Coronavirus: Was Beschäftigte wissen müssen

Der Coronavirus hat Deutschland fest im Griff. Zu den Maßnahmen zur Eindämmung zählen nicht nur das Verbot von Großveranstaltungen und Geisterspiele in der Bundesliga, sondern inzwischen auch die Schließung von Kindertagesstätten und Schulen. Für viele Beschäftigte tun sich große Probleme auf. Wir erklären die Rechtslage.

So etwas gab es noch nie: In vielen Bundesländern wie Nordrhein-Westfalen, Bayern und Niedersachsen werden die Osterferien verlängert, viele Kindertagesstätten sind ebenfalls geschlossen, der Kontakt zu den Großeltern soll unterbunden werden. Beschäftigte mit Kindern stehen vor der Frage, wie ihr Kind betreut werden kann.

Kann ich zu Hause bleiben, wenn ich keine Betreuungsmöglichkeit für meine Kinder habe?

Um die Kinderbetreuung müssen sich Beschäftigte in erster Linie selbst kümmern. Die Arbeitspflicht besteht also grundsätzlich weiter. Ob ein Anspruch auf Sonderurlaub wegen vorübergehenden Arbeitsverhinderung gemäß § 616 BGB vorliegt, ist immer eine Frage des Einzelfalles, der Anspruch kann durch Tarifvertrag oder Arbeitsvertrag ausgeschlossen sein.
Dieser Anspruch betrifft auch nur eine vorübergehende Verhinderung.

Der DGB verweist auf ein Urteil, wonach dies für einen Zeitraum bis zu von sechs Wochen gelten kann (BGH v. 30.11.1978, III ZR 43/77). Zudem weißt er darauf hin, dass es umstritten ist , ob der persönlicher Verhinderungsgrund auch dann greift, wenn der Grund für die Verhinderung eine Epidemie und damit ein außerhalb der persönlichen Sphäre der/des Arbeitnehmers/Arbeitnehmerin liegendes Ereignis ist, das mehrere Personen betrifft.

In jedem Fall müssten die betroffenen Eltern auch nachweisen, dass sie selbst alles getan haben, um eine entsprechende Betreuung zu gewährleisten.

Ein Fernbleiben von der Arbeit dürfte rechtlich daher nur in seltenen Ausnahmefällen möglich sein, insbesondere wenn es sich um sehr kleine Kinder handelt, da die Eltern ja eine Fürsorgepflicht gegenüber ihrem Kind haben.

Es besteht natürlich die Möglichkeit, Überstunden abzubauen oder Erholungsurlaub zu nehmen. Gerade wenn es um Urlaub geht, haben Eltern in dieser Situation einen Vorrang gegenüber Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern, die kein Betreuungsproblem haben. Angesichts der langen Schließzeiten dürfte aber auch dies nicht ausreichen.

Was kann ich denn dann machen, damit mein Kind betreut ist?

In einer Situation wie der gegenwärtigen empfiehlt es sich, im Gespräch zu bleiben und dem Arbeitgeber die Situation zu schildern. Da ja eine Vielzahl von Menschen betroffen sind, dürfte dem Arbeitgeber die Brisanz der Situation auch bewusst sein.

Entscheidend ist hier auch, in welchem Bereich man tätig ist. Zum Beispiel ist zu klären, ob man die Arbeit nicht mobil, also von Zuhause aus, verrichten kann. In vielen Fällen haben Arbeitgeber dies ohnehin angeordnet, sodass sich das Betreuungsproblem an dieser Stelle bereits entschärft.

Wer in einem Bereich arbeitet, der von den Schließungen und Verboten betroffen ist, dürfte bei seinem Arbeitgeber ebenfalls auf offene Ohren treffen, wenn es darum geht, zu Hause zu bleiben. Hier muss aber sichergestellt werden, dass der Arbeitgeber nicht das unternehmerische Risiko abwälzt, etwa indem er Überstundenkonten plündert.

Besonders schwierig dürfte Situation beispielsweise in Krankenhäusern sein, da hier in besonderem Maße Personal benötigt wird.

Habe ich Ansprüche gegen den Staat?

Dieser Gedanke liegt nicht fern, da der Staat die Schließungen ja angeordnet hat. Wie zu hören ist, treffen die staatlichen Stellen derzeit Vorkehrungen, wie die oben genannten Maßnahmen abgefedert werden können.

So soll es in Schulen und Kindertagesstätten eine Notversorgung geben. Eltern sollten hier bei den Trägern von Schulen und Kindertagesstätten nachfragen. Es ist aber zu hoffen, dass eine Notversorgung bis spätestens Ende nächster Woche eingerichtet ist.

Für die Zwischenzeit sollte es möglich sein, mit dem Arbeitgeber eine für beide Seiten tragfähige Lösung zu finden.

Darf ich zu Hause bleiben, wenn ich befürchte, mich bei der Arbeit anzustecken?

Die Befürchtung vor Ansteckung allein reicht nicht aus, der Arbeit fernzubleiben. Beschäftigte dürfen der Arbeit nur fernbleiben, wenn sie tatsächlich arbeitsunfähig sind; ansonsten sind sie zur Arbeit verpflichtet.

Die reine Angst davor, sich bei der Arbeit oder auf dem Weg dorthin anzustecken, führt also nicht dazu, dass man nicht zur Arbeit erscheinen muss. Es gehört zum allgemeinen Lebensrisiko, sei es bei der Arbeit oder in der Freizeit, sich zu verletzen oder sich mit einer Krankheit anzustecken.

Darf mein Chef mich auf Dienstreise in ein Ansteckungsgebiet schicken?

