Ende Oktober findet der 25. Gewerkschaftstag der IG Metall statt in konfliktgeladener Zeit. Der Krieg in der Ukraine, die Klimakatastrophe und die Dekarbonisierung der Industrie sind die großen Themen, dazu jeweils der Zusammenhang mit den „klassischen“ Gewerkschaftsthemen Mitbestimmung, Arbeitszeit, Entgelt, soziale Sicherheit sowie Erhalt und Stärkung der Kraft der Gewerkschaft selbst.
Zunächst stehen jedoch die großen Fragen von Krieg und Frieden, von Klimakatastrophe und Mobilitätswende auf der Tagesordnung des Gewerkschaftstages.
Kennzeichnend für die gegenwärtige Situation: Viele Unternehmen bzw. deren Eigentümer haben kaum Interesse an einer industriellen Transformation – weil sie Geld kostet und danach unter Umständen geringere Profite zu erwarten sind. Industrieunternehmen wandeln sich zu Finanz- oder Dienstleistungsunternehmen, die Produktion wandert nach Osteuropa oder Asien ab oder die Produktion wird schlicht eingestellt, weil den Eigentümern die Profitraten von drei bis fünf Prozent zu gering sind. Die Aussicht auf mehr Erwerbslosigkeit und Schwächung der Gewerkschaften ist durchaus beabsichtigt, schafft sie doch günstigere Bedingungen zur Verwertung der Arbeitskraft, zur Erweiterung der Reservearmee für prekäre Arbeit.
Daraus sowie aus der Politik der Zentralbank und der Tatenlosigkeit der Regierung erklärt sich, vornehm formuliert, die Investitionszurückhaltung vieler industrieller Bereiche.
Die Autoproduktion in Deutschland ist massiv gesunken (von 5,7 Mio. in 2017 auf 3,5 Mio. in 2022), ohne das adäquate Alternativen aufgebaut worden wären. Jahrelange Kurzarbeit, Personalabbau und Betriebsschließungen bei VW, Mercedes, Audi, Opel, Ford, Conti, Bosch und vielen kleinen Betrieben verunsichern die Belegschaften.
Seit 2018 sind in der Automobil- und Zulieferindustrie 60.000 Arbeitsplätze abgebaut worden. Aktuell sollen bei Volkswagen in Zwickau 269 Arbeiter*innen mit befristeten Verträgen vor die Tür gesetzt werden, weil der Absatz an E-Autos eingebrochen ist. Sachsens SPD-Wirtschaftsminister Dulig sucht nach Wegen, „Kaufinteressenten stärker zu Volkswagen und vor allem deutsche Elektrofahrzeuge in den Markt zu bringen.“ In den VW-Werken Wolfsburg, Hannover und Emden gibt es wieder Kurzarbeit „wegen fehlender Teile“. Für das vor der Schließung stehende Ford-Werk in Saarlouis mit 4.500 Arbeiterinnen und Arbeitern gibt es eine Vereinbarung mit chinesischen Investoren, an deren Ende wahrscheinlich 2.000 Arbeitsplätze weniger stehen. An die Entwicklung von Konversionsprojekten wird in all diesen Fällen offensichtlich nicht gedacht.
Eines der wenigen vielleicht positiven Ansätze will ich auch nennen: Conti gibt seinen Standort in Gifhorn, ein traditionsreiches Bremsenwerk mit immer noch fast 1.000 Beschäftigten, auf – ein anderes Unternehmen (Stiebel-Eltron) will übernehmen und dort künftig Teile für Wärmepumpen herstellen. Die IG Metall, die Landesregierung und der Bundesarbeitsminister haben sich dafür stark gemacht – es ist der Wahlkreis von Hubertus Heil.
