Vertreibung, Landraub, Gewalt – und das für ein Produkt, das täglich in Produkten in deutschen Supermärkten verkauft wird: Palmöl. In Honduras kämpfen kleinbäuerliche Kooperativen im Aguán-Tal seit Jahren um ihr Land – und ums Überleben. Denn die Ausweitung von Palmölplantagen zerstört nicht nur Böden und Biodiversität, sondern auch Existenzen. Doch nun nutzen sie ein Gesetz, das hier in Deutschland gilt: das Lieferkettengesetz. Was bedeutet das Lieferkettengesetz für die Menschen vor Ort?
Unternehmen wegen Landraubs, Vertreibung und als kriminelle Vereinigung verklagt
Bäuerliche Organisationen wie die Plataforma Agraria werfen dem größten Palmölunternehmen von Honduras, Dinant, massive Menschenrechtsverletzungen vor – und gehen mit Unterstützung aus Deutschland juristisch dagegen vor. Eine offizielle Beschwerde gegen die deutschen Abnehmer des Palmöls wurde eingereicht. Produkte, die bei REWE, Aldi, Lidl, Edeka und Kaufland zu finden sind, können mit Blut aus Honduras befleckt sein. Denn dort wird der größte Ölpalmen-Monokulturkonzern, Dinant, des Landraubs und des Mordes beschuldigt. Dinant ist Zulieferer von Palmöl für einige in Deutschland erhältliche Marken und viele große Unternehmen. Während der Konzern enorme Gewinne erzielt, zerstört er die Fähigkeit der Bevölkerung des mittelamerikanischen Staates, sich selbst zu ernähren. „Wir haben das Unternehmen Dinant wegen schweren Landraubs, Vertreibung und als kriminelle Vereinigung verklagt. Wir wollen die Menschen hier in Deutschland dazu bringen, gegen diese Praktiken mit Hilfe des Lieferkettengesetzes vorzugehen“, sagt Yoni Rivas, Sprecher der Plataforma Agraria, einer Vereinigung von Kleinbauernorganisationen im Aguán-Tal im Nordosten von Honduras, bei seiner Rundreise in Deutschland im Mai 2025. Die Kooperativen, die sich in der Plataforma zusammengeschlossen haben, bauen mehrheitlich Mais, Bohnen, Gemüse und Früchte für ihre eigene Ernährung an und vertreten einen agrarökologischen Ansatz. Yoni Rivas war im Mai 2025 in Deutschland unterwegs, um über die schwierige Situation an seinem Heimatort zu berichten. Das etwa 200.000 Hektar umfassende Gebiet im Tal des Agúan-Flusses war ein weites, grünes Gebiet und galt als eines der Fruchtbarsten Lateinamerikas. Doch heute werden zwei Drittel des Tals von Palmöl-Plantagen ausgetrocknet. Das Unternehmen, das die größte Fläche mit Monokulturen überzieht, heißt Dinant.
Keine Dinant-Produkte in die Supermärkte
Das Unternehmen ist im Fokus einer Lieferkettenklage, die am 12. April dieses Jahres beim Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle eingereicht wurde. Dahinter steckte die Christliche Initiative Romero, die sich von Deutschland aus für Menschenrechte in Mittelamerika starkmacht – gemeinsam mit dem Aktivisten Yoni Rivas. Im Visier der Beschwerde stehen die Agrar-Giganten ADM und Cargill. Der Vorwurf: Sie sollen ihrer menschenrechtlichen Sorgfaltspflicht nicht nachkommen, weil sie Palmöl vom Unternehmen Dinant beziehen. Genau das Unternehmen, das von Yoni Rivas und seinen Kolleg*innen aufgrund von Landraub, Verwicklungen in Drogengeschäfte und sogar Mord angeklagt wird. „Diese Produkte sollte man nicht in hiesigen Supermärkten finden, denn hier gibt es Gesetze, die dafür sorgen sollten, dass Unternehmen verantwortungsbewusst handeln. Wir fordern, dass alle geschäftliche Beziehungen mit Dinant gekappt werden, da sie den deutschen gesetzlichen Standards nicht genügen“, so Rivas.
Wie funktioniert der Beschwerdemechanismus?
