Arbeitslosigkeit: Bilanz 2024

Von Helmut Türk-Berkhan

Auswirkungen der Rezession auf den Arbeits“markt“

Das Wirtschaftswachstum ging 2024 laut Destatis um 0,2% zurück. Das hat einen Anstieg der Arbeitslosigkeit, Stellenabbau, schlechte Konjunktur, geringere Nachfragen, weniger Produktion, mehr Insolvenzen (2024 gab es insgesamt rund 121.000) zur Folge. „Besonders die Zuwächse bei den Unternehmensinsolvenzen mit einem Plus von fast 25 Prozent gegenüber dem Vorjahr stechen hier heraus“. (1)  „Die meisten Insolvenzen je 10.000 Unternehmen entfielen auf den Wirtschaftsabschnitt Verkehr und Lagerei mit 9,2 Fällen. Danach folgten das Gastgewerbe mit 7,8 Insolvenzen und die sonstigen wirtschaftlichen Dienstleistungen (zum Beispiel Zeitarbeitsfirmen) mit 7,3 Fällen sowie das Baugewerbe mit 7,2 Insolvenzen je 10 000 Unternehmen.“ (2)  Das IAB spricht in diesem Gesamtkontext vom „Arbeitsmarkt im Strukturwandel“ (3).

Die auch im Jahr 2024 fortgesetzte Krisenpolitik der Bundesregierung hat die Lebens- und Arbeitsbedingungen der meisten Menschen verschlechtert. Die neoliberale Wirtschaftspolitik ist auch eine gezielte Politik der Angstmacherei nach dem Motto: Wenn Du arbeitslos wirst, rutscht Du ab, dann sollst Du einen noch billigeren Job annehmen, dann ist es gut so. Wenn nicht, dann bist Du allein selbst dafür verantwortlich. Die Angriffe auf Beschäftigte und Erwerbslose nehmen zu.

Es „brennt“ also überall in diesem Land … überall?

Industrielle Bereiche wie in der Automobilindustrie, dem Maschinenbau, der Stahlerzeugung, der Chemieindustrie verändern sich schneller und stärker, brechen zusammen – Menschen werden auf die Straße gesetzt, Arbeitsplätze vernichtet. Stellenabbau(pläne) gab es 2024 bei folgenden großen Konzernen: Schäffler, Conti, VW, Bosch, ZF, Mahle, Ford, Opel, Porsche, Daimler, BASF, Thyssenkrupp, DB Cargo (nach einer Übersicht u. a. aus Focus online vom 11.9.2024 und DIE ZEIT vom 24.12.2024, S. 18). Werden die Profiterwartungen der Konzernchefs und Anteilseigner nicht erfüllt, werden Arbeitsplätze abgebaut/vernichtet.

Dem „Rückgang“ an Industriearbeitsplätzen steht ein Zuwachs an Arbeitsplätzen im Dienstleistungsbereich gegenüber, dort sind rund 1,1 Millionen Neue in den letzten fünf Jahren entstanden: Noch 23% arbeiten in der Produktion, rund 75% in den Dienstleistungsbranchen – diese Verschiebungen sagen allerdings noch nichts über die Qualität, den Umfang und die Dauer und die Verdienste in den „neuen“ Branchen aus.

Die Aktienkurse klettern derweil trotz der kriselnden Autobranche. Profite machten mit aktiver Unterstützung der Ampel die großen Versicherer, IT-Konzerne und Rüstungsfirmen. Wie wäre es da mit einem Wechsel in die boomende Rüstungsbranche (z.B. „Seit dem Jahresbeginn 2022 hat die Rheinmetall-Aktie 638 Prozent zugelegt…“ so das Handelsblatt online, 18.12.2024) – sicherere Arbeitsplätze gibt es da, auch wenn sie einmal Leben kosten sollten. Während die Party auf den Finanz- und Immobilienmärkten munter weiter geht, die Inflation hoch bleibt, nimmt die Arbeitslosigkeit zu, die Schere zwischen Reich und Arm wird größer.

