Wie vom Gewerkschaftsforum angekündigt fand in Salzgitter am 11./12 Juli die dritte Ausgabe der maßgeblich von der Rosa-Luxemburg-Stiftung verantworteten Gewerkschaftskonferenz „Den Frieden gewinnen, nicht den Krieg“ statt. Rund 250 Teilnehmer*innen kamen auf Einladung der dortigen IG Metall-Verwaltungsstelle im DGB-Haus zusammen; mehr als 900 waren im Livestream dabei.
Die Konferenzlosung war überlegt und kämpferisch gewählt. Und in der Tat:
Geliefert wurde eine Fülle überzeugender Analysen, fundierter Kritik an der massiv betriebenen Militarisierung in Deutschland, der EU und weltweit sowie eine Betonung klassenorientierter Perspektiven. Die Beiträge machten deutlich, wie umfassend und rasant die global eskalierenden Kriege – die unselige Trias von Aufrüstung, Militarisierung und Nationalismus – das soziale und kulturelle Gefüge der ganzen Welt und Deutschlands im Besonderen tagtäglich verändern und dass Widerstand dagegen dringend geboten ist.
Der Klassencharakter des Krieges, seine Funktion für Umverteilung, imperiale Expansion und autoritäre Transformation – all das wurde benannt, belegt, betont. Die Verbindung von Sozialkampf und Friedenskampf war für viele nicht nur eine sinnvolle Option, sondern unbedingt notwendig. „Friedenspolitik ist Klassenpolitik“ – dieser Satz fiel oft und mit Recht.
Baustellen der politischen Arbeit
Doch so sehr die inhaltliche Klarheit beeindruckte, so auffällig war auch, was fehlte: Überlegungen zum nächsten konkreten Schritt – zum Schritt in die strategische Umsetzung, zur Bereitschaft, aus der Kritik eine verbindliche Gegenmacht zu organisieren. Es blieb – wieder einmal – beim (teilweise ins Pastorale abrutschenden) Aufzeigen des Schreckens der herrschenden Militärlogik. An konkreten Verabredungen mangelte es. Vorschläge zu regionalen Bündnissen oder Streikbezügen wurden zwar in Pausengesprächen und Workshops angesprochen, aber nicht mit einer gemeinsamen Strategie hinterlegt. So weit reichte die Gemeinsamkeit nicht.
Das zentrale Defizit war die strukturelle Schwäche:
- Zu wenig Orientierung auf betriebliche Verankerung.
- Zu wenig Verständigung über konkrete Konsequenzen antimilitaristischer Positionen für die Tarifarbeit, Jugendvertretungen oder Betriebsratsarbeit.
- Zu wenig Mut, tatsächlich vorhandene innergewerkschaftliche Konflikte um Kurs und Ausrichtung der bzw. in der Friedensbewegung kritisch-solidarisch auszutragen. Selbst die Rolle des DGB blieb im Vagen – obwohl doch längst klar ist, dass die offizielle Linie des Dachverbands inzwischen weitgehend kompatibel ist mit der Logik von Kriegstüchtigkeit und Standortnationalismus.
- Das Erfordernis von Arbeitskampfmaßnahmen gegen Militarisierung und Krieg wurde zwar vielfach betont und anerkannt – aber nichts zur konkreten Verbreiterung dieser Debatte in den DGB-Organisationen unternommen.
Und wie schon in den Vorjahren blieb auch dieses Mal wieder die internationale Perspektive, trotz vieler Appelle, eine Leerstelle. Zwar wurde immer wieder die Dringlichkeit betont, den Friedenskampf international zu vernetzen – doch real blieb auch diese Konferenz im nationalen Rahmen verhaftet. Vom Auftritt der EU-Abgeordneten Özlem Demirel abgesehen gab es keinerlei substanzielle internationale Beteiligung. Keine Gäste von Schwestergewerkschaften. Keine Beiträge aus dem globalen Süden. Kein Versuch, einen praktischen Internationalismus aufzubauen, der mehr ist als eine rhetorische Kulisse.
