„Den Wahnsinn stoppen!“

„Heraus zu Protest und Widerstand – Gegen Krieg, Hochrüstung und Kriegswirtschaft!“ So ein neuer Aufruf aus der „Sagt nein!“-Initiative.

Dazu eine Mitteilung der IVA-Redaktion.

„Die Militarisierung Deutschlands schreitet voran. In den Medien wird die Aufrüstung zunehmend als alternativlos dargestellt.“ So heißt es in einem Kommentar bei Telepolis, der die Formierung der hiesigen Öffentlichkeit in Sachen Kriegsertüchtigung und Aufrüstung auf den Punkt bringt. IVA hatte dazu schon im Februar, vor der Bundestagswahl, ein eigenes Flugblatt „Gegen Kriegstüchtigkeit!“ veröffentlicht, das Einspruch gegen diesen nationalen wie europäischen Trend einlegte und auf die – noch – vorhandenen Protestmöglichkeiten der Gegenöffentlichkeit aufmerksam machte.

Eine Gegenbewegung gibt es auch in den deutschen Gewerkschaften, deren Führung ansonsten den Aufrüstungskurs der alten wie der neuen Regierung unterstützt und von einem Widerstand gegen die auf Hochtouren laufende Kriegsvorbereitung nichts wissen will. Kritische Stimmen fand man aber bereits vor der Eskalation seit Maidan-Putsch und gescheitertem Minsk-Abkommen beim Gewerkschaftsforum oder beim GEW-Magazin Ansbach. Ende Juli 2023 startete dann die oppositionelle Initiative „Sagt nein! – Gewerkschafter:innen gegen Krieg, Militarismus und Burgfrieden“.

Für ein „unüberhörbares und unübersehbares Nein“

Die Initiative wurde vor allem von Mitgliedern der DGB-Gewerkschaft Ver.di ins Leben gerufen und von verschiedenen Gruppierungen und Sympathisanten unterstützt. Sie legte einen Aufruf vor, der bisher von rund 20.000 Personen unterschrieben wurde, und konnte sich auch – wie IVA berichtete – beim Ver.di-Bundeskongress im September 2023 zu Wort melden. Nachdem der DGB-Bundeskongress 2022 auf Betreiben des Bundesvorstandes sein Ja zu Waffenlieferungen und Aufrüstung abgeliefert hatte, stand auch bei Ver.di die Einreihung in die NATO-Front an. Unter dem Deckmantel eines „umfassenden Sicherheitsbegriffs“, so kritisierte der Aufruf, sollten sich Gewerkschaftsmitglieder als Jasager zur neuen Kriegslogik bekennen. Verhindert werden konnten die Anträge der Gewerkschaftsführung nicht, aber es gelang, eine deutliche Protestposition in der Gewerkschaft öffentlich zu machen.

Mittlerweile gibt es weitere kritische Gewerkschaftsinitiativen und zuletzt hat „Sagt nein!“ – gemeinsam mit anderen oppositionellen Stimmen vorwiegend aus dem antikapitalistischen Lager – besagten Aufruf „Gegen Krieg, Hochrüstung und Kriegswirtschaft!“ veröffentlicht. Das Flugblatt steht bei IVA zum Download bereit. Es ruft zur Teilnahme an der zentralen Friedens-Demonstration am 29. März 2025 in Wiesbaden auf und fordert, dass die diesjährigen Ostermärsche (in der Zeit vom 17.-21. April) „zu unüberhörbaren Manifestationen gegen den globalen Krieg und die weiteren Kriegspläne der Herrschenden werden“. Auch sollte der internationale Kampftag der Arbeiterklasse am 1. Mai und der 80. Jahrestag der Befreiung vom deutschen Faschismus am 8. Mai für ein „Fanal gegen Krieg, Militarismus, Burgfrieden und Faschismus“ genutzt werden.