Gleichzeitig numerisches Wachstum und Transformation zu fördern, gleichzeitig die zum Teil miserable Infrastruktur zu erneuern, die noch bestehenden Sicherungssysteme zu halten und dann auch Geld in die Aufrüstung umzuleiten – das gelingt nicht. Dazu kommt die sich verschärfende Zerstörung der Lebensgrundlagen Natur, Klima und Umwelt, die zum Teil immer noch gänzlich geleugnet, mindestens aber für beherrschbar gehalten wird.

Ein zusätzlicher Druck kommt individuell immer stärker auf fast alle Privathaushalte zu: Die massiv steigenden Kosten für die Wohnung inklusive der dazugehörenden Mietnebenkosten (s.a. Handelsblatt vom 18.12.2024 online „Mieten steigen 2024 kräftig – Baugenehmigungen auf Talfahrt“), wie vor allem Wasser, Strom, Heizung. Nach einer Untersuchung des Paritätischen Wohlfahrtsverbandes (4) verbleiben bei über 17,5 Millionen Menschen nach Abzug dieser Kosten nur noch Nettoeinkommen im Armutsbereich. Damit sind nicht 14,4% sondern 21,2% der Bevölkerung von Armut betroffen, insbesondere Menschen ohne Arbeit (61%), Alleinerziehende (36%), junge Erwachsene (31%) und Menschen in Rente (27%). (siehe auch den ISW- Artikel: Armut).

Gleichzeitig nahmen die Privatvermögen 2024 um 6 Prozent auf astronomische 9,3 Billionen (9.300.000.000.000) Euro in Deutschland zu. „In Deutschland stieg 2024 das Gesamtvermögen der Milliardär*innen um 26,8 Milliarden US-Dollar. Es kamen neun neue Milliardär*innen hinzu, insgesamt sind es laut Forbes-Reichenliste 130.“ (5)

„Reichtum erzeugt Armut“: Unter dieses Motto muss man die Ergebnisse der Weltbankstudie stellen. 9% aller Menschen auf dieser Erde haben weniger als 2,15 Dollar am Tag zu Leben zur Verfügung. Viele Staaten existieren nahe am finanziellen Bankrott, obwohl sie aufgrund ihrer natürlichen Ressourcen eigentlich sehr gut lebensfähig wären. Neben Kriegen, Kolonialismus alter und neuer Art und auch innerer Zerstrittenheit können sie diese Potentiale jedoch nur unzureichend nutzen. Siehe dazu den Artikel „Armut weltweit und ihre Messung“ von Michael Roberts.

Arbeitslosigkeit 2024 – Einige Kernziffern

Die Zahl Erwerbstätiger war 2024 auf einem Höchststand – fast 47,4 Millionen. Gleichzeitig stieg die Zahl registrierter Arbeitsloser auf knapp 2,8 Millionen, ebenso die Zahl der ausschließlich geringfügig Entlohnten auf 4,25 Millionen. Im Jahresdurchschnitt 2024 waren in Deutschland 2.787.000 Menschen nach § 16 SGB III arbeitslos gemeldet, 178.000 oder 7 Prozent mehr als vor einem Jahr.  …

  • Damit sind Arbeitslosigkeit und Unterbeschäftigung im zweiten Jahr in Folge gestiegen.
  • Die Zunahmen waren vor allem eine Folge der wirtschaftlich angespannten Lage; ukrainische Geflüchtete spielten für die Zunahmen 2024 nur eine geringe Rolle.  …
  • Arbeitslosigkeit und Unterbeschäftigung wurden größer, obwohl die Beschäftigung gewachsen ist. Offenkundig war der Beschäftigungsaufbau nicht stark genug, um den Anstieg des Arbeitskräfteangebots aufzunehmen. Neben der wirtschaftlichen Schwäche dürfte dafür ein weiterer Grund sein, dass Arbeitslose in berufsfachlicher, qualifikatorischer und regionaler Hinsicht oftmals nicht zur Arbeitskräftenachfrage passen.
  • Von den 2.787.000 Arbeitslosen wurden jahresdurchschnittlich 980.000 oder 35 Prozent im Rechtskreis SGB III von einer Agentur für Arbeit und 1.807.000 oder 65 Prozent im Rechtskreis SGB II von einem Jobcenter betreut. …“ (6)

Die folgenden Angaben stammen aus dem Monatsbericht Dezember der Bundesanstalt für Arbeit. (7)

Die Arbeitslosenquote betrug im Dezember 2024 6 Prozent. 5,7% bei Frauen und 6,3% bei Männern, bei Jugendlichen unter 20 Jahren waren es 4,5%.

