Der 8. März ist der Tag, an dem Frauen in der ganzen Welt durch Aktionen, Kundgebungen und Demonstrationen auf ihre Benachteiligungen im öffentlichen und privaten Leben aufmerksam machen und ihr Recht auf Gleichberechtigung einfordern.
Als historische Wurzeln für die Entstehung des 8. März gelten die Proteste New Yorker Arbeiterinnen, die erstmals 1857 auf die Straße gingen und gegen unmenschliche Arbeitsbedingungen und für gleichen Lohn demonstrierten.
Die Forderungen sind bis heute nicht erfüllt. Für die heutigen jungen Frauen ist es wichtig, in der älteren Generation Frauen kennenzulernen, die ihnen beispielhaft zeigen, wie sie sich solidarisch wehren, etwas bewegen, verändern und sich organisieren können.
Diese Vorbilder gibt es für Frauen auch in Dortmund: Beispielsweise die Frauen der Dortmunder Frauenbewegung zwischen 1971 und 1994.
Mit Hilfe der Chronologie der Frauenbewegung in Dortmund und dem Artikel „Dortmunder Entwicklungen zwischen 1971 und 1994 – Der ´eine` und der ´andere` Teil der Frauenbewegung“ von Hanne Hieber aus dem Buch „Rückblick nach vorn“ der Geschichtswerkstatt Dortmund soll hier die Zeit des Aufbruchs der Dortmunder Frauen einmal nachgezeichnet werden.
Chronologie der Frauenbewegung in Dortmund
– Gruppengründungen, Veranstaltungen –
1971
– Dortmunder Gruppe der Aktion 218: Selbstbezichtigungskampagne
– an der Volkshochschule: erste Veranstaltungen zum § 218 und zur Emanzipation
1972
– Frauengruppe AGGI-F (bis 1977)
1974
– Umbenennung der Aktion 218 in Frauen-Aktion-Dortmund (FAD)
1975
– die FAD wächst auf 120 Frauen an, Plenum und ca. zehn Arbeitsgruppen in den Pavillons der Sozialakademie
– erste Seminare zu Frauenthemen an der UniDo von Männern
– Einführung der Schwangerschaftsberatung bei Pro Familia
– erste Frauengesprächskreise in den Stadtteilen Huckarde und Westerfilde (VHS) = der „andere Teil“ der Frauenbewegung
1976
– Eröffnung des Frauenzentrums FAD Junggesellenstraße, Beratungsangebote, bis zu 25 Arbeitsgruppen
– Erstes Seminar von Frauen für Frauen „Frauen und Wissenschaft“ an der Pädagogischen Hochschule
– erstes Wochenendseminar von Frauen aus Dortmunder Stadtteilinitiativen (der „andere Teil“)
1977
– erste Walpurgis-Nacht-Demo „Frauen erobern die Nacht zurück“
– Gründung des Vereins „Frauen helfen Frauen“ und Anmietung einer Wohnung für geschlagenen Frauen in Dortmund-Dorstfeld
– Frauenseite, später Frauenredaktion im „Klüngelkerl“, Zeitung der Alternativbewegung (bis 1986)
– Frauenarchiv an der Universität Dortmund- Frauen- und Lesbenreferat an der UniDo
– Ausstellung „Frauen im Faschismus“ PH Dortmund von Studentinnen und Prof. Hans Müller
– Aktion zum 218 von gewerkschaftlichen Frauenausschüssen zur Bereitstellung von Klinikbetten zur Durchführung der sozialen Indikation bei den Städtischen Kliniken
1978
– Frauengruppe Hörde/Dortmund (bis 1991)
– Frauenbereich im Nachbarschaftshaus Wambel (bis 1990)
– Frauentheater Weiberbühne (bis 1979)
– erstes Frauenfest an der Pädagogischen Hochschule
– erster Bildungsurlaub mit alleinstehenden Müttern aus Dortmund-Scharnhorst als Beginn der Frauenbildung bei den Vereinigten Kirchenkreisen (VKK)
– Frauenfilmreihe im ersten Programmkino FOCUS
– Frauenfilmreihe im Fritz-Henßler-Haus / Filmclub
– Ausstellung der Stadt-und Landesbibliothek: Bücher zur Frauenbewegung
– Frauenkarategruppe im Karate Dojo Dortmund e.V.
1979
– 1.Frauenforum im Revier „Frauen begreifen ihren Alltag“ mit 5000 Teilnehmerinnen aus dem Ruhrgebiet
– Umzug FAD in die Mallinckrodtstraße, ca. 15 Gruppen
– Gruppe Frauen Schreiben in der FAD
– Eröffnung des Frauenhauses
– 3. regionales Lesbentreffen in Dortmund
– Frauentag in der Bücherstube
– Fraueninfobörse in Dortmund mit traditionellen Frauenverbänden
– Frauengruppe in der SJD-Die Falken, Bezirk Westliches
Westfalen
1980
– Frauenzentrum Huckarde
– Notruf (in der FAD)
– Hoesch-Frauen, Stahlarbeiter-Frauen-Gruppe (bis 84)
– Tagung „Frauen und Planung“ an der Universität, daraus entsteht die Planerinnengruppe, ab 1985 FOPA e.V.
– Arbeitskreis Wissenschaftlerinnen in NRW am Hochschuldidaktisches Zentrum der Universität
– lesbenstich, Redaktion Dortmund, (ab1981 Red. Berlin)
– Frauenkneipe im „Vor Ort“ (bis 81)
– Frauenbildung im forum eltern und schule (fesch)
– DGB-Frauen veranstalten „Frauen und Bundeswehr“
– Frauen bei den „Grünen“ (wollen sich nicht auf reine Frauenthemen beschränken)
1981
– Eröffnung des Frauencafé Huckarde (im Frauenzentrum Huckarde)
– Eröffnung der Frauenberatungsstelle des Vereins Frauen helfen Frauen
– CAMUR-Frauengruppe Dortmund, Chileninnen und Deutsche
– Frauengruppe des Vereins der Jugoslawen Veiko Vlahovic in der AWO (bis 1991)
– Einrichtung des Fachbereichs Politische Frauenbildung an der VHS
– Frauenstudien als wissenschaftliche Weiterbildung für Familienfrauen an der Universität im Frauengruppe im Gesundheitsladen (bis 82)
– Frauenband „Hexenschuß“ (bis 83)
– Frauencafé im Schaumarein (bis 83)
– Frauengeschichte in der Dortmunder Geschichtswerkstatt
– Autonome Frauen in den Häuserkämpfen
– Schließung des Frauenzentrums der FAD Mallinckrodtstraße
– Wiederbelebung des Internationalen Frauentags durch den DGB: Frauen der IGBE, GHBV, DruPa, ÖTV und IG Metall veranstalten den 8. März im Bürgerhaus Körne, in den Folgejahren regelmäßig
1982
– Gründung des Vereins „Kultur- und Kommunikationszentrum für Frauen“ und Eröffnung des Frauenbuchladen zimpzicke
– Wiedereröffnung der FAD in der Lessingstraße mit ca.7 Gruppen
– 2. Frauenforum im Revier „Frauen und Gesundheit“
– Frauenbildung im Kommunikativen Bildungswerk
– IAF (Interessengemeinschaft der mit Auslände verheirateten deutschen Frauen), Gruppe Dortmund
– Frauenstammtisch im Kuckuck
– Frauengruppe in der DFG-VK
– Frauenzentrum Dorstfeld Vogelpothsweg
– dachboden e.V. Frauengruppe, Virchowstraße
– Frauenbildung im Centrum für Animation und Erwachsenenbildung
– Frauenarbeit im Begegnungszentrum Nord (DietrichKeuning-Haus)
– lawine, Frauenblatt im Ruhrgebiet, Teil-Redaktion Dortmund (bis 84)
– Treffen schwuler Lehrer und lesbischer Lehrerinnen im KommunikationsCentrumRuhr (KCR)
– Hexenplenum der Heidehof-Hausbesetzerinnen mit AGs 218 und Sterilisation (bis 82), Frauenetage in einem besetzten Haus in der Nordstadt, Walpurgisnacht mit Fete im Heidehof und Demo in der Nordstadt
– zimpzicke-Frauenfest im CheCoolala (Szenekneipe), daraus entsteht regelmäßige Frauendisco
– zwei Gruppen „Frauen gegen Militär“
– Frauen-Friedensmarsch Berlin-Wien (über Dortmund)
– Frauengruppe im Internationalen Kulturzentrum Balkan
1983
– Dortmunder FrauenGruppenPlenum als Kontakt Koordination von Frauengruppen und -projekten
– Frauenfriedensinitiative, Friedensmarsch Dortmund Brüssel, Widerstandwoche gegen Atomraketenstationierung
– Frauengruppe zum Volkszählungsboykott in der zimpzicke
– Lesbentelefon
– Frauenkunstwerkstatt
– Frauentheater EXTRA DRY
– Künstlerinnen im Künstlerhaus Sunderweg
– Walpurgisnacht mit 400 Frauen
– IAF (Interessengemeinschaft der mit Auslände verheirateten deutschen Frauen), Gruppe Dortmund
– Frauenstammtisch im Kuckuck
– Frauengruppe in der DFG-VK
– Frauenzentrum Dorstfeld Vogelpothsweg
– dachboden e.V. Frauengruppe, Virchowstraße
1984
– Umzug der FAD in die Adlerstraße, ca 4 Gruppen
– 3. Frauenforum im Revier „Frauenleben — Frauenarbeit.Welche Wende wollen wir?“
– Dortmunder Initiative Erwerbstätiger und Erwerbsloser Hochschulabsolventinnen (DIEEH) (bis 91)
– Zukunftswerkstatt, ab 1986 Verein zur Förderung Frauenerwerbstätigkeit im Revier (VFFR)
– Baufachfrau e.V., bundesweite Selbstorganisation von Handwerkerinnen und Ingenieurinnen
– Walpurgisnacht mit 500 Frauen, die Polizei schließt Demonstrantinnen 2 Stunden im CEAG-Gebäude ein
– Zukunftswerkstatt International der Frauenfriedensgruppe gegen AIR-Land Battle und Pershing
– auf Initiative der ASF: erster Frauenbericht der Stadt Dortmund
1985
– Einrichtung des Frauenbüros der Stadt Dortmund und der Gleichstellungskommission
– FOPA e.V. (Feministische Organisation von Planerinnen und Architektinnen) aus der Planerinnengruppe
– Frauenmitfahrzentrale (bis 86)
– Frauencafé im Langen August (Stadtteilinitiativenzentrum)
– Frauendisco Sappho (bis 87)
– Frauenchor Die Sirenen (bis 88)
– grooving Vibes, eine 5-Frauen-combo
– Frauenbildung im Bildungswerk der DFG-VK
– Frauengruppe in DROBS (Drogenberatungsstelle)
– Frauengruppe im Arbeitslosenzentrum (bis 92) gemischtes Frauenqualifizierungsprojekt TANDEM (Fahrradladen)
– Internationaler Frauentag 8. März im Dietrich-KeuningHaus mit ausländischen und deutschen Frauen/gruppen
– Merhaba, Bildungs-und Kontaktzentrum für türkische und deutsche Frauen im Internationalen Bund für Sozialarbeit
– Walpurgisnacht im Westfalenkolleg
1986
– 4. Frauenforum im Revier „Kunst und Alltagskultur“
– l. Frauenkulturwoche in Dortmund „unbeschreiblich“
– Frauengeschichtsgruppe Spinnennetz als ABM der FAD
– nach Tschernobyl ruft Frauengruppe in der Geschichtswerkstatt zum Gebärstreik auf
– Frauenkombo chilly lillies (bis 93)
– Frauenkarateverein
– KOBER, Beratungscafe für Prostituierte, Frauenprojekt eines Professors der Universität, im Sozialdienst katholischer Frauen
– Mütterzentrum e.V. (aus ABM von FOPA und zimpzicke) (bis heute)
– Frauen, Arbeit und Zukunft e.V. (bis 88) gibt „Frauenprojekte in NRW“ heraus
– Gründung der Demokratischen Fraueninitiative Hörde
(DFI)
– Nachttaxi-Diskussion (Frauenbüro, Grüne, Frauen-Gruppen-Plenum)
1987
– Auflösung der FAD
– erstes Filmfestival „femme totale im Revier“
– Wildwasser e.V.
