Mit dem Beginn der Corona-Krise ist eine der längsten Aufschwungphasen in der Bundesrepublik abrupt zu einem Ende gekommen. Zuvor gab es ein Jahrzehnt stetigen Wirtschaftswachstums. Die Unternehmen hatten volle Auftragsbücher und es sind zusätzliche Arbeitsplätze entstanden. Durch die Pandemie ist es damit erstmal vorbei. Im zweiten Quartal ist das Bruttoinlandsprodukt (BIP) um historische 10 Prozent eingebrochen. Die Arbeitslosenzahlen gehen wieder nach oben und Millionen von Beschäftigten sind weiterhin in Kurzarbeit. Mehr denn je haben viele Menschen große finanzielle Sorgen und Ängste um eine gesicherte Zukunft.
Corona verstärkt bereits bestehende Ungleichheiten
Aber klar ist: Das Virus ist nicht Ursache, sondern Katalysator einer bereits vorher bestehenden sozialen Schieflage. Denn in den vergangenen Jahren wurden die Früchte der Konjunktur ungleichmäßig verteilt. Spitzeneinkünfte konnten satte Zuwächse verbuchen. Daneben haben die Reallöhne dank guter Tarifabschlüsse ordentlich zugelegt. Aber parallel sind prekäre Arbeit und Ausbeutung für zu viele Beschäftigte trotz der guten Wirtschaftslage zum Dauerzustand geworden. Sie sind der Krise ganz besonders ausgeliefert!
Niedersachsen bei Niedriglöhnen trauriges Schlusslicht im Westen
Deutlich wird dies beim Blick auf die Lohnstrukturen: 2018 wurden über eine Millionen Beschäftigungsverhältnisse in Niedersachsen mit weniger als 12 Euro pro Stunde entlohnt. Das entspricht einem Anteil von fast 30 Prozent. In keinem anderen westdeutschen Bundesland fällt der Wert höher aus. Nur in Ostdeutschland gibt es noch mehr Niedriglöhne (siehe Grafik). Nach Abzügen bleiben für die Betroffenen bei einer Vollzeitstelle weniger als 1.500 Euro netto im Monat übrig. Das ist nicht viel für den eigenen Lebensunterhalt. Und angesichts der gegenwärtigen Umstände hat sich die Lage für viele Beschäftigte im Niedriglohnsektor nochmals zugespitzt. Mit dem Kurzarbeitergeld wurden zweifellos unzählige Arbeitsplätze erhalten. Aber wenn schon unter normalen Umständen das Geld knapp ist, wird es jetzt richtig eng.
Das Ausmaß von Niedriglöhnen in dieser Größenordnung ist kein Naturgesetz, sondern das Resultat falscher Weichenstellungen. Über Jahre wurden unsichere und schlecht entlohnte Beschäftigungsformen – Minijobs, Leiharbeit und sachgrundlose Befristungen – politisch gefördert. Darauf greifen die Arbeitgeber gerne zurück. Zudem begehen zahlreiche Betriebe Tarifflucht, um die Löhne weiter zu drücken. Vier von zehn niedersächsischen Beschäftigten sind nicht mehr durch ein tarifliches Arbeitsverhältnis geschützt. In Summe führen diese Faktoren dazu, dass viele Beschäftigte arm trotz Arbeit sind. Wertschätzung sieht anders aus!
Eine Reform des Arbeitsmarktes und eine stärkere Tarifbindung sind die Lösung
Eine solche Situation ist nicht länger hinnehmbar. Sie verursacht soziale Ungleichheit und spaltet die Gesellschaft. Eine Reform des Arbeitsmarktes ist notwendig. Die Verlängerung des Kurzarbeitergeldes ist in der Krise ein wichtiges Signal an die Beschäftigten. Doch für dauerhaft höhere Löhne muss die Tarifbindung steigen. Hier sind die Arbeitgeber gefragt. Der Gesetzgeber kann aber unterstützen, indem er Tariftreue bei öffentlichen Aufträgen vorschreibt und allgemeinverbindliche Tarifverträge erleichtert. Zusätzlich müssen prekäre Jobs stärker reguliert und der Mindestlohn auf 12 Euro pro Stunde erhöht werden. Denn Arbeit muss sich für alle lohnen!
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#schlaglicht 30/2020: Arm trotz Arbeit: Niedersachsen an der Spitze bei Niedriglöhnen! (PDF, 284 kB)
Quelle: https://niedersachsen.dgb.de/ Bildbearbeitung: L.N.