Die Arbeitslosenquoten in den einzelnen Bundesländern auf Basis aller zivilen Erwerbspersonen:

  • Niedrigste Quote lag in Bayern mit 3,8%.
  • Bundesdurchschnitt bei 6,0%
  • Höchste Quote in Bremen mit 11,1%.
  • Relativ am stärksten gestiegen ist die Arbeitslosigkeit 2024 im Saarland, dort lag sie am Jahresende bei 7%.

„Die Zahl der Langzeitarbeitslosen belief sich im Dezember 2024 auf 984.000. Damit waren in diesem Monat 35,1 Prozent der Arbeitslosen länger als zwölf Monate arbeitslos (Vorjahr 35,2 Prozent).“

Was die offizielle Statistik nicht ausweist: Sie umfasst nicht alle erwerbslosen Menschen – es fehlen diejenigen, die an Schulungsmaßnahmen teilnehmen, Ältere über 58 Jahren. Zählt man diese Personengruppen dazu, liegt die Zahl erwerbsloser Menschen Ende 2024 bei rund 3,18 Millionen. Die Bundesanstalt für Arbeit geht in ihren Prognosen für 2025 selbst von einer weiter steigenden Arbeitslosigkeit aus.

Seit der Corona-Pandemie leisten Beschäftigte in Deutschland dem Nürnberger Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) zufolge immer weniger Überstunden. Im dritten Quartal 2024 waren es so wenige Überstunden wie noch nie. Im Schnitt machte danach jeder und jede Beschäftigte 3,3 bezahlte und 3,9 unbezahlte Überstunden. Seit der Pandemie ist die Zahl der Überstunden pro Arbeitnehmer damit laut IAB um mehr als ein Drittel zurückgegangen. Die 46,1 Millionen Erwerbstätigen leisteten im dritten Quartal dieses Jahres danach 15,7 Milliarden Arbeitsstunden – pro Person waren es 340,7 Stunden. Die Werte lagen auf dem Niveau des Vorjahres.

Erkennbar zugenommen hat dagegen die Zahl der Menschen mit Nebentätigkeit. Sie stieg um 1,2 Prozent im Vergleich zum dritten Quartal 2023 auf nun 4,6 Millionen Beschäftigte.

Auch die Teilzeitquote legte im Vorjahresvergleich um 0,3 Prozentpunkte auf nun 39,7 Prozent zu. Die Zahl der Teilzeitbeschäftigten stieg um 1,1 Prozent, während die der Vollzeitbeschäftigten um 0,4 Prozent sank. „Der Arbeitsmarkt ist zweigeteilt: fast 100.000 Vollzeitjobs weniger als vor einem Jahr – aber fast 200.000 Teilzeitjobs mehr. Die Industrie ist in der Krise, aber Erziehung und Pflege boomen“, so Enzo Weber vom IAB (8).

Kurzarbeit

Die Statistik über den Bestand an kurzarbeitenden Betrieben und deren Personen in Kurzarbeit gibt den tatsächlichen Arbeitsausfall an, so die BA. Nach dem Rückgang nach der Pandemie nimmt seit 2023 die Zahl der Kurzarbeitenden von Monat zu Monat wieder zu. Im November 2024 haben die Hochrechnungen der BA folgende Werte ergeben: Es gab 10.225 kurzarbeitende Betriebe mit 282.802 betroffenen Beschäftigten im Bereich des konjunkturellen Kurzarbeitergeldes, damit lag die Kurzarbeiterquote bei 0,8 %. „Nach einer ersten Schätzung der Statistik der Bundesagentur für Arbeit erhöhte sich die jahresdurchschnittliche Zahl der Kurzarbeitenden im Jahr 2024 insgesamt auf rund 320.000, nach 241.000 Kurzarbeitenden im Jahr 2023.“ (7)

