Gleichstellung – oder die Frauen für den Konkurrenzkampf fit machen?

FrauenTermineAls im Sommer 2014 das Frauenbüro der Stadt Dortmund die „FrauenTermineDortmund“ herausbrachte, haben sich gestandene Gewerkschafterinnen beim Hineinschauen wohl die Augen gerieben und sich gefragt, ob sie das alles richtig gelesen haben.

In dem Veranstaltungsprogramm geht es vor allem um Angebote für Frauen, durch die sie gesund, fit, kräftig, aktiv, stark, ausdauernd, entspannt, gelassener werden und lernen abzuschalten, sich gesund zu ernähren und sich neu zu entfalten. Alles Merkmale, die auf dem Arbeitsmarkt im Konkurrenzkampf zwischen den Frauen, aber auch zwischen Männern und Frauen immer wichtiger werden. Sie dienen dazu, sich und ihre Arbeitskraft besser als andere verkaufen zu können und im täglichen Stress länger gesund und verwertbar zu bleiben.

Die Gleichstellungsbeauftragte der Stadt Dortmund fordert im Vorwort des Programms die Frauen dazu auf, ihre persönliche Gleichstellung voranzubringen. Wäre es nicht sinnvoller, die Frau dazu aufzurufen, auch die strukturelle Gleichstellung voranzubringen? Besonders doch in Dortmund, wo z.B. die Beschäftigungsquote der Frauen derzeit bei 43,4 Prozent liegt und das Bruttoarbeitsentgelt der Männern 3.223,00 Euro beträgt, bei den ebenfalls vollzeitbeschäftigten Frauen dagegen nur 2.764,00 Euro.

Da ist vieles noch gleichzustellen.

Im Folgenden werden einige Veranstaltungsthemen einmal so, wie man das Programm durchblättert, wörtlich aufgeschrieben:

– Heilsames Berühren: Handauflegen;

– Tag der Achtsamkeit: Tanzu und Stille-Meditation, Bewegung und Sitzen in Stille;

– Pilates für Einsteiger: Das Training schließt Kraftübungen, Streching und bewusste Atmung ein;

– Wurzeln und Flügel – Heilungs- und Kraftgesänge;

– Lego Mindstorums NXT (Steuerungscomputer der Spielwarenfirma Lego, L.N.) für unter 25ig-Jährige;

– Unternehmenspräsentation und Tipps für versch. Internetprogramme;

– Heilungs- und Kraftgesänge, gesungen und getanzt;

– Gymnastik für Frauen, Hatha Yoga für Frauen ( 2-mal im August)

– Feministischer Gottesdienst – ein Gottesdienst nach feministischer Liturgie mit einer thematischen Predigt und offener Mahlfeier;

– Wie schütze ich mich vor Einbrüchen und Diebstahl – mit Detlef B.(unterstr.L.N.), Polizei Dortmund;

– Hatha Yoga für Frauen – durch sanftes Üben, geleitet durch eigenen Atemrhythmus, werden Spannungen abgebaut, die Muskulatur gestärkt und die Konzentration geschult;

– Business-Coching und Mediation: Mehr Gelassenheit, mehr Schwung, mehr Entscheidungsstärke. Machen Sie sich Ihr persönliches Erfolgskonzept bewusst;

– Vorstellung der verschieden Schmerztherapien und Wellnessmassagen;

– Wie Frau sich – trotz allem – wohlfühlen kann;

– Wohlfühltag für Frauen, neben der Progressiven Muskelentspannung, Phantasiereisen und kleinen Massageanleitungen begleiten Achtsamkeitsübungen diesen Frauengesundheitstag;

– Resilienz – Innere Stärke, ein Vortrag von Jörg R. (Resilienz ist die Fähigkeit, Krisen durch Rückgriff auf persönliche und sozial vermittelte Ressourcen zu meistern und als Anlass für Entwicklungen zu nutzen, unterstr. L.N.);

– Warum tanzt du nicht? Ein Bewegungsangebot für Frauen, die durch Tanzen fit und aktiv bleiben und vom Alltag(sstress) abschalten wollen;

– Trau dich – Aufrecht durchs Leben gehen, im Rahmen von Fantasiereisen, Rollenspielen und Gesprächen kann jede Frau für sich erproben, wie es ist, Königin im eigenen Reich zu sein;

– Unternehmerinnenfrühstück, Frühstück zum Netzwerken und Austausch für Unternehmerinnen und Selbständige;

– Kosmetika selbst herstellen, wir werden unsere eigene Pflegecreme herstellen;

– Shiatsu und Hot Stone-Massage, das Tagesseminar bietet eine Kombination von Shiatsu-Anwendung und Hot Stone-Massage;

– Ebru – die Kunst des Malens auf dem Wasser;

– Mit Misserfolgen gelassener umgehen, Vortrag von Barbara F.;

– Gymnastik für Frauen, Hatha Yoga für Frauen; (2-mal Oktober)

– Workshop Empfehlungsmarketing, gegenseitiges Empfehlen ist wichtiger Baustein eines Unternehmerinnen-Netzwerks;

– Salon der Querdenkerinnen, Frauen in der Reformationszeit. Neben einzelnen weiblichen Biografien, geht es um die Aufbrüche zur Gleichberechtigung von Frauen in der Kirche;

– Der Aphrodite-Workschop, das ganzheitliche Konzept enthält Elemente aus Bodyforming, Yoga, Qi Gong, Beckenbodentraining sowie freiem Tanz;

Es fallen aber auch schon einige andere Angebote auf, wie die des Arbeitslosenzentrums (ALZ), ebenso wie die Veranstaltungen „Internationaler Gedenktag gegen Gewalt an Frauen“, „Internationaler Frauentag im Rathaus“ und der „Equal Pay Day 2015“.

