Warum Lohneinbußen ein Dauerproblem für Gewerkschaften sind?

Von Frank Bernhardt

»Gewerkschaften müssen Lohnmaschinen sein«, so eine Forderung in ihrer Lehrerzeitung (hlz) 3-4/24 der GEW Hamburg zur Misere (hohe Arbeitslast und schlechte Bezahlung) auch der Kita-Beschäftigten im Stadtstaat. Klingt erstmal plausibel. Doch dem soll hier einmal gründlicher nachgegangen werden.

Höchste Warnstufe! »Die Akkus blinken rot!«

»Miserable Arbeitsbedingungen« (hlz 3-4/24, 6) werden angeprangert, die über die Jahrzehnte von der Politik zugespitzt wurden. Die hlz-Redaktion und viele Kolleg*innen wünschen sich Verhältnisse, in denen endlich ihre »Akkus wieder grün blinken« (hlz 7-8/24, 8). Diese fallen jedoch nicht vom Himmel, so garniert sie die Kritik mit dem lockeren Spruch »Frühverrentung für alle, bei vollem Lohnausgleich«, um damit mehr gewerkschaftliche Aktivität aus den Kolleg*innen herauszukitzeln. Ob damit indes der nötige »Klassenkampf« (46) erfolgt, ist die Frage.

Die hlz-Redaktion begrüßt allerdings auch explizit, dass eine »marxistische oder kritisch-theoretische Position« (hlz 3-4/24, 7) besagte Verhältnisse erhellen könnte. Die Urteile über Gewerkschaftsaufgaben sind sehr unterschiedlich. Eine Mehrheit ist eben zahlendes Mitglied, andere wünschen sich Hilfsangebote für den anstrengenden Schulalltag, was an der Mehrbelastung nichts ändert, bis zu den Stimmen, die ein Interesse nach Beseitigung der Belastungen vorantreiben wollen, was ja jedes GEW-Mitglied interessieren sollte. E. Kant hatte schon 1784 davon geschrieben, dass ein »großer Teil der Menschen … gerne zeitlebens unmündig [bliebe]; und warum es anderen [in diesem Fall der Politik] so leicht wird, sich zu deren Vormündern aufzuwerfen«.

Übrigens ist auch in der Schule die Befassung mit dem Marxismus nicht vorgesehen. Wenn dies überhaupt geschieht, dann marginal, an runden Geburtstagen wird Marx gewürdigt, weniger für seine theoretischen Leistungen in der Analyse kapitalistischer Gesellschaften, höchstens einmal als Philosoph. Nachdem die BRD  sich um die DDR erweitert hat, wurde die marxistische Gesellschaftswissenschaft zusammen mit der »Kritik der Poltischen Ökonomie« an den westdeutschen Universitäten schnurstracks verbannt.

Also soll – mit einem Blick auf Marx – folgenden Fragen nachgegangen werden:  Warum mischt sich der Staat in die ökonomische Angelegenheiten von »Lohnarbeit und Kapital« ein? Das kleine Buch von K. Marx, mit dem er vor 175 Jahren Arbeiteraufklärung betrieb, birgt einiges an Erkenntnissen. Und was wollen und sollen die Gewerkschaften? Warum sind sie notwendig?

Lernen vom Eisenbahner-Streik?

Beim letzten GdL- Streik in diesem Land, das lange als ›streikarm‹ im Vergleich zu französischen Verhältnissen galt, gab es einige mehrtägige Arbeitsniederlegungen im Bahn- und Güterverkehr, die es in sich hatten. Ihre Kampftaktik war auf Kurzfristigkeit ausgerichtet, sie sollte für die DB möglichst unkalkulierbar sein. Die Gewerkschaft lehnte sogar das Ergebnis eines Schlichtungsverfahrens ab. Für die Streikzeit war klar beabsichtigt, was Politik und Öffentlichkeit jetzt unisono anprangern, die Bahn war kein »verlässliches Verkehrsmittel« mehr. Das deutet an, was an »Gegenmacht« der Kommandomacht des Eigentums entgegengestellt werden sollte, um deren Interesse zu begegnen, möglichst viel Arbeit der Beschäftigten bei steigender Arbeitsintensität und bescheidenen bis sinkenden Löhnen abzugreifen. Wenn die GdL darauf aus ist, ihre Forderungen durchzusetzen, nimmt sie keine Rücksicht auf Reisende und auch nicht auf die Wirtschaft, das ruft sogleich Politiker*innen auf den Plan, die das Streikrecht modifizieren wollen.

