Demographischer Wandel
Als Begründung für den allseitigen Personalmangel wird regelmässig der demographische Wandel bemüht. Telepolis hat sogar schon mit ChatGPT einen genuinen Vertreter der Künstlichen Intelligenz zu Wort kommen lassen, der mit seinen maschinell hergestellten Textbausteinen die ideologischen Standardargumente abspulen kann. Auch der KI liegt die marktwirtschaftlich interessierte Einbildung zugrunde, „dass zwischen Geburtenrate oder Altersstruktur und dem Bedarf an menschlichen Ressourcen des Wachstums eine Passung bestehen sollte“ (G. Schuster).
Diese Passung soll zur Zeit wieder schwer gestört sein. Es würden immer mehr Menschen altersbedingt aus dem Arbeitsleben ausscheiden, heisst es, während immer weniger junge Menschen in es einsteigen. Betont wird dabei, dass jetzt besonders die geburtenstarken Jahrgänge in Rente gehen. Als geburtenstark gelten die Jahrgänge nach dem Zweiten Weltkrieg, Höhepunkt war dabei laut Statistischem Bundesamt Destatis das Jahr 1964.
Das heisst aber: Sie scheiden schon seit einem Jahrzehnt aus dem Arbeitsleben aus, das ist kein neues Phänomen; und gleichzeitig gibt es so viele abhängig Beschäftigte wie noch nie, obgleich weniger junge Menschen nach ihrer Ausbildung ins Arbeitsleben eingemündet sind. So hat die Zahl der Beschäftigten, wie Destatis meldet, in den letzten zehn Jahren um mehr als zwei Millionen zugenommen. Fazit: Es hängt nicht von der Zahl der Geburten ab, ob ausreichend Menschen beschäftigt werden oder ob sie arbeitslos sind, das kann man schon der Arbeitsmarktstatistik entnehmen. Attraktion und Repulsion
Bei der Aufrechnung der Arbeitslosenzahlen verweist die Bundesanstalt für Arbeit darauf, dass die Arbeitslosigkeit keinen monolithischen Block darstellt: „Arbeitslosigkeit ist kein fester Block, vielmehr gibt es unabhängig von der wirtschaftlichen Lage viel Bewegung. Dabei werden Zu- und Abgänge von Arbeitslosen im Zeitraum zwischen den Stichtagen jeweils zur Monatsmitte erfasst. So meldeten sich im Berichtsmonat Februar 2023 insgesamt 579 000 Menschen bei einer Arbeitsagentur oder Jobcenter arbeitslos, das waren 80 000 oder 16 Prozent mehr als vor einem Jahr… Gleichzeitig beendeten 575 000 Personen ihre Arbeitslosigkeit, 42 000 oder 8 Prozent mehr.“
Diese Meldung soll wohl wie eine Beruhigung klingen, dabei ist sie alles andere als beruhigend. Schliesslich drücken diese Zahlen aus, dass laufend Entlassungen stattfinden und dass im letzten Monat mehr als eine halbe Millionen Menschen, die gezwungen sind, von dem Verkauf ihrer Arbeitskraft zu leben, in die Arbeitslosigkeit geschickt wurden, also in eine Lage, die von vornherein mit Einkommensverlusten verbunden ist.
Die Lage dieser Menschen soll man aber nicht so tragisch nehmen, da andere ihrer Schicksalsgenossen – fast in gleichen Umfang – wieder eine Stelle gefunden haben. Das gehört zur Normalität im Kapitalismus, mit der man sich abfinden soll: Ständig werden Menschen entlassen und müssen sich dann auf die Suche begeben, möglicher Weise auch einen Ortswechsel in Kauf nehmen, um wieder eingestellt zu werden – alles in allem eine sehr unsicher Kiste, je nach dem Gang der Geschäfte derer, die durch die Beschäftigung von Menschen ihr Kapital vergrössern.
Zum Thema in der Öffentlichkeit werden solche Schicksale erst dann, wenn beeindruckende neue Zahlen zu vermelden sind, wenn es zu einem eklatanten Missverhältnis kommt und zu viele Menschen arbeitslos werden, d.h. im marktwirtschaftlichen Jargon: den Sozialkassen auf der Tasche liegen. Arbeitslosigkeit ist – politisch betrachtet – auch immer deshalb ein Missstand, weil zu viele Menschen ungenutzt bleiben, was der Nation schadet.
