Anfang Februar bekamen die Kunden der Dortmunder Energie- und Wasserversorgung GmbH (DEW 21) Post von ihrem Stromanbieter. Je nach Produkt, also Tarif, soll der „Jahresgrundpreis“ um bis zu einem Drittel erhöht werden. Als Grund für die Preiserhöhung werden die „gestiegenen Energiebeschaffungs- und Vertriebskosten“ genannt. Verschwiegen wird aber, dass der Mutterkonzern der DEW 21, die Dortmunder Stadtwerke AG (DSW 21) sich bereit erklärt hat, dem Unternehmen STEAG in Essen eine Finanzspritze zwischen 36 bis 65 Millionen Euro zur Kapitalerhöhung zu überweisen. Die STEAG wurde von einigen Stadtwerken im Ruhrgebiet vor 8 Jahren erworben und errichtet u.a. Energieanlagen weltweit. Für den Ausbau ihres internationalen Engagements braucht die STEAG Kapital und das holt man sich auch von den Stromkunden der DEW 21.
Aber eins nach dem anderen.
RWE-Deal
Die Aussicht auf ein gutes Geschäft hatte vor ein paar Jahren 23 Städte und Gemeinden im Ruhrgebiet dazu bewogen, sich über ihre Tochterunternehmen an dem geplanten Gekko-Kohlekraftwerk von RWE zu beteiligen. Doch durch eine Unzahl von Pannen und Materialfehlern liefen die Investitionskosten und die Zeitplanung völlig aus dem Ruder. Gleichzeitig sanken die Strompreise auf dem Markt erheblich. Bald wurde deutlich, dass das neue Kraftwerk nie kostendeckend Strom produzieren würde.
Mit dieser Entwicklung hatten die Städte und die dort tonangebenden Parteien nicht gerechnet. Auch dass zusätzlich noch einer der beiden Kraftwerksblöcke womöglich nie fertig gestellt werden könnte, war seitens der kommunalen Verhandlungsführer nicht mitbedacht worden. Die damaligen stümperhaft formulierten Verträge ließen kein Anrecht auf Entschädigung oder gar vorzeitige Vertragsauflösung zu.
Als die Sache für die RWE den Bach hinunter ging, bot der Konzern den kommunalen Versorgern an, ihre jeweilige Kraftwerksscheibe für einen Euro zu kaufen, wo sie doch schon bereits Hunderte von Millionen in das Bauwerk investiert hatten.
Nach einigem Hin und Her wurden sich im Dezember 2015 die beteiligten Städte und RWE handelseinig, sprich RWE hatte sehr gut gepokert. Gegen eine unglaublich hohe Summe entließ der Konzern die beteiligten Städte aus allen vertraglichen Verpflichtungen.
Für die Stadt Dortmund bedeutete das, zu den bereits als verloren zu betrachtenden Rückstellungen in Höhe von 65,3 Millionen Euro kamen ein (zusätzlicher) Verkaufsverlust von 31,23 Millionen Euro sowie 12,6 Millionen Euro an „operativen Verlusten“ hinzu.
In der Dortmunder Stadttochter DEW21, hat man bei der Gekko-Transformation der Kosten der privaten Anleger auf die öffentliche Hand, 109 Millionen Euro in den Sand gesetzt, ohne dass irgendjemand in der Stadt dafür die Konsequenzen ziehen musste.
In Dortmund blieb es aber nicht bei diesem Malheur.
STEAG-Deal
Im Jahr 2010 hatten die Stadtwerke Dortmund, Duisburg, Essen, Bochum, Dinslaken und Oberhausen die STEAG in zwei Tranchen zu insgesamt 1,2 Milliarden Euro vom Mischkonzern Evonik übernommen. Das zu einem Zeitpunkt, bei dem die Städte, die hinter den Stadtwerken stehen, hochverschuldet waren und sich solche Finanzrisiken eigentlich nicht leisten konnten. Dabei kam noch die Frage auf, was die Übernahme eines Versorgers, der 60 Prozent seines Umsatzes im Ausland macht, mit der örtlicher Daseinsvorsorge zu tun hat, wozu kommunale Unternehmen eigentlich verpflichtet sind.
Trotzdem wurde die Übernahme von 51 Prozent der STEAG-Anteile und eine Option auf die verbleibenden 49 Prozent durch ein Konsortium von den sechs Ruhrgebietsstädten beschlossen.