– Frauenzeitung igitte (bis 91)
– Gründung der DFI Dorstfeld
– Frauencafe Gerüchteküche im KCR
– Haussuchungen des Bundeskriminalamtes im Ruhrgebiet und in Dortmund (Kriminalisierung von Frauen, die zu Gen- und Reproduktionstechnologien arbeiten)
– Arabischer Frauengesprächskreis in der AWO (seit 93 ohne AWO)
– Podiumsdiskussion des FrauenGruppenPlenums zur drohenden Verschärfung des Beratungsgesetzes
1988
– Veranstaltung zu den Haussuchungen (Frauen- und Lesbenreferat, zimpzicke, CAMUR u.a.)
– 2.Frauenkulturwoche „Vom Rand zur Mitte“
– Frauentheater Edith’s Extra Dry
– Frauenkabarett Extra Zwei
– Wahl der Frauenbeauftragten an der Universität
– Frauenchor femme vokale (bis 90)
– Symposium der Frauenstudien
– 7. bundesweiter Kongreß „Frauen und Schule“
– bundesweite Tagung der FOPA e.V. „Ökologie und soziale Stadterneuerung“
– Einrichtung von Frauenparkplätzen in der Tiefgarage am Stadttheater (Frauenbüro)
– Kongreß „Frauenarbeit in Dortmund“
1989
– 2.Filmfestival femme totale „Sowjetische Filmemacherinnen“
– Frauen-Bewegung-Gesundheit e.V.
– Selbsthilfegruppe Bulimarektikerinnen im Beratungszentrum Nord
– AG Frauen und AIDS in der AIDS-Hilfe Dortmund
– Gen-Plenum in der zimpzicke
– Eröffnung des Stadtteilzentrums Adlerstraße mit den Frauenprojekten FOPA, Mütterzentrum, igitte, Verein Wissenschaft und Frauenbewegung und Wildwasser
– Gruppe Frauen und Gesundheit in der zimpzicke
– Frauenkulturprojekt „performanze“ beim Kulturbüro der Stadt Dortmund (bis 91)
– Demokratische Frauen Initiative (DFI) Dortmund
– KOMJIN Verband der kurdischen Frauen in der BRD Gruppe Dortmund
1990
– Satiresendung von Uta Rotermund im Kabelfunk (bis 91)
– Mädchen-und Frauentreff „Kratzbürste“ der PfadfinderInnenschaft der Katholischen Kirche
– coming-out-Gruppe im KCR
– Einrichtung der Regionalstelle Frau und Wirtschaft bei der Wirtschaftsförderung der Stadt
– Frauenbildung bei Austausch und Begegnung
– bundesweites Frauenarchivetreffen
– Tagung „Frauen-Kunst-Kultur“ von performanze
– Frauentheater-Solo von Elke Drews
– Frauenverlag efef
– Lesbenwochenende
– Internationale Frauengruppe im Dietrich-Keuning-Haus
1991
– Aktionen zum Golfkrieg
– 3. Frauenkulturwoche „von ihr aus“
– 3. Frauenfilmfesival femme totale „Maschinenstürmerinnen“
– Gründung Frauenverband Courage, Ortsgruppe Dortmund
– Frauenbeauftragte bei den Vereinigten Kirchenkreisen
– Kurdische, türkische und deutsche Frauen sperren die Ostwall-Kreuzung mit einer Feuerspur und besetzen das dpa-Pressehaus
1992
– Eröffnung des Frauenbüros an der Universität
– Frauenmusikprojekt ROCK SIE in der Kulturkooperative Ruhr
– Dortmunder Forum Frau und Wirtschaft e.V.
– Frauenwoche „Frauen und Macht“ der Vereinigten Kirchenkreise
– Internationaler Frauengesprächskreis im Planerladen
– Frauenprojekt im Verein für Internationale Freundschaften
1993
– Arbeitskreis Mädcheninteressen Dortmund (AK MIDO)
– das Dortmunder Frauen-Gruppen-Plenum und die Frauen im DGB rufen gemeinsam zum 8. März auf, Stände in der Innenstadt, Demonstration gegen die Vergewaltigungen im ehemaligen Jugoslawien, Veranstaltung im Dietrich-Keuning-Haus
– Krise der Frauenprojekte (Kürzung öffentlicher Gelder)
– Info zum neuen 218 vom Frauen-Gruppen-Plenum
– 4. Frauenfilmfestival femme tolale „Die subversive Kraft des Lachens“
– „Gewalt im Vaterland“, Veranstaltung der Gruppe Frauen Schreiben
– Veranstaltung des Frauenbüros zum BVG-Urteil zum 218 *
– Veranstaltungsreihe der Geschichtswerkstatt „Grenzgängerinnen, Göttinnen, Hexen und andere Weiber“
– AStA streicht dem Frauen- und Lesbenreferat die Gelder, Wende zu einer postfeministischen AStA-Frauenpolitik mit Minderheitenschutz für Lesben
– Tagung „Frauen in Europa“ der Rheinisch-Westfälischen Auslandsgesellschaft
1994
– zum Frauenstreik am 8. März breiter Zusammenschluß
– Tagung „ECUs für Frauen“ der Rheinisch-Westfälischen Auslandsgesellschaft (RWAG)
– Weiterbildungstag für Frauen im Keuning-Haus
– bundesweiter Kongreß „Mütter in Europa“
– Tagung „Utopie und Wirklichkeit- Stand und Perspektiven der Frauen/Projekte/Bewegung“
– Wildwasser e.V. stellt wegen Finanzsituation Beratungsarbeit ein
– Schließung des Frauenbuchladen Zimpzicke
– Tagung der Frauenbrücke Ost-West
Es gab und gibt noch weit mehr Frauengruppen als hier recherchiert werden konnten. Quellen für die Chronologie waren vor allem: Klüngelkerl, Lawine, Igitte, die Archive der Geschichtswerkstatt Dortmund und des Frauenforschungsinstituts RheinRuhr sowie eigene Erinnerungen.
Die Herausgeberin bittet um ergänzende Informationen, die dann bei weiteren Forschungen und Veranstaltungen sowie einer eventuellen weiteren Auflage berücksichtigt werden können. Wir bitten alle, die hierzu etwas beitragen können, sich an die Herausgeberin oder die Geschichtswerkstatt zu wenden.
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Dortmunder Entwicklungen zwischen 1971 und 1994
Der „eine“ und der „andere“ Teil der Frauenbewegung
Von Hanne Hieber
Die Dortmunder Frauenbewegung seit 1971 hat einerseits einen für die Bewegung in der BRD typischen Verlauf genommen. Auch hier gab es den Aufbruch mit der Selbstbezichtigungskampagne 1971, von der Dortmunder Gruppe der Aktion 218 initiiert. Diese Gruppe nannte sich 1974 in Frauen-Aktion-Dortmund um und eröffnete das erste Frauenzentrum. Daraus hervor ging das Frauenhaus als erstes Projekt. Weitere Projekte folgten. Der Weg in die Institutionen war mit Aktivitäten von Studentinnen und Dozentinnen der Hochschule bereits beschritten, und ein Vordringen in andere Institutionen begann.
Das Besondere der Dortmunder Frauenbewegung aber — und damit hat sie bundesweite Ausstrahlung — ist ihre Entwicklung im sogenannten, anderen Teil der Frauenbewegung“, einem bildungspolitischen Ansatz mit Hausfrauen im Stadtteil, der mit dem ersten Frauenforum im Revier und mit Frauenstudien als wissenschaftliche Weiterbildung für Familienfrauen weiterentwickelt wurde. Durch diesen Ansatz war die Frauenbewegung verbunden mit der Mieterinitiativen- und Stadtteilbewegung im Ruhrgebiet in den 70er Jahren. Die Entwicklungen dieser beiden Teile Frauenbewegung sind Linien in der folgenden Darstellung.
Als Folie für eine Einteilung in Entwicklungsabschnitte, in Phasen, habe ich aus Frauenforschung und Theorien der Neuen Sozialen Bewegungen vorgeschlagene Einteilungen benutzt, wie sie z.B. für die 70er Jahre von Herrad Schenk oder Birgit Meyer bekannt wurden. Dabei komme ich einerseits zu denselben Ergebnissen, was die Entwicklung der autonomen Frauenbewegung anbelangt, andererseits aber zu anderen Ergebnissen durch die Entwicklung des, anderen Teils der Frauenbewegung“ in Dortmund. Außerdem interpretiere ich die Entwicklungsphasen z.T. anders als die genannten Autorinnen, was sich in der Benennung bemerkbar macht.
Für die 80er Jahre gibt es noch keine allgemein gültige Darstellung der Entwicklung der Frauenbewegung. Von einer einheitlichen Entwicklung kann auch nicht mehr gesprochen werden, zu differenziert zeigen sich Aktivitäten von Frauen. Eher muß von verschiedenen, ungleichzeitigen Entwicklungen, von Frauenbewegungen gesprochen werden. Ich folge in der Darstellung Entwicklungsschwerpunkten, wie sie aus Dokumentenanalysen ersichtlich wurden.