Gleichzeitig gilt aber auch das Gegenteil in gewisser Weise als normal, ja systemkonform: Dass es immer ein Potential an Menschen gibt, die (dauer-)arbeitslos sind, passt zu dieser Wirtschaftsweise. Schliesslich können die Unternehmen sich so ihre Arbeitskräfte aussuchen und sind nicht erpressbar; eine Mehrzahl an Bewerbern für eine Stelle drückt die Preise für die Arbeitskräfte und erhöht den Leistungswillen derer, die einen Arbeitsplatz „besitzen“. Das ist dann doch wieder ganz im Sinne von Staat und Wirtschaft, schliesslich dreht sich ja alles in dieser Gesellschaft darum, dem Wirtschaftswachstum, dem Wachstum des als Kapital angelegten Geldes, freie Bahn zu schaffen.
Die Bundesanstalt für Arbeit unterscheidet bei den Arbeitslosen genau nach Gesetzeslage: „Von den 2 620 000 Arbeitslosen im Februar wurden 910 000 oder 35 Prozent im Rechtskreis SGB III von der Arbeitsagentur für Arbeit und 171 0000 oder 65 Prozent im Rechtskreis SGB II von einem Jobcenter betreut.“ (Arbeitsagentur) Der Gesetzgeber sortiert eben das Potenzial. Es wird erstens ein Unterschied gemacht bei denjenigen, die ein Jahr (oder in besonderen Fällen bis zu zwei Jahren) arbeitslos sind und daher aus der Arbeitslosenversicherung ihr Geld erhalten, für das sie vorher zur Kasse gebeten wurden. Sie erhalten nicht ihren vorherigen Lohn, sondern 60 bzw. 67 Prozent ihres Nettolohns, je nachdem ob sie kinderlos sind oder Nachwuchs haben. Damit stehen die „Leistungsbezieher“ vor einem doppelten Problem: Sie müssen irgendwie mit dem gekürzten Einkommen zurecht kommen und sind unter diesen Bedingungen gezwungen, möglichst bald wieder einen Job zu finden.
Zweitens: Wer länger als ein Jahr – bei den Über-50-Jährigen: zwei Jahre – arbeitslos ist, gilt als Problemfall, bei dem der Druck, wieder in Arbeit zu kommen, neuerdings in Form des „Bürgergelds“ (siehe dazu „Hartz IV geht, das Bürgergeld kommt – die Notlagen bleiben“), erhöht wird, indem der Lebensunterhalt weiteren Kürzungen unterliegt. Den Betreffenden wird auf den Cent genau vorgerechnet, was sie wofür zum Leben ausgeben dürfen. Dabei bezieht sich die Rechengrundlage nicht auf die wirklich anfallenden Kosten, sondern auf ein Konstrukt aus der Vergangenheit, wodurch diese Menschen, auch nach offiziellen Ansagen, zusätzlich auf private Hilfen wie die Tafeln oder Kleiderkammern angewiesen sind. Die Betroffenen gelten allein deshalb als Problemfälle, weil sie schon lange kein Arbeitgeber mehr beschäftigen wollte. Das stellt ihre Brauchbarkeit grundsätzlich in Frage – das Urteil, das Arbeitgeber über sie gefällt haben, wird so zu ihrer Eigenschaft.
Wer über keine Ausbildung verfügt oder keinen Schulabschluss hat – aktuell sind es 50 000 Jugendliche pro Jahr –, dessen Tauglichkeit ist ebenfalls zweifelhaft. Denn er hat nicht nur den Erwerb bestimmter Fähigkeiten verpasst, sondern den Beweis nicht erbringen können, dass er über die entsprechende Arbeitsmoral verfügt. Alleinerziehende stehen ihrem Arbeitgeber nicht unbeschränkt und zu jeder Zeit zur Verfügung, weil sie sich eben auch noch um ihre Kinder kümmern müssen. Damit ist ihre Brauchbarkeit ebenso eingeschränkt wie die derjenigen Menschen, die körperliche oder psychische Handicaps aufweisen. Migranten oder Flüchtlinge, sofern sie denn überhaupt geduldet werden, verfügen oft nicht über die entsprechenden Sprachkenntnisse und kennen sich mit den rechtlichen und kulturellen Gegebenheiten nicht aus, stellen auch unter den Jugendlichen ohne Schulabschluss einen hohen Anteil. Also sind auch sie nur bedingt tauglich.