Krieg, Klima, Arbeitszeit: Große Fragen stehen auf der Tagesordnung
Zum Krieg in der Ukraine hat die IG Metall sich lange nicht detailliert geäußert. Das wäre jedoch zu erwarten gewesen als Teil der Friedensbewegung. Andererseits vertritt die Gewerkschaft die Beschäftigten in den Rüstungsbetrieben. So heißt es im Grundsatzantrag des Vorstandes u.a.: „Krieg und der Bruch völkerrechtlicher Vereinbarungen können und dürfen kein Mittel zur Konfliktbewältigung sein. Wir lehnen Krieg als Mittel der Politik entschieden ab. Die deutsche Außen- und Sicherheitspolitik muss sich im Bewusstsein ihrer historischen Verantwortung mit allen Mitteln für Frieden einsetzen …“ und „ein genereller Ausschluss von Rüstungsexporten beziehungsweise Waffenlieferungen in Krisenregionen und an kriegführende Staaten steht diesen Zielen entgegen.“ Eine Ablehnung des 100-Milliarden-Rüstungsprogramms für die Bundeswehr, eine Forderung nach Abschöpfung von Gewinnen der Rüstungsindustrie oder ein Ende der teils absurden und kontraproduktiven Sanktionen findet sich nicht, stattdessen: „Die verteidigungspolitische europäische Souveränität betrifft vor allem die Rüstungszusammenarbeit und die notwendige Ausrüstung der Bundeswehr.“
Eine ambitionierte Klimapolitik, so der Gewerkschaftsvorstand, erfordert den ökologischen Umbau – um dann fast bei E-Auto und grünem Wasserstoff stehenzubleiben. Aus der Erkenntnis, dass viele Unternehmen keine Strategie für den Umbau haben, leitet die Gewerkschaft Forderungen nach mehr Mitbestimmung und nach staatlichen Investitionen in Zukunftstechnologien wie das Elektro-Auto, die Halbleiterproduktion, autonomes fahren und Wasserstoff ab. Wörtlich heißt es: „Während die mediale Debatte über „Klimakleber“ tobt, arbeiten wir längst am Konkreten: Ob im Bündnis sozialverträgliche Mobilitätswende, in der Zusammenarbeit mit den Umweltverbänden, beim Wind-, PV- oder Wärmegipfel, im Bündnis Zukunft der Industrie oder im Rahmen der Allianz für Transformation – es mangelt nicht an Bekenntnissen, Klima- und Umweltschutz und soziale wie beschäftigungs- und verteilungspolitische Ziele in Einklang zu bringen.“ Es ist darin wohl ein Stück Autosuggestion enthalten: Das Bündnis sozialverträgliche Mobilitätswende1 ist nur auf Vorstandsebene bekannt und die Zusammenarbeit mit Umweltverbänden ist, von löblichen Ausnahmen wie z.B. in Salzgitter abgesehen, mehr proklamiert als geübte Praxis in den meisten Geschäftsstellen der Gewerkschaft.
Punktuell, zum Beispiel beim Bundesstraßenbau, gibt es sich widersprechende Position zwischen Gewerkschaft, Klimabewegung und Umweltverbänden, was die Gefahr eines Abwendens von der Gewerkschaft mit sich bringt. Der Konflikt beim Kohleausstieg zwischen Umwelt- und Klimabewegung und der für die Kohlekumpels zuständigen Gewerkschaft IGBCE ist in schlechter Erinnerung, während Arbeitgeber und Regierung diese Spaltung gern und kräftig befeuern.
Ein wichtiger, guter Punkt ist die Absicht der IG Metall, die Arbeitszeitverkürzung wieder auf die Tagesordnung zu setzen – konkret in der Tarifrunde für die Stahlindustrie mit der Forderung nach der 4-Tage-Woche: „Kürzere Arbeitszeiten – etwa im Rahmen einer 4-Tage-Woche – können Arbeitsplätze attraktiver machen, Beschäftigung auch durch Umverteilung von Arbeitszeit sichern, zudem geschlechtergerechte Vereinbarkeit unterstützen und zur Aufwertung von Sorgearbeit beitragen. Beschäftigte können ihren Wunsch nach kürzerer Arbeitszeit verwirklichen. Zeitwohlstand ist allerdings eine Verteilungs- und Gerechtigkeitsfrage.“ Diese Forderung ist Ergebnis einer großen Beschäftigtenbefragung, bei der sich 75 Prozent der Kolleginnen und Kollegen für die Arbeitszeitverkürzung mit vollem Entgeltausgleich aussprachen. Das Ziel dieser Arbeitszeitverkürzung ist gleichermaßen die bessere Vereinbarkeit von Beruf und Familie, ein Weg aus der Teilzeitfalle für Frauen, Gesundheit und Partizipationsmöglichkeiten der Arbeiterinnen und Arbeiter.
Wir betrachten Beschäftigte als selbstbestimmt Teilhabende und Gestaltende, nicht als Objekte der Transformation.
