Rede von Tobi Rosswog an der Hauptversammlung von BMW über Konversion, Vergesellschaftung und der Umbau der Auto- zur Mobilitätsindustrie.
Liebe Susanne, lieber Stefan, lieber Oliver, liebe Freund*innen und Aktionär*innen von BMW, einen wunderschönen Tag!
Ich heisse Tobi Rosswog und komme aus der VerkehrsWendestadt Wolfsburg, die einige von euch noch als Autostadt bekannt sein mag.
Mit kämpferischen Kolleg*innen vom Band und aus dem Büro haben wir in den letzten Jahren über 100 bunte und spektakuläre Aktionen gemacht unter dem Motto “VW steht für VerkehrsWende”, um den automobilen Konsens aufzubrechen. Bisher war ich auf VW und Porsche Hauptversammlungen.
Heute bin ich bei BMW. Vielleicht steht das ja bald für die bayerischen Mobilitäts-Werke?
Ein Lob aber kurz vorweg, bevor es unbequem wird: Wir treffen uns heute nicht virtuell. Wir kommen zusammen und der Protest von Menschen kann ganz anders wirksam sein als im Online-Raum. Und ja… Viele mögen das zunächst nicht nachvollziehen, aber es regt doch zur Diskussion an. Und das ist doch wichtig.
Beginnen wir kurz mit der ökologischen Katastrophe:
Am 3. Mai – vor rund einer Woche – war der deutsche „Erdüberlastungstag“. Wir haben alle unsere in Deutschland zur Verfügung stehenden Ressourcen bereits aufgebraucht. Damit leben wir über unsere ökologischen Grenzen. 49 Millionen zugelassene Autos in Deutschland tragen dazu massgeblich bei. Und das egal welcher Antriebsart. Das System Auto ist das Problem. Jeden Tag 8-9 tote, über 1000 Verletzte. Allein in Deutschland. Stellten wir uns vor ein anderes Verkehrsmittel wäre so dramatisch gefährlich. Es würde direkt verboten werden. Aber im Autoland Deutschland mit VW, Daimler und eben auch BMW so nicht. Dabei hat übrigens schon eurer hochgeschätzer Vorstandsvorsitzender das Problem auf dem Punkt gebracht, wenn Eberhard von Kuenheim damals sagte: “Es kann schon sein, dass es zu viele Autos gibt. Aber immer noch zu wenig BMW.”
Das bringt den Wachstumswahn und das Problem perfekt auf den Punkt. Der motorisierte Individualverkehr ist das Problem und das System Auto eine Sackgasse. Es nimmt uns den Platz zum Leben.
Kommen wir nun zum Sozialen. Hier wurde heute immer wieder vom “Team BMW” gesprochen. Oliver sagte sogar, dass ihm die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter wichtig seien. Aber wenn ich mit BMW Arbeiter*innen vom Band spreche, sagen die mir komischerweise sehr frustriert: Wir müssen die Krise ausbaden. Wie fatal. Und warum?
Damit das Vermögen von Susanne und Stefan noch mehr wächst. Aktuell beläuft es sich auf rund 50 Milliarden Euro. Aber bei den Über-Reichen ist das ja nicht ganz klar, ob es nicht doch ein paar Millärdchen mehr sind. Das spielt ja auch kaum eine Rolle. Denn was sind schon eine Milliarde? Diese 1.000 Millionen mehr oder weniger. Aber bei den Armen ist es auf den Cent transparent.
Ich hab eine einfache Rechnung und Frage mitgebracht, die den fatalen neoliberalen Leistungsgedanken a la „Du bist Deines eigenen Glückes Schmied“ ad absurdum führt: Wie lange müsstest Du mit einem Stundenlohn von 15 Euro malochen, um auf das Vermögen von Susanne und Stefan in Höhe von rund 50 Milliarden Euro kommen?
50.000.000.000 Euro (= Vermögen) geteilt durch den Stundenlohn von 15 Euro und jährlicher Arbeitszeit von durchschnittlich 1750 Stunden pro Jahr ergibt: 1904761,9047619. Oder einfacher ausgedrückt: 1,9 Millionen Jahre.
Wer jetzt noch glaubt: Du musst Dich einfach anstrengen und dann kommst Du auf das Vermögen von Susanne und Stefan… Dem ist nicht mehr zu helfen.
Und eigentlich bringen es Susanne und Stefan selber auf den Punkt als sie in einem Interview mit dem Manager Magazin in 2019 den legendären und ehrlichen Satz bringen:
“Viele Menschen denken das Geld fliegt einem irgendwie zu.”
