Als die rot-grüne Koalition im Jahr 2002 ihre große Rentenreform auf den Weg brachte und der Einstieg in die kapitalgedeckte Rente erstmals vollzogen war, wurde dies als der große Wurf gefeiert. Das deutsche Rentensystem sollte nun endlich zukunftssicher sein.
Doch schon im Jahr 2006 hatte der inzwischen verstorbene Robert Kurz unter der Überschrift „Zeitbombe Betriebsrenten“ auf folgenden Zusammenhang hingewiesen: „Die gesamte Weltwirtschaft schiebt einen Berg von Schulden, faulen Krediten und Abschreibungstiteln vor sich her. Einen wenig beachteten Aspekt bilden die Betriebsrenten der westlichen Konzerne. Entstanden in den längst vergangenen Zeiten der fordistischen Prosperität, sind sie zum Risikofaktor des neuen Finanzkapitalismus geworden.“
Fast zehn Jahre später ist das Jammern groß. Erst jetzt wird offensichtlich, dass die Rentner in Wahrheit in eine Falle gelockt wurden, aus der es kein Entkommen gibt. Die gesetzlich garantierte Rente fällt und fällt, aber die private Vorsorge, die die Lücke schließen sollte, gleicht das nicht aus.
Die Altersvorsorge von 17 Millionen Deutschen ist bedroht, denn die Pensionskassen können nur noch Anleihen mit niedrigen Zinsen aufnehmen. Der darauf folgende Anlagennotstand lässt die Renten schrumpfen.
Zu Beginn der 2000er Jahre wurde das alte Ziel der Rentenversicherung, der Sicherung des Lebensstandards nach einem langen Erwerbsleben, verlassen und die Beitragsstabilität, sprich Senkung der „Lohnnebenkosten“, in den Vordergrund gestellt. So dürfen die Beiträge bis zum Jahr 2030 nicht mehr über 22 Prozent steigen und bis zu diesen Zeitpunkt soll das Rentenniveau um 20 Prozent sinken.
Das neue System wurde das „Drei-Säulen-Modell“ genannt.
Die gesetzliche Rentenversicherung als erste Säule der Altersversorgung beruht auf dem Umlageverfahren, das heißt, die Erwerbstätigen zahlen mit ihren Beiträgen die laufenden Renten.
Dagegen basieren die betriebliche Altersversorgung und die private Altersvorsorge auf dem Kapitaldeckungsverfahren. Die Beiträge der Versicherten werden dabei auf einem persönlichen Beitragskonto zuzüglich Zinsen und Zinseszinsen sowie der von den Versicherungsunternehmen erwirtschafteten Überschüsse angesammelt. Hieraus werden dann die Versicherungsleistungen entweder in einer einzigen Summe oder als monatliche private Rente ausgezahlt. Der Staat unterstützt die betriebliche und private Altersvorsorge mit Zuschüssen.
Die Säule der betrieblichen Altersvorsorge ist ins Wanken geraten.
Die Niedrigzinsen sägen an den Betriebsrenten, so hat sich z.B. bei den DAX-Konzernen der Grad, mit dem die dortigen Betriebsrentenzusagen aus finanziert sind, von 66 auf 61 Prozent reduziert. Das lässt sich derzeit noch durch die gestiegenen Aktienkurse ausgleichen. Falls der gegenwärtige DAX-Höhenflug aber platzt, wird sich dieser Wert dramatisch weiter reduzieren.
Laut WAZ vom 30. Juni 2015 hat der Deutsche Industrie- und Handelskammertag (DIHK) berechnet, dass seit 2008 alle Ergebnisse kleiner und mittlerer Unternehmen in Deutschland um mehr als anderthalb Milliarden Euro belastet wurden. Bei den 30 DAX Konzernen stiegen die Pensionslasten noch im vergangen Jahr um 61 Milliarden Euro.
Jetzt wurde deutlich, dass die niedrigen Zinsen bei den Pensionslasten auch zu einem Steuerproblem werden. Das liegt daran, dass sich die für die Handelsbilanzen relevanten Zinsen nach dem deutschen Handelsgesetzbuch(HGB) aus dem Durchschnittszins der letzen sieben Jahre errechnet, während aber die Rückstellungen vom Fiskus so behandelt werden, als gäbe es die Niedrigzinsen überhaupt nicht. In der Steuerbilanz werden die Rückstellungen nach wie vor mit 6 Prozent abgezinst, so müssen die Betriebe Steuern auf Gewinne zahlen, die es gar nicht gibt.
Das Problem lässt sich auch gut an der Renditeentwicklung deutscher Bundesanleihen mit zehnjähriger Laufzeit ablesen: Warfen die Papiere im Jahr 2002 noch einen üppigen Ertrag von mehr als fünf Prozent ab, sind es heute gerade einmal 1,2 Prozent. Nach Abzug der Inflationsrate machen Anleger mit Bundesanleihen derzeit sogar Verlust.
Die Brisanz zeigt auch eine Modellrechnung des Anleihehauses Bantleon, das Versorgungswerke berät. Die Rechnung geht von der Annahme aus, dass die Pensionskassen überwiegend in Pfandbriefe mit besonders langer Laufzeit investieren. Setzt sich die Niedrigzinsphase nun fort, würde die jährliche Wertentwicklung eines typischen Portfolios einer Kasse drastisch zurückgehen, innerhalb der nächsten fünf Jahre um insgesamt mehr als ein Drittel. Die Verzinsung würde dann jedes Jahr um etwa 0,3 Prozentpunkte abnehmen und von derzeit im Schnitt 4,0 Prozent bis 2017 auf nur 2,5 Prozent im Jahr absinken.
Bleibt es bei dieser Zinsdifferenz auf Dauer, könnten dem Rentner später hohe Summen fehlen. Wer bisher 1.000 Euro erwartet hatte, bekäme dann nur noch etwa 650 Euro.
Die medienbekannten Befürworter der privaten Altersvorsorge und Totengräber der gesetzlichen Rentenversicherung rudern neuerdings zurück. Sie stimmen derzeit die 17 Millionen Beschäftigten, die in Betriebsrenten einzahlen, darauf ein, dass sie geringere Erträge aus ihrer Rente erzielen.
Auch warnen sie schon die Firmen, die ihren Beschäftigten eine hohe feste Verzinsung zugesagt hatten, dass die Pensionskasse zum Verlustgeschäft werden kann.
Gegen die Insolvenz eines Unternehmens sind die Renten auch nur zum Teil, nämlich allenfalls in Höhe der eingezahlten Beträge, gesichert.
Die Leute, die jetzt medienwirksam die zukünftigen Betriebsrentenbezieher warnen, sind die gleichen Krakeeler, die seit 10 Jahren als Lobbyisten der Versicherungen Werbung für die kapitalgedeckte Rente machen, die doch angeblich eine hohe Rendite erbringen, so sicher und vor allem so demografiefest sein soll.
Quelle: ossietzky, nachdenkseiten, WAZ
Bild: sueddeutsche.de