Die Debatten zu «Zeitenwende» und «Zeitdiagnose» fordern die linken und insbesondere die sozialistischen Akteure verstärkt heraus, die Analyse ihrer politischen Handlungsbedingungen und -möglichkeiten kritisch zu reflektieren und zu qualifizieren.
Dafür gibt Rosa Luxemburg eine entscheidende Orientierung: «Die erste Bedingung einer erfolgreichen Kampfpolitik ist das Verständnis für die Bewegungen des Gegners. Was gibt uns aber den Schlüssel zum Verständnis der bürgerlichen Politik bis in ihre kleinsten Verzweigungen, bis in die Verschlingungen der Tagespolitik, ein Verständnis, das uns gleichermaßen vor Überraschungen wie vor Illusionen bewahrt? Nichts andres als die Erkenntnis, daß man alle Formen des gesellschaftlichen Bewußtseins, also auch die bürgerliche Politik, in ihrer inneren Zerrissenheit aus den Klassen- und Gruppeninteressen, aus den Widersprüchen des materiellen Lebens und in letzter Instanz ‹aus dem vorhandenen Konflikt zwischen gesellschaftlichen Produktivkräften und Produktionsverhältnissen› erklären müsse.»
Das bedeutet politökonomische Analyse, um herauszufinden, a) warum welche bürgerlichen Akteure mit ihren Interessen wie handeln, worauf sie reagieren, welche dynamischen Interessenwidersprüche innerhalb und zwischen den gesellschaftlichen Klassen und sozialen Gruppen ihrem Agieren zugrunde liegen; b) welche politischen, ökonomischen und gesellschaftlichen Wirkungen ihre Handlungen im Moment haben bzw. kurz-, mittel- und langfristig haben können und c) was das für die politischen Handlungsbedingungen und Herausforderungen für die Linken, die Sozialist*innen bedeutet.
FÜNF KURZE SCHLUSSFOLGERUNGEN
Erstens: Der Begriff «Zeitenwende» wurde zwar vor dem großdimensionierten russischen Überfall auf die Ukraine eingeführt, aber erlangte seine politische Bedeutung und Wirkung erst durch die Rede des Bundeskanzlers vom 27. Februar 2022 und in Verbindung mit dem Beschluss zu einem 100-Milliarden-Euro-Sondervermögen für die Bundeswehr, der Ankündigung, das «Zwei-Prozent-Mindestziel» der NATO in den nächsten Jahren zu erreichen, der Entscheidung, F-35-Flugzeuge zu beschaffen, um an der «nuklearen Abschreckungsstrategie» der NATO zu partizipieren, Waffen in Kriegsgebiete zu liefern und bewaffnete Drohnen zu organisieren. Diese Maßnahmen waren bereits geläufige Themen in der sicherheitspolitischen Debatte und nicht zuletzt besondere Streitpunkte in der SPD. Die Diskussion ging mit der Stärkung des Militärischen in der Außen-, Sicherheits- und Wirtschaftspolitik einher, sowohl bezogen auf die Bundesrepublik als auch auf die Europäische Union. In diesem Kontext steht auch der kurz nach dem 27. Februar 2022 publizierte Beitrag der Leiterin der Forschungsgruppe Sicherheitspolitik der Stiftung Wissenschaft und Politik und des Forschungsdirektors der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik zur «europäischen Zeitenwende». Beide beraten insbesondere die Bundesregierung und diese folgt der Idee der Institute zur Schaffung einer neuen Sicherheitsordnung, die «ohne oder gegen Russland funktioniert, aber bereits andere Konflikte wie mit China und Verschiebungen von Macht und Konflikte durch den Klimawandel mitdenkt».
Sie würde auf «vier Pfeilern ruhen»: Durchsetzung eigener Prinzipien, Geopolitik, Wirtschaft und Verteidigung. Resümierend heißt es: «Deutschlands Beitrag zu dieser europäischen Neuaufstellung ist entscheidend. Politisch braucht es die Regierung in Berlin, um die anderen Europäer hinter diesen Zielen zu vereinen. Wirtschaftlich bleibt Deutschland das Powerhouse, das beispielhaft vorangehen kann […] Sicherheitspolitisch hat Deutschland absehbar den größten Verteidigungshaushalt in Europa.»