Der moderne Rechtsstaat hat den Gewerkschaften mit dem Streikrecht eine sonderbare Lizenz ausgestellt. Sie dürfen das bestehende Vertragsverhältnis kündigen, um es nach den Tarifverhandlungen z. T. auch mit (Warn-)Streiks zu etwas geänderten Bedingungen weiterzuführen. Die ganz den beiden Parteien überlassene Lohnfindung geht nur mit Kampf. Dazu braucht es eine ausreichend organisierte Streikmacht der Gewerkschaften und – nicht zu vergessen – die rechtliche Genehmigung. Zu Marxens Zeiten führten die Arbeiter*innen »Klassenkämpfe«, die Verpflichtung auf das Nationale war Marxens Sache nicht, denn „Arbeiter haben kein Vaterland“ wie er und Engels im »Kommunistischen Manifest« anmerkten.

Das hohe Rechtsgut erlaubt nun den Arbeitnehmer*innen, eigenverantwortlich zu koalieren und sich zu organisieren, um so für ihre vom Staat als legal eingeordneten Lohninteressen einzutreten. Die GdL unter ihrem Chef Weselsky geht – wie aufgeführt – forsch im Arbeitskampf vor. Anders als die alteingesessenen Gewerkschaftseliten, die das Rechtsgut immer mit vornehmer Zurückhaltung ausgeübt haben. Diese relativ neue Vorgehensweise denunziert die Öffentlichkeit mit dem Vorwurf des Missbrauchs. Der Gewerkschaft ist institutionelle Gegenwehr erlaubt, die dann in Perioden vom sonst lebenslangen Lohnarbeiterdasein Abstand nimmt, um für die Beschäftigten, wie die GdL fordert, »leistungsgerechte Bezahlung« herauszuholen. Die wissen, dass sie ihren Dienst für den Nutzen des Privateigentums mit Arbeitshetze und Lohnknappheit ›bezahlen‹ müssen und haben keine Wahl, ein Arbeitsleben lang aufs Neue den Kampf gegen prekäre Lebensumstände, so Armutslöhne, gesundheitsschädigende Arbeitsbedingungen und dauerhafte Existenzunsicherheit auszufechten. Inhaltlich ist das nichts anderes als der Gegensatz der kommandierten Lohnarbeit durch die Macht der Eigentümer*innen, der ihr gesamtes Leben bestimmt.

Ihr Gewerkschaftschef macht ein Anrecht auf mehr vom »gemeinsamen Betriebsergebnis« geltend, denn die Gehälter der Lokführer*innen und sonstiger Beschäftigten sind ›ungerecht‹ verteilt im Vergleich zu den Boni der Chefs und Vorstände, also derjenigen, die ansonsten das Sagen über den Geschäftsgang haben und Arbeitskräfte je nach Geschäftsgang ›heuern und feuern‹. Das geht nur durch die Unterbrechung des tagtäglichen Abrackerns, denn welche/r Chef*in kommt schon darauf. Der Grund liegt in dem Selbstverständnis, dass in jedem Betrieb die Geldrechnung zählt, die den Angestellt*innen das Diktat von möglichst viel geldwerter Leistung bei möglichst geringer Bezahlung oktroyiert.

Es gilt also die Mitglieder rebellisch zu machen, Zusammenschluss trotz erheblicher Unterschiede in der Bezahlung der Mitglieder zu fördern, denn die Wirklichkeit des immer wieder notwendig werdenden Kampfes um teilweise Berichtigung des Lohns, spricht für die Abhängigkeit der Arbeit in diesem Verhältnis. An den Ergebnissen des Arbeitskampfes zeigt sich immer wieder die Unterlegenheit gegenüber den vorgegebenen ökonomischen Interessen. Sie heben die Alternativlosigkeit in der Abhängigkeit des Verhältnisses nicht auf. Doch vom Interessengegensatz wollen die Wenigsten etwas wissen, auch wenn die hohen Tarifabschlüsse schon längt in der vorgeschriebenen »Friedenszeit« aufgebraucht sind. Nach der ausgehandelten langen Laufzeit, in der für GdL »Friedenspflicht« bis März 2026 herrscht, sind die Gründe für den nächsten »Arbeitskampf« virulent geworden und so geht es nach kürzeren oder längeren Zeitabschnitten in aller Regelmäßigkeit ein ganzes Arbeitsleben lang mit dem bekannten Procedere weiter.

Ist das »Klassenkampf«?