Der Sache nach bestätigt die Statistik, die das Phänomen Arbeitslosigkeit fast wie eine Schicksalsgegebenheit behandelt, die Analysen des alten Theoretikers Karl Marx. Der hat schon vor langer Zeit nachgewiesen, dass der Kapitalismus sich durch die ständige Attraktion und Repulsion von Arbeitskräften und einen dazugehörigen „Bodensatz“ von Menschen auszeichnet, die als überflüssig gelten, weil sie unbrauchbar sind. Massgeblich sind hier die Konjunkturen des Geschäfts und nicht die Entscheidungen von Vati und Mutti, sich was Kleines zuzulegen, oder von Oma oder Opa, den Lebensabend möglichst in die Länge zu ziehen.
Deutschland braucht Zuwanderer, aber die richtigen
Damit das Kapital immer ausreichend Arbeitskräfte mit der entsprechenden Qualifikation zur Verfügung hat und sie sich auch auswählen kann – sonst werden diese Leute noch zu anspruchsvoll –, braucht es Zuwanderung, von 400 000 pro Jahr, so das Urteil von Fachleuten. Nun mangelt es nicht an Leuten, die nach Deutschland wollen und dabei einige Gefahren auf sich nehmen, um in die bestens abgeschirmten europäischen Länder zu gelangen. Da unternimmt ja Deutschland in Gemeinschaft mit seinem Europa schon Einiges, um diese Menschen von den Grenzen fernzuhalten.
Denn schliesslich will ein Staat es nicht denjenigen überlassen, die Arbeit suchen, ob sie ins Land kommen oder nicht. Das bestimmt er schon selber; wer mit welcher Qualifikation die Grenzen überschreiten und für länger oder kürzer bleiben darf, ist eine Sache hoheitlicher Gewalt. Diese Klarstellung kostet regelmässig Menschen das Leben – nicht nur im Mittelmeer, sondern z.B. auch an der Grenze von Polen zu Belarus oder der zwischen Griechenland und der Türkei. Da die Staaten sehr genau die Bedingungen der Einreise festlegen, gibt es auch immer wieder die Klage über zu viel Bürokratie, Unternehmen könnten sich da unternehmerfreundlichere Lösungen vorstellen.
Andererseits machen Arbeitgeber gerade von dem fehlenden Qualifikationsnachweis oder dessen fehlender Anerkennung Gebrauch, indem sie hochqualifizierte Kräfte als Billiglöhner einsetzen. Doch es bleibt das Problem, dass sowohl die anspruchsvollen Kriterien für eine Einreise in die EU bzw. nach Deutschland als auch die Praktiken im Umgang mit den hier beschäftigten Migranten Deutschland nicht gerade zum Zielland für qualifizierte Arbeitskräfte aus fremden Ländern machen, der „Brain Drain“ also weiterer Betreuung bedarf.