Seit September 2022 ist auch regierungsoffiziell von einer militärischen Führungsrolle der Bundesrepublik in Europa die Rede: «Deutschlands Größe, seine geografische Lage, seine Wirtschaftskraft, kurz: sein Gewicht, machen uns zu einer Führungsmacht […] auch im Militärischen.» Daher und dafür würde ein «Kulturwechsel» gebraucht. Dieses Verständnis und Herangehen werden zunehmend konkretisiert und weitergeführt, auch und insbesondere in der wieder aufgenommenen Debatte zu «europäischer Souveränität» bzw. «strategischer Autonomie» der EU. An diesen Debatten ist der BDI mit seinen Mitgliedern wie dem BDSV und Bitkom beteiligt und fokussiert auf die widersprüchliche Verbindung von Geo-, Sicherheits- und Verteidigungspolitik, Industrie- und SVI-Entwicklung sowie neoliberaler Politik. Diese Verbindung und der mit ihr verknüpfte Wille zur – auch militärisch – offensiven Verteidigung und Stärkung eigener globalpolitischer Positionen macht die «Zeitenwende» aus.
Neu sind dabei die Dimension, die zunehmende Konsistenz und die Intensität, mit denen auf die militärischen Fähigkeiten und ein gemeinsames Agieren «Europas» bzw. «des Westens» orientiert wird, um insbesondere bzw. letztendlich den globalen Akteur China einzuhegen und gegebenenfalls zu zerstören.
Diese Kursnahme erfolgt vor dem Hintergrund dramatischer technisch-technologischer, demografischer, sozialer und kultureller Entwicklungen, von Gewalteskalation, enormen globalen Problemen und rasantem Voranschreiten ökologischer Krisen mit der Tendenz des Verschwindens der natürlichen Lebensbedingungen.
Zweitens: Daraus folgen aber auch von Neuem Interessenwidersprüche sowohl unter den herrschenden Kapitaleliten als auch in der Gesellschaft insgesamt: Einerseits fordern Kapitaleliten staatliches Engagement für die Abwendung des ökologischen Kollapses, die Sicherung der Ressourcenzufuhr, die Verfügbarkeit ausreichend geeigneter Arbeitskräfte und Leistungen der produktiven, sicherheitspolitischen, reproduktiven bzw. sozialen Infrastruktur, für Investitionen in Forschung und Entwicklung sowie die Skalierung von Produktion in konkreten Industriebereichen und Unternehmen. Andererseits fordern Kapitaleliten Druck auf Sozialausgaben, Löhne, Steuern, insbesondere für Wohlhabende, Reiche, Finanzinstitutionen bzw. Konzerne, und drängen auf die weitgehende Verhinderung von Sozialprotesten auch mittels sozialpolitischer Maßnahmen. Hinzu kommen politische Divergenzen unter den Kapitaleliten wie zum Beispiel bei der Einschätzung der politischen und insbesondere der europäischen und globalen Situation, beim Umgang mit konkreten Krisen und menschheitlichen Existenzfragen, hinsichtlich der Militarisierung, der Rolle der Finanzmarktakteure und -märkte, nachhaltiger Industriepolitik, demokratischer, sozialer und ökologischer Standards, Migration, Frauenquoten für Leitungsgremien, Aufwand-Nutzen- bzw. Risiken-Chancen-Abwägungen usw.
Es werden wirtschaftliche Akteure herausgefordert, die von den geopolitischen Forderungen bzw. Entscheidungen mehr oder weniger empfindlich betroffen sind, weil sie Exportumsätze verlieren, teure Importe organisieren oder vielfach kostenintensive Produktionsumstellungen und Betriebsanpassungen durchführen müssen. Sie verlangen staatliche Entschädigung und Unterstützung, die andere wirtschaftliche und wirtschaftspolitische Akteure nicht durch staatliche Auftrags- und Subventionsstreichung, Steuererhöhung bzw. Abgaben und ordnungspolitische Regelungen ermöglichen wollen. Damit drohen die Lasten für die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, für große Teile der Bevölkerung bzw. die Bevölkerungsmehrheit weiter zu wachsen. Tendenziell mehren sich egoistische Stimmungen und Haltungen, mehr oder weniger mit Nationalismus, Rassismus und Gewaltbereitschaft kombiniert.