Bündnis- & Bekenntnisformeln statt nötiger Klärung
Schmerzlich sichtbar wurde all das bei der politischen Zusammensetzung der Podien. Zwei SPD-Bundestagsabgeordnete – Jan Dieren und Ralf Stegner – konnten sich unangefochten ins Konferenztableau der Kriegsgegnerschaft einfügen. Keine*r aus dem Publikum wagte es, hier inhaltlich nachzuhaken. Keine Kritik an der aktiven Rolle der SPD in der Bundesregierung wurde laut. Eine Regierung, die seit dem Kriegskanzler Scholz maßgeblich verantwortlich ist für die – in Salzgitter zu Recht kritisierte – andauernde Kriegseskalation in der Ukraine und im Nahen/Mittleren Osten, für ausufernde Rüstungsexporte, ein explodierendes Bundeswehrbudget, eine „Israel-Solidarität“ per ‚staatsräsonalen‘ Waffenlieferungen, für die Reaktivierung von Notstandsgesetzen, die baldige Wiedereinführung der Kriegsdienstpflicht und den Umbau der gesamten Gesellschaft zur nationalistisch-militaristisch angeheizten „Kriegstüchtigkeit“.
Die beiden SPD-Genossen aus der Bundestagsfraktion, die in Salzgitter sprachen – sympathisch, moderat, in sich ruhend –, standen sinnbildlich für das neue „linke“ Gesicht der Zeitenwende-SPD, das auch die besorgten Menschen im Lande „mitnehmen“ will. Doch niemand auf der Konferenz fragte, wie es eigentlich sein kann, dass jemand gegen Krieg anredet und zugleich Teil einer Kriegsregierung ist. Niemand konfrontierte Dieren mit der Frage, wie sein „nachdenklicher“ Antimilitarismus und sein innerhalb der SPD-Fraktion solitäres NEIN! Bei der Abstimmung im Bundestag zur grenzenlosen Ausweitung der Verteidigungsausgaben und für milliardenschwere Investitionen in militärisch relevante Infrastruktur mit seiner Mitgliedschaft in einer Partei zusammengeht, die gerade den Krieg in der Ukraine am Kochen hält, weiter Waffen an Israel liefert, den nächsten Kriegshaushalt verabschiedet und die Kriegsvorbereitung aktiv weiter vorantreibt.
Stegner, der im Bundestag noch jüngst die „Kriegsfähigkeit der Bundesrepublik“ zur Notwendigkeit erklärte, durfte auf dem Podium auftreten und sich als besorgter Privatmann inszenieren – als frischgebackener Großvater, der einem ahnungslosen Publikum die Schrecken des Krieges vor Augen führt: Tote, Vergewaltigungen, Kindesentführungen. Er gab sich – obwohl ausdrücklich „kein Pazifist“ – als überparteilicher Mahner eines „Wir“, das sich angeblich in eine Katastrophe hineinbewegt. Keine Übernahme von Verantwortung, keine selbstkritische Reflexion der eigenen Parteirollen, nur der windelweiche Hinweis auf ein scheinbar anonymes Gespenst der „Militarisierungstendenzen“-, dem man sich entgegenstellen müsse. Die junge Welt wusste dieses Schauspiel bemerkenswert wohlwollend zu würdigen: Stegner widerspreche der Aufrüstungslogik, hieß es am 15.07.25.
Dabei hatte er in Wahrheit das Gegenteil getan: Er bekräftigte implizit die Logik jenes neuen „europäischen Pfeilers der Verteidigung“, den das umstrittene Friedensmanifest der selbsternannten SPD-Friedenskreise propagiert – und den auch er persönlich für notwendig hält.