Arbeitslosigkeit bei Schwerbehinderung

2023 gab es ca. 3,1 Millionen Menschen zwischen 15 und 65 Jahren, die eine amtlich anerkannte Schwerbehinderung aufwiesen (Statistisches Bundesamt 2024). „Die jahresdurchschnittliche Zahl der schwerbehinderten arbeitslosen Menschen hat 2024 um 6 Prozent auf 175.000 zugenommen. Der Anteil der schwerbehinderten Menschen an allen Arbeitslosen belief sich unverändert auf 6 Prozent.“ (7)

Auf die nach wie vor bestehende wirtschaftliche Diskriminierung der rund 300.000 Menschen, die in Werkstätten für Menschen mit Behinderungen (WfB) oder auch über andere Sonderprogramme zu Niedriglöhnen ambulant beschäftigt sind, ist hier hinzuweisen.

Minijob – Struktur der Minijobber

Alle folgenden Zahlen beziehen sich auf den Zeitraum bis 30.9.2024.

  • Von den knapp 6,9 Millionen (im Jahr 2023 waren es 6.671.832) bei der Minijobzentrale angemeldete Minijobs gab es 6,7 Mio. im gewerblichen Bereich (eine Zunahme gegenüber dem Vergleichszeitraum 2023 um + 0,3%) und rund 247.000 im Bereich Privathaushalte (eine Abnahme gegenüber dem Vergleichszeitraum 2023 um – 4,2%).
  • Im gewerblichen Bereich waren 64,3% zwischen 25 und 64 Jahren alt, 18,3% ab 65 Jahren; 56,2% waren Frauen und 43,8% Männer, bei 82,4% lag die Staatsangehörigkeit Deutsch vor, 17,6% „Andere“.
  • Die meisten (1.145.905) waren im „Bereich Handel, Instandhaltung und Reparatur von KFZ“ tätig, gefolgt vom „Gastgewerbe“ (928.887), „Sonstige wirtschaftliche Dienstleistungen“ (835.945) und „Gesundheits- und Sozialwesen“ (762.229).
  • 79,6% dieser Minijobber waren nicht rentenversicherungspflichtig gemeldet, bei vielen davon dürfte es sich also um einen Zwei- oder sogar Drittjob handeln.
  • Im Bereich der Privathaushalte waren 76,3% zwischen 25 und 64 Jahren alt, 3,1% ab 65 Jahren; 87,5% waren Frauen und 12,5% Männer, bei 73,3% lag die Staatsangehörigkeit Deutsch vor, 26,7% „Andere“.
  • 88% dieser Minijobber waren nicht rentenversicherungspflichtig gemeldet, bei vielen davon dürfte es sich also ebenso um einen Zwei- oder sogar Drittjob handeln.
  • 44,3% haben im Bereich der Privathaushalte monatliche Einkünfte bis zu 150 €, im gewerblichen Bereich 58,3% zwischen 400 und 520 € verdient. (9) Mehr zu den Einkünften der Minijobber siehe weiter den Beitrag „Armut: Bilanz 2024„.
Die sogenannte Stille Reserve 

Menschen, die nach der Definition der BA und den dahinterliegenden gesetzlichen Vorgaben der SGB III und II nicht als arbeitslos gezählt werden, zählen zur Stillen Reserve. Das sind Menschen, die grundsätzlich Arbeit suchen, aber im Moment für den Arbeitsmarkt nicht verfügbar sind, weil sie z.B. gesundheitlich eingeschränkt sind, Betreuungspflichten nachkommen, oder aus anderen Gründen im Moment nicht aktiv suchen. Zu dieser Gruppe zählen rund 3,2 Millionen Menschen. Mehr dazu: Destatis, Pressemeldung vom 16.5.2024 (10)

Arbeitskräftemangel, Zuwanderung

Nach einer Untersuchung der BA betreffen den viel zitierten Fachkräftemangel nur 36 von 140 Berufsgruppen, und das sind eher Branchen mit niedrigen Einkommen bei gleichzeitig hoher Arbeitsbelastung. Zu diesen zählen Teile des Gesundheitswesens, des Baubereiches, des öffentlichen Dienstes, des Einzelhandels und des Sozialwesens.