Nach Luxemburg wäre insbesondere zu analysieren, wie vonseiten der Arbeiterinnen und Arbeiter sowie emanzipativ-solidarischer und ökologischer Akteure die Interessenwidersprüche unter den Kapitaleliten so zuzuspitzen und auszunutzen wären, dass die eigenen Interessen sowie gesellschaftliche Solidarität verteidigt und durchgesetzt, darüber hinaus Kriege, ökologische Zerstörung, Gewalteskalation in der Gesellschaft gestoppt, vermindert, bekämpft und perspektivisch überwunden werden können. Damit wäre zugleich zu analysieren und zu diskutieren, wie emanzipativ-solidarisch orientierte Akteure zu individuellem und kollektivem Handeln zu ermutigen und zu befähigen sind, die Möglichkeiten sozial und ökologisch nachhaltiger Entwicklung zu verteidigen und zunehmend zu erschließen. Dies erfordert politische Arbeit an gesellschaftlichen Bündnissen, die die Widersprüche im eigenen Handeln thematisieren, solidarisch kommunizieren und kooperieren, eine Kultur leben, um größer, vernetzter und politikwirksamer zu werden.
Drittens: Dem BDI ist es seit seiner Gründung gelungen, seine Handlungsmöglichkeiten aufzuspüren, zu nutzen und zu erweitern. Dafür waren und sind die vielfältigen Aktivitäten seiner Mitgliederorganisationen wichtig. Gemeinsam mit ihnen orientiert(e) der BDI auf Profitmaximierung und die Sicherung entsprechender Kapitalverwertungsbedingungen, auf Export- und somit internationale Konkurrenzerfolge der Unternehmen und des «Standorts Deutschland».
Das gilt auch und insbesondere für Exporte der SVI und von Double-Use-Gütern (siehe Anhang) und den Militärstandort. Dass das Gewicht des BDI in der Wirtschafts- und Gesellschaftspolitik, im gesamten gesellschaftlichen Leben gewachsen ist, erfordert von Sozialistinnen und Sozialisten eine «schonungslose Selbstkritik», die «nicht bloß das Daseinsrecht», sondern auch «die oberste Pflicht» ist. So wäre insbesondere zu klären, welchen Stellenwert die kollektive Reflexion der analysierten und genutzten politischen Handlungsbedingungen hat. Dabei wäre die Frage zu beantworten, wie konkret die Gegner beobachtet, ihre Interessen und ihr Handeln erörtert wurden, zu welchen Schlussfolgerungen das geführt hat, wie mit welchen Ergebnissen diesen Schlüssen gefolgt wurde und was daraus zu lernen ist. Auch die regierenden und offiziellen politischen Akteure handeln immer in Bezug auf andere. Es ist daher erforderlich, so früh wie möglich und so konkret wie möglich vor den Verlautbarungen der Unternehmerverbände und Befehlshabenden, vor dem Agieren der Regierenden, den Debatten in den Parlamenten die eigenen Positionen und Forderungen zu konkreten Sachverhalten zu artikulieren und politisches Handeln zu organisieren. Es gilt, die Gegner und potenziellen Partnerinnen und Partner praktisch herauszufordern, statt sich von den Gegnern herausfordern zu lassen, denn dies bedeutet bereits Zeit-, Positions- und Handlungsverlust. Dieser ist lebensgefährlich angesichts der aufgezeigten herrschenden Tendenzen zum (weiteren) Umbau der Gesellschaft und zu ihren Auswirkungen. Zu diesen hinzu kommen dynamische Entwicklungen, die Komplexität forcieren und Eigendynamiken auslösen, wodurch die Expansionsneigungen der Konzerne der SVI und der Netzwerke bzw. Vernetzungen, an denen sie beteiligt sind, weiter bestärkt werden.
