein, sich nicht mit den Unternehmen und den Mechanismen der Waffenproduktion zu beschäftigen. Deutschland ist heute einer der größten Rüstungsexporteure der Welt. Die verkauften Waffen und Technologien haben nichts an Tödlichkeit eingebüßt.
Die hier zusammengetragenen Profile erheben nicht den Anspruch, die Branche als Ganzes abzubilden, oder einzelne Aspekte auch nur annähernd vollständig zu beschreiben – sie sind ein Einstieg in eine differenzierte Auseinandersetzung, der bewusst ein breites Spektrum unterschiedlicher Blickwinkel aufgreift und unterschiedliche Dimensionen benennt.
Die Profile benennen wichtige Akteure im Feld Rüstungsindustrie – neben konkreten Waffenproduzenten (Kleinwaffen, Großwaffen, Kriegsschiffen) sind Unternehmen beschrieben, die als Zulieferer zu den Systemherstellern wesentliche Komponenten liefern, die zum Funktionieren der Waffensysteme unerlässlich sind und solche, die als Ausrüster und Dienstleister der Bundeswehr wesentliche Anteile am Bundeswehr- bzw. Militärbetrieb haben. Das schließt auch Unternehmen ein, die als Staatsunternehmen abseits der Bundeswehrränge militärnahe Aufgaben erfüllen. Die Verflechtung dieser Unternehmen wird sowohl in den kurzen Beschreibungen ihrer Historie aufgegriffen, aber auch in der Benennung von Lobby-Verbänden, die auf Öffentlichkeit, Politiker und Behörden im Sinne der Industrie einwirken.
Und … vieles bleibt ungesagt, unbeschrieben. Von den über Tausend Firmen, die die Bundeswehr selbst als ihre Zulieferer begreift, ist hier nur eine Friktion genannt und nicht einmal von den knapp 300 Unternehmen, die man als «Kern» einer deutschen Rüstungsindustrie begreifen könnte, ist mehr als eine begrenzte Zahl aufgegriffen.
Die Darstellung und Auswahl hier soll zu einer intensiveren Auseinandersetzung mit dem Feld anregen.
Komplexe Waffensysteme werden von Konsortien gebaut
Die Zeiten, in denen Waffensysteme wie Flugzeuge, Kampfschiffe oder Panzer von einem einzigen Hersteller entwickelt und gebaut werden sind vorbei. Die Internationalisierung des Waffenhandels und die nationalstaatlichen Ansprüche an die Erfüllung spezifischer Vorgaben was Auftragsvergabe an bestimmte Unternehmen oder die Ausgestaltung der technischen Besonderheiten betrifft, haben der Waffenproduktion von Großwaffen eine weitere Dimension hinzugefügt. Die staatlichen Versuche, die Industrie zu einer Konsolidierung zu bewegen, die die Anzahl der Anbieter verringert, eine größere Interoperabilität ermöglicht und Kosten reduziert, waren nicht immer erfolgreich. Meist sind es dieselben Politiker, die so etwas verhindern, wie die, die es fordern. Waffenproduktion hat bei aller Internationalität des Waffenhandels an sich auch Komponenten von Souveränität – das gilt besonders dann, wenn der Staat selbst mit Anteilseigner an den Unternehmen ist, oder diese als zentrale Kompetenzträger innerhalb einer Volkswirtschaft begriffen werden.
Konstruktionen wie die Genese des Airbus-Konzerns, MBDA oder auch KNDS zeigen die Möglichkeiten, aber auch die Grenzen internationaler Fusionen im Bereich der Rüstungsindustrie auf. In Europa haben die Staaten seit den 1980er Jahren versucht, mit gemeinsamen Rüstungsprojekten eine Balance zwischen den stetig steigenden Kosten durch geringer werdende Stückzahlen, der zunehmenden Komplexität der Waffensysteme und damit ansteigenden technologischen Anforderung an die Industrie zu finden. Gemeinsame Projekte, die alle Partner in den Details dann doch anders ausgestaltet haben wollten, wie beispielsweise Jagdflugzeuge oder Kampfhubschrauber haben sich dabei als recht teuer erwiesen – und auch als nicht immer so sonderlich effektiv.