Als Stegner den Palästinenser*innen dann auch noch das „gleiche Recht auf Humanität“ zugestand, war der Applaus da – und niemand fragte, was das konkret bedeutet für die deutsche Waffen- und Solidaritätspolitik gegenüber Israel. Erst auf Nachfrage des Moderators, was denn von rüstungsskeptischen Sozialdemokraten konkret zu erwarten sei, wurde kurz klar, mit wem man es eigentlich zu tun hatte: mit einem Vertreter der mitregierenden SPD und prinzipiellen Unterstützer der proukrainischen Regierungslinie, der gewisse Bedenken anmeldete – der aber auf dem Konferenzpodium keine andere Antwort fand als den Appell an einen Pluralismus beim Einsatz fürs Humane. Das Friedensmanifest solle akzeptiert werden, es sei realistisch. Und Stegner wörtlich: „Ich halte nicht mehr so viel davon, hauptsächlich Texte zu schreiben, die folgenlos sind, sondern ich glaube, wir haben eine Verantwortung, unmittelbar auch zu handeln (…) Das wird nicht allein durch Resolutionen bewerkstelligt und auch nicht durch theoretische Debatten, sondern das wird, glaube ich, durch Tun.“ Und „Tun“ heißt in der SPD-Regierung zurzeit: Waffen, Kriegshaushalte, Repression. Täter ist sie in der Tat, nicht Beobachter.
Bei solchen kritischen Feststellungen geht es nicht darum, einzelnen Personen ihre Aufrichtigkeit abzusprechen; es mag ja sein, dass selbst die ´Polit-Macher´à la Stegner bei Gelegenheit über ihren eingeschlagenen Kurs erschrecken. Es geht um die politische Verantwortung, auch im geschützten Raum einer solchen Konferenz das auszusprechen, was draußen im Land zur Gefahr wird: Dass auch linke Sozialdemokrat*innen in der SPD zunehmend zur ‚humanen Fassade‘ einer autoritär-kriegstreiberischen Umgestaltung werden. Und dass sich niemand mit Bekenntnissen begnügen darf, solange diese Partei eine der relevanten parlamentarischen Trägerinnen der Kriegseskalation ist.
Ergebnisse? Potenzial vorhanden – Umsetzung offen
So bleibt die Frage offen, wie (oppositionelle) gewerkschaftliche Kräfte in der Friedensbewegung erfolgreich sein wollen und können, wenn sie schon bei ihrer eigenen Konferenz nicht den Mut haben, Widersprüche offen anzusprechen und die nötige Klärung voranzubringen. Wenn tatsächlich vorhandene inhaltliche Konflikte durch Harmonie ersetzt werden; wenn Bündnis- und Bekenntnisformeln notwendige Kritikpunkte verdecken: wenn alles, was „irgendwie“ nach Friedenswillen klingt, gleichermaßen willkommen ist – egal ob es von der SDAJ oder aus der SPD kommt –, dann ist den Bemühungen um eine ernsthafte Antikriegsposition der Boden entzogen! Dabei hat die Konferenz – trotz aller Schwächen – gezeigt, dass das Potenzial da ist. Es gibt inhaltliche Übereinstimmung bei wesentlichen Fragen, es gibt Klarheit in der Positionierung und Entschlossenheit bei vielen Teilnehmer*innen – aber es braucht endlich eine offensive Struktur.
Inhaltlich bot die Konferenz fundierte Analysen und triftige Kritik an Aufrüstung und Kriegspolitik. Die große Zustimmung zur Verbindung von Sozialkampf und Friedenskampf war bemerkenswert. Es wurde betont, dass „Friedenspolitik Klassenpolitik ist“. Doch es fehlte an konkreten Ideen und Verabredungen zu einer weiteren zu verstetigenden Zusammenarbeit.
Zwar wurde über Aktionen, Streikbezug und regionale Bündnisse gesprochen. Aber eine bundesweite Vernetzung kritischer antimilitaristischer Betriebsgruppen, ein Aktionskalender oder klare Kampagnen gegen das 5%-Ziel der NATO und die nationale Militarisierungs- und Kriegspolitik wurden weder erörtert noch verabredet.