Viertens: Die Entwicklung der kapitalistischen Produktionsweise geht mit der Veränderung der Akteure, ihrer Stoffwechselprozesse mit der Natur und der Verhältnisse zwischen den Gesellschaftsmitgliedern einher, mit der Entfaltung von Kapitalverhältnissen. Historisch haben sich widersprüchlich und im Kampf der Interessen und Tendenzen Zusammenhänge herausgebildet und entwickelt, die zurückgehen auf Eroberung, Krieg und Kolonialismus, Staatsschuld und Staatsauftrag, Aktien- bzw. Kapitalgesellschaften, Technologien, Manufaktur, Fabrik, moderne Unternehmen, Kreditsystem, Kapitalakkumulation und -konzentration sowie Vergesellschaftung der Arbeit bzw. sozialer Ausgrenzung. Das heißt, der Kapitalakkumulation liegen Technologie- und Produktivkraftentwicklung und Gewalt zugrunde und sind ihr immanent. Diese Gewalt zeigt sich offen bzw. wird als einander bestärkende primäre und sekundäre Ausbeutung in der Konkurrenz wirksam. Die Verteidigung und Verbesserung der Bedingungen für die Kapitalakkumulation und so den eigenen Standort in den gesellschaftlichen und internationalen Verhältnissen bzw. Hierarchien sind insbesondere eine Frage der Technologieanwendung, der damit verbundenen Infrastrukturen und der intellektuellen, ökonomischen und kulturellen Attraktivität. Daher kommt den Technologien eine Schlüsselstellung zu. Ihre mehr oder weniger direkte staatliche Förderung hat einerseits einen technologischen Vorsprung und ein schnelleres Wachstum der SVI gegenüber der übrigen Wirtschaft bewirkt und der SVI zum attraktiven Image von Kreativität und Fortschritt verholfen. Andererseits ist damit ein tendenziell wachsendes Gewicht des Militärischen und der «Sicherheitspolitik» und so der Gewalt im gesellschaftlichen Wirtschaftsleben verbunden. Das geht ebenso tendenziell einher mit einer entsprechenden Ideologie, Propaganda und Kultur sowie gezielt entwickelten Strategien. Ihre Realisierung bewirkt wiederum ein tendenziell zunehmendes Gewicht des Militärischen/der «Sicherheitspolitik» und der Gewalt im gesellschaftlichen Leben. Hinzu kommt ein neoliberal begründeter unzulänglich vorsorgender Umgang mit der öffentlichen Infrastruktur bzw. ein Mangel an Ressourcen für diese. So wird in besonderen Krisen wie Pandemien oder Hochwasser das Militär eingesetzt, um zivile Funktionen zu erfüllen.
Wird die Infrastruktur dann wiederhergestellt, modernisiert und ausgebaut, soll sie vielfach von Beginn an militärischen Interessen entsprechen, wie zum Beispiel bei Brücken, die schwere Militärfahrzeuge tragen sollen. Ähnliche Prozesse sind im öffentlichen Leben zu beobachten: So sind zum Beispiel Militärangehörige als «Nebenbei-Lehrer» für Mathematik in einigen Schulen aktiv, was nicht gegen persönliches Engagement für den Mathematikunterricht spricht, sondern gegen Lehrkräftemangel und militärische Werbung in öffentlichen Bildungseinrichtungen.
Die problematisierten Zusammenhänge werden in Deutschland durch den BDI mit seinen Mitgliedern und ihren mehr als 100.000 Unternehmen forciert. Er kann ein breites bundesweites und internationales Netzwerk beeinflussen und vielfältig nutzen. Auch der BDSV kann allein über seine Kooperation mit Bitkom und BDLI, seine Messeaktivitäten, Gremien, Adressaten und Auftraggeber sowie seine vielfältigen Kooperationen in der Bundesrepublik, in der EU und NATO enorme Vernetzungspotenziale wirksam machen und erneut Tendenzen zu Gewalt und zum ökologischen Kollaps befördern. Das hält weite Teile der Gesellschaft nicht davon ab, von der Expansion der SVI über Finanzmarkttransaktionen profitieren zu wollen. Die SVI als technologischer Hotspot «sammelt» für sie Nützliches ein und befördert weitere Vergesellschaftung von Arbeit. Abstrakte gesellschaftliche Arbeit wird tendenziell absolut und relativ zunehmend durch SVI-Produzenten und ihre Partner konkret verausgabt, der Warenwert wird tendenziell zunehmend durch von ihnen verausgabte gesellschaftliche Arbeit bestimmt, was Auswirkungen auf das Geld als Kristallisation von Verhältnissen zwischen vielfältigen Wareneigentümern und Warenproduzenten hat. Derartige Entwicklungen und Wirkungen wären wesentlich intensiver und qualifizierter politökonomisch zu ergründen und zu erklären. Das könnte bei der Arbeit an Gegenstrategien helfen.