Kein Plan für die Konversion der Autoindustrie
Der erste Leitantrag des Vorstandes trägt den Titel „Energie- und Mobilitätswende gestalten“: „Für ein Durchstarten bei der Energie- und Mobilitätswende braucht es endlich einen langfristigen, verlässlichen und konsistenten Planungsrahmen mit massiven Investitionen nicht nur in neue Technologien und Infrastrukturen, sondern auch zur Sicherung von Beschäftigung in der Transformation. Wer hier die Beschäftigten nicht mitdenkt und an Investitionen spart, gefährdet nicht nur den Klimaschutz, sondern auch den gesellschaftlichen Zusammenhalt.“ Deutschland müsse Leitmarkt „auf den Märkten der Mobilität“ bleiben – im weiteren ist aber fast ausschließlich vom Markt für Autos die Rede – nicht von Bussen, nicht von Schienenfahrzeugen. Das sehe ich als eines der Hauptprobleme der Transformationsdebatte in der Gewerkschaft: Die geringer werdende Anzahl an Arbeitsplätzen in der Autoindustrie werden nicht zusammen gedacht mit dem steigenden Bedarf an Arbeitsplätzen in der Mobilitätswirtschaft, in der Bus- und Schienenfahrzeugproduktion wie bei den Bahnbetrieben. In den Betrieben der Bahnindustrie (Siemens Mobility, Alstom und Stadler) sind einschließlich Instandhaltung ca. 200.000 Personen beschäftigt (Verband der Bahnindustrie), in der Auto- und Zulieferindustrie sind es noch 775.000 (VDA). Das korrespondiert mit den Mitgliederzahlen der IG Metall, weil beide Bereiche gewerkschaftlich gut organisiert sind. Es korrespondiert jedoch auch mit der Anzahl der Betriebsräte und der Aufsichtsratsmandate. Die Dominanz der Autoindustrie, ihre ökonomische und daraus abgeleitete politische Macht schlägt die weniger starke Bahnindustrie. Die Gewerkschaft, so scheint es, hat wenig Vertrauen in die Mobilitätswende und darin, im Bereich der Bahnindustrie Beschäftigung aufzubauen und Mitglieder zu gewinnen, die die Mitgliederverluste aus der Autoindustrie aufzufangen.
Die Mobilitätswende wird in vier Dimensionen beschrieben: Klimaschonende Antriebe, Vernetzung der Verkehrsträger, Verkehrsverlagerung und Verkehrsvermeidung. Darunter Detailforderungen, die in ihrer Summe keine Reduzierung des motorisierten Individualverkehrs bedeuten: Ausbau der Ladeinfrastruktur, weitere Subventionen für die E-Mobilität, Sicherung der Rohstofflieferungen, Aus- und Umbau von ÖPNV und Schieneninfrastruktur, Förderung regionaler Wirtschaftskreisläufe, digitale Bedarfsverkehre als Teil des öffentlichen Verkehrs. Beinahe verschämt wird die Forderung nach Abbau umweltschädlicher Subventionen hinzugefügt, letztlich aber klargestellt: „Zielbild ist nicht die Ablösung oder Stilllegung des Automobils“ – und so gibt es auch keinen Plan für die Konversion der Autoindustrie. Dem eigenen Auftrag und Anspruch nach sollte es der Gewerkschaft um eine Welt und eine Mobilität gehen, in der die Menschen wegen guter öffentlicher Angebote nicht mehr auf das Auto und dessen immense Kosten angewiesen sind, um die vielen Menschen die ohne Auto leben wollen.
Ein Freund aus einer Fahrradwerkstatt berichtet mir aus einem Gespräch folgenden Dialog: Stammkunde kommt zur technischen Prüfung. „Wat’n, du bist doch sonst um die Zeit in Wolfsburg oder auf der Bahn?“ „Ich hab gekündigt.“ „Und nun?“ „Ich gebe Mathe und Physik. Keine Lust mehr Autos zu bauen, wenn unsere Kinder im Bildungsnotstand sind. Und das Schönste dazu: ich kann mit meinen scharfen Rädern zur Arbeit fahren.“ Ein Bilderbuchbeispiel für die Rückführung vom Fachpersonal zu Gunsten unserer Kinder und der Zukunft.