In der Entwicklung der Dortmunder Frauenbewegung unterscheide ich die Entstehungsphase, Aufbruch (1971-1974) mit der Selbstbezichtigungskampagne der Aktion 218 und einem sozialistisch verstandenen Feminismus, die Ausweitungsphase der Bewegung (1975-1977/78) mit der autonomen Frauenzentrumszeit, der Frauenbewegung an der Hochschule – dem „einen Teil“ der Frauenbewegung , und mit Hausfrauen-Gesprächskreisen im Stadtteil und einem Kreis von Frauen aus Dortmunder Stadtteilinitiativen – dem „anderen Teil“ der Frauenbewegung, sowie weiteren Frauengruppen, die nicht eindeutig zuzuordnen sind. Eine Wende zur Entfaltung gesellschaftlicher Praxis (1978-1979) beginnt im einen Teil mit der Frauenprojektebewegung und dem Weg in die Institutionen, Professionalisierung der Frauenarbeit ist die Folge. Eine Ausarbeitung des Konzepts mit dem „anderen Teil“ stellte das erste Frauenforum im Revier dar. Damit ist eine Phase der gesellschaftlichen Etablierung und Differenzierung (ab 1979) eingeläutet, in der sich die zwei Teile der Dortmunder Bewegung nicht mehr klar unterscheiden lassen. Weitere Projekte und neue Initiativen entstehen. Institutionelle Frauenarbeit wird ausgebaut und etabliert. Die Frauenbewegung differenziert sich in Feldern der Bildung, Wissenschaft, Kultur, Arbeit, Beratung, Gesundheit, Religion/Spiritualität. Gleichstellungspolitik tritt auf den Plan, Netzwerke entstehen. In dieser Phase befindet sich die Frauenbewegung immer noch. Grundsätzliche Neuentwicklungen an der Wende zu den Neunzigern sind noch nicht auszumachen. Tendenziell ist eine Krise bzw. ein Umbruch in den Frauenprojekten festzustellen. Die wirtschaftliche Rezession und die Verengung kommunaler Haushalte wirkt sich auf Finanzierungsmöglichkeiten für Frauenarbeit negativ aus. Ob und wie sich die Bewegung angesichts dieser Veränderungen anders oder neu verhält, strukturiert, organisiert, offensiver wird, bleibt abzuwarten.
Aufbruch der Bewegung im Ruhrgebiet
Einen Weiberrat, Tomatenwürfe oder ähnliches im Rahmen der Studentenbewegung hat es in Dortmund nicht gegeben. Studentinnen der Nachbarstadt Bochum gründeten 1968 einen Weiberrat und organisierten die erste Frauendemonstration in der Stadt. Aber natürlich gab es in Dortmund die antiautoritäre Studentenbewegung, die wilden September-Streiks 1969 in den Stahlwerken von Hoesch, die „Ruhrkampagne“ des Sozialistischen Deutschen Studentenbundes als Ausläufer, die autoritären K-Gruppen. Es gab eine reorganisierte DKP, linke Theologlnnen, eine Lehrlingsbewegung und einen Republikanischen Club. In der Subkultur-Disco „Fantasio“ wechselten Haschisch-Päckchen die Besitzer. Es gab 1968 in Essen das erste Rockfestival, noch vor woodstock und Altamont. Aus der Dortmunder Schriftstellerlnnen „Gruppe 61“ ging 1970 der Werkkreis Literatur der Arbeitswelt hervor. Es gab die Bewegung für selbstverwaltete Jugend- und Kulturzentren mit dem Dobhardt-Haus 1973 und dem Kulturzentrum in Wischlingen ab 1973.
In diesen Bewegungen waren immer auch Frauen engagiert, die sich aber zunächst nicht in erster Linie mit ihrer eigenen Lage als Frau auseinandersetzten — außer in den Kinderläden. In Dortmund waren das der Kinderladen in der Großen Heimstraße und der sozialistische Kinderladen in der Kesselstraße.
Im Bildungsbereich entwickelte sich eine neue Offenheit gegenüber bildungsfernen Bevölkerungsschichten. Es gab 1969 in Dortmund die erste Mieter-Initiative gegen den Abriß der Arbeitersiedlung Sommerberg-Winterberg, angeregt durch Studenten der Raumplanung. Zwischen 1972 und 1975 hatten sich landesweit bereits 31 Mieterinitiativen gegründet, in denen Wissenschaftler nicht nur forschten, sondern sich aktiv politisch einsetzten bzw. sogar ihren Wohnsitz in Arbeitersiedlungen nahmen. Dadurch öffneten sich Hochschule und Wissenschaft. Eine neue stadtteilbezogene Politische Bildung für bisher bildungsferne Schichten wurde an der Dortmunder Volkshochschule entwickelt. In diesem Rahmen boten Edda Janssen und Anke Wolf-Graaf 1975 die ersten Hausfrauengesprächskreise im Stadtteil an, die sie nach Auseinandersetzungen mit der Dortmunder VHS beim Aktuellen Forum fortsetzten. Das Aktuelle Forum (damals Wanne-Eickel, heute Gelsenkirchen) erprobte als freier Bildungsträger eine neue Politische Bildung und entwickelte sich zu einem landesweit operierenden Bildungszentrum.
Entstehungsphase und Aufbruch der Frauenbewegung in Dortmund (1971-1974)
Der Beginn der zweiten deutschen Frauenbewegung in Dortmund war die Selbstbezichtigungskampagne „Ich habe abgetrieben“ im Jahr 1971, organisiert von einer Gruppe von Frauen und einigen Männern, die zum Teil der SPD, den Gewerkschaften, der DKP und den Republikanischen Clubs nahestanden, in Kinderläden engagiert waren, oder zuvor nicht organisiert oder politisch nicht aktiv gewesen waren. Diese Gruppe nannte sich wie die meisten BRD-Frauengruppen damals Aktion 218. Bis 1974 lagen die Schwerpunkte der Arbeit vor allem auf weiteren Aktionen zum 218 und auf Auseinandersetzung mit linker Theorie zur Frauenfrage, wie es damals hieß. Bis 1974 entwickelten die ca. 10 bis 15 Frauen der Aktion 218 Grundsatzpositionen: Frauen-Emanzipation durch Klassenkampf und Berufstätigkeit – zusammen mit Männern. Autonome Frauengruppen wurden als Durchgangsphase verstanden und Selbsterfahrung, wie sie andere Frauengruppen bereits betrieben, mit großen Vorbehalten betrachtet. Damit gehörte diese Gruppe zu der von Ursula Linnhoff 1974 beschriebenen Richtung des sozialistischen Feminismus in der Frauenbewegung — neben radikal-feministischen, sozialliberal-feministischen, orthodox-marxistischen und feministisch-antiautoritären Richtungen. Allerdings setzten sich die Frauen der Aktion 218 nicht nur aus Studentinnen zusammen, wie etliche andere Frauengruppen in der BRD, sondern es waren gleichermaßen berufstätige Frauen engagiert. Mit einer rein studentischen Frauenbewegung hat es in Dortmund nicht begonnen — und ist es auch nicht weitergegangen.
Diese Frauengruppe war die wichtigste Keimzelle für die weiteren Entwicklungen der Frauenbewegung in Dortmund. Sie nannte sich Ende 1974 in Frauen-Aktion-Dortmund um, öffnete sich neuen Frauen und eröffnete das erste Frauenzentrum (siehe den Artikel zur Geschichte der Aktion 218 und der Frauen-Aktion-Dortmund in diesem Band).
1972 gab es eine weitere Frauengruppe namens AGGI-F. Hier hatten sich fünf berufstätige Frauen und eine Studentin aus pädagogischen Bereichen zusammengefunden, die sich zunächst mit der gesellschaftlichen Rolle der Frau und der Geschichte der Frauenbewegung beschäftigten, dann mit den Geschlechterrollen und deren Vermittlung. Die Gruppe entwickelte sich dann zu einer Selbsterfahrungsgruppe mit Selbstbehauptungstraining. Daraus erwuchs eine Zeitung AGGI-F, in der sich die Frauen 1977 und 1978 mit Themen wie Ehe- und Familienrecht, Sozialhilfe, Erziehung, Abtreibung auseinandersetzten. Zwischen AGGI-F und der Aktion 218-Gruppe gab es wohl Kontakte, aber keine Zusammenarbeit. AGGI-F wollte unabhängig bleiben. Die Gruppe existierte bis 1978.
Bereits 1972 finden sich mit zwei Podiumsdiskussionen zum 21 8 und zur Emanzipation der Frau — Podiumsteilnehmerinnen waren Frauen der Aktion 218 — Wurzeln der späteren Frauenbildungsarbeit an der Volkshochschule.
Ausweitungsphase der Bewegung (1975 – 1977/78):
Wer waren die Frauen in (der) Bewegung?
Die Aktivistinnen der Frauenbewegung seien – so lauten Vor/Urteile aus Forschung und Literatur – vorwiegend Studentinnen aus der Mittelschicht gewesen. Berufstätige Frauen, und vor allem Hausfrauen und Mütter hätten kaum einen Platz gefunden, da ihre Probleme und Lebenslagen nicht im Mittelpunkt des Interesses standen. Auf die Dortmunder Situation bezogen muß dies relativiert werden. In der Aktion 218 waren Studentinnen wie Berufstätige zahlenmäßig gleichermaßen aktiv, in AGGI-F gab es nur eine Studentin. Hausfrauen waren zu sehr knappen 4% in der Frauen-Aktion-Dortmund (FAD), wie sich die Aktion 218 ab ’75 nannte, vertreten. Allerdings war kein Platz fiir deren Probleme und Themen.
Dieses Verhältnis zu ungunsten der Hausfrauen hat sich in Dortmund ab Mitte der 70er Jahre geändert. Neben dem ,einen Teil“ der Frauenbewegung: Aktivitäten von mittelschichtsorientierten Berufstätigen und Studentinnen in der Frauen-Aktion-Dortmund und von Studentinnen und Dozentinnen an den Hochschulen hat sich der ,andere Teil“ der Frauenbewegung entwickelt. Mit dem anderen Teil sind Aktivitäten von Hausfrauen, Berg- und Stahlarbeiterfrauen, alleinerziehenden Müttern, Sozialhilfeempfängerinnen in Stadtteilen gemeint, die sich in Hausfrauen-Gesprächskreisen im Rahmen der Volkshochschule und in einem regelmäßigen Treffen von Frauen aus Dortmunder Stadtteilinitiativen zusammenschlossen.