In einzelnen Branchen werden Arbeitskräfte gesucht, gleichzeitig aber wird immer wieder behauptet, dass Arbeitssuchende ihre Beschäftigungsaufnahme an Bedingungen knüpfen könnten und sehr wählerisch seien. Dies trifft auch auf Leiharbeitsverhältnisse zu. Laut BA kommen hier 17% aus einem Asylherkunftsland. Trotz Tarifvertrag hinken die Tarifentgelte hinter den Festangestellten hinterher. (11) Der Anteil migrantischer Arbeitskräfte lag in der Altenpflege – ohne die Betreuungskräfte in den Privathaushalten – bereits 2019 bei über 30%. (12)

Ausbildung 2024

Laut Bundesinstitut für Berufsbildung gingen die Ausbildungsverträge 2024 um 0,5% gegenüber 2023 zurück auf 486.700. Rund 12,6% blieben ohne Ausbildungsplatz.

Deutschland hat nach einer EU-Studie die vierthöchste Quote an Schulabbrechern unter allen EU-Ländern. 2,64 Millionen Menschen zwischen 20 und 34 Jahren waren 2021 ohne Berufsabschluss – Tendenz steigend. (DGB Jugend Broschüre). 2018 waren es noch 14,4% gewesen. 2022 bildeten nur knapp 19% aller Betriebe aus und jammern zumindest teilweise gleichzeitig über einen Fachkräftemangel – da passt etwas nicht zusammen.

Laut Ausbildungsreport 2024 der DGB-Jugend sieht es auch innerhalb der Ausbildungen zum Teil düster aus: Ein Drittel aller Auszubildenden bricht eine Ausbildung vorzeitig ab. Gründe: Kein Ausbildungsplan, ausbildungsfremde Tätigkeiten, keine Übernahmeperspektiven, Überstunden ohne Ausgleiche. Die Ausbildungsvergütungen schwanken sowohl regional wie nach Branchen erheblich von 710 € pro Monat im Frisörhandwerk in NRW bis zu 1.710 € im westdeutschen Bauhauptgewerbe. Wenn, wie z.B. im Frisörhandwerk solch geringe Löhne gezahlt werden, müssen sich diese Branchen nicht wundern, dass Jugendliche andere Bereiche suchen. Hier von Fachkräftemangel zu sprechen, ist unglaubwürdig. (13)

Arbeitslosigkeit europaweit

10,83 Millionen Menschen, das sind 6,3% waren Ende 2024 in der Euro-Zone offiziell arbeitslos laut Eurostat – die Berechnungsmethoden sind andere als in Deutschland – 266.000 weniger als ein Jahr zuvor. Die Zahl erwerbsloser Menschen in Tschechien 2024 mit 2,5% am niedrigsten, gefolgt von Polen mit 2,8%. Deutschland lag bei 3,0%, die Erwerbslosenquote am höchsten war in den Ländern Griechenland und Spanien mit 11,0 bzw. 11,9%. (14)

Aussichten 2025

Die Überkapazitäten der Realwirtschaft und das immer weitere Auseinanderklaffen von Armut und Reichtum als Ausdruck gesteigerter Umverteilung und Aneignung von Profiten tragen entscheidend dazu bei, dass es zu sinkenden Reallöhnen und einer Zunahme erwerbsloser Menschen kommen wird. Neben den inländischen Faktoren kommen aufgrund der starken Exportabhängigkeit einiger Industriebranchen zusätzliche Einflüsse wie Kriege und mögliche Zoll- und Einfuhrbegrenzungen anderer Länder hinzu, die nach einer Einschätzung von Dierk Hirschel, dem Bereichsleiter Wirtschaftspolitik beim verdi Bundesvorstand dazu führen können, dass das deutsche Sozialprodukt um bis zu 1,3% schrumpfen kann. (verdi publik 8/2024).