Gerade weil die Konferenz wichtige Diagnosen zusammentrug – zu Militarisierung, Repression, Entsolidarisierung –, wirkt es umso ernüchternder, dass es beim großen Schulterschluss blieb: möglichst viel Gemeinsamkeit, möglichst wenig Widerspruch, schon gar nicht gegen Sozialdemokraten, die am Kabinettstisch die Kriegspolitik mitvollziehen. ´
Das dominierende Bedürfnis, als „einzige Friedenskonferenz ihrer Art“ Einheit zu präsentieren, ersetzte die produktive Konfrontation – mit den herrschenden Verhältnissen, mit den politisch Verantwortlichen, und letztlich mit dem und im eigenen Kreis der Aktivist*innen.
Viel Inhalt – aber wenig offensive Struktur
Konkrete Möglichkeiten der Aktivierung kamen bei der Konferenz etwa da zur Sprache, als Hedwig Kimmer, Mitinitiatorin der gewerkschaftlichen Basisinitiative ´Sagt NEIN! Gewerkschafter:innen gegen Krieg, Militarismus und Burgfrieden´ eine Grußadresse von Trambahnfahrern der Münchner Verkehrsgesellschaft (MVG) vortrug. Hier der Wortlaut dieser Adresse:
„Liebe Teilnehmerinnen der Gewerkschaftskonferenz:
Wir, Trambahnfahrer aus München, grüßen Euch alle von ganzem Herzen. Wir haben es unserem Arbeitgeber, der MVG, schriftlich gegeben: Wir sind nicht bereit, die Straßenbahn 2804 mit Werbung für eine angebliche Karriere bei der Bundeswehr durch München zu fahren.
Bereits der Slogan der Werbung „Mach, was wirklich zählt“ würdigt uns herab – was wir machen, nämlich Trambahnfahren, zählt also nicht bzw. nicht wirklich. Das trifft nicht nur uns, sondern alle Arbeitenden. Man kann nicht ernsthaft von uns erwarten, dass wir diese Beleidigung aller Arbeitenden auch noch durch die Straßen fahren. Die zunehmende öffentliche Anwerbung hat mit dazu beigetragen, dass inzwischen jeder 10. Rekrutierte minderjährig ist, Dafür wollen wir nicht länger Gehilfe sein. Deswegen fordern wir, dass die MVG sich nicht länger zum Rekrutierungsinstrument der Bundeswehr macht. Für uns gilt: Arbeiter schießen nicht auf Arbeiter, Metaller bauen keine Panzer, Transportarbeiter transportieren kein Militärgerät – und Trambahnfahrer fahren keine Bundeswehrtram.
Das war im Januar. Auch wenn nicht wenige unserer Kolleginnen und Kollegen uns für verrückt erklären, auch wenn die MVG behauptet, unseren Wunsch im Dienstplan nicht abbilden zu können – wir bleiben dabei, wir fahren dieses Werben fürs Sterben nicht durch München, und unsere Gewerkschaft ver.di unterstützt uns dabei und gibt uns Rechtsschutz.
Unterstützt auch Ihr uns mit Eurer Unterschrift bei der Petition von SAGT NEIN gegen die Bundeswehrtram! Schreibt an den Betriebsrat der MVG eine Solidaritätsadresse* von Euren betrieblichen und gewerkschaftlichen Gremien. Meldet uns, wenn auch bei Euch eine Bundeswehr-Straßenbahn durch die Straßen fährt. Organisieren wir den Widerstand – gemeinsam! In diesem Sinne wünschen wir der Konferenz ein gutes Gelingen und vielleicht schaffen wir es ja das Nächste mal, dabei zu sein. Mit solidarischem Gruß aus München – es lebe die TAT!“
Die Basisinitiative ´Sagt NEIN!´ unterstützt solche Aktivitäten innerhalb der Gewerkschaften und darüber hinaus aktiv. Nachdem sie sich 2023 als Opposition auf dem Gewerkschaftstag gegen den Leitantrag des Bundesvorstandes bemerkbar gemacht hatte – immerhin konnte sie ein Viertel der Stimmen gegen den Pro-Aufrüstungskurs der Gewerkschaftsführung mobilisieren –, hat sie bereits mehr 25.000 Unterstützer*innen für ihren deutlichen Einspruch gegen das Programm der „Zeitenwende“ eingesammelt.