Am Beispiel des GdL-Chefs Weselsky ist zu erkennen, dass er nichts mit einer marxistischen Kritik im Sinn hat, sich vielmehr klar von ihr distanziert, denn ›seine‹ GdL betreibt »Arbeitskampf« und keinen »Klassenkampf« (www.berliner-zeitung.de v. 28.4.24). Als ehemaliger ›Ossi‹ und jetziges CDU-Mitglied lebe er jetzt in der »Marktwirtschaft«, deren Grundprinzip die Profitmacherei ist, in der ein »Geschäft, das keinen Profit abwirft, kein Geschäft (ist)«, der jedoch nach ihm nicht so »überbordend groß« (https://jung-naiv.podigee.io, Folge 645 v. 5.6.23) sein sollte. »Ausbeutung« ist für diesen Herrn eben nicht das Prinzip der gesellschaftlichen Produktion für privaten Gewinn, sondern eine Sache der gerechten Verteilung der Geldeinkommen. Wobei die schäbige Rolle der Arbeit im Kapitalismus als Quelle fremder Bereicherung durchgestrichen ist.

Staatlich gewährtes »Streikrecht«

Der Streik hat dem »Grundsatz der Verhältnismäßigkeit« zu gehorchen und das »Gemeinwohl [darf] nicht offensichtlich verletzt« werden (so der Beitrag »Grenzen des Streikrechts« des Wissenschaftlichen Dienste auf www.bundestag.de v. 2.8.2007). Marx bezeichnete das Verhältnis von bezahlter Arbeit zur unbezahlten Mehrarbeit als »Ausbeutung«. Beim Ergebnis des Kampfes unter der staatlichen Vernunft ist dann meistens ›Schmalhans Küchenmeister‹. Da gerade in der »Friedenpflicht« Betriebe, Preise für Arbeit durch unbezahlte Mehrarbeit und Arbeitsintensität verbilligen und der Handel Preise für die Lebensnotwendigkeiten verteuert. Nicht verwunderlich, dass das BVG 1991 im »Hinblick auf die Grenzen der Koalitionsfreiheit« urteilt, eine weitere »Einschränkung des Arbeitskampfes nicht [für] ausgeschlossen« hält, so »Grundrechte Dritter« beeinträchtigt werden, was im Wesentlichen das »Recht auf Eigentum« betrifft.

Älteren Kolleg*innen erinnern sich gewiss an den eintägigen Streik der GEW in Hamburg – übrigens mit Beamt*innen – in den 80er Jahren, in dessen Folge der Senat gerichtlich – bei einer Strafandrohung von ca. 200.000 DM – eine Wiederholung verhinderte.

Die hlz-Redaktion bringt ihren Lösungsvorschlag ins Spiel.

»Gewerkschaften müssen Lohnmaschinen sein!« (hlz 3-4/24, 6)

Die Forderung klingt erstmal einleuchtend. Doch da ist ja noch die rechtliche Fixierung des Arbeitskampfes. Somit hatte sich die »Lohnmaschinen«-Forderung für den DGB schon in den 70er Jahren erledigt, »Gewerkschaften (sind) nicht reine Lohnmaschinen« (https://library.fes.de/gmh/main/ pdf-files/gmh/1974/1974-10-a-614.pdf). Die ziemlich entrückte Begründung dafür, »ihre Anstrengungen (müsste sie) darauf ausrichten, Arbeits- und Lebensbedingungen aller Arbeitnehmer zu verbessern«. Eigenartiges Argument, denn was ist denn die Lohnhöhe anderes als die Grundlage für die jeweiligen »Lebensbedingungen?« Das angeführte Beispiel, Strafandrohung, die die Gewerkschaft bei Nichtbeachtung ruinieren würde, spricht dagegen. Der Privat- und Staatsmacht das abzuringen, wäre tatsächlich eine besonders ›harte Nuss‹. Die DB, mit der die einen verreisen und die anderen ihren Arbeitsplatz erreichen, genießt den moralischen Standortvorteil – dem »Gemeinwohl« zu dienen -, dabei wird eine Gemeinsamkeit herbeigeredet, die es so nicht gibt, denn das Volk ist eine ziemlich heterogene ›Vereinigung‹ bestehend aus den Charakteren der kapitalistischen Konkurrenzgesellschaft, die durch staatliches Recht mit ihren gegensätzlichen Interessen zusammengeführt werden.

