„Der Mohr hat seine Schuldigkeit getan, der Mohr kann gehen“ (Schiller)

Von Suitbert Cechura

Tschüss Ukraine-Krieg! Der US-Hegemon setzt neue Schwerpunkte und Europa steht ganz schön doof dar.

Die frei nach Schiller gebildete Spruchweisheit vom „Mohr“ ist zwar heutzutage nicht mehr politisch korrekt, sie trifft aber bei Gelegenheit voll ins Schwarze, wenn jemand die Drecksarbeit erledigt und nachher als Depp dasteht. So jetzt die Ukraine, nachdem Verteidigungsminister Pete Hegseth die Vorstellungen der amerikanischen Regierung bezüglich einer Beendigung des Ukrainekrieges in der Ukraine-Kontaktgruppe der Nato vorgetragen hat. Im Telefongespräch mit dem russischen Präsidenten Putin hatte Trump zuvor seine Bereitschaft, den Krieg zu beendigen, zum Ausdruck gebracht, und Verantwortliche für die Verhandlungen benannt.

Offenbar zeigt sich die neue Regierung mit dem Ergebnis des Krieges zufrieden, gibt das eigenmächtig zu Protokoll und kümmert sich einen Dreck darum, dass alle Welt fassungslos vor diesem imperialen Klartext dasteht.

Herr über Krieg und Frieden

Der Krieg zwischen Russland und der Ukraine hat zwar zur Amtszeit von Biden begonnen, aber bereits unter Donald Trump hat Amerika einiges getan, um den Konflikt mit Russland anzufachen. Schon unter Barak Obama hatten die USA 2014 am Putsch gegen die gewählte Regierung Janukowytsch mitgewirkt und eine unabhängige Politik der Ukraine zwischen EU und Russland verhindert. Eine eindeutige Festlegung auf den Westen mit EU und Nato war gefordert, die Russland mit einem Referendum und anschließendem Anschluss der Krim sowie der Unterstützung der Volksrepubliken Donezk und Luhansk, die dem Putsch nicht zustimmten und dafür jahrelang bombardiert wurden, beantwortete.

Entgegen den Warnungen Russlands trieben alle amerikanischen Regierungen die Aufrüstung der Ukraine voran und stellten eine Aufnahme in die Nato in Aussicht, worauf Russland schließlich mit dem Einmarsch am 24. Februar 2022 reagierte. Den Krieg der Ukraine mit Russland machte die Nato zu ihrer eigenen Sache –  mit massiven Waffenlieferungen, einem Wirtschaftskrieg, der Russland „ruinieren“ sollte, und Finanzierung des ukrainischen Staatshaushalts sowie der dortigen Presse, die für den Kriegskurs mobilisieren sollte.

Während nun die Nato stets betont hatte, dass die Ukraine selber entscheiden müsse, wann sie zu Verhandlungen bereit sei, und diese selber dann zu führen habe, düpiert die US-Regierung nicht nur das Kiewer Regime, sondern auch seine europäischen Unterstützer. Zwar war die Betonung der Souveränität der Ukraine immer schon geheuchelt – schließlich war die Existenz dieses Staates durch den Krieg völlig von dem westlichen Unterstützern abhängig. Mit seinem Telefonat mit Putin hat US-Präsident Donald Trump diese Heuchelei nun bloß- und damit klargestellt, wer immer schon Herr des Verfahrens war: Die USA bestimmen, wann ein Konflikt aufgemacht wird und wann seine Beendigung ansteht.

