Abgeordnete als Arbeitgeber – verantwortungsvolle Knechtherrschaft?

Von Hannes Kling

Mit 709 Mandaten, die zur 1. Sitzung des 18. deutschen Bundestages in Kraft getreten sind, betreten auch erneut oder erstmals 709 Arbeitgeber die Räume des Bundestages. Mit Ihnen kommen alleine ca. 5000 angestellte Kräfte in Bundestag und die Wahlkreise und arbeiten unter sehr interessanten und einzigartigen Bedingungen.

Der Artikel soll sich mit dem Phänomen der Abgeordnetenbüros und ihrer Mitarbeiter auseinandersetzen und einen kritischen Blick auf die Leistungsgesellschaft im Bundestag wagen.

Parlamentarische Arbeit im Verhältnis

Im parlamentarischen Betrieb zu arbeiten, bedeutet in der Regel, in einer von drei Konstellationen zu arbeiten:

  • Mitarbeiter der Bundestagsverwaltung: Hier findet sich die gesamte übergeordnete Arbeit des Bundestages wieder. Von Facility Management über IT-Service bis hin zu der akademischen Arbeit im Wissenschaftlichen Dienst oder der Arbeit in den Ausschussbüros finden sich hier Mitarbeiter*innen, die neutrale parlamentarische Arbeit mit verwaltendem Charakter leisten. Die Anstellung ist in das System der öffentlichen Verwaltung eingegliedert und bietet vor allem Anstellungen nach dem Tarifvertrag des Öffentlichen Dienstes. Das Arbeitsverhältnis ist durchgehend geregelter Natur.
  • Mitarbeiter der Fraktionen des Bundestages: In einer der Fraktionen eine Anstellung zu finden, bedeutet in der Regel in einem sicheren Arbeitsverhältnis zu landen. Die Fraktionen werden durch erfahrene Geschäftsführer*innen geleitet, die eine Kontrollinstanz zwischen den restlichen Fraktionsangestellten und den Abgeordneten darstellen. Die Mehrheit der Fraktionsangestellten sind wissenschaftliche Mitarbeiter*innen / Fach-Referent*innen, hinzu treten IT-Service, Geschäftsstellenleitung, ggf. Sekretariate, Öffentlichkeitsarbeit und Pressestellen. In diesen durchaus größeren „Betrieben“ fehlt es aber mitunter an betrieblicher Mitbestimmung und tarifvertraglicher Regelung. Allein die Linksfraktion stach in den letzten Legislaturperioden heraus, in ihr findet sich ein Betriebsrat als auch ein Tarifvertrag (vereinbart durch ver.di).

Die Abrechnung der Gehälter und anderen Aufwendungen für Mitarbeiter erfolgt durch die Verwaltung des Bundestages. Eine Haftung des Bundestages gegenüber Dritten ist ausgeschlossen. Die Mitarbeiter sind nicht Angehörige des öffentlichen Dienstes. Es bestehen keine arbeitsrechtlichen Beziehungen zwischen den Mitarbeitern und der Verwaltung des Bundestages.

Mit der dritten Gruppe möchte ich mich etwas intensiver beschäftigen. Denn grundlegend kann man feststellen: Abgeordnete sind oft vieles, aber keine guten Arbeitgeber.

Genese von Beschäftigungsverhältnissen

Beschäftigungsverhältnisse bei Bundestagsabgeordneten haben viele Zwecke, von denen nur wenige mit der direkten Stellenbeschreibung zu tun haben. Der Großteil der Angestellten sind allerdings hochqualifizierte Menschen, die den Parlamentsbetrieb mit ihren Ideen und Konzepten bereichern und mit ihrer Ausbildung und ihrem Wissen eine effektive parlamentarische Arbeit der Abgeordneten überhaupt erst ermöglichen. Der Mythos vom Versorgungsposten ist einer, der sich in der alltäglichen Arbeit schnell entzaubert. Oft kann auch eine Stelle bei einem Bundestagsabgeordneten als Auffangpositionen einer geschrumpften Fraktion dienen, wenn die Mittel nicht mehr für die Übernahme alle Referent*innen in der Fraktion reichen oder ein Abgeordneter unerwartet sein Mandat verliert.