Die STEAG betreibt traditionell Steinkohlekraftwerke an acht Standorten in Deutschland und zwei Raffineriekraftwerke. Der größte Teil der Anlagen ist völlig veraltet und mindestens vier Kraftwerke sind bereits abgeschrieben.
Das Ende der Steinkohleförderung 2018 im Blick, versuchte der Energiekonzern seine Kraftwerke umzubauen. Gutachten namhafter Wissenschaftler gingen und gehen aber davon aus, dass der Umbau zu einer nachhaltigen und ökologischen Stromerzeugung selbst langfristig nicht möglich ist. Trotzdem träumte man im Ruhrgebiet davon, dass aus dem Kohlekonzern ein grüner, ökologisch ausgerichteter Erzeuger erneuerbarer Energie gemacht werden könnte.
Im Dezember 2014 gab die Bezirksregierung grünes Licht für die Übernahme durch die Kommunen. Sie hatte aber einige Bauchschmerzen mit dem riesigen Auslandsgeschäft von STEAG, setzte sich aber dann darüber hinweg, weil der Erwerb der STEAG nur als Ganzes erfolgen konnte.
Schlussendlich schaffte die damalige rotgrüne Landesregierung die Voraussetzungen für den STEAG-Deal.
Alle Beteiligten hatten nur die Eurozeichen in den Augen und träumten von der ewig sprudelnden Dividenden-Quelle zur Aufbesserung der Haushalte in den überschuldeten Kommunen des Ruhrgebiets.
Die STEAG wurde dann für 1,2 Milliarden Euro von den Ruhrgebietsstadtwerken übernommen, dafür wurden fast ausschließlich Kredite aufgenommen. Mittlerweile gehört die STEAG den Einwohnern der beteiligten Städte, den über 600.000 Dortmundern gehören 36 Prozent von dem Konzern. Die Opposition im Landtag sprach davon, dass die Landesregierung eine „Büchse der Pandora“ zu Lasten der Kommunen geöffnet habe. Das war eine weise Vorsehung.
Aufgrund der Auswirkungen der Energiewende, so wurde 2015 von der STEAG bekannt gegeben, werde man bis auf Weiteres, keine Dividende mehr ausschütten. Mehr noch, zur Konsolidierung des Unternehmens wurde der Abbau von mehr als 1.000 Arbeitsplätzen angekündigt. Betroffen sind auch Kraftwerke im unmittelbaren Einzugsgebiet eben dieser STEAG-Ruhrgebietsstädte.
Auch hier beim STEAG-Deal wurden die Verluste des Unternehmens in öffentliche Mittel transformiert und private Interessen mit öffentlichen Aufgaben vernetzt, unauflöslich zu Lasten der kommunalen Daseinsversorgung.
Aber das Spiel geht weiter, ohne dass die Menschen in Dortmund Einfluss auf die Politik in ihrem Konzern haben.
Global-Deal
Wie die Bezirksregierung bei der Zustimmung für die Übernahme der STEAG durch die Kommunen einige Bauchschmerzen mit dem riesigen Auslandsgeschäft von STEAG hatte, befürchteten andere Übernahmekritiker, dass die Kommunen bei globalen Geschäften leicht über den Tisch gezogen werden können. Auch deshalb, weil die früheren Parteisoldaten im Management in den Stadtkonzernen schnell an ihre Grenzen stoßen, aber auch aus Selbstverliebtheit gerne mal am großen Rad drehen möchten. Vor allem dann, wenn sie direkt im Aufsichtsrat von STEAG sitzen, juckt es ihnen in den Fingern, mit Beteiligungsgeschäften global mitspielen zu dürfen.
Solche Beteiligungsgeschäfte macht die STEAG schon länger, beispielsweise mit
- Solaranlagenbau in Indien
- Gasprojekte in Argentinien und Brasilien
- Alternative Energieversorgung auf griechischen Inseln
- Verschrottung von Atom-U-Booten in Russland
- Steinkohlekraftwerksbau in der Türkei
und als Dienstleister für den Kraftwerksbetrieb in Spanien, Georgien, Botswana und Saudi Arabien.
Dem Stromkunden in Dortmund sollte erklärt werden, was denn das Engagement bei STEAG, einem Konzern der 60 Prozent seines Umsatzes im Ausland macht, mit der örtlichen Daseinsvorsorge zu tun hat, wozu kommunale Unternehmen eigentlich verpflichtet sind.
Und erläutert bekommen, warum er diese Geschäfte mit finanzieren soll.
Quellen: BUND, FÖS, DEW kommunal, greenpeace, waz, Stadt Dortmund
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