Best Owner Consulting (BOG): Hilfsfonds für mittelständische Unternehmen, mit einer Anschubfinanzierung durch hunderttausende Euro aus den Kassen der IG Metall und der IG BCE – aus Mitgliedsbeiträgen

Es ist nichts neues, wenn die Führungen der Industriegewerkschaften Metall (IG Metall) und Bergbau, Chemie, Energie (IG BCE) permanent Co-Management betreiben. Zuletzt hatten sich die Metaller mit der aus der Zeit gefallenen Forderung nach einer Prämie für den Verkauf von Fahrzeugen mit Verbrennungsmotor zum Chef-Lobbyist für die Profitinteressen der Autokonzerne gemacht.

Doch nun legten IG Metall und IG BCE eine neue Qualität von unternehmensorientiertem Krisenmanagement auf den Tisch: sie gründeten mit ein paar hunderttausend Euro Startgeld aus der Gewerkschaftskasse den Hilfsfonds für die Zulieferindustrie namens Best Owner Consulting GmbH (BOG), eine Beteiligungsgesellschaft für den Mittelstand.

Der Zweck ist, bei Vermögensverwaltern, öffentlichen Stellen, Fonds, Konzernen und vermögenden Menschen Geld aufzutreiben, um mit einem Topf von mindestens 500 Millionen Euro die drohende Insolvenz von Zulieferern abzuwenden und die Lieferketten der Konzerne zu sichern. Neu ist, dass IG Metall und IG BCE eigenes Geld in die Hand genommen haben, um privates Kapital für den Mittelstand zu mobilisieren.

Das Ganze wurde seitens der Gewerkschaften nicht an die große Glocke gehängt, schließlich könnten die Mitglieder merken, dass ihre Beiträge in die Streikkasse für potenzielle Arbeitsplätze verwendet werden.

Der aktuelle weltweite wirtschaftliche Niedergang, gepusht durch die Corona-Pandemie, hat für die deutschen Unternehmen erneut gezeigt, wie anfällig die globalen Lieferketten geworden sind und wie fahrlässig eine pure wirtschaftliche Exportausrichtung sein kann. Vor allem der Transformationsprozess der Automobilbranche setzt die vielen tausend kleinen Autozulieferer unter Druck, dort kündigt sich für den kommenden Herbst eine Pleitewelle mit Massenkündigungen an.

Die Beteiligungsgesellschaft BOG soll mit Kapital die Bedürftigen unter den vielen tausend kleinen Autozulieferern stützen. Das Geld dafür soll neben den Gewerkschaften auch von Vermögensverwaltern, Fonds, öffentlichen Mitteln und der Industrie selbst kommen, für die der Erhalt von Lieferketten wichtig ist.

Das erste angestrebte Ziel der Gewerkschaften ist, den Topf mit mindestens 500 Millionen Euro zu füllen.

Zulieferer werden aufgekauft

In der Praxis soll das so laufen, dass aus dem Fonds „systemrelevante“ Zulieferer gekauft werden, die wie bisher Teile für Verbrennungsmotoren herstellen und mithilfe eines „alternativen Finanzierungsmodell“ die drohende Insolvenz, bedingt durch Vormarsch der Elektro-KFZ, sinkenden Absatz für Autos mit Verbrennungsmotoren und immer geringerer Kreditwürdigkeit. Mit einem neuen Beteiligungsfonds, maßgeblich angeschoben von den beiden Gewerkschaften, sollen kleinere Unternehmen durch die Krise gebracht werden. Vor allem die kleinen Autozulieferer, die schon länger dem Druck des Transformationsprozesses in der Autobranche ausgesetzt sind.i

Da diese kleineren Betriebe sich selten Beteiligungskapital ins Haus holen, soll der BOG auch Firmenanleihen zeichnen und so den Unternehmen Kapital zu verträglichen Konditionen zuschießen.

Arbeitsplätze absichern und Arbeitsplatzabbau abfedern

Für den Zuliefererbereich wird eine Insolvenzwelle wie zuletzt 1993/94 erwartet. Betroffen werden vor allem die Autoländer Baden-Württemberg und Bayern, Nordrhein-Westfalen, Niedersachsen und Sachsen sein. Um die Arbeitsplätze zu sichern ist bei dem Fonds die Qualifizierung der Beschäftigten in den Bereichen Digitalisierung, Logistik und „Dekarbonisierung“ vorgesehen.

Bei der Abfederung der Entlassungen werden die „Qualifizierungsmaßnahmen für Beschäftigungsalternativen“ genannt, gemeint sind wohl die Transfer- bzw. Beschäftigungsgesellschaften. Bei Härtefällen soll eine noch zu gründende Stiftung Hilfe leisten.