Fünftens: Der Text soll zumindest zu drei praktischen Konsequenzen führen:
a) Mit bzw. in den Gewerkschaften wären die drei gesellschaftlichen Bündnisse «Konzertierte Aktion», «Bündnis für Arbeit, Ausbildung und Wettbewerbsfähigkeit» und Bündnis «Zukunft der Industrie», aber auch die Ermöglichung und gesellschaftlichen Konsequenzen der «Agenda 2010» kritisch und selbstkritisch zu reflektieren. Dabei wären insbesondere die Folgen für die gewerkschaftliche Handlungsfähigkeit und die mit den Bündnissen widersprüchlich mehr oder weniger direkt verknüpften Militarisierungsschritte zu analysieren. Darüber hinaus fordert das Positionspapier «Souveränität und Resilienz sichern» zur Auseinandersetzung über die Aufgaben von Gewerkschaften heraus.
b) Wiederum gemeinsam mit den Gewerkschaften bzw. ihren interessierten Teilen, aber auch mit anderen zivilgesellschaftlichen Akteuren wäre die Offensive der Regierenden und ihrer Partner zur Vernetzung ziviler Bereiche der Gesellschaft und ihrer Wirtschaftssphäre mit dem Militärischen und einer entsprechenden «Sicherheitspolitik» zu stoppen und bereits erfolgte Schritte wären soweit wie möglich rückgängig zu machen. Zumindest wären die realen und potenziellen Folgen dieser gefährlichen Entwicklung offensiv zu diskutieren. Und selbstverständlich wären ihre Ursachen sowie die Verursacher dieser Vernetzung offenzulegen und Strategien ihrer Bekämpfung zu erarbeiten. Konkrete Abrüstung und eine alternative Sicherheits- und Verteidigungspolitik im Kontext mit sozialökologischer Transformation wären zu diskutieren, entsprechende Forderungen und Konzepte zu qualifizieren bzw. zu erarbeiten und gezielt zum Gegenstand politischer Auseinandersetzung zu machen. Daher wäre zunächst die Kommunikation unter den vielen und vielfältigen Akteuren, die mehr oder weniger lange und intensiv dies alles bereits tun, zu initiieren bzw. zu befördern. Dafür könnte Wirtschaftspolitik für eine an physischer und psychischer Gesundheit und daher an Frieden sowie Klima und Ökologie ausgerichtete wirtschaftliche Entwicklung ein Kommunikationsangebot sein. Darin wäre kein Platz für pauschal positive Bezüge zu KMU, denn in und für die SVI agieren eine große Anzahl KMU.
c) Werden ausgehend von bzw. im Rahmen von b) zum einen jene Persönlichkeiten, Initiativen, Organisationen, NGOs und Institutionen betrachtet, die konkret herrschende Politik und ihre Akteure beobachten, besondere Sachverhalte gezielt skandalisieren und von diesen ausgehend punktuell politisch intervenieren, ergibt sich eine große Vielzahl von Aktiven und Aktivitäten. Diese erklären und adressieren Details der Reproduktion von Kapitaloligarchien, die sich auf hochkonzentriertes und -zentralisiertes Kapital zur Mobilisierung und Realisierung primärer und sekundärer Ausbeutung stützen. Die Kapitaloligarchien bzw. ihre Mitglieder verfügen über den Zugriff auf entscheidende Bereiche der gesellschaftlichen Produktion und Reproduktion des gesellschaftlichen Lebens: Energieträger und Energie, Naturressourcen und Grundstoffe wie Nahrungsmittel und Wasser, das Transportsystem, die SVI, Hochtechnologien und Finanzen einerseits und Politik, Militär und Polizei, Justiz, Buchhaltung und Beratung, Lobbying, Medien, Bildung, Wissenschaft und Kultur andererseits. Und offenbar kooperieren diese Kapitaloligarchien bzw. ihre Mitglieder in ihrem Sinne erfolgreich SPD und in den Gewerkschaften wie der IG Metall.