Die Arbeitspflicht erstreckt sich grundsätzlich auch auf Dienstreisen. Auch hier reicht eine bloße Befürchtung, man könne sich mit einem Virus infizieren, nicht aus, um die Dienstreise zu verweigern.

Etwas anderes gilt, wenn eine offizielle Reisewarnung des Auswärtigen Amtes vorliegt. Reisen in solche Gebiete oder Länder muss der Arbeitnehmer nicht antreten, da eine entsprechende Weisung unbillig wäre.

Liegt eine solche Reisewarnung vor, sollten auch die Beschäftigten zurückhaltend sein, in dieses Gebiet zu reisen. Wenn sie sich dort nämlich anstecken und arbeitsunfähig werden, riskieren sie ihren Anspruch auf Entgeltfortzahlung. Dieser ist nämlich ausgeschlossen, wenn die Arbeitsunfähigkeit selbst verschuldet ist.

Darf mein Arbeitgeber mich fragen, woran ich erkrankt bin?

Der Arbeitgeber hat kein Recht darauf zu erfahren, woran ein Arbeitnehmer erkrankt ist. Eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung attestiert nur, dass der Beschäftigte seine Tätigkeit nicht ausüben kann und wie lange dies voraussichtlich dauern wird.

Nur das ist für den Arbeitgeber maßgeblich. Mehr muss er nicht wissen, deswegen darf er auch nicht mehr wissen.

Muss mein Arbeitgeber Desinfektionsmittel und Ähnliches zur Verfügung stellen, um die Infektion am Arbeitsplatz zu verhindern?

Der Arbeitgeber hat dafür zu sorgen, dass Verletzungs- und Erkrankungsrisiken im Betrieb so gering wie möglich sind. Er muss die erforderlichen Maßnahmen ergreifen. Hierzu kann auch das Bereitstellen von Desinfektionsmittel gehören.

Was im Einzelfall erforderlich ist, hängt sehr davon ab, um was für ein Betrieb es sich handelt und welche Infektionsrisiken bestehen. Bei Betrieben mit Kundenkontakt ist dies in höherem Maße der Fall als in Betrieben ohne Kundenkontakt.

Noch einmal ein erhöhtes Risiko besteht sicher in Betrieben, in denen man mit Personen aus den Ansteckungsgebieten zu tun hat.

Darf der Arbeitgeber mich nach Hause schicken?

So wie der Arbeitnehmer grundsätzlich zur Arbeit verpflichtet ist, muss der Arbeitgeber den Arbeitnehmer grundsätzlich beschäftigen. Solange er arbeitsfähig ist, muss und darf er im Betrieb tätig sein. Der Arbeitgeber darf ihn erst nach Hause schicken, wenn er der Meinung ist, dass der Arbeitnehmer aufgrund einer Infektion ein Risiko für Kollegen ist.

Auch eine Zwangsbeurlaubung unter Fortzahlung der Vergütung kommt grundsätzlich nicht in Frage. Urlaub ist nur dann möglich, wenn der Arbeitnehmer diesen beantragt, also nicht gegen dessen Willen.

Sofern im Betrieb eine Regelung zum Home-Office besteht, kann der Arbeitgeber im Rahmen der bestehenden Regelungen seine Beschäftigten auch ins Home-Office schicken, damit sie von dort arbeiten. Hier sind die Regelungen des Einzelfalles, insbesondere entsprechende Betriebsvereinbarungen, zu beachten.

Entschließt sich der Arbeitgeber aus freien Stücken, den Betrieb vorübergehend zu schließen, kann er dies natürlich tun. Er muss dann aber das Entgelt weiterzahlen und darf auch nicht auf die Überstundenkonten zurückgreifen.

Was ist, wenn die zuständige Behörde den Betrieb dichtmacht?

Eine solche Maßnahme, wie sie in Italien bereits vollkommen ist, ist grundsätzlich auch in Deutschland möglich. Das Arbeitsministerium geht davon aus, dass es sich um einen Fall des Betriebsrisikos handelt.

Die Arbeitnehmer behalten ihren Entgeltanspruch, auch wenn sie nicht arbeiten können. Dies bestätigte ein Sprecher des Bundesarbeitsministeriums auf Anfrage des Redaktionsnetzwerks Deutschland.

Wie sieht es mit meinem Lohnanspruch aus, wenn ich selbst in Quarantäne bin?

Nach dem Infektionsschutzgesetz kann die zuständige Behörde ein Beschäftigungsverbot erlassen, wenn bei einem Beschäftigten der Verdacht besteht, dass er eine ansteckende Krankheit hat oder er einen Krankheitserreger in sich trägt.

Dieses Beschäftigungsverbot führt dazu, dass Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer grundsätzlich nicht mehr arbeiten dürfen und damit auch ihren Lohnanspruch verlieren.

Trotzdem muss der Arbeitgeber für die Dauer von sechs Wochen den Lohn weiterzahlen, weil es das Infektionsschutzgesetz so vorsieht. Dieses Geld kann er sich aber vom Gesundheitsamt zurückholen.

Weigert sich der Arbeitgeber, den Lohn während der Quarantäne zu zahlen, können sich Beschäftigte auch direkt an das Gesundheitsamt wenden und erhalten ihr Geld von dort. Nach Ablauf der sechs Wochen besteht ein Anspruch auf Entschädigung in Höhe des Krankengeldes.

Weitere Infos beim DGB in einem PDF zusammengefasst

Das Urteil des Bundesgerichtshofs vom 30.11.1978, Aktenzeichen III ZR 43/77 gibt es hier im Volltext zu Download

 
Autor: Dr. Till Bender,
Rechtsschutzsekretär, Online-Redakteur und stellvertretender Pressesprecher https://www.dgbrechtsschutz.de
Bild: mdr.de