Das deutsche Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz von 2023 soll dazu beitragen, Menschenrechtsverletzungen zu verhindern, indem es Unternehmen dazu verpflichtet, sicherzustellen, dass auch ihre Lieferanten diese Gesetze einhalten. Ein zentrales Instrument des Lieferkettengesetzes ist der Beschwerdemechanismus. Darüber können Hinweise auf Menschenrechtsverletzungen in globalen Lieferketten eingereicht werden. Wenn eine Beschwerde gegen ein Unternehmen eingereicht wird, muss dieses den Fall prüfen und den Zulieferer zur Verantwortung ziehen oder, im Extremfall, Handelsbeziehungen ganz abbrechen. Diesen Weg sind die Initiative Romero zusammen mit Yoni Rivas und einer weiteren Person gegangen. Die Beschwerde richtet sich gegen mehrere Unternehmen, die Palmöl von Dinant beziehen: allen voran die Agrarriesen ADM und Cargill; außerdem stehen weitere bekannte Marken wie Nestlé, BASF, Pepsico, die Supermarktketten REWE, Aldi, Lidl, Edeka und Kaufland und zwei andere globale Player der Agrarindustrie – Bunge Global und Louis Dreyfus Company – auf der Liste. „Das Ziel ist, dass es eine Bemühungspflicht gibt für Unternehmen, dass sie darauf hinarbeiten, dass es zu Verbesserungen kommt, vor Ort“, erklärt Anne Sträßer im Interview. Sie ist eine der Mitarbeitenden der Initiative Romero, die Yonis Organisation Plataforma Agraria seit 2 Jahren im Prozess gegen Dinant und die deutschen Handelspartner des Unternehmens begleitet.
Hinter dem Palmölkonzern steht ein System aus Gewalt
Dinant ist das größte Palmölunternehmen von Honduras – es verfügt laut dem Palmölbericht der Initiative Romero von 2024 über insgesamt 41 000 Hektar Palmölplantagen, wenn man kooperierende Unternehmen mitzählt. Das ist circa die Hälfte der Gesamtfläche von Berlin. Und zugleich steht der Palmölkonzern für ein System aus Gewalt, wie Yoni Rivas erläutert: „Wenn wir sagen, dass diese Unternehmen kriminell sind, meinen wir damit, dass sie über ihre Sicherheitsfirmen Verbindungen zu kriminellen Strukturen und dem organisierten Verbrechen haben. Im Aguán-Tal wurden in den letzten 15 Jahren 200 unserer Mitstreiter ermordet. Am 24. Dezember 2024 haben um die 30 schwerbewaffnete Männer eine Kooperative angegriffen und mehrere Hundert Familien vertrieben. Wir erleben als Personen, die das Territorium verteidigen, schreckliche Gewalt.“ Anfang 2025 hat sich die Situation im Aguán-Tal noch weiter zugespitzt. Es kam zu gewaltsamen Vertreibungen von circa 500 Familien und zur Tötung mehrerer Mitglieder von lokalen Kooperativen, wie Anne Sträßer ausführt. Und Dinant bildet dabei nur die Spitze des Eisbergs. Denn die Produktion von Palmöl geht auch anderswo systematisch mit Menschrechtsverletzungen und Umweltzerstörung einher: Der Anbau in Monokulturen auf riesigen Flächen zerstört die Böden und die Artenvielfalt. Er schluckt enorme Mengen Wasser und kommt nur durch den massiven Einsatz von Pestiziden aus, die die Umwelt bei Produktion und Gebrauch vergiften, große Mengen Energie verbrauchen und für CO2-Ausstoß sorgen. Für Monokulturen werden zudem oft uralte Wälder gerodet. Die kleinbäuerliche Landwirtschaft, mit der viele Menschen sich und ihre Familien ernähren, hat unter diesen Bedingungen der Umweltzerstörung und des Landraubs kaum noch eine Chance.