Die Demonstration in Wiesbaden gegen neue US-Mittelstreckenwaffen in Deutschland findet am Samstag, dem 29. März, statt. Die Auftaktkundgebung erfolgt um 12.00 Uhr am Wiesbadener Hauptbahnhof. Nach einem Demonstrationszug durch die Stadt soll gegen 14.30 Uhr die Abschlusskundgebung auf dem Kranzplatz stattfinden. Näheres findet man über den Link der Wiesbadener Organisatoren. Die Termine der verschiedenen Ostermärsche finden sich auf der Website der Friedenskooperative.

Der Aufruf von „Sagt nein!“ wird bundesweit verbreitet. Er formuliert erstens den Einspruch gegen den offiziellen Kriegs(vorbereitungs)kurs und erhebt in einem zweiten Teil unter der Überschrift „Krieg und Leichen – Die letzte Hoffnung der Reichen“ eine Reihe von Forderungen. Diese beginnen mit dem sofortigen Stopp der „Verteilungskriege der imperialistischen Mächte“ und schließen mit dem „Verbot aller faschistischen Organisationen und ihrer Propaganda“. Dazu hier zwei Anmerkungen.

Kapitalisten sind nicht geil auf Krieg, sondern auf Profit.

„Krieg und Leichen – Die letzte Hoffnung der Reichen“ so lautete John Heartfields berühmte Fotomontage in der Arbeiter-Illustrierten-Zeitung (AIZ) von 1932, die jetzt im neuen Flugblatt mit Bild und Text wieder abgedruckt ist. So verdienstvoll die Antikriegsagitation der damaligen kommunistischen Presse auch sein mag und wie sehr man zudem die Leistung der Heartfield-Brüder loben mag (dass sie den Dadaismus in AgitProp transformierten und damit dem künstlerischen Avantgardismus zu seiner wahren Bestimmung verhalfen) – stimmen tut die Losung leider nicht. Das Kapital ist nicht geil auf Kriege. Es sei denn, man verfällt auf die abwegige Idee, nur die Rüstungsindustrie anzuklagen, die sich auf Kosten ihrer Kollegen aus anderen Kapitalbranchen vordränge, um bei staatlichen Aufträgen abzusahnen. Eine Vorstellung, die sich gerade an den europäischen Aufrüstungsbemühungen und ihren einschlägigen Kontroversen blamiert: Hier soll ja die Rüstungsindustrie erst geschaffen werden, die EU-Staatschefs wollen dafür alles in die Wege leiten und besonders darauf achten, dass nicht gleich wieder 50 % der gestemmten Summen für Einkäufe bei der US-Industrie ausgegeben werden. Das ist ja gerade das Leiden der deutschen und europäischen Politik, dass sie die machtvolle Rüstungsbranche, die ihr dann die Aufträge „diktiert“, nicht hat.

Grundsätzlich gesagt: Das Kapital ist interessiert an Profit, nicht an der Zerstörung von menschlichen und sachlichen Ressourcen. Es gibt keine Kriege in Auftrag, diese sind vielmehr das Werk einer Machtkonkurrenz von Staaten, die jeweils ihren Kapitalismus betreuen. Gerade Trump liefert hier ein aktuelles Beispiel. Er kommt bei Gelegenheit – wenn das Zerstörungswerk des Militärs die Schädigung der gegnerischen Macht in ausreichendem Maße zustande gebracht hat – geradezu mit imperialistischem Geschäftssinn daher, der Friedensschalmeien anstimmt und die Rücksichtslosigkeit eines ukrainischen Nationalisten bloßstellt. Dieser begnadete „Dealmaker“ kann dann sogar als Warner vor einem dritten Weltkrieg auftreten, der den Weg zum friedlich-schiedlichen Handelsverkehr weist!

Demokraten können Faschisten verbieten, mehr nicht.