Das Verhältnis dieser beiden Teile zueinander war nicht unkompliziert. Aus den Reihen der sozialistisch orientierten Feministinnen in der FAD mit einer klaren Orientierung auf den Produktionsbereich und kritischer Sicht der bürgerlichen Kleinfamilie gab es bis zur Ablehnung reichende kritische Distanz gegenüber diesem Ansatz im Reproduktionsbereich. Die zunehmend autonom-feministische Ausrichtung der Nachfolgegruppe der Aktion 2 1 8, der Frauen-Aktion-Dortmund mit der erklärten Ausgrenzung von Männern schreckte Frauen des anderen Teils der Bewegung ab, lebten sie doch in der Regel mit Männern zusammen und arbeiteten in den Initiativen mit Männern. Aber es gab auch Bezüge und Beziehungen zwischen den Teilen. Die FAD war immer Anlaufstelle für Frauen in Problemsituationen mit ungewollten Schwangerschaften. Hier gab es die benötigten Adressen in Holland, Belgien und England. Gegenseitige Informationsbesuche während der Gruppentreffen waren an der Tagesordnung. Persönliche Freundschaften und berufliche Bekanntschaften bildeten Netze. Pädagoginnen und Sozialarbeiterinnen aus der autonomen Frauenbewegung arbeiteten zunehmend in Einrichtungen, deren Klientel der andere Teil war.
Frauen-Aktion-Dortmund (FAD): autonom und feministisch
Die Aktion 218 hatte sich 1974 in Frauen-Aktion-Dortmund (FAD) umbenannt, sich neuen Frauen geöffnet, und der Zulauf von vorwiegend jungen Berufstätigen und Studentinnen war enorm. Die FAD eröffnete 1976 das erste Frauenzentrum. In der FAD arbeiteten zu Hochzeiten 120 Frauen in 20 Arbeitsgruppen an den Schwerpunkten Selbsterfahrung-Theorie, 2 1 8 und Erwerbsarbeit. Die Frauen schlugen sich mit praktischen Organisations- und Strukturierungsproblemen vor dem Hintergrund der Ablehnung von Hierarchie herum, standen die Auseinandersetzung zwischen Lesben und Heteras und Fraktionskämpfe zwischen autonom-feministischen und sozialistisch-feministischen Frauen durch. Sie begegneten einerseits den Vereinnahmungsversuchen durch Frauen aus K-Gruppen, waren andererseits durch politische Aktionsbündnisse, Engagement in anderen Initiativen und persönliche Beziehungen mit den anderen sozialen Bewegungen verbunden. In den Theorie- und Selbsterfahrungsgruppen der FAD fand feministische Bewußtwerdung und kollektive Theoriebildung statt, die mit der Erarbeitung eines Selbstverständnispapiers bis 1977 abgeschlossen war. Autonom und feministisch — so verstand sich die Frauen-Aktion-Dortmund. Gleichzeitig mit dem Abschluß der Selbstverständnisdiskussionen begann die gesellschaftliche Praxis der FAD-Frauen: der Weg in die Projekte, zunächst mit der Einrichtung des Frauenhauses, und der Weg in die Institutionen, mit der Frauenbildungsarbeit der Vereinigten Kirchenkreise und der Volkshochschule.
Frauenbewegung an den Hochschulen
Die ca. 50% Studentinnen in der Frauen-Aktion-Dortmund studierten zumeist an der Pädagogischen Hochschule Ruhr (ab 1980 Universität Dortmund) und an den Fachhochschulen für Sozialarbeit und Design. Ihr feministisches Engagement brachten sie neben der FAD gleichzeitig in die Fach/Hochschulen ein. Oder sie wurden durch aktive Uni-Frauen und aufgeschlossene Hochschullehrer, die Frauen-Themen in Seminaren aufgriffen und Studentinnen die Möglichkeit boten, Seminararbeiten und Diplomarbeiten zu Frauenthemen zu schreiben, für die Arbeit in der FAD motiviert. So zum Beispiel der Soziologieprofessor Konrad Pfaff und der Geschichtsprofessor Hans Müller, der 1975 ein Seminar veranstaltete, aus dem 1977 die Ausstellung „Frauen im Faschismus“ erwuchs.
Wenige Dozentinnen und Professorinnen waren direkt in der Frauenbewegung aktiv. Zum Beispiel war die Psychologin und Fachhochschul-Dozentin Ulla Sebastian-Töbel im Auftau des Frauenhauses engagiert und hatte eine der ersten Stellen im Frauenhaus inne. 1976 wurde die Soziologin Prof. Dr. Sigrid Metz-Göckel an die Pädagogische Hochschule berufen. Sie wurde in der Folgezeit eine Zentralfigur im Aufbau von Frauenforschung, Frauenstudien und Frauenförderung der Hochschule. 1977 bot sie ihr erstes Frauenseminar, vorbereitet mit Frauen der FAD, zum Thema „Frauen und Wissenschaft“ an. Aus diesem Seminar entstand im gleichen Jahr das Frauenarchiv an der Universität, ein selbstorganisiertes und von Studentinnen getragenes Projekt in der Institution, das bis heute existiert. Im gleichen Jahr wurde das Frauenreferat, später Autonomes Frauen- und Lesbenreferat an der Uni ins Leben gerufen (siehe auch die Artikel von Metz-Göckel, Sawall und Hunschok in diesem Band).
Der „andere Teil“: Hausfrauen-Gesprächskreise im Stadtteil, Treffen von Frauen aus Dortmunder Stadtteilinitiativen
Mit der Gründung von Bürger- und Arbeiterinitiativen, die verbesserte Lebensbedingungen zum Ziel hatten, rückten der Stadtteil als Lebensraum und die Bewohner und Bewohnerinnen als Zielgruppe in den Blickwinkel der Erwachsenenbildung. 1974 hatte die Landesregierung das Erste Weiterbildungsgesetz verabschiedet, das den bildungspolitischen und finanziellen Rahmen für eine neue Politische Bildung bot. Die Dortmunder Volkshochschule führte das Projekt, Stadtteilarbeit im Dortmunder Nordwesten“ durch, in dessen Rahmen Edda Janssen und Anke Wolf-Graaf 1975 die ersten Hausfrauen-Gesprächskreise mit aktiven Frauen aus den Stadtteilen Huckarde und Westerfilde aufbauten. Neben den Gesprächskreisen riefen Edda Jannsen und Anke Wolf-Graaf 1975 ein regelmäßiges Treffen von Frauen aus Dortmunder Stadtteilinitiativen ins Leben. Die aktiven Frauen aus den Initiativen, z.B. Grete Damberg aus der Kolonie Holstein, Brigitte Guss im Burgheisterkamp, Frauen im Jungferntal, in Westrich und die Frauengruppe Scharnhorst kannten sich zum Teil durch persönliche Kontakte. In der Broschüre „Frauen vor Ort — meldet Euch zu Wort“ beschreiben sie ihre Arbeit.
Den Gesprächskreisen wie dem Zusammenschluß liegen die gleichen politischen wie pädagogischen Ideen zugrunde. Die unsichtbare Arbeit von Frauen im Haus, in der Familie, im Stadtteil sollte sichtbar gemacht werden. Die Frauen sollten den Wert ihrer eigenen Arbeit schätzen und entsprechend offensiv vertreten, und sie sollten in ihren Initiativen nicht nur die Teller abspülen und Kuchen backen, sondern auch aktive politische Arbeit machen und ihre Interessen als Frauen im Stadtteil selbst vertreten. Denn in den Initiativen gab es, geprägt durch einen generationenalten Bergbau-Patriarchalismus, vielfach die Meinung, die Frau gehöre ins Haus. Die Frauen fingen an, den Stadtteil als ihren eigentlichen Lebens- und Arbeitsbereich zu verstehen, für dessen Gestaltung sie selbst kämpfen wollten. Stadtteilinitiativen, so eine weitergehende Idee, sollten die Interessenvertretung von Hausfrauen werden.
Nach einem Jahr Arbeit und Auseinandersetzungen mit der Volkshochschule — das Konzept wurde als zu politisch und zu wenig pädagogisch verstanden, die Frauen sollten ihre Lage zwar erkennen, aber nicht ändern — führten Janssen und Wolf-Graaf die Arbeit beim Aktuellen Forum weiter. Nichtsdestotrotz wurden Frauengesprächskreise in Stadtteilen in den Folgejahren neben thematisch orientierten Angeboten zum tragenden Pfeiler der Politischen Frauenbildung der VHS. Betreiberinnen des Aufbaus der Politischen Frauenbildung waren FAD-Frauen, Absolventinnen und Wissenschaftlerinnen der Pädagogischen Hochschule. Aus der Arbeit des Huckarder Frauengesprächskreises, des gleichzeitigen Elterngesprächskreises und einer vorwiegend weiblich besetzten Sozialhilfegruppe ging das Frauenzentrum Huckarde (1980) hervor (siehe die Beiträge von Wiechert und Kettschau/Linnenbrügger in diesem Band).
Das Treffen von Frauen aus Dortmunder Stadtteilinitiativen siedelte sich im Nachbarschaftshaus Wambel an und bestand bis 1979. Eine Weiterentwicklung des „anderen Teils“ der Frauenbewegung war vor allem das erste Frauenforum im Revier 1979.
Frauengruppen im Stadtteil
Frauengruppen im Stadtteil, die sich ohne Anlehnung an die Volkshochschule zusammengefunden hatten, waren die Frauengruppe Scharnhorst und die Frauengruppe Hörde.
Die Frauengruppe Scharnhorst entstand aus einem Kontext der evangelischen Schalom-Gemeinde. Um einen aktiven Pfarrer und dessen in der Kinderladenbewegung engagierte und als Lehrerin tätige Ehefrau bildete sich eine Gruppe von zunächst vorwiegend mittelschichtsorientierten Frauen und Männern aus Scharnhorst und Dortmund. Nach einem Jahr Arbeit an Themen der Frauenproblematik veränderte sich die Zusammensetzung der Gruppe. Eine starke Fraktion von alleinlebenden Scharnhorster Sozialhilfeempfängerinnen mit Kindern setzte sich durch, die Mittelschichtsfrauen blieben weg. Ab 1976 wurde die Gruppe von der Kirche mit der Einrichtung einer Sozialarbeiterinnen-Stelle unterstützt. Die damaligen entwürdigenden Zustände beim Sozialamt wurden das Hauptthema der Gruppe, die zu dieser Thematik eine damals brisante Broschüre erarbeitet. Zur FAD bestanden lockere Verbindungen. Ab 1978 führte eine FAD-Frau, Ingrid Lessing, im Rahmen des Bildungsreferats der Vereinigten Kirchenkreise Dortmund mit in Dortmund-Scharnhorst lebenden Frauen Bildungsurlaube und Gesprächskreise durch. Diese Pionierinnenaktivität war der Initialzünder für den Aufbau der Frauenbildungsarbeit in der Evangelischen Kirche (siehe den Beitrag von Lessing und Hubatsch-Roehmann in diesem Band). Aus der Frauengruppe Scharnhorst erwuchs der Fahrrad-Reparaturladen TANDEM, ein gemischtes Frauenprojekt, das sich über Arbeit-statt-SoziIlhilfe finanzierte und inzwischen in kirchliche Verbandsarbeit integriert ist.