Die Verantwortung der Agrarkonzerne endet nicht auf der Plantage
Derweil steigt der globale Konsum von Palmöl weiter, wie der neuste Palmölbericht der Initiative Romero aufzeigt. Der Verbrauch pflanzlicher Öle ist in den vergangenen 15 Jahren um 75 Prozent angestiegen, die Palmölnutzung dabei mehr als jegliche andere. Anne Sträßer betont die Bedeutung der globalen Agrarindustrie und ihrer Handelsbeziehungen für die Entwicklungen des Palmölgeschäfts. Besonders mächtig ist dabei eine Gruppe von vier Konzernen, die als sogenannte ABCD-Gruppe bekannt ist: „In der Agrarindustrie konzentriert sich die Macht auf vier große Unternehmen – ADM und Cargill, die Louis Dreyfuß-Kompanie und Bunge. Diese erreichen hohe Gewinne über die Vermarktung von Inputs für die Agrarindustrie, aber eben auch die Weitervermarktung und Produktion von diesen Lebensmitteln beziehungsweise zur Verarbeitung von Lebensmitteln.“ Die Verantwortung der Agrarkonzerne endet dabei nicht auf der Plantage. Sie produzieren die Pestizide, handeln mit dem Palmöl, verarbeiten es weiter – und sorgen dafür, dass es am Ende auch in deutschen Supermarktregalen landet. Eins der Argumente, die häufig für die Verteidigung der riesigen Monokulturen angeführt werden, ist, sie seien notwendig, um die Welt zu ernähren. Doch für Anne Sträßer wie Yoni Rivas ist das reiner Vorwand: „Der Anbau auf großen Flächen von Palmöl, aber auch von anderen Monokulturen wie zum Beispiel Soja, ist für den Markt profitreich. Denn die sogenannten Flex-Crops, stecken nicht nur in Lebensmitteln, sondern können für ganz vielfältige Produkte zum Einsatz kommen“, so Sträßer. Diese „Flex“- oder Cash-Crops werden nicht in erster Linie angebaut, um Menschen zu ernähren, sondern um Profit zu machen. Es ist ein klassisches Beispiel für Agrarextraktivismus: Große Unternehmen bauen Monokulturen auf Kosten der Umwelt und der lokalen Bevölkerung an. Die Produkte werden als Rohstoffe exportiert oder in eigenen Raffinerien veredelt und dann in Europa, den USA oder Kanada als Tierfutter, Treibstoff oder als Bestandteil von Kosmetikprodukten weiterverkauft.
„Wir erwarten, dass die Industrie die Weichen stellt“
Rivas ergänzt, dass die Ausbreitung von Palmölmonokulturen in Honduras dazu geführt habe, dass die lokale Bevölkerung sich immer weniger selbst ernähren konnte. In den 70ern haben sich im Aguán-Tal noch 84 Kooperativen organisiert, um Grundnahrungsmittel anzubauen. In dieser Zeit nannte man die Region „die Kornkammer Zentralamerikas“. Doch in den 90ern wurden immer mehr Grundstücke aufgekauft, und das Tal wurden von Palmölplantagen überflutet. Seitdem muss Honduras Nahrungsmittel importieren. Für Rivas ist klar, dass die Großunternehmen für Armut, Migration und Gewalt in der Region sorgen und nur auf ihren eigenen Profit bedacht sind. Die vier schon genannten Unternehmen, ADM, Cargill, Dreyfuß-Kompanie und Bunge haben als globale Handelsunternehmen besonders viel Einfluss, da sie Palmöl in riesigen Mengen handeln. Die Lieferkettenklage gegen ADM, Cargill und weitere ist daher ein möglicher Hebel zur Einflussnahme. Denn obwohl natürlich auch Konsument*innen darauf achten können, keine Tiefkühlpizzas, Chips, Kosmetikartikel oder Ähnliches mit Palmöl zu konsumieren, findet Anne, dass diese Verantwortung nicht bei ihnen allein liegen kann: „Wir erwarten auch von der Industrie, dass hier entsprechend die Weichen gestellt werden und man versucht, Produkte ohne Palmöl herzustellen.“
Dabei kann die Lieferkettenklage helfen. Darüber hinaus bringt Yoni Rivas jedoch vor allem eine Botschaft mit: Landwirtschaft sollte der Ernährung der Menschen dienen statt den Profiten von Großunternehmen. So wie es die kooperativ organisierte Zone des Aguán-Tals vor der Übernahme der Palmölgroßkonzerne tat, als sie noch die „Kornkammer Zentralamerikas“ war. Überall auf der Welt zeigen Kooperativen wie seine, wie es geht, und kämpfen für eine Zukunft, in der sie dafür nicht ihr Leben riskieren müssen.
Wollt ihr mehr darüber erfahrn, wie honduranische Kleinbäuer*innen deutsche Konzerne verklagen? Hier geht’s zum Audio-Beitrag.
Quelle: https://www.npla.de/ Der Beitrag wurde nach den Crative Commons 4.0-Regeln veröffentlicht und mit freundlicher Genehmigung des poonal-Teams des npla (Nachrichtenpool Lateinamerika e.V.) hier gespiegelt. Bild: energie-experten.org, CC BY 1.0 , via Wikimedia Commons