Der Zwang zur Arbeit – muss besser greifen
Politiker entdecken daher immer wieder ein noch nicht genutztes oder zu wenig genutztes Arbeitskräftepotential. So fordert der Wirtschaftsfunktionär Steffen Kampeter: „Wir brauchen mehr Bock auf Arbeit“ (SZ, 1.3.23). Er meint damit, dass die Menschen nicht so sehr auf ihre Freizeit achten, sondern mehr den Betrieben zur Verfügung stehen sollten. Und das nicht einfach, weil sie bei Mehrarbeit auch ein Plus bei Lohn oder Gehalt verbuchen könnten. Es soll vielmehr aus purer Lust erfolgen. Und das passt genau in die Landschaft, Mehrarbeit bedeutet heutzutage ja nicht unbedingt, dass die Überstunden vergütet werden:
„Jedes Jahr machen Beschäftigte in Deutschland zahlreiche Überstunden – und mehr als ein Fünftel von ihnen wird dafür noch nicht einmal bezahlt. Zugenommen hat zuletzt die Bedeutung von Überstunden, die durch Freizeit ausgeglichen werden können. Das geht aus den aktuellen Daten des Statistischen Bundesamts (Destatis) und des Instituts für Arbeitsmarkt und Berufsforschung (IAB) hervor… Knapp jeder Dritte macht mehr als 15 Überstunden pro Woche.“
So nutzen Arbeitgeber die Abhängigkeit ihrer Beschäftigten aus, um sie kostenlos für sich arbeiten zu lassen. Und wenn es heisst, dass Überstunden verstärkt durch Freizeit ausgeglichen werden können, dann bedeutet dies in der Praxis unter Umständen nur, dass die betreffenden Mitarbeiter ewig ein hohes Freizeitkonto vor sich herschieben. Denn betriebliche Belange haben immer Vorrang und stehen möglicher Weise einem Ausgleich entgegen. Es sei denn, die Geschäfte gehen schlecht, dann darf der Mitarbeiter gegebenenfalls die Freizeit in Anspruch nehmen, so lange, bis ein neues Kommando erfolgt.
Dass junge Arbeitnehmer bei ihrem Bewerbungsgespräch nach Überstundenregelungen fragen, hält übrigens die Chefin der Agentur für Arbeit und ehemalige Arbeitsministerin Andrea Nahles (SPD) für eine Zumutung. „Arbeit ist kein Ponyhof“ gab sie zu Protokoll und machte damit deutlich, dass Arbeitszeitbegrenzungen zwar im Arbeitsvertrag geregelt sein mögen, aber darauf zu pochen komme für Arbeitnehmer eigentlich nicht in Frage. Sie haben eben dann und so lange zur Verfügung zu stehen, wenn und wie das Kapital sie braucht. Bild am Sonntag (5.3.23) ergreift auch gleich Partei für die ehemalige Ministerin, indem das Blatt Menschen vorführt, die aus lauter Lust an der Arbeit arbeiten und für die Geld nicht das Wichtigste ist. Sie können z.B., wie im Bild belegt, auch von Südafrika aus arbeiten oder haben das schon immer so gemacht. Wovon die zitierte Dame, der das Geld nicht so wichtig ist, die Reise nach Südafrika bezahlt hat, bleibt dabei allerdings offen.
Eine Verschleuderung von ungenutztem Arbeitskräftepotenzial entdeckt so mancher Politiker oder Journalist im Rentenalter und vor allem in der Möglichkeit der Frühverrentung mit 63 Jahren, wenn die Betreffenden die vollen Beitragsjahre geschafft haben. Natürlich haben vor allem die rot-grünen Politiker mit ihren Rentenkürzungen schon einiges erreicht, was den Zwang zu längerem Arbeiten auch nach dem Renteneintrittsalter anbetrifft. Und auch die folgenden Regierungen waren nicht müssig und haben das Rentenalter erhöht. Wer früher in Rente geht oder gehen muss, der hat erhebliche Abschläge von der sowieso schon reduzierten Rente in Kauf zu nehmen.
In der Diskussion ist jetzt, die Flexibilisierung des Rentenalters mit erhöhten Zuverdienstmöglichkeiten zu verbinden. Ein festes Datum für den Renteneintritt ist damit passé. Stattdessen ist noch einmal unterstrichen, dass von der Rente kaum noch einer leben kann, weswegen Arbeit im Alter ganz selbstverständlich die neue Perspektive ist. Und so haben denn auch investigative Journalisten der Süddeutschen einen 85 jährigen aufgespürt, der es zu Hause zu langweilig findet und begeistert zur Arbeit geht. (SZ 4.3.23) Eine echte Perspektive für alte Alleinstehende!
Zuwenig genutzt ist auch noch die Arbeitskraft der Frauen. Wie der Missstand zu beheben wäre, weiss ein Kommentator der Süddeutschen: „Mehr Kinderbetreuung und weniger Fehlanreize wie das Ehegattensplitting ermutigen Mütter, mehr zu arbeiten als Mini-Teilzeit.“ (Alexander Hagelücken, SZ 1.3.23) Eltern sollen hier und heute eben Kinder in die Welt setzen, um sie möglichst schnell wegzugeben, denn Familienleben ist schliesslich vergeudete Zeit, die nicht zum Wirtschaftswachstum beiträgt. An dieser Front haben Politik und Wirtschaft viel geleistet, um Frauen weg vom Herd hinein ins Büro, in die Fabrik oder hinter die Kasse zu bringen. Die Löhne der Männer wurden durch schleichende Inflation und zu geringen Ausgleich schrittweise entwertet und so die Frauen zu notwendigen Mietverdienerinnen gemacht.