1978 gründete sich die nach dem Stadtteil benannte Frauengruppe Hörde. Es waren Hausfrauen und berufstätige Frauen, die einen mehr auf Politik gelagerten Schwerpunkt hatten. Sie mischten sich in Stadtteilfragen ein, unterstützten Arbeitskämpfe von Frauen in Dortmunder Betrieben und setzten sich mit frauenpolitischen Themen auseinander. Mit der Herausgabe einer eigenen Zeitung -Was Frauen interessiert“ brachten sie Frauenthemen im Stadtteil an die Frau. Eine der Initiatorinnen, die Literatin Gisela Koch, war später eine der Begründerinnen des Dortmunder Frauen-Gruppen-Plenums.
Wende zur Entfaltung gesellschaftlicher Praxis (1978-1979)
In der FAD gab es bis zum Ende der 70er Jahre einen Generationenwechsel. Einige Gründerinnen verließen die FAD und orientierten sich in andere Bereiche der Frauenpolitik und Frauenarbeit. Nur wenige zogen sich ganz zurück. Neue Frauen kamen hinzu, die den politischen Anfang der Bewegung nicht aus eigenem Erleben kannten und grundlegende theoretische Positionen bereits vorfanden. Eher an persönlicher Weiterentwicklung interessiert, verlagerten sie den Schwerpunkt der Arbeit innerhalb der FAD auf das Persönliche, Alltagsbezogene und Kulturelle. Andere Frauen in der FAD, Studentinnen vor allem pädagogischer und sozialarbeiterischer Richtung, beendeten in dieser Zeit ihr Studium und sahen sich der Frage gegenüber, was sie beruflich machen wollten. Da lag es nahe, die bisher ehrenamtliche Frauenarbeit zum Inhalt der beruflichen Richtung zu wählen.
Mit der Eröffnung des Frauenzentrums war die FAD bereits den Schritt in die Öffentlichkeit gegangen. Mit Beratungsangeboten im Frauenzentrum hatte die öffentliche Praxis des Wirkens von Frauen für Frauen begonnen — ehrenamtlich und unentgeltlich. Ehrenamtlich und unbezahlt war auch zunächst die Hilfe für geschlagene Frauen in der Frauenhausgruppe: FAD-Frauen nahmen sie privat auf. Dann konnte eine Wohnung angemietet werden, der Verein Gewalt gegen Frauen wurde gegründet und die Finanzierung für ein Frauenhaus gesucht. Durch viel Überzeugungsarbeit von FAD-Frauen in Gruppen der Arbeitsgemeinschaft Sozialdemokratischer Frauen (ASF), durch Kontakte zur Frauenhilfe der Evangelischen Kirche und zum Sozialamt wurde die Idee des Frauenhauses verbreitet. Dann war es da, das erste Projekt der FAD. Es hatte erhebliche Folgen für die Frauen-Aktion, denn die Hälfte der FAD-Mitglieder wanderte zum Verein Frauen helfen Frauen und unterstützte die Frauenhausarbeit. Von dieser personellen und finanziellen Schwächung hat sich die FAD nicht wieder erholt.
Weitere Projekte entstanden: 1978 der Notruf für vergewaltigte Frauen, 1979 die Gruppe Frauen Schreiben, 1981 die Frauenberatungsstelle im Verein Frauen helfen Frauen, 1982 der Frauenbuchladen, das Lesbentelefon und die Zeitschrift lesbenstich, 1985 der Frauen-Karate-Verein.
Auch der Weg in die Institutionen war und ist ein Vorstoß in gesellschaftliche Räume. Die Institutionen — vor allem die Universität, die Evangelische Kirche und die Volkshochschule — öffneten sich in den 70er Jahren neuen Impulsen. Wie bereits geschildert, konnten sich dadurch die Frauenbewegung in der Hochschule und ein neuer Ansatz von Frauenbildung mit Hausfrauen an der Volkshochschule und der Evangelischen Kirche entwickeln. FAD-Frauen waren beteiligt am weiteren Aufbau der Frauenbildungsarbeit nach dem Weggang der Pionierinnen Edda Janssen und Anke Wolf-Graaf bis zur Einrichtung einer Stelle. In der Evangelischen Kirche kam es ebenso zur Einrichtung von zunächst einer halben, dann einer ganzen Stelle für Frauenbildungsarbeit. Die späteren Stelleninhaberinnen haben engagiert weitere Aufbauarbeit geleistet, zum Teil aber— dies ein Beispiel für Unachtsamkeit gegenüber eigener Geschichte und konkreten Personen — die Pionierinnenarbeit ihrer Vorgängerinnen schon vergessen.
Beide Wege – der in die Projekte und der in die Institutionen – wurden in der Frauenbewegung heftig und kontrovers diskutiert, denn die Frauen befürchteten den Verlust von Autonomie und Selbstbestimmung in den Institutionen. In Dortmund wurden beide Wege eher pragmatisch beschritten. Durch diesen Umbruch fand eine Professionalisierung der Frauenarbeit statt. Eine bereits in der Aktion 218 angelegte Tendenz, Frauengruppen als „Durchlauferhitzer“ zu sehen, wurde nun Wirklichkeit. Das Miteinander von Studentinnen und Berufstätigen in der FAD mit einer klaren Orientierung hin auf Erwerbsarbeit als Befreiungsmöglichkeit für Frauen ist ein weiterer Bedingungsfaktor für diese Entwicklung. Durch die Ausbildungsschwerpunkte Sozialarbeit und Pädagogik der Studentinnen in der FAD war die berufliche Richtung vorgegeben.
Entwicklungen im „anderen Teil“: das erste Frauenforum im Revier
Der „andere Teil“ der Frauenbewegung war zum einen eigenständige politische Selbsthilfe-Initiative von Hausfrauen aus den Stadtteilen, zum anderen pädagogisch-politische Initiative, eine in der damaligen Zeit innovative und wirkungsgeschichtlich bedeutsame. Die Ausarbeitung des Ansatzes, Hausfrauen, Sozialhilfeempfängerinnen, alleinlebende Frauen mit Kindern, arbeitslose Frauen, behinderte Frauen, Arbeiterinnen und Angestellte in die Frauenbewegung einzubeziehen, war wesentlich der Mitarbeit von Edda Janssen zu verdanken und führte zum Konzept des ersten Frauenforums im Revier 1979. Eine damit verknüpfte Entstehungslinie war die Idee von Hochschuldozentinnen und FAD-Frauen, das Konzept der Berliner Sommeruniversität für Frauen aus dem Ruhrgebiet zu übertragen. Die Pionierinnenarbeit von Sigrid Metz-Gökkel innerhalb der Pädagogischen Hochschule machte es möglich, daß das erste Frauenforum dort stattfinden konnte. Eine Vorbereitungsgruppe von vierzig Frauen aus Dortmund und Nachbarstädten bewirkte mit intensiver Pressearbeit und Mund-zu-Mund-Propaganda, daß 5.000 Frauen aus der Region kamen. Referentinnen aus dem ganzen Bundesgebiet waren eingeladen, und an vier Tagen arbeiteten und diskutierten die Frauen unter dem Motto „Frauen begreifen ihren Alltag“ zu den fünf Schwerpunktthemen
— Hausarbeit/BeziehungsarbeitÆrziehungsarbeit
— Wohnen/Ökologie/verschiedene Lebensphasen und Lebenssituationen
— Recht/Politik/Gesundheit
— Bildung/Wissenschaft/Öffentlichkeit
— Frauen und Arbeit.
Die in die Planung einbezogene Begleitung und Betreuung der Teilnehmerinnen und Referentinnen — Kinderbetreuung wurde Fachmännern übertragen — schuf eine Forums-Atmosphäre, die heute noch in lebendiger Erinnerung ist. Ein großes Interesse und ausgezeichnetes Echo fand diese Großveranstaltung auch in der Presse.
Dieses erste Forum hatte vielfältige Wirkungen. Der besondere Charakter der Frauenbewegung im Ruhrgebiet wurde offensichtlich. Die Teilnehmerinnen nahmen viele Anregungen mit nach Hause. Neue Frauengruppen und Hausfrauen-Gesprächskreise entstanden. Die Planerinnengruppe, ab 1985 Feministische Organisation von Planerinnen und Architektinnen (FOPA) ging aus dem Forum hervor. Die Frauen der Forumsgruppe arbeiteten nach dem Forum mit verschiedenen Turbulenzen und unterschiedlichen Vorstellungen über die Fortführung des Forums weiter. Ein Frauenforschungs- und Weiterbildungsinstitut und ein Aufbau- und Kontaktstudium für Frauen waren in der Diskussion. Letztendlich geworden ist daraus 1981 das Projekt Frauenstudien als wissenschaftliche Weiterbildung für Familienfrauen an der Universität Dortmund, ein bundesweit innovatives Modell, das für andere Initiativen dieser Art in der BRD Patin stand.
Von den Teamerinnen und Teilnehmerinnen der Frauenstudien wurden die weiteren Frauenforen immer in Zusammenarbeit mit der Frauenbewegung vor Ort vorbereitet und durchgeführt: 1982 zum Thema „Frauen und Gesundheit“, 1984 zum Thema „Frauenbildung – Frauenpolitik. Welche Wende wollen wir?“ und 1986 zum Thema „Kunst und Alltagskultur“. Seitdem hat es keine Veranstaltung dieser Art und Größenordnung als Forum und Reflexionsplattform der gesamten Bewegung im Ruhrgebiet mehr gegeben.