Aus Sicht einer antimilitaristischen, linksgewerkschaftlichen Perspektive sind jetzt ‚nach Salzgitter‘ folgende Defizite erkennbar:
- Mangel an strategischer Ausrichtung: Die Diskussion bleibt oft im Symbolischen. Das Erfordernis von Arbeitskampfmaßnahmen gegen Militarisierung und Krieg wird zwar wortreich anerkannt, aber nicht konkret organisiert.
- Fehlende, in die Zukunft gerichtete Verabredungen: Die Konferenz hätte Plattformen für konkrete Initiativen (z.B. Resolutionen in DGB-Gliederungen, Streikunterstützung gegen Kriegsdienst oder Rüstungsproduktion) schaffen müssen.
- Schwache betriebliche Verankerung: Trotz einzelner Betriebsräte war der Einfluss aus den Betrieben gering. Die Frage, wie Friedenspolitik in die gewerkschaftliche Betriebspolitik und vor allem auch die Tarifarbeit integriert werden kann, wurde kaum beleuchtet.
- Deutlich zu unkritische Haltung zur aktiven Rolle des DGB und seiner Einzelgewerkschaften bei der derzeitigen Kriegsvorbereitung: Die Kritik an der offiziellen Linie des DGB war zwar präsent, doch es fehlten strategische Ideen und Verabredungen, um innerhalb der Strukturen konkret, miteinander abgestimmt den erforderlichen Druck zu erzeugen.
Demgegenüber sind besonders folgende Entwicklungspotenziale und Forderungen zu nennen:
- Aufbau einer bundesweiten Plattform betrieblicher Friedensgruppen, organisiert nach Branchen, mit Austausch, Strategiedebatten und konkreten Aktionen.
- Einrichtung einer organisationsübergreifenden AG „Antimilitarismus in der Gewerkschaftsarbeit“, die systematisch Materialien entwickelt, Bildungsarbeit anbietet und politische Konfliktlinien innerhalb der Gewerkschaften analysiert.
- Verbindliche Erklärungen und Verabredungen zu Kampagnen: z.B. gegen Rüstungsstandorte, gegen ‚Werben fürs Sterben‘ in Schulen, gegen Militarisierung des öffentlichen Raums, gegen Rüstungsinvestitionen in Betrieben und gegen ‚Konversion pervers‘.
- Stärkere Verbindung mit sozialen Kämpfen, etwa gegen die Hetze, die Bürgergeldempfänger*innen, Migrant*innen, Flüchtlinge erleben, gegen Klinikschließungen oder Wohnungsnot – immer mit Bezug auf die Militarisierung als Ursache und Verstärker gesellschaftlicher Spaltung, nationalistischer Verhetzung und sozialer Demontage.
- Konkrete Unterstützung für kriminalisierte Positionen aus der Antikriegsbewegung und Palästina-Solidarität – auch innerhalb der Gewerkschaften.
- Internationale Vernetzung mit gewerkschaftlichen Kämpfen gegen Krieg und Militarisierung.
