Wer wissen will, was auf Deutschland zukommen würde, wenn die AfD an die Macht käme, der muss nur nach Österreich blicken. Dort steht ihre Schwester, die Freiheitliche Partei (FPÖ), seit zehn Monaten in Regierungsverantwortung und ist voll am Werk.
Das war schon beeindruckend, wie in Wien vor ein paar Tagen Tausende Demonstranten gegen die rechtskonservative Regierung protestiert haben. Sie skandierten Parolen gegen Rassismus und Sozialabbau, und sie warnten vor einem Abbau demokratischer Rechte. Auf Transparenten kritisierten sie nicht nur die Bundesregierung, sondern vor allem Innenminister Herbert Kickl von der FPÖ. Der geht nämlich gegen Medien vor, die ihm zu kritisch sind; sein Generalsekretär räumt mit Hilfe einer überforderten Staatsanwaltschaft und einer Einsatztruppe zur Bekämpfung von Straßenkriminalität beim Verfassungsschutz auf.
Zunehmend eng wird es auch für Gewerkschafter.
Die FPÖ agitiert gezielt gegen Arbeitnehmervertreter
Zunächst ist es jedoch nötig, diesen Widerspruch zu betonen: Die FPÖ gibt sich gerne als die „Partei des kleinen Mannes“. Durchaus erfolgreich. Bei den jüngsten Parlamentswahlen kam sie bei Arbeitern auf 59 Prozent. Die Sozialdemokraten mussten sich mit 19 Prozent begnügen. Allerdings sind die Freiheitlichen vor allem deshalb erfolgreich, weil Ängste gegenüber Migranten und Emotionen gegenüber dem „Establishment“ schüren, zu dem sie Journalisten und „Funktionäre“ und ausdrücklich auch Arbeitnehmervertreter zählen. In der Regierung liefert sie nun die Taten zu alledem und schwächt die Gewerkschafter so sehr, dass in immer mehr Bereichen ausgerechnet dem „kleinen Mann“ (und der „kleinen Frau“) eine wichtige Lobby abhandenkommt. So viel zum Widerspruch.
Jetzt zur Ausführung. Der Bundeskongress des Gewerkschaftsbundes (ÖGB) war am 14. Juni 2018 kaum zu Ende, da präsentierten die Regierungsparteien ÖVP und FPÖ eine Initiative zur Arbeitszeitflexibilisierung, die Widerstand auslösen musste: Vorausgegangen war diesem Schritt keine Verhandlungsrunde, wie sie in solchen Fällen in der Vergangenheit immer selbstverständlich gewesen war. Ja, es gab nicht einmal ein inszeniertes Bemühen um eine Zustimmung aller Sozialpartner. Man ignorierte die Arbeitnehmervertreter ganz einfach.
In der Sache läuft die Flexibilisierung darauf hinaus, dass 12-Stunden-Tage gegen Betriebsräte durchgesetzt werden können. Das ist ein zentraler Punkt, wie FPÖ-Fraktionschef Johann Gudenus bestätigt: „Machtstrukturen“ der Arbeitnehmervertreter sollen „etwas minimiert“ werden, ließ er in der damaligen Parlamentsdebatte wissen.
Die Sozialversicherungen werden künftig unternehmergeführt sein
Die Arbeitszeitflexibilisierung mag die gerade laufenden Lohnrunden überschatten; Gewerkschafter haben die Mehrarbeit, die sie orten, in ihre Forderungen eingespeist. Der nächste Schritt gegen sie wird jedoch schon vollzogen. Im September verkündeten ÖVP und FPÖ eine Zusammenlegung von Sozialversicherungsträgern. Vizekanzler Heinz-Christian Strache von den Freiheitlichen sprach ausdrücklich von einer „Funktionärsmilliarde“, die dadurch eingespart werden soll. Diese Summe lässt sich zwar nicht nachvollziehen, Strache kümmert das jedoch wenig. Ihm geht es um ein Signal gegen „Funktionäre“. Von der Zusammenlegung betroffen sind vorzugsweise Sozialversicherungen, die überwiegend von Arbeitnehmern geführt werden. Und bei den wenigen Trägern, die übrig bleiben, wird ihr Einfluss auch noch gegenüber den Arbeitgebern zusammengestutzt. Das ist ein verheerender Doppelschlag.
Anstelle von 2.000 „Funktionären“ werde es in den Versicherungen bald keine 500 mehr geben, bewerben Strache und Co die „Reform“, ohne jedoch hinzuzufügen, dass diese Leute im Sinne der Selbstverwaltung meist unentgeltlich oder lediglich für eine geringe Aufwandsentschädigung tätig sind. Und: Alles in allem werden die Sozialversicherungen künftig mehr unternehmergeführt sein. Das macht deutlich, welchen Preis die Freiheitlichen bereit sind, zu bezahlen: Zur Bekämpfung der Arbeitnehmervertretung nehmen sie sogar in Kauf, dass Arbeitgeber gestärkt werden. Das ist ihnen allemal lieber. Und die wirtschaftsfreundliche ÖVP freut‘s so oder so.
War’s das? Nein, das war’s noch nicht. Im Jahr 2020 wollen die beiden Regierungsparteien die Österreicher entlasten. Bezieher niedriger Einkommen sollen profitieren. Dabei gibt es jedoch ein Problem: Bei dieser Gruppe fällt so gut wie keine Steuer an. Also sollen die noch vorhandenen Sozialversicherungsbeiträge gesenkt werden. Mit dem logischen Effekt, dass das gesamte Sozialversicherungswesen noch weiter geschwächt wird. Das ist das eine.
Der destruktiven Fantasie der Rechten sind keine Grenzen gesetzt
Das andere ist, dass die Maßnahme auch zum Nachteil der gesetzlichen Arbeitnehmervertretung sein wird. Mit den Sozialversicherungsbeiträgen sind nämlich die Zahlungen verbunden, die die Existenz dieser Institution, der Arbeiterkammer, sichern. Dass die Freiheitlichen die Gelegenheit nützen werden, ihr eins auszuwischen und ihr die Mittel kürzen, liegt auf der Hand; das nehmen sie sich schon seit vielen Jahren vor. Das Motiv ist durchschaubar. Wie in der Gewerkschaft haben sich die Rechten auch in der Arbeiterkammer nie durchsetzen können. Bei den dortigen Wahlen, an denen alle unselbstständig Beschäftigten teilnehmen dürfen, sind sie zuletzt auf nicht einmal zehn Prozent der abgegebenen Stimmen gekommen. Also tun sie alles, um die gesamte Kammer niederzureißen.
Nachdem sich der Freiheitliche Norbert Hofer vor zwei Jahren um das Amt des Bundespräsidenten beworben hatte, verriet er, man werde sich noch wundern, was alles geht, wenn er das Sagen hat. Das kam bei den Österreichern als Drohung an, und daher stimmte eine Mehrheit lieber für einen anderen Kandidaten, den Grünen Alexander von der Bellen. Heute sitzen Hofer und seine Parteifreunde in der Regierung, haben wirklich viel zu sagen und gehen nicht zuletzt gegen die Arbeitnehmervertreter derart vor, dass man sich fragen muss, was einen überhaupt noch wundern könnte. Doch im Zweifelsfall dürfte es noch schlimmer kommen.
Quelle:gegenblende.dgb.de
Bild: DGB/Douglas Sprott/Flickr/CC BY-NC 2.0