Dass dabei Trump undiplomatisch vorgeht, kann man  nicht sagen. Dass er erst mit Putin spricht und später Präsident Selensky informieren will, ist  schon eine eindeutige diplomatische Botschaft in Sachen, wer Herr und Knecht ist. Die Verbündeten lässt er über seinen Verteidigungsminister informieren: „Die Ukraine muss nach Auffassung der US-Regierung für ein Ende des Krieges auf Teile ihres Staatsgebietes verzichten. ‚Wir wollen, wie Sie eine souveräne und prosperierende Ukraine. Aber wir müssen damit beginnen anzuerkennen, dass eine Rückkehr zu den Grenzen der Ukraine von 2024 ein unrealistisches Ziel ist‘, erklärte US-Verteidigungsminister Pete Hegseth …“

Trump „sehe zudem eine NATO-Mitgliedschaft der Ukraine nicht als Teil einer Lösung an“, so Hegseth weiter. Weder die ukrainische Regierung noch die europäischen Verbündeten haben über das Ergebnis ihres Krieges zu entscheiden; sie bekommen die Marschrichtung der Friedensverhandlungen vielmehr aus Washington mitgeteilt. Entsprechend aufgebracht zeigten sie denn auch und reklamierten hilflos ein Mitspracherecht bei den Verhandlungen.

Ein klarer Fall: Die USA sind zufrieden!

Mit dem Verhandlungsangebot an Russland und der in Aussicht gestellten Anerkennung, dass die Krim und die Gebiete Donezk und Luhansk zu Russland gehören, gibt sich Donald Trump großzügig – und wird deshalb von seinen Verbündeten kritisiert. Das Ergebnis des Krieges mit Hunderttausenden  Toten und Verkrüppelten sowie der materiellen Schädigung Russlands (auch bei der Übernahme völlig zerstörter Landesteile der Ukraine) wertet die amerikanische Regierung als genügend großen Erfolg. Eine Weiterführung des Krieges, der auch Amerika einiges gekostet hat und nun den Kampf gegen China stört, wird als nicht lohnend befunden.

Geschädigt wurden auch die Alliierten in Europa. Die „strategische Partnerschaft“ (Merkel) zwischen Russland und Europa wurde zerstört, mit der sich der Kontinent  zu einer bedeutsamen Konkurrenz für die  Weltmacht USA hätte entwickeln können. Der wirtschaftliche Konkurrent Deutschland wurde seiner billigen Energiegrundlage beraubt und gezwungen, im Rahmen der Wirtschaftssanktionen einen nicht unerheblichen Markt aufzugeben. Ein Risiko für sich haben die USA in diesem Krieg weitgehend vermieden, haben sie doch einen Stellvertreterkrieg führen lassen, bei dem vor allem die Ukraine und Europa Opfer bringen mussten. Zu besichtigen an den Verwüstungen und den vielen Toten im Osten und der Wirtschaftskrise in Deutschland.

Verabschieden von seinen zurückgestuften Partnern will sich die neue US-Regierung allerdings nicht. Sie hat sie für weitere nützliche Dienste vorgesehen: Als Sicherheitsgarant der Ukraine und als Hilfstruppe im Kampf gegen China. Dafür sind natürlich erheblich höhere Aufwendungen fürs Militär gefordert, um sich für diese Dienste und damit als dem Schutz Amerikas würdig zu erweisen. Schließlich will der neue amerikanische Verteidigungsminister die Nato zu einer „tödlicheren Kraft“ machen, gegen wen die sich richten soll – China – ,daran lässt er auch keinen Zweifel.

Die Ukraine schreibt Donald Trump ebenfalls nicht ab. Auch wenn Amerika keine Versprechungen in Sachen Sicherheitsgarantie oder Aufnahme in die Nato macht, betrachtet er die Ukraine als nützlichen Rohstofflieferanten – nicht zuletzt für die strategisch so wichtigen seltenen Erden. So haben schon seine Fachleute ausgerechnet, welche ungeheuren Werte im ukrainischen Boden lagern. Der Haken ist nur, dass diese zum großen Teil in Gebieten liegen, die Russland für sich beansprucht. Was Präsident Selensky nicht daran gehindert hat, diese großzügig im Rahmen seines Siegesplanes der amerikanischen Regierung anzubieten. Diese kommt nun auf das Angebot zurück –  nicht um einen Zugriff auf die Rohstoffe in Donezk und Luhansk zu bekommen, sondern „realpolitisch“  beschränkt auf die Rohstoffe, die unter ukrainischer Hoheit stehen. Auch die können dazu dienen, Kriegskredite, die der Ukraine im Verlaufe des Krieges gewährt wurden, zu bedienen: „ Die USA haben als Gegenleistung für ihre Unterstützung der Ukraine ein Wirtschaftsabkommen mit dem Land gefordert.“

