Antikriegstag ohne Anti? Antikriegsprotest und Gewerkschaften

Eins muss man dem DGB lassen: In Sachen Brauchtumspflege ist er schwer auf Draht und vergisst keinen Antikriegstag. Oppositionelle Gewerkschaftskreise sind davon aber nicht erbaut, sie vermissen den Protest und befürchten Unterstützung der Kriegstreiberei.

Von Johannes Schillo  

Zum diesjährigen Antikriegstags-Aufruf des DGB hat z.B. die gewerkschaftliche Basisinitiative „Sagt NEIN!“, die aus der Verdi-Opposition kommt und an der Vernetzung mit anderen Kriegsgegner*innen arbeitet (z.B. auf der letzten Konferenz in Salzgitter), entschiedenen Einspruch angemeldet. Die Initiative, die bisher 28.000 Unterschriften für ihren eigenen antimilitaristischen Appell eingesammelt hat (Website: sagtnein.de), findet empörend, was in der DGB-Erklärung steht, und besonders auch das, was nicht in ihr steht. Zwar im Ton leise, im Inhalt aber „robust“ stimme die Arbeiter*innenvertretung ihre Mitglieder auf den Kurs von Hochrüstung und Kriegsvorbereitung ein.

Ein Kernsatz aus dem Aufruf: „Auch der DGB sieht die Notwendigkeit, die gemeinsame Verteidigungsfähigkeit Europas zu stärken.“ Der gegenwärtige Regierungskurs erhält mit solchen Aussagen offenkundig seine Bestätigung (einschlägige Stellungnahmen und Materialien dazu finden sich auf der Website: gewerkschaftsforum.de.

Erste Priorität hat die Herstellung einer neuen deutschen Großmachtrolle, wofür die Regierung rasch das Grundgesetz passend macht und Rüstungsanstrengungen in Billionenhöhe auf den Weg bringt.

Aufrüstung – ja aber!

Dieser Kurs wird vom DGB mit einigen – äußerst konstruktiven – Bedenken versehen. In bewährter Gewerkschaftstradition übrigens, so wie vor 75 Jahren! Da haben die deutschen Gewerkschaften nach Adenauers Beschluss, den USA das (kriegsmüde) Deutschland für eine Remilitarisierung zur Verfügung zu stellen, mit ihrem entschiedenen „Jein“ den einschlägigen Protest abgemildert & abgewürgt, ihm letztlich die Spitze abgebrochen. Trotzdem haben sich in den Gewerkschaften antimilitaristische Traditionen erhalten. Von dort kommt jetzt auch eine deutliche Kritik am letzten Statement des Dachverbandes.

Erstens: „Großmachtkonkurrenz“ kennt der DGB nur als Werk auswärtiger Mächte. Die politische Absicht, die dem Hochrüstungskurs zugrunde liegt, Deutschland erneut zur führenden Militärmacht in Europa und Europa zu einer potenten Weltmacht zu machen, wird nicht kritisch ins Visier genommen. Bedenken hat die Dachorganisation des hiesigen Arbeitsvolks lediglich wegen der Machbarkeit, etwa der Solidität einer Staatsverschuldung, die schließlich vom Finanzkapital beglaubigt werden muss. Klar, imperialistisches Abenteurertum ist unbedingt zu vermeiden, welchem Vertreter deutscher Interessen fallen da nicht rückblickend warnende Beispiele ein? Beim neuen „Griff nach der Weltmacht“ muss es endlich klappen!

Zweitens: Die banale Tatsache, dass die beschlossene gigantische Aufrüstung auf Kosten der Arbeitnehmer*innen geht, dass sie einen Umbau des „unfinanzierbaren“ Sozialstaats und eine neue Arbeits- bzw. Verzichtsmoral nach sich zieht, wird im Aufruf nicht einmal thematisiert, geschweige denn abgelehnt. Stattdessen mahnt der DGB zur Vorsicht: Solide wird das Vorhaben erst, wenn der soziale Frieden garantiert ist. Und wer könnte hier als erster seine Dienste leisten? Nur: Wird so im Sinne eines „Antikriegs“-Tages Stellung genommen? Wer erklärt, dass Verteidigungsausgaben möglichst „nicht zu Lasten des Sozialstaats“ gehen sollen, aber nicht fordert, die eskalierende Aufrüstung konsequent zu beenden, beschönigt in Wirklichkeit die aktuelle Kürzungspolitik.

Die Konsequenz, die an „Sagt NEIN!“ appelliert, heißt: „Wir fordern dagegen vom DGB und seinen Mitgliedsgewerkschaften einen klaren Bruch mit dem derzeit eingeschlagenen Burgfriedenskurs“. Es sei höchste Zeit, endlich wieder mit einer antimilitaristischen Haltung auf der Seite der Friedensbewegung zu stehen, nicht auf Seiten der nationalen Strateg*innen, Rüstungslobbyist*innen und Militärseelsorger*innen. Solche Wortmeldungen kamen auch von engagierten Gewerkschaftsmitgliedern auf dem – zunächst mit Verboten belegten – Kölner Camp „Rheinmetall entwaffnen“. Dort hatten sich Ende August zahlreiche junge Leute versammelt, die dann zu Tausenden zusammen mit der Friedensbewegung und dem Publikum der Domstadt demonstrierten, wie ein Antikriegstag aussehen kann. Beziehungsweise könnte. Denn die Kölner Polizei, die mit ihrem Verbot nicht durchgedrungen war, blockierte von Anfang an den Protestzug und löste ihn nach stundenlanger Einkesselung auf.

Zuvor hatte „Sagt NEIN!“ auf dem Camp einen gut besuchten Workshop durchgeführt, der unter der Losung „Von der Analyse zur Meuterei“ an das leider vergessene Potenzial der Arbeiter*innenbewegung erinnerte: Sand im Getriebe können ja gerade diejenigen sein, die den Reichtum samt seinen gigantischen Destruktivkräften schaffen – wenn sie denn die verordnete Parteilichkeit fürs völkische Kollektiv aufgeben und sich solidarisch mit denjenigen zeigen, die im Ausland in gleicher Weise das Fußvolk für die dortigen Warlords abgeben.

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Der Autor:

Johannes Schillo ist Sozialwissenschaftler und Journalist und war lange Jahre als Redakteur in der außerschulischen Bildung tätig; letzte Veröffentlichung zusammen mit N. Wohlfahrt, „Deutsche Kriegsmoral auf dem Vormarsch“.

 

 

 

 

 

Der Beitrag erschien auf https://www.friedenskooperative.de/ und wird mit freundlicher Genehmigung des Autors hier gespiegelt.