Bei der Struktur-, Energie- und Industriepolitikpolitik will die IG Metall den Netzausbau für Wasserstoff und Strom einschließlich Süd-Link vorantreiben, plädiert „für eine Beteiligung des Staates“ und für private Investitionen statt für öffentliches Eigentum, fordert energisch die Subventionierung von Strom für energieintensive Betriebe (Industriestrom). Der grundlegende Konflikt darum, dass der Verbrauch von Ressourcen verringert werden muss und damit das Wachstum als entscheidende Messgröße untauglich wird, bleibt ungelöst. Millionen Autos verbrauchen mehr Ressourcen als tausende Fahrzeuge für den öffentlichen Verkehr, Autos werden im Schnitt 10 Jahre alt, Straßenbahnen aber locker 30 Jahre. Bei solcher Konversion der Mobilitätsindustrie sinken Arbeitsvolumen und materielle Wertschöpfung. Eine andere Definition, eine andere Erzählung von Wohlstand und gutem Leben ist gefragt.
Gesellschaftliche Planung und Vergesellschaftung
Mehrfach wird die Forderung nach Planungssicherheit erhoben, jedoch ohne die Adressaten zu benennen, ohne eine Beschreibung der Formen und Inhalte solcher Planung. Insgesamt richten sich die Forderungen mehr an den Staat als an die Unternehmen. Das ist durchaus sinnvoll, denn die verschiedenen staatlichen Ebenen (Kommunen, Länder, Bund, EU) können den „Investitionsstreik“ der Unternehmen durch eigene Investitionen in gemeinwirtschaftliche Produktionsstätten durchbrechen.
Fette Subventionen, im Fall Intel sagenhafte 11 Milliarden Euro für vielleicht 3.000 Arbeitsplätze, sind der falsche Weg. Mit dem gleichen Geld könnten gemeinwirtschaftliche Unternehmen gestartet werden, die sich an den Bedürfnissen orientieren, nicht am Profit. Dafür braucht es gesellschaftliche Planung, die im Zeitalter von KI und Algorithmen kein technisches oder methodisches Problem mehr ist. Transformationsräte oder, wie es in der Satzung der IG Metall heißt: Wirtschafts- und Sozialräte, könnten die Räume sein, in denen demokratisch geplant wird.
Im Kontext der Positionen von Bundesregierung und EU-Kommission zu „unfairen“ Subventionen in China und USA mit dem Inflation Reduction Act (IRA) wird ausgeblendet, dass Milliarden Subventionen in Deutschland und der EU ein Teil des globalen Handelskrieges und des Subventionswettlaufes sind.
Die Leidtragenden sind in erste Linie die Volkswirtschaften, die Landwirtschaft und damit die Ernährungssituation in afrikanischen Ländern. Unbeeindruckt davon kündigte EU-Kommissionspräsidentin von der Leyen eine Untersuchung der Subventionen für Autohersteller in China an: „Der Preis dieser Autos wird durch riesige staatliche Subventionen künstlich gedrückt – das verzerrt unseren Markt“, sagte sie bei ihrer letzten Rede im Europaparlament – als gäbe es in Deutschland keine direkten Prämien, keine besondere Besteuerung von Geschäftsfahrzeugen und keine Befreiung von der KFZ-Steuer für E-Autos, als wäre China nicht der wichtigste Absatzmarkt für die drei großen Autohersteller aus Deutschland.
Linke Gewerkschafter*innen wissen stattdessen, dass die „Förderung der Wettbewerbsfähigkeit“ nicht die Antwort auf die koordinierte Profitmaximierung des internationalen Kapitals sein kann.
Eine offensive Gewerkschaftspolitik kann nicht an Staatsgrenzen enden, Gewerkschaftsaktivistis in länderübergreifenden Konfliktfällen müssen sich austauschen und koordinieren, sind zu fördern und zu systematisieren.
Der Grundsatz sollte sein: Gesellschaftliche Belange erfordern öffentliche Gelder und führen zu öffentlichem Eigentum!