Gesellschaftliche Etablierung und Differenzierung (ab 1979)
Projektebewegung und das langsame Sterben der FAD
Während sich in den 80er Jahren weitere Frauenprojekte gründeten, kam die Mutter der autonomen Frauenbewegung, die FAD, in die Jahre und sah mit regelmäßigen Wiederbelebungsversuchen ihrem Ende entgegen. Bis zur Auflösung 1987 haben Frauen der FAD den Anspruch, politisches Zentrum und Heimat zu sein, nicht aufgegeben. Die FAD wurde aber zunehmend eine Gruppe unter anderen. Engagierte Frauen fanden andere Orte für Frauenarbeit, entsprechend ihren Interessen und Ausbildungen. Frauen gründeten Theater, Musikgruppen, Zeitungen, sie riefen ein Filmfestival und ein Mütterzentrum ins Leben, schlossen sich in berufsspezifischen Projekten zusammen und erarbeiteten Konzepte zur Förderung der Frauenerwerbsarbeit. Einige Projekte waren aus der FAD hervorgegangen, andere aus der Hochschule, wieder andere sind schon Enkeltöchter. Frauenprojekte basierten auf der Idee, autonom, das hieß ohne Beeinflussung von Männern und unabhängig von patriarchalen Institutionen, Inhalte und Ziele der Frauenbewegung umzusetzen – auf bezahlter Grundlage. Nicht mehr unentgeltlich oder für geringeren Lohn sollten Frauen für Frauen arbeiten. Die Kollektividee und die Vorstellung von Gleichheit aller Frauen, auch in der Entlohnung, fand Eingang in Projektgründungskonzepte. Utopische Gedanken wie die Entwicklung einer Frauenwirtschaft von Angebot und Nachfrage, vom Geldfluß unter Frauen, steckten in diesem Aufbruch. Geerbt haben die Projekte auch Probleme, die in der Bewegungszeit der FAD unterschwellig da waren: unausgesprochene Konkurrenzen, Profilierungswünsche, Machtansprüche, eine vermeintliche Unterschiedslosigkeit unter Frauen, Ablehnung von festgelegten Arbeitsstrukturen, kritische Distanz zu Frauen in Institutionen.
Seit Beginn der 80er Jahre mehrten sich Stimmen, die von Frauenbewegungslosigkeit sprachen. Damit gemeint war eine Abkehr der Frauenbewegung von offensiver Aktionspolitik, die zurückgeführt wurde auf die Niederlage der Bewegung durch das BVG-Urteil zum 218 im Jahr 1975. Ein weiterer, nicht zu unterschätzender Grund ist gerade die Entwicklung in die Projekte, die sich durch eine Kopplung von politischer Arbeit mit Erwerbsarbeit eine geradlinige Weiterentwicklung ihrer Vorhaben versprachen. Diese Verzahnung zeigte sich aber in dem Moment als problematisch, als vor allem auf ABM-Stellen, mit denen die meisten Frauenprojekte bis heute arbeiten, neue, junge, dem Projekt weniger verbundene Frauen kamen.
Diese Frauen hatten eher den Job und die berufliche Qualifikation im Auge, betrachteten kritisch die Projektstrukturen und Arbeitsbedingungen. Vielfach wurden Probleme als persönliche Beziehungskonflikte wahrgenommen, und die Zeit der Supervisionen begann. Erst in den letzten Jahren werden auch Organisationsstrukturen offen hinterfragt und in Organisationsberatungen und Weiterbildungen im Feministischen Management zur Diskussion gestellt. All diese Probleme und die Lösungsversuche innerhalb des Projektalltags verhinderten eher die Entwicklung einer autonomen Frauenprojektepolitik als daß sie diese förderten.
Etablierung von Frauenbildung – Entwicklung an der Hochschule
1981 etablierte sich Frauenbildung an der Volkshochschule mit der Einrichtung des Fachbereichs Politische Frauenbildung — dem einzigen dieses Titels in der BRD. Dank des 2. Weiterbildungsgesetzes in NRW sprossen viele kleinere Bildungseinrichtungen, deren Angebot sich unterschiedlich stark an Frauen richtet, aus dem Boden. Einige wurden allein von Frauen oder unter wesentlicher Beteiligung von Frauen aufgebaut, z.B. das Forum Eltern und Schule (fesch), das Centrum für Animation und Erwachsenenbildung und das Kommunikative Bildungswerk (KOBI). Frauenprojekte arbeiteten mit Bildungseinrichtungen zusammen, z.B. bot das Kultur- und Kommunikationszentrum zimpzicke in Kooperation mit der Volkhochschule Veranstaltungen an.
Die Themen der Frauenbildung haben sich weiter differenziert. Gesprächskreise und Selbsterfahrung sind bis heute fester Bestandteil. Zunehmend wurden in den 80er Jahren thematisch orientierte Seminare angeboten. Fragen der Kommunikations-, Gen- und Reproduktionstechnologien, des sexuellen Mädchenmißbrauchs, Mütter, Frauengeschichte, Sextourismus, feministische Theologie und Spiritualität, Gesundheit waren z.B. in den 80er Jahren Schwerpunkte des Angebots der zimpzicke.
Mitte der 80er Jahre begann die Qualifizierungsoffensive in der Frauenbildung. Es wurden zunehmend Rhetorik, Wiedereinstieg nach der Familienphase und Existenzgründung angeboten. Die erste Wiedereinstiegsmaßnahme in Dortmund wurde am Fachbereich Politische Frauenbildung der VHS entwickelt: „Frauen lernen für den Beruf und für sich selbst“. Aus Frauenstudien an der Universität entstand in einer Zukunftswerkstatt der Verein zur Förderung der Frauenerwerbstätigkeit im Revier, der heute Wiedereinstiegsmaßnahmen und EDV-Kurse anbietet.
Hierin ist zum Teil eine Weiterentwicklung des „anderen Teils“ der Frauenbewegung zu sehen. Stadtteilbezug und Stadtteilpolitik traten in den Hintergrund, die Mieterinitiativenbewegung lief aus. Ehemals in der Stadtteilbewegung aktive Hausfrauen haben sich an der VHS oder der Universität weitergebildet, suchen zunehmend ökonomische Absicherung und Qualifikationen für den Wiedereinstieg in den Arbeitsmarkt.
An der Hochschule etabliert sich das Projekt Frauenstudien über einen Modellversuch der Bund-Länder-Kommission in einem 10-jährigen Durchsetzungsprozeß 1991 zum Regelangebot. Der Arbeitskreis Wissenschaftlerinnen in NRW entsteht, ein wissenschaftspolitisch agierendes informelles Netzwerk, aus dem der Verein Wissenschaft und Frauenbewegung mit dem Frauenforschungsinstitut Rhein-Ruhr hervorgeht. Absolventinnen der Hochschule gründen die Dortmunder Initiative erwerbsloser und erwerbstätiger Hochschulabsolventinnen (DIEEH). Frauenforschung beginnt sich zu entwickeln, die Erforschung des Geschlechterverhältnises wird neuer Focus der Frauenforschung. Ein Kreis von frauenpolitisch engagierten Professorinnen, Wissenschaftlerinnen im Mittelbau, Studentinnen und Personalratsvertreterinnen erarbeitet Ende der 80er Jahre ein Frauenbeauftragten-Modell für die Hochschule, 1987 wird die erste Frauenbeauftragte benannt und 1992 ist mit der Einrichtung des Frauenbüros an der Universität eine Etablierung erreicht. Ein Jahr später wird das Graduiertenkolleg „Geschlechterverhältnis und sozia1er Wandel — Handlungsspielräume und Definitionsmacht von Frauen“ eröffnet (siehe Metz-Göckel und Kreienbaum in diesem Band).
Frauenkulturbewegung
Mit und in den sozialen Bewegungen seit 1968 entfaltete sich bereits in den 70er Jahren ein neues Verständnis und eine breite Praxis von Kultur. Die politischen Initiativen feierten Mieterfeste und Stadtteilfeste, es gab Feten in den selbstverwalteten Jugend- und Kulturzentren. Mit Musik- und Theatergruppen, die über Folklore, Rock und Kabarett politische Inhalte vermittelten, entstand eine alternative Polit-Kultur.
Zu Beginn der 80er Jahre begann sich die freie Theatergruppen-Landschaft zu formieren. Soziokulturelle Zentren und Nachbarschaftshäuser entstanden. Städtische Kulturpolitiker veränderten und erweiterten ihr Kulturverständnis hin zu einer Kultur für alle und Kultur von allen. Kulturetats der Kommunen wurden aufgestockt, das Kultusministerium in NRW rief zwei Kultursekretariate ins Leben. Finanzielle Mittel für kulturelle Bildung standen auch über das Weiterbildungsgesetz zur Verfügung. Allerdings hat sich die Dortmunder Kommune in den 70er Jahren mit diesen Entwicklungen noch schwergetan. Die Verantwortlichen konnten nur mit einer Schließung des selbstverwalteten Jugendzentrums Erich Dobhardt-Haus auf die neuen Entwicklungen reagieren. Das freie Kulturzentrum in Wischlingen wurde dem Erdboden gleichgemacht — zugunsten wirtschaftlicher Interessen der Revierpark AG. Die freie Szene boykottierte bis weit in die 80er Jahre hinein den kommerziellen Freizeitpark Wischlingen; Dortmunder Musik- und Theatergruppen traten dort nicht auf. Erst in den 80er Jahren griff auch bei der Dortmunder Stadtverwaltung die neue Kulturpolitik.
Erste Ansätze einer Frauenkultur finden sich mit der Song- und Theatergruppe der Frauen-Aktion-Dortmund und der Weiberbühne in den 70er Jahren. Im ersten Dortmunder Programmkino „Focus“ und im Fritz-Henßler-Haus gab es Frauenfilmreihen. Die Stadt- und Landesbibliothek zeigte eine erste Ausstellung mit Literatur zur Frauenbewegung.
Richtig aufgeblüht ist die Frauenkulturbewegung dann in den 80er Jahren. Frauen feierten Feste im Frauenkulturzentrum zimpzicke und in der Szenekneipe Che Coolala, trafen sich an Frauencafé- und Frauenkneipentagen in Frauenprojekten, Kneipen und Stadtteilzentren, lasen die Frauenseite im Klüngelkerl und jährlich zum 8. März die Klüngelfrau, den lesbenstich, die Lawine und die igitte. Aus gemischten freien Theatergruppen oder aus dem etablierten Theaterbetrieb lösten sich Frauen und gründeten Frauentheater, Frauenkabarette und Frauen-Solos — gleich vier in Dortmund mit dem Theater Extra Dry, dem Kabarett Extra Zwei, mit Frau Fleck und Lioba Albus. Das Internationale Filmfestival femme totale begann sich beim Kul- turbüro der Stadt zu etablieren. Die begnadete Trommlerin und Percussionistin Michaele Mohr gründete Grooving Vibes, die Chilly Lillies begeisterten mit Musik aus den 60ern. Der Frauenchor Die Sirenen legte den Schwerpunkt auf neue E-Musik. Das vierte und bisher letzte Frauenforum im Revier hatte 1986 Kunst und Alltagskultur zum Thema. Im gleichen Jahr fand die erste Frauenkulturwoche „Unbeschreiblich weiblich“ statt. Angeregt von Männern der örtlichen Kulturszene nahmen dann Frauen aus der Frauenbewegung die Sache in die Hand und entwickelten den konzeptionellen Schwerpunkt von allem in der zweiten Frauenkulturwoche „Vom Rand zur Mitte“ 1988 weg von Sozio- und Bewegungskultur zu Kunst. Die dritte Frauenkulturwoche 1991 „Von ihr aus“, konzipiert vom Frauenkulturprojekt „performanze“, einer AB-Maßnahme des städtischen Kulturbüros, verfolgte diese Schwerpunktsetzung weiter. Bildende Künstlerinnen gründeten das Atelier Frauenkunstwerkstatt und bauten das Künstlerhaus am Sunderweg mit auf. Im Dortmunder Lokalfunk des WDR machte Uta Rotermund eine eigene Satiresendung. Geschichte der Beginen und ein Dortmunder Stadtrundgang zur Frauengeschichte war Thema der Gruppe Spinnennetz. Die Frauen fanden z.B. heraus, daß eine Biersorte einer Dortmunder Brauerei, auf deren Etikett Mönche Bier brauen, von Nonnen erfunden wurde: das Clarissen-Bräu.