Moderne Waffensysteme bestehen heute aus einer Vielzahl von Einzelkomponenten, die ihrerseits technologisch durchaus anspruchsvoll sind. Gerade im elektronischen Bereich hat sich schon in den 1960er Jahren gezeigt – das Beispiel wäre der aus den USA importierte Starfighter –, dass es besonderer Fähigkeiten bedarf, die unterschiedlichen Systeme so miteinander zu integrieren, dass daraus überhaupt eine Waffe wird. Firmen wie die ESG oder auch IABG (Industrieanlagen-Betriebsgesellschaft mbH) traten abseits der eigentlichen Produzenten als Prüf- und Integrationsunternehmen in Erscheinung und sind inzwischen aus der Entwicklung von (Groß-) Waffensystemen nicht mehr wegzudenken. Die steigende Komplexität stellt aber nicht nur die Industrie vor neue Herausforderungen, sondern auch die Abnehmerseite des Militärs. Oft sind Beschaffungsabteilungen, wie das BAAINBw (Bundesamt für Ausrüstung, Informationstechnik und Nutzung der Bundeswehr) gigantische Behörden mit mehreren Tausend Mitarbeitern – rund 6.800 in Deutschland – und damit beschäftigt, die militärischen Anforderungen in Kooperation mit der Industrie zu tatsächlichen Produkten werden zu lassen. Aber auch die Ministerien, die schlussendlich für die Bezahlung der Projekte verantwortlich zeichnen und die staatlichen Interessen repräsentieren, stellt die zunehmende technologische Komplexität, die sich in einer Vielzahl unterschiedlicher Auftragnehmer niederschlägt, eine entsprechende Aufgabe dar.
Die Staaten Europas haben sich deshalb auch zwei zusätzliche und gemeinhin nicht bekannte Behörden gegeben, die eine ist die Europäische Verteidigungsagentur (EVA) die an die Europäische Kommission angeschlossen ist und die Beschaffungsaktivitäten der Mitgliedstaaten mit dem Ziel der Kostenreduktion koordinieren soll und für einen «fairen» Wettbewerb sorgen möchte. Die andere ist die OCCAR (Organisation Conjointe de Coopération en Matière d’Armement) mit Sitz in Bonn, die konkrete Rüstungsprojekten der Teilnehmerländer koordiniert und dabei einerseits die beteiligten Staaten gegenüber der Industrie vertritt, andererseits aber auch dafür sorgen soll, dass die Industrie der beteiligte Staat ihren Anteil an Aufträgen gemäß den bestellten Systemen erhält – und zwar nicht allein innerhalb eines einzelnen Projektes, als vielmehr über alle Projekte hinweg.
Die Industrie ihrerseits tritt in Bietergemeinschaften den Staaten gegenüber um Aufträge zu erlangen und schließt sich auch zu Konsortien zusammen, um bestimmte Produkte gemeinsam zu vermarkten. Für ausgewählte größere Projekte werden auch schon einmal Projektgesellschaften oder Betreibergesellschaften gegründet, die ein System nicht nur umsetzen, sondern auch über den Zeitpunkt der Auslieferung hinweg weiter betreuen. Solche Projektgesellschaften fungieren dabei mitunter als Abrechnungsstellen der Industrie, weshalb oft von außen kaum mehr nachzuvollziehen ist, wie teuer ein einzelnes Projekt über die Jahre hinweg geworden ist. Bekannte Projektgesellschaften sind beispielsweise die Panavia Aircraft GmbH, die den Tornado-Kampfjet betreut, oder auch die Eurofighter Jagdflugzeug GmbH, die beide an derselben Adresse nördlich von München firmieren. Unbekannter könnte schon die EuroHawk GmbH sein, die am Bodensee ihren Sitz hat und sich (nach wie vor) um die Indienststellung einer Spionagedrohne bemüht. Ebenfalls unbekannt dürfte die Europrop GmbH in München sein, die die Motorenhersteller des A 400 M koordiniert und die Motoren der Flugzeuge über den Zeitraum ihrer Lebensdauer betreut. Auch hinter den Kürzeln PSM Projekt System & Management GmbH und Artec GmbH verbergen sich Joint Venture Unternehmen von Rheinmetall zusammen mit Kraus-Maffei Wegmann, die den Schützenpanzer und Transportpanzer Puma betreuen und auch die weiteren Projektpartner mit einbeziehen.