Unbestritten ist wohl, dass insbesondere in den Abgeordnetenbüros in vielen Fällen die Grenze zwischen Parteiarbeit und Facharbeit verschwimmt. Bewerber*innen mit passendem Qualifikationsprofil und dem richtigen Parteibuch und optimalerweise eine Anbindung an den Kreis- oder Ortsverband des jeweiligen Abgeordneten haben durchaus bessere Karten; eine Honorierung von Partei- und Basisarbeit, von Wahlkampfhilfe ist besonders bei den neu in den Bundestag einziehenden Abgeordneten keine Seltenheit. Aber auch: eine nicht unerhebliche Anzahl von Mitarbeiter*innen in Abgeordnetenbüros hat kein Parteibuch.

Die gesetzliche Regelung versucht hier auch, deutlich regulierend zu wirken: § 12 Abs. 3 AbgG beinhaltet auch Regelungen zur Verhinderung von „Vetternwirtschaft“, also der Vergabe von Stellen an Familienmitglieder; hinzu treten die Vorschriften über versteckte Parteienfinanzierung, die regelmäßig dann greifen, wenn Mitarbeiter von Abgeordneten in ihrer Arbeitszeit unzulässigerweise mit Parteiarbeit beauftragt werden (auch wenn die Abgrenzung zwischen Mandatsarbeit und Parteiwerbung oft schwer fällt).

Beschäftigungsverhältnisse mit Parteimitgliedern (vor allem denen der einigen regionalen oder sachlichen Arbeitsstruktur) bergen enormes Konfliktpotential: die politische Abhängigkeit steigt im gleichen Maße, wie sie durch eine ökonomische Abhängigkeit erweitert wird. Eine Oppositionsrolle zur eigenen Chefin oder dem eigenen Chef z.B. im Landesverband aufzubauen ist existenzgefährdend, auch wenn sie nach eigenem Dafürhalten politisch notwendig ist. Das parlamentarische Arbeitsverhältnis ist damit auch eine indirekte Struktur zum Machterhalt der Abgeordneten und erlaubt politische Einflussnahme dort, wo z.B. aus Zeitgründen die eigenen Teilnahme nicht mehr möglich oder effektiv erscheint.

Alles in allem ist festzustellen, dass die Stellenbesetzung in einem Abgeordnetenbüro kein Politikum sein muss, es aber oftmals ist. Über die reinen Parteistruktur hinausgehend sind solche politischen Besetzungen z.B. bei der Beschäftigung von dem ehemaligen RAF-Mitglied Christian Klar als persönlicher Mitarbeiter bei Dieter Dehm. Durch die AfD wird in den 18. Bundestag eine Reihe hochproblematischer Personalentscheidungen zu erwarten sein.

Zwischen politischem Anspruch und belastender Realität

Einmal angekommen im Arbeitsverhältnis zeigen sich in vielen Abgeordnetenbüros, dass eine Personalstruktur eigentlich nicht existent ist. Die Gründe dafür sind verschieden: sie scheinen für einen so kleinen Betrieb (wohl zwischen 5 und 7 Mitarbeiter*innen im Durchschnitt) oft nur arbeitshemmend und ineffektiv, sowohl den Abgeordneten als auch den Arbeitnehmer*innen selber. Bemerkbar macht sich das zum Beispiel in der fehlenden Dokumentation von Urlaubs- und Krankheitstagen: die Abgeordneten sind manchmal locker, manchmal streng in der Vergabe der Urlaubsgenehmigungen (und überhaupt der Anmeldepflicht) – aber selten zu einer nachvollziehbaren Dokumentation in der Lage. Krankentage werden kaum dokumentiert; wenn die Bundestagsverwaltung verzweifelt darauf hinweist, dass sie hier eigentlich der richtige Ansprechpartner ist, nehmen davon weder die Beschäftigten noch die Abgeordneten wirklich Notiz.