„Es bedarf eines neuen Anlaufs der Demokratisierung der Wirtschaft. Das ist weit mehr als erweiterte Mitbestimmung in Großbetrieben – es geht um gezielte Einflussnahme auf Investitionen, Produktentscheidungen, Standortplanungen in sozialem, gesellschaftlichem und umweltpolitischem Interesse“ (H.J.Urban). Bezogen auf die Verkehrswende erfordert das, die krisenhaften Entwicklungen bei den Autoherstellern und den Zulieferern nicht jeweils als einzelnes Ereignis oder betrieblichen Unfall zu behandeln, sondern selbst einen Plan für die Konversion der Autoindustrie zu entwickeln und für entsprechende Mobilisierung in den Belegschaften betriebsübergreifend und in den Regionen zu sorgen. Unter den Bedingungen der kapitalistischen und nur am Profit orientierten Wirtschaft sind diese Veränderungen letztendlich nicht zu machen. Die Vergesellschaftung dieser Schlüsselindustrie entsprechend Grundgesetz und analog der Satzung der IG Metall ist im Zusammenhang mit Klima- und Beschäftigungskrise dringend. Günstig für die Vergesellschaftung ist, dass die Privatisierung der Bahn nicht gelungen ist und die ÖPNV-Betriebe überwiegend gesellschaftliches kommunales Eigentum sind. In der Stahlindustrie gibt es aus guten Gründen schon lange einen hohen Vergesellschaftungsgrad. Der Grundsatz sollte sein: gesellschaftliche Belange erfordern öffentliche Gelder und führen zu öffentlichem Eigentum.
Wenn wir davon ausgehen, dass alle Bürgerinnen und Bürger sich frei bewegen können und das Recht auf Wohnen, Energie, Bildung und Gesundheitsversorgung haben, dann müssen diese Güter Teil der öffentliche Daseinsvorsorge sein.
Wenn die Mobilitätswende gelingen soll, braucht es einen Umstiegsplan mit Zeitablauf und Finanzierung für den Auf- und Ausbau alternativer Industrien, Dienstleistungen und Arbeitszeitverkürzung, also von Arbeitsplätzen zur Umsetzung gesellschaftlicher Entwicklung und sozialer Sicherheit. Die Bildung von Transformationsräten unter Einbeziehung von Personen aus den Betrieben und Gewerkschaften, aus Wissenschaft und Politik, aus Umwelt- und Verkehrsverbänden, von Fraueninitiativen und Jugendverbänden wären der notwendige und richtige Schritt, um all die von der Verkehrswende Betroffenen zu Subjekten der Transformation zu machen. Aus vergangenen Fehlern kann gelernt werden: Als die für die Energiewende existenzielle Wind- und Solarindustrie nach Osten zog und zehntausende Arbeitsplätze wegen fehlender Industriepolitik verloren gingen, hat kaum ein Hahn laut gekräht. Heute aber gibt es eine starke Klima- und Verkehrswendebewegung, die offen ist für eine kritische und solidarische Zusammenarbeit mit der Gewerkschaft, wenn solche Positionen eingenommen werden.
Solidarität in der Krise
Immer wieder gelingt es den herrschenden Kräften des Kapitals, Spaltungen zu provozieren und zu vertiefen: jung und alt, Mann und Frau, Inländer und Ausländer, Stadt und Land, Krisengewinner und Krisenverlierer, Klimaaktivistis und „hart arbeitende Mitte“ – bloß um die Spaltung von Kapital und Arbeit, von arm und reich, von oben gegen unten zu verschleiern. Überwunden werden können diese Spaltungen durch gemeinsame Kämpfe und gemeinsame Erfahrungen, durch die Verbindung der Kämpfe, die ja tatsächlich auch miteinander zusammenhängen. Überwunden werden können die Spaltungen durch Bildung, durch politische und gewerkschaftliche Bildung und demokratische Praxis, durch die Stärkung von Gewerkschaften und Betriebsräten, durch Beteiligung der Mitglieder und gute Tarifverträge. Zu hoffen ist in diesem Zusammenhang, dass durch den Gewerkschaftstag die gewerkschaftliche Bildungsarbeit und Erschließungsprojekte für die Zukunft sichergestellt werden.
Es geht um Solidarität im weitesten Sinne – nicht nur in der Klasse, sondern mit den Jugendbewegungen, den Umwelt- und Klimabewegungen: Solidarität im Sinne einer Organisation von Gegenmacht. In Zeiten der Krise ist das besonders wichtig, zugleich aber schwerer herzustellen ist als in ruhigen Zeiten. Solidarität heißt, dass die Stärkeren die Schwächeren unterstützen. Ansonsten werden wir die Niederlage teilen. Wenn Gewerkschaft, Klimabewegung, Wissenschaft und die gesamte Zivilgesellschaft gemeinsam handeln, dann ist eine Konversion der Autoindustrie möglich.
Der Beitrag erschien auf https://www.isw-muenchen.de/ und wird mit freundlicher Genehmigung der Redaktion hier gespiegelt. Bild: IGM