Für Hilfsinstrumente Kapital generieren

Die Überlegung bei dem Fonds der Gewerkschaften ist auch, dass die Konzerne stabile Lieferketten brauchen und sie dafür Geld in den BOG-Topf einzahlen. Neben den Autobauern wird auch mit Einzahlern aus dem Bankenbereich gerechnet und man schielt auf die Fördertöpfe der Bundes- und Landesregierungen.

Nach eigenen Angaben will die BOG „während der Haltedauer ihrer Investments nicht ausschließlich renditeorientiert auftreten, sondern strebt unter Berücksichtigung aller Stakeholderinteressen einen geregelten Downsizing-Prozess der Portfoliounternehmen an“. Das soll wohl heißen, dass die Investitionen auch dafür genutzt werden, den Markt zu bereinigen und sich die beteiligten Unternehmen gesundschrumpfen.

Bereits 2019 hatte die IG Metall Arbeitsgruppen auch mit Investmentbankern initiiert, um Hilfsinstrumente für die vielen kleinen und mittelgroßen Betriebe zu entwickeln, die im Strukturwandel der Autoindustrie Liquiditätsprobleme haben, weil die Kreditinstitute die Branche zunehmend im Regen stehen ließen.

Türöffner

Frank-Jürgen Weise, einst an der Spitze der Bundesagentur für Arbeit und des Bundesamts für Migration, leitet zusammen mit Bernd Bohr, der früher die Kraftfahrzeugsparte von Bosch führte und sich im Zuliefergeschäft auskennt, die neue Fondsgesellschaft.

Ihre erste Aufgabe wird es sein, möglichst viel Geld aufzutreiben. Dazu sollen sie bei den
Vermögensverwaltern und Fonds anklopfen, die in die Industrie investieren wollen. Aber auch bei den Konzernen selbst, die stabile Lieferketten brauchen und deshalb Geld in den BOG-Topf einzahlen, um die mittelständischen Zulieferer zu stabilisieren. Hier braucht man die gute Vernetzung von Bernd Bohr. Die Kontakte von Frank-Jürgen Weise werden vor allem für die Generierung öffentlicher Mittel benötigt.

Das Leitungsteam Bernd Bohr und Frank-Jürgen Weise soll noch um Investmentbanker „denen der Umgang mit Risikokapital vertraut ist“ ergänzt werden, die mit den ersten zwei oder drei Referenzprojekten dem BOG-Fonds weitere Bekanntheit und Kapital bescheren sollen.

Wie wird das bei den Gewerkschaftsmitgliedern ankommen?

Für die IG Metall und IG BCE dürfte es kein Problem sein, ausreichend Kapital zu generieren, die Kassen bei den Vermögensverwaltern, Kapitalfamilienclans und Privat Equity Fonds sind gefüllt und brauchen immer neue Investitionsmöglichkeiten. Das Projekt passt auch gut in die langjährige Strategie der IG Metall und IG BCE zur Standortsicherung und Pflege des Konkurrenzvorteils als Niedriglohnland. Hinzu kommen mit dem BOS-Fond nun der Ausbau und die Pflege „nationaler“ Lieferketten.

Ein Problem für die Gewerkschaften ist aber nicht zu unterschätzen: Mit dem Aufbau einer Beteiligungsgesellschaft mithilfe der Gewerkschaftskasse bzw. Mitgliederbeiträgen, die dem Kapital eine attraktive Anlagemöglichkeit bietet, wird der Bogen der Sozialpartnerschaft überspannt. Den Gewerkschaftsmitgliedern wird schnell klar werden, dass ihre Beiträge in die Streikkasse nun zur Erhaltung von Arbeitsplätzen und Abfederung von Arbeitsplatzverlusten benutzt wird.

Die Glaubwürdigkeit der Gewerkschaftselite steht hier sowieso auf dem Spiel, wenn sie Seit´ an Seit´ mit den Eigentümerfamilien und höchsten Managern der Autoindustrie und den Verbänden der Autobranche Geld für angeschlagene Unternehmen sammeln. Es sind die gleichen Eigentümerfamilien, Manager und Verbände, die sich an die Europäische Kommission und die Berliner Regierung mit der Forderung nach Deregulierung der Arbeitssicherheit und des Arbeits- und Umweltschutzes, gekoppelt mit der Ausschüttung aus dem Füllhorn öffentlicher Mittel an sie selbst, gewandt haben. Damit die Produktions- und Umsatzzahlen wieder zügig auf dem Rücken der Beschäftigten hochschnellen und den Profit sichern.

 

 

 

 

Quellen: Tagesspiegel.de, finanznachrichten.de, labournet.de, wallstreet-online.de, wiwo.de, Vorstandspräsentation der Gewerkschaft IGM
Bild: rosalux.de