Kaum beachtet von der Öffentlichkeit hat es seit dem 01.01.2014 bei der Beratungs- und Prozesskostenhilfe (PKH) Änderungen gegeben, durch die die Waffengleichheit vor Gericht in Gefahr gerät.
Beratungs- und Prozesskostenhilfe früher „Armenrecht“ genannt, soll sicher stellen, dass Menschen mit geringem Einkommen eine finanzielle Unterstützung zur Durchführung von Gerichtsverfahren gewährt wird. Prozesskostenhilfe kommt in Betracht bei Verfahren vor den Zivil-, Verwaltungs-, Arbeits- und Sozialgerichten, immer dann, wenn eine Verfahrenspartei nicht in der Lage ist, die Anwalts- und Gerichtskosten für den Prozess aufzubringen und Aussicht auf Erfolg besteht. In Strafverfahren kann nur den Nebenklägern Prozesskostenhilfe gewährt werden. Die Prozesskostenhilfe ist eine Einrichtung der Sozialhilfe im Bereich der Rechtspflege und soll der praktischen Umsetzung der Rechtsschutzgleichheit dienen.
Nach Angaben der Bundesregierung geben die 16 Länder insgesamt rund 500 Millionen Euro pro Jahr für die Prozesskostenhilfe aus. Diese Ausgaben sollen deutlich gesenkt werden. Man spekuliert darauf, dass die Antragsteller durch die Erhöhung der Messlatte abgeschreckt werden.
Für die in der Beratung tätigen oder an rechtlichen Themen interessierten Kolleginnen und Kollegen hier die wesentlichen Änderungen:
Für die Beratungshilfe gilt nun:
• die Beratungshilfe wird nur dann noch gewährt, wenn deren Inanspruchnahme nicht mutwillig erscheint. Will heißen, sie wird nicht gewährt, wenn ein selbstzahlender Rechtsuchender in gleicher Situation keine kostenpflichtige Beratung in Anspruch nehmen würde
• die anschließende Vertretung durch die Beratungsperson (z.B. Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte) soll nur noch dann erfolgen, wenn der Rechtssuchende trotz der vorangegangenen Beratung nicht in der Lage ist, seine Rechte selbst wahrzunehmen
• wird die Beratungshilfe direkt von einer Beratungsperson erbracht, kann der Antrag auf die nachträgliche Bewilligung zukünftig nur noch bis zu vier Wochen nach Beginn der Beratungshilfetätigkeit gestellt werden
• wenn die Beratung erfolgreich war, kann die Beratungsperson nachträglich die Aufhebung der Bewilligung beantragen, wenn durch seine Beratung der Rechtssuchende etwas erlangt hat, was zum Wegfall der wirtschaftlichen Voraussetzungen zur Bewilligung der Beratungshilfe führt. Dies bedeutet, im Falle der erfolgreichen Beratung kann das Erlangte (z.B. eine Nachzahlung) zum nachträglichen Wegfall der Kosten-übernahme führen und somit können die üblichen Gebühren für die Beratungstätigkeit fällig werden
• das was erstritten wird, muss dann also für die Beratungshilfe eingesetzt werden. Dies gilt aber nur, wenn der Ratsuchende im Rahmen der ersten Beratung hierauf ausdrücklich schriftlich hingewiesen wurde und die Beratungsperson bislang noch nicht mit der Staatskasse abgerechnet hat
• die Eigenbeteiligung beträgt nun 15,00 Euro statt bisher 10,00 Euro.
Für die Prozesskostenhilfe gilt nun:
• jede Verbesserung der wirtschaftlichen Verhältnisse und die Änderung seiner An-schrift hat der Empfänger von Prozesskostenhilfe bis zu 4 Jahren nach Rechtskraft der Entscheidung bzw. der Beendigung des Verfahrens gegenüber dem Gericht unverzüglich anzuzeigen. Das Gericht kann die Bewilligung der Prozesskostenhilfe daraufhin ändern
• bezieht der Empfänger der Prozesskostenhilfe ein laufendes monatliches Einkommen, muss er unverzüglich gegenüber dem Prozesskostenhilfe gewährenden Gericht an-zeigen, wenn eine Verbesserung der Einkommenssituation um mehr als 100,00 Euro/brutto zu verzeichnen ist. Gleiches gilt auch für einen Wegfall von beachtlichen Belastungen in dieser Höhe, wie beispielsweise Unterhaltszahlungen. Das Gericht kann die Bewilligung daraufhin ändern
• verschlechtert sich die wirtschaftliche Situation, wird diese Verschlechterung nach-träglich auf Antrag nur dann berücksichtigt, wenn die neue wirtschaftliche Situation zu einer vollständigen Aufhebung der monatlichen Raten zur Rückzahlung der PKH führen würde
• für eine Änderungsmitteilung ist jetzt zwingend das dafür vorgesehene Formular zu benutzen
• die Ratenberechnung ist völlig neu gestaltet, die früher geltende Tabelle ist abgeschafft, die Monatsraten werden vom einzusetzenden Einkommen direkt berechnet
• nach der gerichtlichen Entscheidung in der Sache erlangt die Vorschrift des § 120a Abs.3 ZPO über den Einsatz des Geldes, das durch den Prozess erlangt worden ist große Bedeutung. Hier geht der Gesetzgeber davon aus, dass diese Beträge, die man erstritten hat, grundsätzlich zur Deckung der Verfahrenskosten eingesetzt werden müssen. Diese Regelung war bislang in der Rechtsprechung umstritten und ist nun bindend.