Frauengruppen in Einrichtungen anderer sozialer Bewegungen
Die bisher geschilderten Entwicklungen machen deutlich, daß die Frauenbewegung zwar in erster Linie eine autonome, von Männern, Institutionen und gemischten Initiativen unabhängige Politik betrieb und sich eigenständig entwickelte. Andererseits aber ist die Frauenbewegung durch kulturelle Interessen und Initiativen, aber auch durch Engagement von Frauen in der Anti-AKW-Bewegung, in der Ökologie- und Friedensbewegung und natürlich durch persönliche Beziehungen mit Männern mit den anderen sozialen Bewegungen verwoben. Außerdem entwickelten Frauen in diesen anderen Bewegungen, ohne selbst in Gruppen der Frauenbewegung engagiert gewesen zu sein, innerhalb ihrer gemischten Gruppen ein Frauenbewußtsein und riefen dort Frauengruppen ins Leben. Diese Entwicklung setzte sich fort in der Projekte-Bewegung, die auch aus anderen Bewegungen entstand. Heute ist es fast selbstverständlich, daß gemischte alternative Projekte einen Frauenbereich haben und z.B. Qualifizierungsmaßnahmen für Frauen anbieten. Vielfach ist dies auch weniger einem entwickelten feministischen Bewußtsein zuzuschreiben, sondern den zusätzlichen Finanzierungsquellen für Frauenmaßnahmen, die inzwischen über Gleichstellungspolitik landes-, bundes- und EU-weit zur Verfügung stehen.
Frauenarbeit von und mit Ausländerinnen
Von einer besonderen Berücksichtigung der Lage von Ausländerinnen in den Anfängen der Frauen-Aktion-Dortmund und auch im anderen Teil der Frauenbewegung in den 70er Jahren kann nur in Ansätzen gesprochen werden. Dabei war der Anteil von Ausländerinnen an der Dortmunder Bevölkerung immer hoch. Beratung und Sozialarbeit teilten sich die Arbeiterwohlfahrt und die Caritas. Allerdings gab es aufgrund der sozialistisch-antifaschistisch-internationalistischen Richtung innerhalb der FAD eine selbstverständliche Unterstützung von chilenischen Frauen im Widerstand und eine Verbindung zu der deutschchilenischen Frauengruppe CAMUR. Während des ersten Frauenforums 1979 hatten zwei Arbeitsgruppen (von 90 insgesamt) die Lage von Ausländerinnen in der BRD zum Thema.
Ab 1981 dann bildeten sich in Ausländervereinen und zum Teil mit Unterstützung der Arbeiterwohlfahrt Frauengruppen und Frauengesprächskreise. 1982 begann die Frauenarbeit im Begegnungszentrum Dietrich-Keuning-Haus im Dortmunder Norden, dem Stadtteil mit dem höchsten Ausländerlnnenanteil. Eine Deutsche und eine italienische Migrantin bauten hier Angebote für ausländische Mitbürgerinnen auf und schufen Möglichkeiten der Begegnung von deutschen und ausländischen Frauen besonders mit dem Konzept für den seit 1911 bestehenden Internationalen Frauentag, der seit 1985 alljährlich im Keuning-Haus gefeiert wird (siehe den Beitrag von Bich1er/Chiummariello in diesem Band). Neben dem gewerkschafts-eigenen 8. März, zu dem sich die Gewerkschaftsfrauen erst seit Ende der 80er weniger mit autonomen Frauen schwertun, ist dieses Angebot im Keuning-Haus eher der Ort, an dem sich auch autonome Frauenprojekte und Initiativen deutscher Frauen finden. In den letzten Jahren wurden beide Frauentags-Veranstaltungen aufgrund aktueller Ereignisse (Vergewaltigungen im ehemaligen Jugoslawien, Frauenstreik) koordiniert (zum Jugoslawienkonflikt siehe den Beitrag von Tomiek in diesem Band).
Die Interessengemeinschaft der mit Ausländern verheirateten deutschen Frauen gründete sich in den 80ern, das Bildungs- und Kontaktzentrum für türkische und deutsche Frauen Merhaba startete, ein arabischer Frauengesprächskreis machte sich von der Arbeiterwohlfahrt unabhängig, und eine Ortsgruppe des kurdischen Frauenverbandes KOMJIN begann die Arbeit.
Ausländische Frauen in Dortmund haben sich eher eigenständig und unabhängig von der autonomen deutschen Bewegung zusammengetan. Das Aufeinanderzugehen ist mehr privat oder beruflich begründet und initiiert — nur punktuell politisch. Die frühere Selbstverständlichkeit der Unterstützung von Frauen in Widerstandsbewegungen der Dritten/Einen Welt durch die Anlehnung an sozialistische Ideen ging verloren.
Dazu beigetragen hat einerseits die Abkehr der Frauenbewegung vom Sozialismus in der Diskussion um Haupt- oder Nebenwiderspruch in den 70er Jahren, und neuerlich der Verlust einer gesellschaftspolitischen Utopie durch den Bankrott der sozialistischen Länder.
Friedensbewegung — Häuserkämpfe
Stationierung von Atomraketen in der BRD war Anlaß für die Friedensbewegung Anfang der 80er Jahre. Eine eigene Frauenfriedensbewegung entwickelte sich mit den Frauen-Friedensmärschen. Die Dortmunder Frauenfriedensinitiative plante den Marsch von Dortmund nach Brüssel 1982. Diese äußerst aktive und effektive Frauengruppe organisierte eine internationale Zukunftswerkstatt in Dortmund, Aktionen zum Reaktorunglück in Tschernobyl, Diskussionen mit Hiroshima-Überlebenden und Aktionen zum Golfkrieg.
Auch Frauenbewegungs-Gründerinnen und ehemalige FAD-Frauen haben sich in der Friedensbewegung neu engagiert. Zusammenführende Linien sind hier auch die politische Ausrichtung der Demokratischen Frauen-Initiative (DFI), verschmäht von ehemals K-Gruppen-nahen und autonomen Feministinnen als DKP-nah, und damit als partei- und männerorientiert. Die Entwicklung von DKP und DFI-Frauen in Dortmund zur Autonomie ist von anderen Frauen wenig wahrgenommen worden. Zu dem Geflecht dieses Bewegungsstrangs gehören auch die Hoesch-Frauen, die sich 1981 zunächst für den Erhalt der Arbeitsplätze ihrer Männer beim Stahlkonzern Hoesch eingesetzt hatten, und nun in der Friedensbewegung ein neues Feld der politischen Betätigung fanden (siehe die Artikel von Schenkmann-Raguse / Niemeyer-Staubach).
Zeitlich parallel zu der Bewegung von Frauen für den Frieden waren andere, jüngere Frauen in Häuserkämpfen engagiert. Die Autonomen Frauen, wie sie sich nannten, verfolgten eher eine radikale Politik der Ablehnung von Staatsgewalt und Hausbesitzerwillkür. Innerhalb der Hausbesetzer-Szene wurde den Frauen schnell deutlich, daß auch hier Geschlechterhierarchie herrschte, und sie organisierten sich als Hexenplenum autonom. In Dortmund bekannt geworden ist die Besetzung des Heidehofs, eines leerstehenden Gewerkschafts-Schulungszentrums, im Jahr 1982. Acht Monate lebten und arbeiteten hier Männer und Frauen der Alternativszene. Der Heidehof wurde bis zur Räumung ein freies kulturelles Zentrum — endlich wieder nach dem Abriß des selbstverwalteten Kulturzentrums in Wischlingen (siehe die Artikel von Jenders).
Erwerbsarbeit im Strukturwandel der Region
Bereits in der Frauen-Aktion hatte Erwerbsarbeit eine große Rolle gespielt, nicht nur als ökonomische Absicherung für Frauen, sondern auch als Voraussetzung für die Einsicht in gesellschaftliche Prozesse und deren Veränderung. Berufstätige Frauen sollten sich in der Frauen-Aktion fit machen für ein Engagement in Gewerkschaften, Parteien und Verbänden. Außerdem unterstützten die FAD und andere Frauengruppen punktuell Arbeitskämpfe von Frauen in Dortmunder Betrieben.
Der Beitrag der Gewerkschaften und anderer Frauenverbände in dieser Frage konnte hier nicht dargestellt werden. Es wäre jedoch eine Untersuchung wert, inwieweit sich in Dortmund die Gewerkschaften nicht nur für die Sicherung der Arbeitsplätze der Männer eingesetzt haben, sondern auch für die der Frauen. Denn umgekehrt ist das geschehen: Frauen haben sich für den Erhalt der Arbeitsplätze ihrer Männer eingesetzt. Die ständige Stahlkrise im Ruhrgebiet führte zum andauernden Arbeitsplatzabbau auch beim Stahlkonzern Hoesch in Dortmund. Anfang der 80er Jahre wurden die Ehefrauen von Hoesch-Arbeitern aktiv. Von der IG-Metall eher mit Unverständnis betrachtet, traten sie in den Hungerstreik (siehe den Beitrag von Bruchhagen in diesem Band).
Auch kein Ruhmesblatt für die Metallgewerkschaft war die mangelnde finanzielle Unterstützung für ihre eigene Frauensonggruppe „Brillenschlangen“ (siehe Jutta Steinke in diesem Band).
Frauenprojekte im Bereich der Erwerbsarbeit entstanden in den 80er Jahren, so der Fahrrad-Laden TANDEM als Selbsthilfeprojekt aus der Frauenarbeit der Evangelischen Schalomgemeinde und der VFFR (Verein zu Förderung der Frauenerwerbstätigkeit im Revier) aus den Frauenstudien an der Universität. Heute bietet der VFFR Qualifizierungsmaßnahmen und EDV-Kurse für Frauen an. Das Frauenzentrum Huckarde hat sich zur Beschäftigungsinitiative weiterentwickelt. Hier können Frauen sich zur Familienpflegerin ausbilden lassen, und es wurde ein Mobiler Sozialer Dienst eingerichtet, durch den Haushaltspflegehelferinnen an alte und pflegebedürftige Menschen und Familienpflegerinnen für Kinderbetreuung vermittelt werden. Diese drei Projekte sind Auswirkungen und Weiterentwicklungen im „anderen Teil“ der Frauenbewegung.