Dazu ist der neue Finanzminister der USA gleich in die Ukraine gereist, um ein entsprechendes Abkommen auf den Weg zu bringen. Für den Wiederaufbau der zerstörten Infrastruktur sollen die Europäer zur Kasse gebeten werden, schließlich ist die Ukraine eine europäische Angelegenheit – das haben die Amerikaner jetzt entschieden.

Der Traum ist aus…

Für die Ukraine ist der Traum von einer für die Nato unverzichtbaren Nation und damit Teilhabe am Weltordnungsbündnis vorbei. Teile ihres früheren Territoriums sind dahin, andere zerstört und der Staat kann sich ohne finanzielle Unterstützung aus dem Ausland nicht selbst finanzieren, bleibt also abhängig und hat gerade nicht die angestrebte Souveränität erlangt. Präsident Selensky setzt darauf, sein Land als Agrarproduzent und Rohstofflieferant zuzurichten und so erneut eine Einnahmequelle für den Staat zu schaffen. Die Rohstoffe in der Erde sind zwar umfangreich, aber erst einmal wertlos. Zu ihrer Nutzung braucht das Land dringend Kapital, damit aus den Rohstoffen auch eine Ware wird. Darüber verfügt das Land aber nicht, ist also vollständig auf auswärtige Hilfe angewiesen, darin sieht der US-Präsident eine günstige Lage für amerikanisches Kapital.

Europa und vor allem Deutschland bekommt seine weltpolitische Zweitrangigkeit vorgeführt. Die Kalkulation, sich  als zweitgrößter Waffen- und Geldlieferant für den großen Bruder im Bündnis unverzichtbar zu machen, ist nicht aufgegangen. Das wird nicht nur von den herrschenden Politikern beklagt – „Verrat!“ (Strack-Zimmermann) –, sondern auch von ihren Kritikern – „verfehlte Politik“ (Tobias Riegel). Da hilft auch Klagen nichts. Wie Hohn klingt es zudem, wenn der US-Vizepräsident J.D. Vance den international moralisierenden deutschen Politikern vorhält, Demokratie und Meinungsfreiheit einzuschränken (SZ, 15.2.24). Da können sich beide Seiten ihre Heucheleien vorhalten.

Die Rückstufung wird die Deutschen und Europäer aber nicht ruhen lassen, ihren Einfluss durch noch mehr Waffen zu vergrößern. Bundeskanzler Scholz will einen „Schulterschluss gegen Washington“, und der CDU-Politiker Roderich Kiesewetter ruft nach einer „europäischen Koalition der Willigen“. Schon jetzt überbieten sich die Politiker in dem, was der zukünftige Anteil am Bruttoinlandprodukt sein muss. Sind die zwei Prozent zwar noch nicht dauerhaft erreicht, sind aber schon 3 %, 3,5 % oder gar 5% im Gespräch, die durch Steuern oder Schulden aufzubringen sind. Das werden die Bürger weiter zu spüren bekommen, in Form höherer Steuern oder Sozialabgaben, Inflation und damit entwerteten Löhnen. Es ist eben etwas teurer, zu einer Nation zu gehören, auf die man stolz sein kann, weil die mit den führenden Weltmächten mithalten will. Und das merkt man nicht nur am eigenen Geldbeutel, sondern auch an kaputten Straßen, schlechtem Gesundheitswesen, maroden Schulen usw.

 

 

 

 

Der Beitrag erschien zuerst erschienen im Overton-Magazin https://overton-magazin.de
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