Für 2025 werden über 3 Millionen Erwerbslose prognostiziert. „Der Arbeitsmarkt bekommt weiter die Folgen der wirtschaftlichen Stagnation zu spüren“, sagte BA-Chefin Andrea Nahles. Eine Besserung ist nach ihren Worten nicht in Sicht. Die BA schließt nicht aus, dass mit der üblichen Winterarbeitslosigkeit im Januar 2025 erstmals seit zehn Jahren wieder mehr als drei Millionen Arbeitslose registriert werden, so N-TV, Abruf 18.12.2024. Auch das Arbeitsmarktbarometer des IAB zeigt einen Anstieg der Arbeitslosigkeit in 2025 an.

Die Komponente zur Vorhersage der Arbeitslosigkeit in Deutschland sinkt im Vergleich zum Vormonat um 0,5 Punkte und liegt damit im deutlich negativen Bereich bei 97,0 Punkten. „Es sieht nicht gut aus am Arbeitsmarkt. Die Arbeitslosigkeit steigt im dritten Jahr hintereinander“, berichtet Enzo Weber, Leiter des Forschungsbereichs „Prognosen und gesamtwirtschaftliche Analysen“ am IAB. Auch die Beschäftigungskomponente fällt um 0,4 Punkte auf 100,5 Punkte und liegt somit nur noch leicht über der neutralen Marke von 100 Punkten. „Wir haben Rekordbeschäftigung, aber der Trend ist abgeknickt. Zurück in die Erfolgsspur kommt der Arbeitsmarkt nur mit positiven wirtschaftlichen Entwicklungsperspektiven in der Transformation“, erklärt Weber (IAB-Arbeitsbarometer). (15)

KI – Künstliche Intelligenz – eine nächste Stufe im IT-Bereich, auch als Arbeitswelt 5.0 bezeichnet – ist man diesen Entwicklungen hilflos ausgeliefert? Jede Maschine ist nur so gut oder schlecht, wie sie von Menschenköpfen und Menschenhänden erdacht, geschaffen und eingesetzt wird. Dabei wird es Veränderungen nicht nur in der Produktion, sondern auch in der Medizin, der Rechtspflege, in der IT-Branche selbst, im Bereich der Kultur und Kunst, der Bildung geben. KI wird den Niedriglohnbereich wenig, wissensbasierte Arbeit wesentlich stärker verändern, noch völlig offen hinsichtlich der langfristigen Folgen sind die Fragen der Veränderungen der Kommunikation und der Menschenbeziehungen in der Arbeit, in Freundschaften, in der Jugend, im Alter etc.

Es hat sich an der Grundfrage Kapital und Arbeit nichts geändert, es bleibt also dabei: Für fast alle Menschen hängt ihre persönliche Lebenserfolgsquote von den jeweils herrschenden Kräfteverhältnissen ab.

Arbeits-/Erwerbslosigkeit aus statistischer Sicht

„Die amtliche Statistik erfasst Erwerbstätige und Erwerbslose nach dem Erwerbsstatuskonzept der Internationalen Arbeitsorganisation (ILO). Die auf dieser Seite ausgewiesenen Zahlen über Erwerbslose und die Erwerbslosenquote unterscheiden sich definitorisch von der Zahl registrierter Arbeitsloser und der Arbeitslosenquote, die von der Bundesagentur für Arbeit entsprechend des Sozialgesetzbuchs veröffentlicht werden. Für die Berechnung der Erwerbslosenquoten werden im Europäischen Statistischen System einheitlich die Ergebnisse der Arbeitskräfteerhebung zugrunde gelegt.