Ein anderes Projekt, das sich mit Fragen der Erwerbstätigkeit auseinandersetzte, ist eher dem „einen Teil“ zuzuordnen. Die DIEEH, Dortmunder Initiative erwerbstätiger und erwerbsloser Hochschulabsolventinnen, später umbenannt in IDEEH, Initiative Dortmunder erwerbstätiger und erwerbsloser Hochschulabsolventinnen, war eine Tochter der universitären Frauenbewegung. Die in Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen beschäftigten Projektmitarbeiterinnen boten Café und Gesprächskreise für erwerbslose Frauen an, untersuchten Arbeitsmarktstrukturen und setzten sich kritisch mit der Arbeitsmarktpolitik auseinander. Es gelang der IDEEH nicht, sich als Projekt zu konsolidieren.
Bemerkenswert ist, daß sich Frauen erst spät für die Strukturwandelprogramme der Landesregierung zu interessieren begannen und sich in Strukturpolitik einmischten. Seit 1968 gibt es diese Strukturhilfefonds, die sich aus Landesmitteln und EG-Geldern zusammensetzen und die eine zauberische Verwandlung des Ruhrgebiets von Kohle zu High-Tech und von Stahl zu Dienstleistung bewirken sollen. Neben der Landesregierung wirken als Magier auch der Kommunalverband Ruhrgebiet (KVR) und der Initiativkreis Ruhrgebiet, eine Vereinigung von finanzkräftigen Wirtschaftsunternehmen, am Image einer wundervollen Kulturlandschaft, die die Ansiedlung neuer Industrien zum Ziel hat. Seitdem gehen wir alle gemeinsam nach vorn, glauben an das Ruhrgebiet und wollen, daß sich andere unserem Glauben anschließen, wir sind ein starkes Stück Deutschland und wollen die Nummer I in Deutschland werden, denn wer einmal in Bottrop gelebt hat, der fühlt sich überall wohl. So die Werbung. Und die Frauen?
Erst im Rahmen der Zukunftsinitiative Montanregion (ZIM) Ende der 80er Jahre wurden in einigen Städten Kommunalstellen Frau und Berufe eingerichtet, die zum Ziel haben, die beruflichen Chancen von Mädchen und Frauen zu verbessern. Inzwischen sind es über 30, und die Idee wurde ins Partnerland Brandenburg transportiert.
Eine andere, ergänzende Strategie wurde auf Betreiben des Dortmunder Frauenbüros mit der Einrichtung der Regionalstelle Frau und Wirtschaft eingeschlagen. Neben Berufswahlorientierung und Wiedereinstieg ist hier betriebliche Frauenförderung Schwerpunkt. Dieses Ziel wird auch verfolgt im Forum Frau und Wirtschaft e.V., einem Verbund von Frauen und Männern in Verwaltung, Wirtschaft und Hochschule. Mitbegründer war das Landesinstitut Sozialforschungsstelle in Dortmund, das mit dem Aufbau des Forschungsbereichs „Frauen im Arbeitsleben“ Untersuchungen mit dem Ziel durchführt, Frauenförderung in Betrieben anzuregen.
Eine weitere Aufwertung und planerische Umgestaltung der Region stellt die Internationale Bauausstellung (IBA) dar, die erst an Frauen dachte, als sich diese mit Kritik zu Wort meldeten und einen Arbeitskreis Frauen und IBA initiierten. In ihm wirken Gleichstellungsbeauftragte und z.B. auch Frauen der Feministischen Organisation von Planerinnen und Architektinnen (FOPA) aus Dortmund. FOPA erarbeitete im Auftrag der IBA eine Ausstellung, die nationale und internationale Projekte der gelungenen Einmischung und Gestaltung von Frauen in Planungs- und Bauvorhaben zeigt. In Zusammenarbeit mit der IBA fand auch der nunmehr zweite Wettbewerb zur Geschichte des Ruhrgebiets statt. Im Forum Geschichtskultur an Ruhr und Emscher konnte sich ein schon in den 80er Jahren existierender Arbeitskreis Frauengeschichte ansiedeln und neben drei anderen den Wettbewerbs-Schwerpunkt „Frauen- und Geschlechtergeschichte“ durchsetzen.
In Dortmund hatten sich 1989 neben gemischten auch etliche Frauenprojekte – Mütterzentrum, FOPA, Wildwasser, die Zeitung igitte – in einem selbstverwalteten Stadtteilzentrum Adlerstraße räumlich und ideell zusammengefunden, in unmittelbarer Nähe zum Frauenbuchladen und Kommunikations- und Kulturzentrum Zimpzikke. Eine ähnliche Idee wurde mit dem Projekt GESA, Gemeinsam Selbständig Arbeiten, verfolgt. Es sollte ein Gründerinnen- und Projektezentrum von Frauen werden, die sich selbständig machen wollten und/oder Büro-, Projekt- und Veranstaltungsräume suchten. Leider liegt die Realisierung auf Eis, da das avisierte Haus im Ankauf zu teuer wurde. Hier kommt die neuerliche Strategie in der Frauenbewegung, mit der viele Frauen zögerlich liebäugeln, zum Ausdruck: wirtschaftliche Selbständigkeit, Unabhängigkeit von öffentlicher Förderung oder die Kombination beider Möglichkeiten.
Lesbenbewegung
Eine radikale Lesbenbewegung gab und gibt es in der Nachbarstadt Bochum – weniger in Dortmund. Die Spuren verlieren sich immer wieder durch Wegzug, durch die Bewegung aufs Land, durch die Orientierung von Dortmunder Lesben nach Bochum.
Die erste Etappe Lesbenbewegungs-Geschichte in den Siebzigern war die Dorstfelder Lesbengruppe, die sich in die FAD integrierte, dort zwei Jahre als FAD-Lesbengruppe arbeitete und mit heftigem Eklat dann aus der FAD auszog. Die Frauen haben sich in alle Winde zerstreut, kaum eine ist in Dortmund geblieben (siehe Steinmaier in diesem Band). Anfang der 80er Jahre gab es in der FAD wieder eine Lesbengruppe, die die Zeitschrift Lesbenstich begründete. In den Jahren des Zentrumsniedergangs orientierte sich die Lesbengruppe dann hin zum Kommunikationscentrum Ruhr (KCR), dem Dortmunder Lesben- und Schwulenzentrum. Heute arbeiten dort u.a. coming-out-Gruppen und das Lesbentelefon.
Die eine Strategie der Frauenbewegung, der Weg in die Projekte, wurde bundesweit vor allem von lesbischen Frauen eingeschlagen. Sie waren die Vorwärtstreibenden in der Idee, männer- und institutionenunabhängige Unternehmen zu gründen. Orte, in denen Frauenpower und frauenzentriertes Leben geschaffen werden sollte. Auch in der Dortmunder Projektgeschichte waren und sind Lesben immer wieder aktiv – jedoch eher in der Minderheit und eher versteckt.
Ein Stück Lesbengeschichte ist auch im Frauenreferat der Universität Dortmund zu finden, das sich mit vehementen Diskussionen Anfang der 80er zum Autonomen Frauen- und Lesbenreferat umbenannte und Lesbianismus immer wieder zum Thema machte. In den jetzigen Zeiten „postfeministischer“ ASTA-Frauenpolitik geraten Lesben unter den gütigen Minderheitenschutz eines Grünen-nahen Studentenausschusses, der nun selbst eine Frauenreferentin benannte und die Gelder für das Frauen- und Lesbenreferat strich (siehe Hunschok in diesem Band).
Was ging verloren?
Für einen Schluß dieser Übersicht über Dortmunder Frauenbewegungs-Entwicklungen schien mir augenfällig, das Verlorengegangene wieder zu betrachten — vielleicht zum Neubedenken und Weiterentwickeln.
Verloren hat sich das Internationalistische und Antifaschistische der Frauenbewegungsanfänge. Haben wir da mit dem Kind des Nebenwiderspruchs nicht auch das Bad einer gesellschaftspolitischen Utopie ausgeschüttet, in der traditionell Solidarität mit Befreiungsbewegungen und antifaschistische Praxis beheimatet waren?
Verlorengegangen ist ebenfalls der schichtensprengende Ansatz (siehe Metz-Göckel) selbst in der Region, aus der er kam. Aus dem „anderen Teil“ der Frauenbewegung ging kein eigenständiger oder mit dem „einen Teil“ vernetzter politischer Zusammenschluß von Hausfrauen hervor. Der Ansatz, Frauen im Reproduktionsbereich zu organisieren, ist zu einer Frauenbildungsbewegung und dann einer Qualifizierungsoffensive und Wiedereinstiegsbewegung in den Produktionsbereich geworden.
Auch die autonome Frauenbewegung hat durch die Vergesellschaftung ihrer Projekte innerhalb der bestehenden Wirtschaftsform, durch die Konzentration auf Projekt-Binnenprozesse und durch das Nachwuchsproblem politische Kraft verloren. Die Idee, in Projekten praktikable Alternativen zum Kapitalismus zu entwickeln, ist nur im geringem Maß umgesetzt. Es wurde auch auf theoretischen Ebene (noch?) nicht parallel der Versuch unternommen eine feministische Betriebs- und Volkswirtschaft zu en wickeln. Wo sind Ansätze zu einer feministischen Ökonomie? Wo gäbe es die entsprechenden überparteilichen Netze mit autonomer politischer Durchsetzungskraft?
Das Alltagsgeschäft von Frauen in Institutionen – die andere Front der Bewegung – ist zermürbend und von dem Spiel: zwei Schritte vor, einen zurück, manchmal auch umgekehrt, geprägt.
Integriert, etabliert, professionell und differenziert – haben wir immer noch zu wenig Macht, zu wenig Geld, kämpfen derzeit um Bestandswahrung, weitere Integration und Förderung. Wir sind zwar eine soziale Bewegung, eine kulturelle Revolution, haben neue wissenschaftliche Ansätze entwickelt, indem wir die Machtverhältnisse zwischen den Geschlechtern in Frage stellen. Wir machen uns Inhalte anderer sozialer Bewegungen zu eigen, wenn sie Fraueninteressen dienen. Reicht es aber aus, eine frauenfördernd-ökologisch-multikulturell-friedenschaffende Reformpolitik zu betreiben – innerhalb eines wirtschaftlich-politischen Systems, in dem Geschlechterungleichheit, Ausbeutung der Natur und des Menschen in der Einen Welt und kriegerische Auseinandersetzungen nach wie vor Strukturelemente sind – alles sozialverträglich arrangiert?
Quelle: Hanne Hilber – Rückblick nach vorn – Geschichtswerkstatt Dortmund