Hinzu tritt, dass Abgeordnete selten aus einer Position kommen, in der sie Erfahrungen in der Personalführung sammeln konnten. Vielmehr sind eigene Anstellungsverhältnisse die Regel und tragen nicht eben zu einem tieferen Verständnis der neuen Rolle bei. Die Kompetenzen im Personalmanagement sind für einen Betrieb in solcher Größe aber entscheidend, trotzdem fehlt es oft an den grundlegenden Kenntnissen. Regelmäßige Personalgespräche und Evaluierungen werden selten von Arbeitgeberseite aus angeboten; auch bei der Vergabe von Arbeitsaufträgen wird weder auf die bürointerne Hierachie noch auf das Stundenkontingent der Mitarbeiter*innen geachtet. Die Arbeit muss irgendwie gemacht werden; wie, das scheint einigen Abgeordneten egal zu sein. In manchen Büros kann man froh sein, wenn man weiß, was der Chef eigentlich für ein Arbeitsergebnis erwartet. Klare Anweisungen sind eine Seltenheit.

Hieraus ergibt sich ein weiteres Problem: viele der Abgeordnetenbüros haben, insbesondere in den Plenarwochen, mehr Arbeit als an Arbeitsstunden regulär zur Verfügung steht. Die Leistungsanforderungen sind hier enorm, Überstunden zwischen 1- bis 1,5-fach des vereinbarten Beschäftigungsrahmen sind eher die Regel als die Ausnahme. Eine Dokumentation findet hier desöfteren nicht statt, eine Vergütung der geleisteten Stunden ist nicht möglich und Ausgleichstage sind im Büroalltag verpönt. Der Leistungsgedanke ist: wer gestern 150% geleistet hat, kann doch bitte heute mit 100% weitermachen, das sei hier immerhin der Bundestag und da lernt man fürs Leben, und überhaupt, das mache sich ja gut auf dem Lebenslauf. Für immer Praktikant.

Limitierung der persönlichen Entwicklungen

Eine grundlegende Problematik von Beschäftigungsverhältnissen in Abgeordnetenbüros sind die fehlenden Aufstiegsmöglichkeiten: die Abgeordneten werden es sich kaum nehmen lassen, zur Unterstützung ihrer Arbeit mit Mandatsbeginn die vorhandenen Mittel auszunutzen. Ein Ansparen der Personalmittel, um mit Bonuszahlungen oder späterer Auszahlung bspw. leistungsorientiert zu vergüten, ist nicht vorgesehen – Personalmittel, die nicht abgerufen werden, verfallen monatlich. Diese Struktur führt zu der Problematik, dass insbesondere langfristige Arbeitsverhältnisse im Vergleich zu regulären Stellen schlechter gestellt sind: Beförderungen und Gehaltserhöhungen sind nicht möglich, es sei denn, innerhalb der Legislaturperiode steigen die Mittel unvorhergesehen an. Ein Personalplanung mit Karriereentwicklung ist so aber nicht möglich. Möglichkeiten des beruflichen Aufstiegs innerhalb der Stelle sind darum limitiert auf den Wegfall anderer Mitarbeiter*innen, deren Personalmittel in Folge neu verteilt werden können. Das verschärft den kollegialen Druck untereinander und den innerbetrieblichen Wettbewerb, trägt aber selten zu einem langfristig vertrauensvollen Beschäftigungsklima bei.

Berufliche Entwicklung ist durch diese Limitierung oft nur durch einen Wechsel der Arbeitsstruktur zu erreichen: höher vergütete Stellen bei anderen Abgeordneten der gleichen Fraktion oder – oft der „Lottogewinn“ der parlamentarischen Lohnarbeit – der Wechsel in die Anstellung der Fraktion, die durch die Hoheit ihrer Haushaltsplanung eine dauerhafte Perspektive einschließlich einer Lohnfortentwicklung bieten kann.