Wenn Streiks zu »Erpressungen« (taz.de v. 14.3.) – von Erpressung der Gegenseite redet niemand – ausufern und nicht wie »Arbeitskämpfe der Schwachen« mit Anstand und im Ergebnis mit einem Kompromiss enden, droht die »Einschränkung des grundgesetzlich garantierten Streikrechts«. Wer das Streikrecht nutzen will, hat gefälligst »konstruktiv [zu] verhandeln« (www.tagesschau.de v. 6.3. – Wissing, Verkehrsminister). Erkennbar ist damit, dass Machtinstrumente allein dem Staat vorbehalten sind, Gewerkschaften haben sich dem zu beugen. Die maßgeblichen Interessen der Geldbesitzer*innen zum Zwecke der Vermehrung ihres Geldes, billigen eben den »unmittelbaren Produzenten«, wie Marx sie bezeichnete, kein sorgenfreies Leben zu. Das große »Ganze« fordert von den Streikenden Verantwortung, d. h. daran hat sich ihre Sache des Streiks unbedingt auszurichten, ergo ist Kritik an den Arbeitsverhältnissen des Kapitalismus nur sehr bedingt statthaft, ganz besonders in den sensiblen Bereichen des »Verkehrssektor[s]« (www.fdp.de – Antragsbuch)  und der »Daseinsvorsorge«. Da folgt gleich der große Aufschrei der Politik, die sofort Einwände geltend macht mit der Konsequenz: Nach dem allgemein verpönten Kampf der GdL plant die Politik eine »Mindestfrist« ins Tarifrecht einpflegen, dazu »verpflichtende« Absprachen der »Tarifparteien«, um eine »Mindestversorgung« mittels »Notdiensten« zu gewährleisten. Diese Maßnahmen sind auf weitere Beschränkungen des Arbeitskampfes aus. Die Stellung der Politik ist eindeutig, so sieht der gegenwärtige Wirtschaftsminister R. Habeck gar den »sozialen Frieden« bei einer Forderung »zu viel für immer weniger Arbeit« (www.welt.de v. 15.3.) gefährdet. Für wen wohl, natürlich für die Unternehmer*innen! Der Mann mit dem philosophischen Gehabe muss es wissen, Arbeiter*innen haben besonders in Krisen ihren doppelten Dienst für Kapital und Staat zu leisten, für die Wirtschaft und fürs »Vaterland«, wenn die Nation einen Krieg ausruft, ist das nicht anderes als der Einsatz des Lebens der Arbeiter*innen als Mittel fürs Krieg führen.

Etliche der Landesverbände der GEW haben sich bisher gegen die Bundeswehr im Unterricht verwahrt – getreu dem Motto »ein kluger Kopf passt unter keinen Stahlhelm! «, so A. Einstein. Doch die Bundesbildungsministerin fordert mit der Zeitenwende und der Mega-Aufrüstung auch eine geistige Mobilmachung ein, um ein  „unverkrampftes“ Verhältnis der Schüler*innen zur Bundeswehr zu erreichen. Auf den Zug ist die Politik in Bayern gleich aufgesprungen, sie verabschiedet ein Gesetz, in dem »Schulen und Unis mit [der] Bundeswehr kooperieren (müssen)« (www.spiegel.de v. 18.7.). So einfach ist es für die Politik, Gesetze werden verabschiedet oder geändert, und die »abhängig Beschäftigten«, sie heißen ja nicht umsonst so, haben wie immer das Nachsehen. Die Reaktion des DGB:

»Hände weg vom Streikrecht!«

So heißt es im »Newsletter Klartext« (www.dgb.de v. 5.4.) zu den politischen Plänen. Einhegungen sollen das Streikrecht behindern, so dass der »Ausgleich eines bestehenden Ungleichgewichts« nicht zustande kommt, das nur nie ausgeglichen wird, sonst gäbe es ja die unterschiedlichen Formen der Armut nicht. Ausgesprochen wird damit eine bescheidene Wahrheit für das Arbeitsvolk. Lohnabhängige müssen ihre lebenslange anstrengende Tätigkeit, die für ihren Lebensunterhalt sorgen soll, um den Kampf für ihre Interessen ergänzen. Dabei ist die Rentabilität der Lohnarbeiter*innenklasse der Gradmesser, an dem sie sich abzuarbeiten hat. Der Kampf für Lohn ist unabdingbar, das will auch der DGB nicht bestreiten und verweist auf das Recht, das er sich nicht nehmen lassen will. Die Herren und Damen Gewerkschaftsführer*innen brauchen die Lizenz zum Arbeitskampf, das Interesse ihrer Mitglieder darf dabei nur bedingt vorkommen, dass ein materieller »Ausgleich« zwischen den gegensätzlichen Interessen herbeigeführt wird, ist reine Ideologie. Weil gegensätzliche Interessen nicht zusammenzuführen sind, werden sie mit dem Dogma der »Sozialpartnerschaft« übertüncht.