• das Gericht soll die Bewilligung nachträglich gänzlich aufheben, wenn:
a. durch unrichtige Darstellung des Streitverhältnisses die für die Bewilligung der Prozesskostenhilfe maßgebenden Voraussetzungen vorgetäuscht wurden
b. man absichtlich oder aus grober Nachlässigkeit unrichtige Angaben über die persönlichen oder wirtschaftlichen Verhältnisse macht. Dies gilt auch, wenn das Gericht auffordert mitzuteilen, ob es Veränderungen gab und dieser Aufforderung nicht oder ungenügend Folge geleistet wird
c. die persönlichen oder wirtschaftlichen Voraussetzungen für die Prozesskostenhilfe nicht vorgelegen haben und das Ende des Verfahrens noch nicht länger als 4 Jahre zu-rück liegt;
d. dem Gericht wesentliche Verbesserungen der Einkommens- und Vermögensverhältnisse oder Änderungen der Anschrift absichtlich oder aus grober Nachlässigkeit unrichtig oder nicht unverzüglich mitgeteilt werden
und
wenn der Empfänger von Prozesskostenhilfe länger als drei Monate mit der Zahlung einer Monatsrate oder mit der Zahlung eines sonstigen Betrages im Rückstand ist.
Parallel zur Änderung bei der Beratungs- und Prozesskostenhilfe ziehen auch die Sozialgerichte die Zügel an. Neuerdings verlangen sie zur Gewährung der Prozesskostenhilfe seitens der Antragssteller die Vorlage der Kontoauszüge der letzten zwei Monate. Begründet wird das mit dem § 115 der Zivilprozessordnung (Einsatz von Einkommen und Vermögen). Das ist formaljuristisch zwar möglich, hat aber doch einen gewissen bitteren Beigeschmack, weil für die Sozialgerichtsbarkeit eigentlich das Sozialgerichtsgesetz als Verfahrensgrundlage gilt und der Rechtsuchende so mehr und mehr in die Bittstellerrolle gedrängt wird.
Was können wir als Gewerkschafter tun?
Wir sollten unsere Kolleginnen und Kollegen, die beabsichtigen ihr Recht bei den Gerichten einzufordern, umfassend informieren und sie vor allem auf die neuen, eigenen Pflichten, besonders auf die Mitteilungspflichten, hinweisen.
Ansonsten sollten wir immer wieder und ganz laut die Frage stellen: ist das denn überhaupt noch verhältnismäßig? Bei dem oben genannten Gesamtbetrag von insgesamt rund 500 Millionen Euro entfallen auf jedes Bundesland anteilig 31,3 Millionen Euro für die Prozesskostenhilfe. Wenn man sich die Summe anschaut, diese Milliardenbeträge, die Deutschland bereits für die so genannte Banken- und Eurorettung ausgegeben hat und noch ausgegeben wird, dann sind 500 Millionen Euro eine Summe, die wir problemlos aufbringen können.
Hier wurde wieder einmal auf Kosten der Schwächsten etwas „reformiert“ und ein weiteres Stück Sozial- und Rechtstaatlichkeit zerstört. Den Armen soll so die Inanspruchnahme ihrer Rechte komplizierter, unattraktiver und nerviger gemacht werden.
Es geht doch um ein zentrales Gerechtigkeitsprinzip unserer Verfassung, dass jeder Mensch nicht nur Rechte hat, sondern sie auch in Anspruch nehmen kann und der Zugang zum Gericht nicht vom Inhalt des Geldbeutels abhängt.
Quelle: Bundesjustizministerium
Bild: generalanzeiger-bonn.de