So richtig und wichtig es sein mag, die persönliche Gleichstellung voranzubringen und sichzu landen. Auch Unternehmerin zu werden, bleibt meist eine Illusion.

So ist ein harter Konkurrenzkampf sogar um die geringfügige oder prekäre Beschäftigung entstanden. Dazu kommt, dass junge Menschen auch in Dortmund zunehmend Schwierigkeiten haben, sich eine Welt jenseits von Geld und Ware vorzustellen. Sie werden in eine städtisch ausgerichtete Gesellschaft hineingeboren und darin sozialisiert, in der mittlerweile alles zur Ware geworden ist; selbst ihre Bildung, Gesundheit und soziale Kontakte. Die Logik von Geld und Ware durchdringt alle Lebensbereiche, bis hinein in ihre alltägliche Lebensführung. Sie sind einem permanenten Konkurrenzdruck ausgeliefert, bei dem kein Platz mehr für „konkrete Utopien“ ist. Sie müssen sich zunehmend als lebendige Waren- und Geldsubjekte verstehen und andauernd an ihrer Selbstoptimierung arbeiten. Ihr möglichst makelloses Gesicht ist zum Markenzeichen mutiert und muss zu Eigenwerbezwecken in die „sozialen“ Netzwerke eingestellt und öffentlich gezeigt werden. Die jungen Menschen wissen genau, dass ihre vielen virtuellen Freunde eigentlich mehr ihre Konkurrenten sind und ihr zukünftiges Leben an Reichtum, Konsumieren, Spaßhaben und individuelle Stärke und Durchsetzungsvermögen gemessen wird.

Sie wissen wahrscheinlich noch nicht, dass

– ihre Arbeitskraft im Zuge der dritten, der mikroelektronischen industriellen Revolution überflüssig geworden ist und nicht mehr gebraucht wird

– sie, anders als noch ihre arbeitslosen Vorgängergenerationen, nicht zur industriellen Reservearmee gehören, die nach der Krise wieder eingestellt werden konnte, sondern sie überflüssig sind

– sich durch die Globalisierung und Rationalisierung die Produktivität immens erhöht, aber die Anzahl der Arbeitsplätze sich verringert und die weltweite Massenarbeitslosigkeit sich strukturell verfestigt hat

– sie keine durchgängige Beschäftigungsbiografie haben werden, sie meist flexible Beschäftigungsverhältnisse haben, die kaum eine Lebensplanung ermöglichen und sich nicht um die ausreichende Altersvorsorge kümmern können

– dass im Konkurrenzkampf soziales Verhalten als Schwäche ausgelegt wird, Gesund- und Fitsein ausgestrahlt werden muss, sie ständig erreichbar, mobil sein müssen und nirgendwo dauerhaft Wurzeln schlagen können

und

wenn sie eine „gute Arbeit“ haben, sie ständig einer Überforderung ausgesetzt sein werden, die sie langfristig körperlich und seelische erkranken lässt.

Für die jungen Menschen und insbesondere für die jungen Frauen ist es wichtig, in der älteren Generation Vorbilder kennenzulernen, die ihnen beispielhaft zeigen, wie sie sich solidarisch wehren, etwas bewegen, verändern und sich organisieren können.

Diese Vorbilder gibt es für junge Frauen auch in Dortmund: Beispielsweise die Frauen der Frauenaktion Dortmund (FAD) in den 1970er Jahren:

„Sie wurden Feministinnen und wollten die Welt verändern. Bildungshunger und Freiheitssehnsucht, Unabhängigkeitsstreben und Selbstbestimmungsbeharren motivierte die jungen Frauen. Der Frauenbewegungs-Urknall – nicht mehr allein zu sein, etwas öffentlich machen und verändern zu können – einte sie. Als Feministinnen gingen sie ins Arbeits- und Privatleben und trugen Frauenbewegungsideen in die Gesellschaft“- zitiert aus: „Wir wollten die Welt verändern – Dortmunder Feministinnen erinnern sich“

Die Gewerkschafterinnen und Aktivistinnen der Frauenaktion Dortmund (FAD) der ersten Stunde, Ingrid Kirschner, Hannelore Weihert und Renate Wurms würden sich beim Betrachten der Broschüre „FrauenTermineDortmund“ wohl in ihrem Grab umdrehen.

Wir in Dortmund haben es doch in den vergangenen Jahren genau sehen können – ob Kita-Streik, Schlecker-Insolvenz oder Streik im Einzelhandel: Das Gesicht der heutigen Arbeitskämpfe ist weiblich und die Gewerkschafterinnen haben gezeigt, welches Potenzial die Organisierung des weiblichen Teils der Beschäftigten entfalten kann.

Weitere Informationen: „Wir wollten die Welt verändern – Dortmunder Feministinnen erinnern sich“, Verlag: Lessing, I; Auflage: 1 (20. April 2011)

ISBN-10: 392993129X

ISBN-13: 978-3929931297

Bild: Stadt Dortmund