Der Versorgungsausgleich im Falle einer Scheidung wurde gesenkt, die Rente gekürzt und damit sind Frauen der Wahl weitgehend enthoben – frei zu entscheiden, ob sie sich lieber um Haus und Kinder kümmern wollen oder arbeiten gehen.
Das Doppelverdienerdasein ist zur Normalität geworden und damit das Familienleben auf den Feierabend und das Wochenende verkürzt. Und so gibt es jetzt die Diskussion um Work-Life-Balance, wobei die Alternative immer heisst, dass weniger Arbeit weniger Lebensstandard bedeutet, und in der Regel geben die Arbeitgeber vor, wie die Balance ausfällt. Dass viele Frauen nur Teilzeit arbeiten, lässt Politiker und Politikerinnen vor allem der Grünen keine Ruhe; sie bringen daher das Ehegattensplitting als Beschäftigungshindernis in die Diskussion. Die Beseitigung der bisher gültigen gemeinsamen Steuerveranlagung, die für das Paar zu niedrigeren Steuern führt, soll den Effekt haben, dass die Frauen stärker gezwungen werden, eine Arbeit anzunehmen.
Angepriesen wird dieser Druck als Befreiung der Frau. Bisher ist sie oft als Geringverdienerin in der ungünstigeren Steuerklasse eingestuft, um so die Steuerzahlung während des Jahres bereits niedrig zu halten. Mit dem Lohnsteuerjahresausgleich werden die unterschiedlichen Steuerleistungen verrechnet und beide Partner dann steuerlich gleich gestellt. Die Abschaffung des Ehegattensplitting, die als Vorteil verkauft wird, würde eine Schädigung darstellen, wenn Frauen wie Männer in der gleichen Steuerklasse gleichermassen steuerlich gerupft werden. Ein gelungener Fall feministischer Steuerpolitik!
Der jungen Generation muss auch auf die Sprünge geholfen werden, damit sie sich so schnell wie möglich und so passend wie nötig für den Bedarf der Wirtschaft herrichtet, wobei eine neue Dienstpflicht – so die aktuelle Debatte über den deutschen Wehrwillen – vielleicht helfen könnte. Ein staatlicher Zwangsdienst käme natürlich zunächst dem Bedarf der Wirtschaft in die Quere, aber clevere Ideen sind, wie Telepolis berichtete, schon unterwegs. CDU-Verteidigungsexperte Kiesewetter ist klar, dass eine wieder eingeführte Wehrpflicht „im Spannungsfeld der Wirtschaft mit eklatantem Fachkräftemangel“ stehen würde . Daher favorisiert er das „norwegische Modell“, eine Kombination von allgemeiner Dienstverpflichtung mit einem nachfolgenden Auswahlverfahren, das die Spreu vom Weizen trennt und die zukünftigen Helden der Arbeit und des Schlachtfelds sauber sortiert.
So oder so, eins stellt die deutsche Politik hier klar: Sich wegen Alter oder Familienpflichten, wegen Aus- oder Fortbildungsbedarf, geschweige denn wegen dem Wunsch nach einer Auszeit, dem Arbeitsmarkt (und möglicher Weise demnächst einem neuen Dienst an der Waffe) zeitweise zu entziehen, geht gar nicht. Dafür sind die Insassen des hiesigen Standorts nicht vorgesehen. Ihr Dasein ist vielmehr für Wirtschaftswachstum und Mehrung der Staatsmacht verplant – auch wenn von Planung in dieser tollen Wirtschaftsordnung weit und breit nichts zu sehen ist.
Der Beitrag erschien auf https://overton-magazin.de/ und wird mit freundlicher Genehmigung des Autors hier gespiegelt. Bildbearbeitung: L.N.