Erwerbslose sind Personen im Alter von 15 bis 74 Jahren, die im Berichtszeitraum nicht erwerbstätig waren und in den vier Wochen vor der Befragung aktiv nach einer Tätigkeit gesucht haben. Auf den zeitlichen Umfang der gesuchten Tätigkeit kommt es dabei nicht an. Erwerbslose müssen in der Lage sein, eine neue Arbeit innerhalb von zwei Wochen aufzunehmen. Die Arbeitssuche muss dabei nicht über die Bundesagentur für Arbeit oder einen kommunalen Träger laufen. Arbeitslose sind Personen, die bei der Bundesagentur für Arbeit als solche registriert sind und sozialgesetzlichen Vorgaben entsprechen. Aus den unterschiedlichen Konzepten folgt, dass es Personen gibt, die zwar im Sinne der ILO-Definition Erwerbslose sind, bei der Bundesagentur für Arbeit aber nicht als arbeitslos zählen oder umgekehrt.“ (16)

 

Quellen:

(1) Creditreform: Insolvenzen in Deutschland, Jahr 2024, https://www.creditreform.de/aktuelles-wissen/pressemeldungen-fachbeitraege/news-details/show/insolvenzen-in-deutschland-jahr-2024

(2) Destatis: Pressemitteilung 21.11.2024, https://www.destatis.de/DE/Presse/Pressemitteilungen/2024/11/PD24_437_52411.html

(3) IAB: Arbeitsmarkt im Strukturwandel, https://iab.de/themen/arbeitsmarkt-im-strukturwandel/

(4) Paritätischer Wohlfahrtsverband: Studie belegt: Wohnen macht arm, 13.12.2024, https://www.der-paritaetische.de/alle-meldungen/studie-belegt-wohnen-macht-arm/

(5) Oxfam: Milliardärsmacht beschränken, Demokratie schützen, 20.1.2025, https://www.oxfam.de/ueber-uns/publikationen/oxfams-bericht-sozialer-ungleichheit-milliardaersmacht-beschraenken

(6) Bundesagentur für Arbeit: Die Lage am Arbeits- und Ausbildungsmarkt in Deutschland 2024, https://statistik.arbeitsagentur.de/Statistikdaten/Detail/202411/arbeitsmarktberichte/lage-arbeitsmarkt/lage-arbeitsmarkt-d-0-202411-pdf.pdf?__blob=publicationFile

(7) Bundesagentur für Arbeit: Monatsbericht zum Arbeits- und Ausbildungsmarkt, Dezember und Jahr 2024. https://statistik.arbeitsagentur.de/Statistikdaten/Detail/202412/arbeitsmarktberichte/monatsbericht-monatsbericht/monatsbericht-d-0-202412-pdf.pdf?__blob=publicationFile&v=2

(8) Tagesschau: Beschäftigte machen so wenige Überstunden wie nie, https://www.tagesschau.de/wirtschaft/arbeitsmarkt/ueberstunden-deutschland-iab-100.html

(9) Minijobzentrale https://www.minijob-zentrale.de/DE/service/minijob-statistik/Digitaler_Quartalsbericht_/node.html

(10) Destatis: Pressemitteilung 16.5.2024, https://www.destatis.de/DE/Presse/Pressemitteilungen/2024/05/PD24_192_13.html

(11) Arbeitsagentur für Arbeit: Migration https://statistik.arbeitsagentur.de/DE/Navigation/Statistiken/Themen-im-Fokus/Migration/Migration-Nav.html

(12) Atlas der Migration: https://www.rosalux.de/fileadmin/rls_uploads/pdfs/sonst_publikationen/atlasdermigration2022.pdf

(13) DGB: Ausbildungsreport 2024, https://www.dgb.de/fileadmin/download_center/Studien/DGB-Jugend-Ausbildungsreport_2024.pdf

(14) Destatis: Europa. Allgemeines und Regionales, https://www.destatis.de/Europa/DE/Thema/Basistabelle/Allgemeines-Regionales.html

(15) IAB: Arbeitsbarometer, https://iab.de/daten/iab-arbeitsmarktbarometer/

(16) Destatis: Erwerbslosigkeit: https://www.destatis.de/DE/Themen/Arbeit/Arbeitsmarkt/Erwerbslosigkeit/_inhalt.html

 

 

 

 

 

Der Beitrag erschien auf https://isw-muenchen.de/ und wird mit freundlicher Genehmigung hier gespiegelt.
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