Rückfall in das vorindustrielle Zeitalter

Errungenschaften der Arbeiterbewegung werden im politischen Alltag so in Hinblick auf die eigene Überforderung von manchen Abgeordneten strukturell ignoriert. Dem kommt zu Gute, dass auch wesentliche Partizipationsrechte in den Büros weitgehend brach liegen: auch dort, wo Betriebsräte möglich wären, bildet sich keine betriebliche Mitbestimmung aus (2009 waren es bei 622 Büros nur knapp 12 [!], die einen Betriebsrat hatten.) Betriebsräte würden mit ihren umfangreichen Beteiligungsansprüchen das Machtgefüge der Bürobetriebe deutlich verändern, sowohl bei Einstellungen als auch Beendigungen von Arbeitsverträgen. Kaum ein Abgeordneter wird ein Interesse an der Etablierung dieser Strukturen haben, nicht wenige sehen darauf einen Angriff auf ihre verfassungsrechtliche Unabhängigkeit. Auch der Versuch, übergeordnete Beteiligungsstrukturen bei der Bundestagsverwaltung anzusiedeln, sind bisher nur mäßig erfolgreich gewesen – was auch an der merkwürdigen Zwitterstellung der Bundestagsverwaltung als Nicht-Arbeitgeber und Arbeitgeber-Vertreter liegt. Kommt es zum Konflikt zwischen Abgeordneten und Mitarbeitern – und diese Konflikte müssen nicht arbeitsrechtlicher Natur sein, sondern können auch politische oder private Hintergründe haben – gibt es kaum eine Struktur zum Schutze der Mitarbeiter vor Arbeitgebern, die nicht rechtmäßig handeln. Und dann gibt es da noch Abgeordnete, die nicht nur schlechte Arbeitgeber sind, sondern auch unangenehme, z.T. grausame Menschen. Dazu drei kurze Beispiele:

„Dort gab sich noch eine weitere Petra Hinz zu erkennen, die herrische Chefin. Es konnte passieren, dass sich ihre Mitarbeiter, wollten sie zur Toilette, bei Hinz ab- und danach wieder anmelden mussten. Von Telefonaten musste für sie oft ein Wortlaut-Protokoll angefertigt und ihr vorgelegt werden. An einen „Gulag“ erinnern sich ehemalige Mitarbeiter aus dem Büro Petra Hinz. Überdurchschnittlich viele Mitarbeiter soll Hinz in ihrer Zeit als Abgeordnete verschlissen haben. Einige von ihnen gingen danach zur Psychotherapie, andere treffen sich noch heute an einem Stammtisch der Geschädigten. Aus diesen Reihen wurde Ende Juni, kurz bevor Hinz’ Hochstapelei aufflog, ein offener Brief lanciert, der alle Beschwerden präzise auflistete. Die Führung der SPD-Fraktion schlug Hinz daraufhin vor, ein Seminar zum Thema Mitarbeiterführung zu besuchen.“

„Da bei den Linken aber eine strikte Trennung von Amt und Mandat verpflichtend ist, legte Ludwig am 5. Juni auch sein Mandat nieder. Und da er nun kein Abgeordneter mehr war, braucht er auch keine Büro und keine Angestellten mehr und kündigte der Frau. Doch die will nun ihr Gehalt für die Monate Juli, August und September 2016 von Ludwig. Ihre Begründung: Sie habe so lange noch einen Arbeitsvertrag mit Ludwig gehabt, und der sei ihr dieses Geld nun mal als ihr Arbeitgeber schuldig. Der heutige Justizminister vertritt hingegen eine ganz andere Ansicht. Nach Angaben des Arbeitsgerichtes, sieht Ludwig die Sache so: Das Arbeitsverhältnis mit der ehemalige Mitarbeiterin habe gar mit ihm persönlich bestanden, sondern mit dem Land Brandenburg. Außerdem habe die Klägerin in den fraglichen Monaten „keine entgeltpflichtigen Arbeitsleistungen erbracht“.“

