Was in den Sondierungen verhandelt wurde, wird im Falle des Familiennachzugs für subsidiär Geschützte schon diese Woche Thema im Bundestag. Bis eine gesetzliche Neuregelung geschaffen wird, soll die Aussetzung zunächst verlängert werden
Ein genaues Datum, bis wann der Familiennachzug zu subsidiär Schutzberechtigten generell ausgesetzt bleibt, wird im Gesetzentwurf der Union nicht genannt, man »beabsichtigt« aber eine Neuregelung bis zum 31.07.2018. Wie diese Neuregelung aussehen soll, steht wiederum in den Sondierungspapieren: Lediglich 1.000 Menschen monatlich soll »nur aus humanitären Gründen« der Nachzug zu ihren in Deutschland lebenden Angehörigen mit subsidiärem Schutzstatus gestattet werden.
Mit dem vorliegenden Gesetzentwurf wird die Schaffung von Fakten eingeleitet – noch bevor der potentielle Partner SPD überhaupt Koalitionsverhandlungen zugestimmt hat. Die Union will ihre Agenda in aller Eile durch den Bundestag bringen. Auf der Strecke bleiben Rechtsstaatlichkeit und Humanität:
Das Grundrecht, als Familie zusammenzuleben, wird für subisidiär Geschützte auf unbestimmte Zeit ausgesetzt, später soll es abgeschafft werden, um es dann langfristig durch ein staatliches Gnadenrecht zu ersetzen.
Bereits jetzt jahrelange Trennungen
Die von der bisherigen Aussetzung Betroffenen sind bereits jetzt häufig schon drei Jahre von ihren Müttern, ihren Vätern, ihren Ehegatten oder ihren minderjährigen Kindern getrennt: Auf den beschwerlichen Fluchtweg folgte die Wartezeit bis zur Stellung des Asylantrags und danach besonders lange – oftmals über einjährige – Asylverfahren. Für zwei weitere Jahre hat der Bundestag den Familiennachzug dann ab März 2016 ausgesetzt.
Das Grundrecht, als Familie zusammenzuleben, soll abgeschafft werden, um es dann langfristig durch ein staatliches Gnadenrecht zu ersetzen.
Den subsidiär Schutzberechtigten und ihren Angehörigen wurde dabei durch § 104 Abs.13 S.1 AufenthG und die konkrete Frist des S.2 ausdrücklich versprochen, dass sie ab 17. März 2018 ein Recht auf Familiennachzug haben – das ist die logische Konsequenz einer Aussetzung. Viele haben auf diese unmissverständliche Regelung vertraut, auf eine »Aufstockungsklage« (Klage auf Zuerkennung des vollen Flüchtlingsstatus, die Mehrzahl davon ist bei syrischen Flüchtlingen erfolgreich) verzichtet und sich auf ein Leben hierzulande bestmöglich vorbereitet. Sie haben sich auf das Auslaufen des Gesetzes verlassen – und das muss man in Deutschland auch tun können.
Den subsidiär Schutzberechtigten und ihren Angehörigen wurde dabei durch § 104 Abs.13 S.1 AufenthG und die konkrete Frist des S.2 ausdrücklich versprochen, dass sie ab 17. März 2018 ein Recht auf Familiennachzug haben – das ist die logische Konsequenz einer Aussetzung. Viele haben auf diese unmissverständliche Regelung vertraut, auf eine »Aufstockungsklage« (Klage auf Zuerkennung des vollen Flüchtlingsstatus, die Mehrzahl davon ist bei syrischen Flüchtlingen erfolgreich) verzichtet und sich auf ein Leben hierzulande bestmöglich vorbereitet. Sie haben sich auf das Auslaufen des Gesetzes verlassen – und das muss man in Deutschland auch tun können.
Vorhaben ist verfassungswidrig
Die langjährige Trennung von Flüchtlingsfamilien verstößt gegen Artikel 6 Grundgesetz. Das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) hat schon 1987 in einem Grundsatzurteil zur damaligen dreijährigen Ehebestandszeit als Voraussetzung für den Ehegattennachzug zu Arbeitsmigranten festgestellt:
»Die Beeinträchtigung der Belange von Ehe und Familie durch das Erfordernis einer dreijährigen Ehebestandszeit als Nachzugsvoraussetzung übersteigt auch im Blick auf entgegenstehende öffentliche Interessen das von den Betroffenen hinzunehmende Maß« (BVerfG, 12.05.1987 – 2BvR126/83; 2 BvR101/84;2BvR 313 /84).
Weitere Gesetzentwürfe im Bundestag
Obwohl bekannt ist, dass die Aussetzung und Beschränkung des Familiennachzugs zu subsidiär Geschützten auch europarechtlich und völkerrechtlich mehr als fragwürdig ist, hält es die Union nicht für nötig, auch nur ein Wort zur Begründung zu formulieren. Unter dem Punkt »Vereinbarkeit mit dem Recht der Europäischen Union und völkerrechtlichen Verträgen« heißt es nur: »Der Gesetzesentwurf ist mit dem Recht der Europäischen Union vereinbar.«
»Eine dauerhafte Einschränkung des Familiennachzugs für subsidiär Schutzberechtigte ist grundrechtlich und menschenrechtlich problematisch.« sagt sogar die FDP in ihrem Antrag
Neben der Union bringen fast alle im Bundestag vertretenen Parteien eigene Initiativen zum Familiennachzug ein. Der Antrag der Grünen liegt als Drucksache noch nicht vor, ebenso wie die LINKE möchte man den Familiennachzug dort aber wieder zulassen, die AfD fordert, wenig überraschend, die vollständige Aussetzung des Familiennachzugs zu subsidiär Geschützten und die FDP plant eine weitere Aussetzung für zwei Jahre, mit einigen Ausnahmen.
Dieser Entwurf zeigt, dass die FDP zumindest verstanden hat, wie rechtstaatlich mehr als fraglich die Aussetzung des Familiennachzugs ist: »Eine dauerhafte Einschränkung des Familiennachzugs für subsidiär Schutzberechtigte, die faktisch zu einem dauerhaften Ausschluss der Wiederherstellung der familiären Lebensgemeinschaft führen würde, ist grundrechtlich und menschenrechtlich problematisch. Gleiches gilt für ein System von Quoten oder starren Kontingenten […].«
Die Antwort, die die FDP gibt, trägt dem jedoch leider keine Rechnung: Zwei weitere Jahre Aussetzung würden eine mehr als vierjährige Trennung der Familien bedeuten. Die anvisierten Ausnahmefälle sind impraktikabel und unzureichend. Bereits jetzt gibt es ja eine Härtefallregelung, sie funktioniert nur faktisch nicht (lediglich 66 Visaerteilungen bis 12/2017).
Kein Antrag der SPD
Die SPD erwägt, den Antrag der Union nach dem Parteitag zu unterstützen. Dabei wurde im Regierungsprogramm der SPD klar formuliert: »Familiennachzug und das Zusammenleben in der Familie tragen zu einer guten Integration bei. Deshalb werden wir die temporäre Aussetzung des Familiennachzugs nicht verlängern«.
Die SPD darf diesem Gesetzentwurf der Union sowie jeglichen anderen Plänen für eine weitere Aussetzung des Familiennachzugs zu subsidiär Schutzberechtigten nicht zustimmen.
Fakten und rechtliche Argumente gegen die Sondierungsergebnisse finden sich hier. Bild: PRO ASYL