Um diesen ohnedies schon komplexen Konstrukten eine weitere Dimension hinzuzufügen sei hier zumindest erwähnt, dass ein jedes Projekt (selbst Unter- oder Teilprojekte) zudem einer Evaluierung durch Unternehmensberatungen unterworfen wird. Dies ist eine Reaktion auf die enormen auch finanziellen Fehlentwicklungen, die die Beschaffungsprojekte der Bundeswehr in den letzten 30 Jahren erlebt haben. Die ehemalige Bundesministerin Ursula von der Leyen ließ ein System der Risikoabschätzung etablieren, dass es einerseits dem Bundesministerium, wie auch dem BAAINBw ermöglichen sollte, Veränderungen und Risiken innerhalb von Projekten zu erkennen, andererseits überhaupt eine Basis für Berichte an das Parlament in Rüstungsfragen zu bilden. Das Ergebnis schlägt sich einerseits in teilweise öffentlich zugängliche Berichte des Ministeriums nieder, zum anderen ist der Unternehmensberaterbranche ein neues Geschäftsfeld erwachsen, das der Steuerzahler alimentiert.
Wir stellen in einem kleinen Who-is-Who der Waffenschmieden die wichtigsten Akteure vor – neben konkreten Waffenproduzenten sind Unternehmen beschrieben, die als Zulieferer zu den Systemherstellern wesentliche Komponenten produzieren, sowie Ausrüster und Dienstleister der Bundeswehr. Dies ist nur ein kleiner Teil der etwa 300 Firmen, die – gut vernetzt mit Politik und Behörden – das Rückgrat der deutschen Rüstungsindustrie bilden und Deutschland zum fünftgrößten Waffenexporteur der Welt machen:
- AFCEA – Anwenderforum für Fernmeldetechnik, Computer, Elektronik und Automatisierung e.V.
- Airbus
- BDSV – Bundesverband der deutschen Sicherheits- und Verteidigungsindustrie e.V.
- BwFuhrparkService
- BWI – Bundeswehr Informationstechnik
- Diehl Gruppe – Diehl-Defense
- Dynamit Nobel Defence
- ESG Elektroniksystem- und Logistik-GmbH
- FFG – Flensburger Fahrzeugbau Gesellschaft GmbH
- General Dynamics European Land Systems
- Heckler & Koch
- HIL – Heeresinstandsetzungslogistik
- Hensoldt Germany
- Kärcher Futuretech
- KMW-Nexter (KNDS) – Krauss-Maffei Wegmann
- Leonardo
- MBDA Deutschland
- Naval Vessels Lürssen
- Northrop Grumman LITEF
- OHB Orbitale Hochtechnologie Bremen
- Raytheon Technologies
- Rheinmetall
- Rohde und Schwarz
- ruag Deutschland
- Schusswaffenhersteller und Munitionsproduzenten
- Steep
- Thales
- ThyssenKrupp Marine Systems
Wir danken der Informationsstelle Militarisierung (IMI) für die Erstellung
Quelle: https://www.rosalux.de/ Bild: www.koop-frieden.de