  • Gerwald Claus-Brunner, Ex-MdA (Piraten): Der Abgeordnete brachte vor seinem Ausscheiden aus dem Berliner Abgeordnetenhaus erst seinen ehemaligen persönlichen Mitarbeiter und dann sich selbst um. Der Mitarbeiter stellte mehrere Anzeigen bezüglich der konstanten Nachstellungen des Abgeordneten, drang damit aber behördlich nicht durch. Hier zeigt sich die Problematik der Macht in einem einmaligen Fall in aller Drastik: das übergriffige Verhalten des Abgeordneten kann behördlich durch Immunität qua Amt nur unzureichend verfolgt werden; auch nach dem Ausscheiden aus der beruflichen Beziehung ging die Belästigung weiter und gipfelte in einem unfassbaren Mord. Das Opfer hat in dem Landesparlament keine Strukturen, die als Vertrauensstelle fungieren konnte und auf konforme Verhaltensweisen des Abgeordneten als Arbeitgeber hinwirken konnte. Diese Strukturen fehlen im Berliner Abgeordnetenhaus bis heute.

Diese Beispiele machen klar, dass es bei Abgeordneten oft an neutralen Regulierungsinstanzen fehlt, die strukturell nicht vorhanden sind – oder selbst, wenn formal ein Ansprechpartner eingerichtet wurde, nicht für neue Mitarbeiter*innen sofort erkennbar ist (und auch z.B. aus den Wahlkreisen nur schwer erreichbar). Schlichtungsinstanzen, die auch arbeitsrechtliche Streits, wie am Beispiel Ludwig oder Hinz aufgeführt, bearbeiten können, fehlen gänzlich. Es bleibt nur der Weg zum Gericht – und der Fall Brunner zeigt, dass dort ab einer gewissen Schwere und dem Übertritt ins Strafbare die Handlungsoptionen fehlen.

Wege aus dem Dilemma

Handlungsempfehlungen können hier aufgrund der fehlenden Zeit nur kurz skizziert werden, aber sie sollen einen Orientierungspunkt bieten, welche Wege als gangbare Alternative zum jetzigen, unregulierten Raum bestehen.