Die DGB-Vorsitzende Y. Fahima spricht es offen am 1. Mai aus: »Wir machen verantwortliche Tarifpolitik« (www.dgb.de – aus: Rede zum Tag der Arbeit 24), damit meint sie sehr wohl die Verantwortung für Arbeitsfrau und -mann allerdings eingebettet in die Interessen von Kapital und Nation. Wenn der Kanzler ins selbe ›Horn stößt‹, das Land und damit auch die Arbeiterschaft »könne[n] stolz sein auf die Sozialpartnerschaft« (www.tagesschau.de v. 13.3.), dann ist klar ausgesprochen, welches das geltende Interesse ist. »Eine gesetzliche Regelung des Streikrechts« sei unnötig, so sein »Appell an die Tarifpartner«, wenn sie »alle von ihren Möglichkeiten auch einen guten Gebrauch machen«. Der »gute Gebrauch« heißt dann, Arbeiter*innen bleiben das Mittel für diejenigen, für die sie arbeiten müssen. Nach ihrem Nutznieß aus dieser Veranstaltung ihrer Dienstbarkeit fragt kaum jemand, leider viele der Betroffenen am wenigsten.

»Anstatt Arbeit (wird) der Arbeiter überflüssig« (M. Horkheimer)

Diese Meldungen sind allgemein bekannt: »VW-Mitarbeiter sollen mit Abfindungen gehen« (www.faz.de v. 15.4.). »Wir müssen in Zukunft mehr Bahn mit weniger Menschen schaffen« (www.tagesschau.de v. 25.7.), so ihr Finanzvorstand Holle. Für »schwarze Zahlen« will die Bahn »30.000 Stellen streichen.« So funktioniert ›Marktwirtschaft sozial‹: das ›Feuern‹ von Arbeitskräften – auch wenn es u. U. »sozialverträglich« daherkommt, ist ein gängiges Mittel der Wirtschaft.

Wer also dem verlogenen Idyll der Marktwirtschaft folgt und Gewerkschaften dagegen nur sehr begrenzt die geballte Macht ihrer Organisationen nutzen, dem kann es nicht darum gehen, die  unterschiedlichsten Formen der Verarmung ihrer Mitglieder zu stoppen.

Das Argument von Kapitalseite heißt übrigens beim »Feuern« von Arbeitskräften, »Unternehmen wettbewerbs- und zukunftsfähig zu machen« (www.investmentweek.com  v. 7.6.), wird als »im Sinne der Beschäftigten« verkauft. Der Rest darf dann mit Lohneinbußen und Leistungssteigerungen weiterarbeiten.

In der GEW gibt es Berufsgruppen, deren Arbeit prekär ist. Auch KITA-Beschäftigte arbeiten unter schwierigen Umständen (überfüllte Gruppen, viele Kinder mit erheblichem Hilfsbedarf etc.), was ihr Krankenstand bezeugt, der höher ist als der anderer »Berufsgruppen« (ARD Text v. 20.8.). Das klamme Portemonnaie steht für den schnelleren Verbrauch des Lohnes durch Preiserhöhungen für die lebensnotwendigen Waren.

Für diese Mitglieder reicht es eben nicht, »das eine oder andere Loch gestopft« (hlz 1-2/24, 3) zu haben, während ihres Arbeitslebens und auch danach – trotz vielen Stopfens – die Taschen relativ leer bleiben. So hat sich der Lebensunterhalt der großen Mehrheit immerzu als Abfallprodukt des Wirtschaftswachstums zu bewähren und hat als »abhängige Variable«, wie Marx schreibt, ihr Dasein zu fristen. Die Aussage von B. Brecht vom reichen und armen Mann passt ebenso: »Wär‘ ich nicht arm, wärst du nicht reich.«

Marx lobte und warnte die Arbeiter*innen in seiner Schrift »Lohn, Preis und Profit« (MEW 16, 103 ff.): »Gewerkschaften tun gute Dienste als Sammelpunkte des Widerstands gegen die Gewalttaten des Kapitals … Sie verfehlen ihren Zweck gänzlich, sobald sie sich darauf beschränken, einen Kleinkrieg gegen die Wirkungen des bestehenden Systems zu führen, statt gleichzeitig zu versuchen, es zu ändern, d.h. [die] endgültige Abschaffung des Lohnsystems« (152) zu erwirken.

 

 

 

 

Bild: Symbolbild / dgb