Fazit: Die Offensive beginnt – wenn wir sie führen
Die Konferenz in Salzgitter war ein wertvoller Schritt – sie hat analytische Klarheit gestärkt und eine kämpferische Stimmung verbreitet. Doch ohne verbindliche Strukturen, ohne strategischen Druck auf den DGB-Apparat sowie innerhalb der Einzelgewerkschaften und ohne konkrete Aktionen im Betrieb bleibt es beim gut gemeinten Versuch eines Aufbruchs. Der Burgfrieden in der BRD wird so zwar angezählt, aber nicht gebrochen.
Es bleibt festzuhalten: Was fehlte, war der Mut, aus den Klärungen und Positionierungen konkrete politische und gewerkschaftliche Handlungsoptionen abzuleiten. Die vielbeschworene Verantwortung der Gewerkschaften blieb eine abstrakte Formel.
Was hätte es Veranstalter*innen und Teilnehmer*innen gekostet, was hat sie davon abgehalten, zum Beispiel in Form einer Abschlussresolution ein klares Signal gegen Rüstungsproduktion zu senden? Gegen Standortlogik und Haushaltsdisziplinierung zugunsten von „Kriegstüchtigkeit“? Etwa des Manifest-Verfasser-Stegner-Diktum über die ´Unwirksamkeit von Resolutionen´ und ´theoretische Debatten´. Dass solche Fragen nicht offensiv gestellt wurden, solche Ideen überhaupt nicht erwogen wurden, zeigt den Kern des Problems: Man will gemeinsam betroffen sein und sich gegenseitig der richtigen Analysen und Positionen versichern aber (noch) nicht gemeinsam handeln und in Aktion kommen.
Gerade in einem Moment, in dem die globale Ordnung zunehmend kriegerisch reorganisiert wird – ob durch die USA, Russland, China, Deutschland oder die EU –, ist es eine vordringliche Aufgabe von antimilitaristischen Zusammenkünften und Vernetzungen, eben nicht in nationalstaatlicher Betriebsblindheit zu verharren, sondern konkrete internationalistische Praxis zu entwickeln. Dazu zählt auch, Netzwerke aufzubauen – mit kritischen Kolleg*innen in Frankreich, Italien, Belgien, Russland, Ukraine, Palästina, Polen, der Türkei und dem globalen Süden –, statt sich aktiv an der moralischen Ehrenrettung verunsicherter Sozialdemokraten zu beteiligen.
So droht, dass aus der kritischen Initiative der letzten Jahre eine rituelle Gedenkveranstaltung wird – mit viel Pathos, aber wenig Perspektive. Ein paar Mahnrufe, das Aufgreifen von ein bisschen Betroffenheit hier und da, die wechselseitige Bestätigung, dass wir für Frieden sind, das reicht nicht, wenn der politische Gegner längst gnadenlos aufrüstet, außen wie innen.
Wenn wir als antimilitaristische Gewerkschafter*innen nicht konsequent daran arbeiten, jenseits einmal jährlich stattfindender Konferenzen uns organisatorisch stabile Strukturen zu schaffen, unsere Stellung gegen die Kriegstreiber zuzuspitzen, intern solidarisch zu streiten und nicht zuletzt ins Handeln zu kommen, dann wird der friedenspolitische Funken verlöschen, bevor er zur Flamme wird.
Dann bleibt auf kürzer als länger nicht viel mehr als die Anbetung der Asche der eigenen Unzulänglichkeit. Das wäre umso bitterer und historisch unverzeihlicher, als Ulrike Eifler, eine der Einlader*innen, engagierte IG Metall-Gewerkschaftssekretärin und Bundesvorstandsmitglied der Linkspartei vollkommen zu Recht und pointiert die zentrale Frage und Aufgabe formulierte: Wie kommen wir von der Analyse zur Meuterei?!
————
Der Autor:
Andreas Buderus ist Mitinitiator von ´Sagt NEIN! Gewerkschafter:innen gegen Krieg, Militarismus und Burgfrieden
Weitere Infos: ´Sagt NEIN! Gewerkschafter:innen gegen Krieg, Militarismus und Burgfrieden´