  • Denkbar ist zunächst eine stärkere Verlagerung von Kompetenzen in die Bundestagsverwaltung und die organisatorische Anbindung der Arbeitsverhältnisse in dessen Struktur. Das würde den unbestimmten Rechtsstatus der Arbeitsverhältnisse in den Öffentlichen Dienst überführen und den TVöD zur Anwendung kommen lassen. Der Einsatzort wäre das jeweilige MdB-Büro, ein alleiniges fachliches Weisungsrecht bestände für die Abgeordneten, die Verträge würden hingegen mit der Bundestagsverwaltung geschlossen. Eine Integration in die Beschäftigtenvertretung der Bundestagsverwaltung wäre dadurch gewährleistet.
  • Eine weitere Option wäre eine Verpflichtung über die Fraktionen, sich im Rahmen der Mitgliedschaft in der Fraktion an einen code of conduct zu halten und die Öffnung der Fraktionsstrukturen und der dortigen Ansprechpartner*innen für Mitarbeiter*innen von Abgeordneten umzusetzen. Das erfordert allerdings, dass die Fraktionsstruktur eine Arbeitnehmerbeteiligung überhaupt erst vorsieht, was mehrheitlich in den Bundestagsfraktionen der 18. WP nicht der Fall ist. Der Vorteil wäre hier die jeweilige Schwerpunktsetzung und ein einheitliches Arbeitsklima in Fraktion und MdB-Büros.
  • Wohl eher zahnlos verbleiben werden freiwillige Selbstverpflichtungen der Bundestagsabgeordneten ohne Mitarbeiter*innen-Beteiligung und Kontrollinstanz. Im Einzelfall kann hieraus je nach Ausgestaltung und Schaffung von Institutionen wie z.B. einer schiedsgerichtlichen Konfliktlösung aber eine deutliche Verbesserung der Struktur entstehen, außerdem können tarifvertragsähnliche Vereinbarungen zumindest etwas Sicherheit und Orientierung in die Arbeitsverhältnisse bringen.
  • Interessant wäre unter Umständen auch eine Änderung der Mittelvergabe. Aktuell werden Personalmittel als absolute Summe vergeben, möglich wäre auch eine explizite Orientierung oder Gleichstellung am Öffentlichen Dienst und die Schaffung von Planstellen bzw. Vollzeitäquivalenten. So könnte man z.B. über eine Ausstattung der Abgeordneten mit fünf VZÄ-Stellen auf der Tarifstufe E13 nachdenken. Der Vorteil: entscheidend sind nicht mehr die individuellen Vertragsverhandlungen für die Entlohnung, sondern der TVöD. Die Stellen ließen sich – und das gäbe den Abgeordneten weiterhin die Flexibilität in ihrer Bürogestaltung – aufteilen und so auf die Bedürfnisse von Arbeitgeber und Arbeitnehmer anpassen. Wichtiger Effekt außerdem: jahrelange Arbeit im Büro wird systematisch durch die Entwicklungsstufen honoriert, die eine Gehaltsprogression abbilden. Das stärkt auch die Abgeordneten in einer langfristigen Büroarbeit – es schafft Attraktivität für eine jahrelange Zusammenarbeit und hält insbesondere die erfahrenen Mitarbeiter*innen am Arbeitsplatz. Auch eine „Mitnahme“ der Entwicklungsstufen in eine neue Beschäftigung im regulären Öffentlichen Dienst wäre möglich und erleichtert z.B. den beruflichen Wiedereinstieg nach dem Ausscheiden eines Abgeordneten aus dem Bundestag.
  • Unumgänglich jedenfalls scheint die Einrichtung einer zentralen Beschwerdestelle in der Bundestagsverwaltung (und auch den Landesparlamenten) für [auch sexualisierte] Übergriffe durch Abgeordnete auf Mitarbeiter*innen und kompetente Beratung im Konfliktfall bis hin zur Einschaltung des Präsidiums bei Gefährdungslagen. Eine Erreichbarkeit einer solchen Struktur sollte durchgehend und intensiv kommuniziert werden.
  • Wichtig sind auch regelmäßige Lehrgangsangebote und Qualifikationsvermittlung in Personalführung und Grundlagen des Arbeitsrechts. Kontrolle durch die Bundestagsverwaltung von arbeitsrechtlich bedeutenden Dokumentationen (Überstunden und ihr Ausgleich, Urlaubstage, etc.) ist empfehlenswert.

Das sind nur einige erste Aufschläge, die sicher tiefer gehender Diskussion und Ergänzung erfordern. Lobend erwähnt werden sollen hier auch diejenigen Abgeordneten, die sich mit viel Kopfzerbrechen einen fairen Büroalltag erarbeitet haben, die mit ihren Beschäftigten offen und ehrlich kommunizieren. Auch diese Büros gibt es, und ohne die Namen der MdBs zu nennen, kann man da auch ein kräftiges „Danke“ sagen, diese Größe unter hohem politischen Druck und ständigem Stress zu haben.

Aber die Arbeitskultur des Bundestags in den Abgeordnetenbüros gleicht im Allgemeinen leider – abseits dieser Hoffnungsträger*innen – oftmals eher einer Großkanzlei: viel Arbeit, hoher Termindruck, schnelle und präzise Leistung; unter Missachtung von arbeitsrechtlichen Grundsätzen und Errungenschaften und – unfairer Entlohnung. Das schmerzt gerade in einem politischen Umfeld, dass sich aus mehr als nur Tradition die gute und gerechte Arbeit auf die Fahnen geschrieben hat, es aber im eigenen Haus nicht umsetzen kann oder will. Gerade diese politische Janusköpfigkeit wirkt desillusionierend und man sollte sich als Abgeordneter gut überlegen, ob man sein Team wirklich so behandelt, wie man es selbst politisch einfordert.

 

 

Quelle: Hannes Kling/ -  https://www.hakling.net/
Bild: privat

Der Artikel erschien auf Hannes Kling und wurde hier mit freundlicher Genehmigung gespiegelt