Radikale Oligarchiekritik und das Kommunikationsangebot für eine an individueller und öffentlicher Gesundheit, an Frieden und Klima/Ökologie ausgerichteten wirtschaftlichen Entwicklung und so für eine entsprechende Wirtschaftspolitik könnten «kulturell ermöglichen» helfen, dass sich Bündnisse der emanzipativ-solidarischen Akteure für eine alternative «Zeitenwende» herausbilden und zunehmend gesellschaftspolitisch wirksam werden. Es geht um eine «Zeitenwende» hin zu gerechten, solidarischen, sozial und ökologisch nachhaltigen Problemlösungen. Linke, Sozialistinnen und Sozialisten sind gefordert, alles zu tun, um diese Möglichkeit fortschreitend und somit nachhaltig zu erschließen. Dazu gehört eine kulturelle Selbsterneuerung, wofür sich die kritische und selbstkritische Re-Lektüre von Luxemburgs literarischer Hinterlassenschaft als unschätzbare Hilfe erweisen kann. Die Wahlen zum Europäischen Parlament 2024 sind eine Herausforderung für die linken und sozialistischen Kräfte, ihre Arbeitsweise zu hinterfragen und zu verändern sowie eine «Zeiten[1]wende» ihrer Praxen einzuleiten.
Anmerkung:
Die gesamte Entwicklung des BDI ist mit führenden politischen, staatlichen und militärischen Akteuren bzw. Institutionen verwoben: Der Vorläufer des BDI ist der offiziell im April 1919 gegründete Reichsverband der Deutschen Industrie (RDI). Dieser entstand aus dem Zusammenschluss des Bundes der Industriellen, des Centralverbands deutscher Industrieller und des Vereins zur Wahrung der Interessen der chemischen Industrie Deutschlands. Ein relevanter Teil von ihm gründete 1926 in Zusammenarbeit mit dem Heereswaffenamt die geheime Rüstungsorganisation Stega. In der Weltwirtschaftskrise wollte der rechte Flügel, vorwiegend bestehend aus Schwerindustriellen und kleineren Unternehmern, einen autoritären Staat schaffen helfen und grenzte sich nicht von der NSDAP ab. Aber die offenen Hitler-Anhänger wie Fritz Thyssen waren zunächst in kleiner Minderheit. Im Oktober 1930 initiierte der Bergbauverein die «Wirtschaftspropagandistische Abteilung» des RDI, die sich nicht zuletzt mit den wirtschaftspolitischen Optionen der NSDAP und des Faschismus beschäftigte. Nach der Machtergreifung der Nationalsozialisten vereinigte sich im Juni 1933 der RDI mit der Vereinigung Deutscher Arbeitgeberverbände zum Reichsstand der Deutschen Industrie, wofür sich insbesondere Thyssen stark engagierte.
Dass die deutsche Industrie eine Stütze des deutschen Faschismus war, Krieg, Mord und Zwangsarbeit als Instrumente der Profitmaximierung nutzte, ist vielfach bewiesen und diskutiert. Unter den Westalliierten gab es zunächst Meinungs- und Interessenunterschiede in der Frage eines RDI-Nachfolgers. Das hatte insbesondere mit einer zeitweise unterschiedlichen Haltung in der Frage nach der Interpretation und dem Umgang mit dem Potsdamer Abkommen zu tun. Dieses schloss die Bildung zentralisierter Wirtschaftsstrukturen aus. 1949 wurde zunächst der Deutsche Gewerkschaftsbund gegründet, aber wenige Tage danach begann auf Initiative der Westalliierten der Ausschuss für Wirtschaftsfragen von 32 industriellen Verbänden und Arbeitsgemeinschaften sein offizielles Dasein. Anfang 1950 erfolgte die Umbenennung in Bundesverband der Deutschen Industrie.
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Onl-Studie_10-23_Kampfpolitik.pdf (rosalux.de)
Quelle: https://www.rosalux.de/ Bildbearbeitung L.N.