Die marxistische Kritik, so der Politikwissenschaftler Reinhard Kühnl, besteht darauf, dass Demokratie und Faschismus zwei „Formen bürgerlicher Herrschaft“ sind, dass sie also eine Gemeinsamkeit in ihrer politökonomischen Grundlage haben, auf deren Herrschaftsbedarf sie sich beziehen. D.h., sie bieten sich als Alternativen an und setzen sich, je nachdem per Wahlzettel, machtvoller Bewegung und/oder auswärtiger Protektion, als politisches Programm durch. Gemeinsam ist ihnen die Sorge um den Erfolg der Nation auf kapitalistischer Grundlage und je drängender die nationale Notlage ist, desto mehr kommen im demokratischen Alltag die faschistischen Ideale zum Zuge: starke Führung, klares Feindbild, Schutz der Volksgemeinschaft vor Ausland & Ausländern und vor allgemeiner Sittenlosigkeit – schlussendlich alle Potenzen in einer wehrhaften, kriegsbereiten Nation zusammengeschlossen. Daher haben Marxisten immer wieder betont, dass Demokraten Faschisten nur verbieten, aber nicht kritisieren können. Ein Lehrstück in dieser Hinsicht lieferten gerade die letzten Auseinandersetzungen um die demokratische Brandmauer gegenüber der AfD: In der Sache, dem Kampf gegen „irreguläre Migration“, herrschte größte Einigkeit der Mitte mit den Rechten. Hier wird nur aus wahltaktischen Überlegungen ein Gegensatz stilisiert, den man aber auch fallweise – siehe die Merz-Initiative im Wahlkampf – hintanstellt. Ähnliches war vorher schon bei den durch Correctiv enthüllten, angeblich geheimen „Remigrations“-Plänen der AfD zu beobachten, wo es vor allem darum ging, eine störende Alternative im demokratischen Betrieb auszuschalten (vgl. IVA Texte Februar 2025).

Wenn das Flugblatt jetzt das Verbot „aller faschistischen Organisationen“ fordert, fragt man sich, an wen sich diese Forderung wendet. An die demokratische Obrigkeit, damit sie Weidel und Co. in die Wüste schickt? Richtet man sich also an die Macht, die gerade die gigantische Aufrüstung betreibt, Widerspruch nicht duldet und der es sicher sehr gelegen käme, wenn man rechtspopulistische Querschläger aus dem Weg räumen könnte? Also Vertreter eines dissidenten Standpunkts mundtot machte, die ähnlich wie Trump Geschäftsaussichten mit dem russischen „Partner“ ins Auge fassen und deswegen bei Gelegenheit sogar das gängige antirussische Feindbild in Frage stellen. Gegen diese Störenfriede soll der Antikriegsprotest die staatliche Macht anrufen, damit sie rücksichtslos zuschlägt und noch mehr „Propaganda“-Verbote erlässt?

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Dies nur als Hinweis darauf, dass bei dem jetzt vorliegenden Aufruf – verständlicher Weise, denn so werden Bündnisse geschmiedet – Positionen vorkommen, die nicht von allen Unterzeichnern und Unterzeichnerinnen geteilt werden, ja die ins Feld neuer Kontroversen führen. Das muss kein Schaden sein. Diese Kontroversen auszutragen im Kreis derjenigen, die eine antiimperialistische Kriegskritik befördern wollen, und in der Auseinandersetzung mit anderen friedensbewegten Positionen, die an die „eigentlich“ vorhandene Friedensfähigkeit und -willigkeit der Regierenden appellieren, ist gerade das Angebot, das ein solcher entschiedener Einspruch gegen den militaristischen „Wahnsinn“ machen kann.

Natürlich macht man sich nicht mit rechten Positionen gemein, die möglicherweise jetzt auch auf Verhandlungsfrieden und Diplomatie setzen. Aber da, wo man sich gegen Aufrüstung und Militarisierung positioniert, besteht diese Gefahr gar nicht. Einer Partei wie der AfD ist der Aufbau Deutschlands zu einer militärischen Führungsmacht ja hochwillkommen. Weil sie aber den eingespielten Politbetrieb der BRD stört, wird sie mit ihrer „Propaganda“ als extremistisch ausgegrenzt (siehe dazu auch Renate Dillmanns Beitrag „Der rechte Kampf für Wahrheit und Freiheit“ in: Konkret, 3/25). Sich in der deutschen Gegenöffentlichkeit daher noch mehr Verbote zu wünschen, wäre in der Tat fatal.

 

 

 

 

 

Quelle und weitere Infos:  https://www.i-v-a.net/

Bild: sagt nein