Ich denke das auch nicht. Es fliegt euch nicht irgendwie zu. Da stimme ich euch zu. Denn: Es ist gestohlen. Es liegt an Ausbeutungsstrukturen und einem braunen Erbe…. Es hat rein gar nichts mit diesem komischen Konzept von Leistung zu tun. Das ist Quatsch und das wissen wir alle hier.
Ich bitte euch, liebe Susanne und lieber Stefan. Bitte tretet nicht in die Fussstapfen eures Vaters, dem Nazi-Profiteur Herbert Quandt, der hier noch gross auf der Leinwand gefeiert wurde. Komplett absurd. BMW darf in Zeiten der Militarisierung künftig explizit nicht für Bayrische Militarisierungs-Werke stehen. Denn es ist Zeit Nein zu sagen.
Wir brauchen für das Gute Leben für Alle eine klare Absage an den kapitalistischen Irrsinn und eine deutliche Absage an den faschistischen Wahnsinn.
Wir brauchen andere Wege. Es geht nicht nur um ein bisschen weniger Autos, sondern eine ganz andere Gesellschaft, die dem Leben dient und nicht dem systematischen Leben einiger Weniger auf Kosten anderer. Und dabei sind natürlich nicht Susanne und Stefan allein dafür verantwortlich. Es ist das verbrecherische System des Kapitalismus, das es zu überwinden gilt.
Aber nun konkret: Es geht also um Konversion und Vergesellschaftung. Der Umbau der Auto- zur Mobilitätsindustrie. Das würde auch Beschäftigung langfristig sichern. Und ja… Dann gibt es nicht so viele Profite. Das stimmt. Deswegen brauchen wir die Vergesellschaftung von BMW, damit wir als Gesellschaft entscheiden können, was gebraucht wird. Oder kurz: Fabriken denen, die darin arbeiten.
Mein Vorredner bemühte Goethe, um den Leistungsfetisch zu begründen. Dann nutze ich nun Goethe um Rosa Luxemburg zu unterstreichen: „Der Irrtum wiederholt sich immerfort in der Tat. Deswegen muss man das Wahre unermüdlich in Worten wiederholen“.
Rosa Luxemburg fasst es so zu zusammen: „Zu sagen was ist, bleibt die revolutionärste Tat“.
Und auch, wenn es heute für mich zum ersten Mal nach über 1.500 Vorträgen vereinzelt Buh-Rufe gab, bleibt mir nichts anderes als klar zu machen: Nur, weil ihr dieses Märchen des Kapitalismus unermüdlich wiederholt – wahrer wird es davon nicht. Es ist eine grausame Realität für die meisten. Und deswegen dürfen wir ihn überwinden. Kollektiv. Gemeinsam. Solidarisch. Und ein erster Schritt ist: Rückverteilung jetzt!
Wir sehen uns beim Protest rund um die IAA in München im September zu der ja bereits eingeladen wurde.
Herzlichsten Dank!
Tobi Rosswog
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Anmerkung:
In der Süddeutschen Zeitung werden rund 10% des Artikels “BMW beendet eine Ära – und sucht seine Zukunft” den Aktivitäten gewidmet: “Und es soll niemand sagen, dass die Autobranche nicht politisch und emotional wäre. Zwei Frauen stehen schon kurz nach Beginn der Versammlung im Mittelteil der Halle auf und schreien etwas; auf den oberen Plätzen der Olympiahalle und vermutlich auch vorne auf der Bühne, wo Aufsichtsratschef Norbert Reithofer zur Einführung spricht, ist nichts davon zu verstehen.
Die Frauen werden schliesslich von Sicherheitsmitarbeitern aus der Halle gebracht. Es wird nicht die einzige Störaktion bleiben, doch der Ablauf wirkt fast schon einstudiert, geradezu wohlwollend von beiden Seiten. Alles läuft ruhig und gesittet ab, anders als bei früheren Veranstaltungen von Autoherstellern, als bisweilen Torten flogen und Aktivisten gegen ihren Widerstand aus der Halle gebracht wurden. Als später BMW-Chef Oliver Zipse spricht, fängt ein Mann in weissem T-Shirt mit Smiley-Aufdruck an, Papierflieger zu basteln und in die vorderen Reihen zu werfen. Auch er wird nach draussen begleitet. „Für das Klima und die Erde“, ruft schliesslich ein Aktivist auf den oberen Rängen.”
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