Unbezahlte Überstunden, Arbeitsvolumen auf Rekordhoch und Leistungsverdichtung – trotzdem müssen sich die Beschäftigten mangelnden Einsatz vorwerfen lassen. Eine Frechheit. CDU und FDP wollen sogar ans Arbeitszeitgesetz ran, um die Arbeitszeiten auszuweiten.
Der Bundestagswahlkampf treibt mal wieder wilde Stilblüten. Wenn nicht gerade der Sozialstaat für die ökonomischen Probleme verantwortlich gemacht wird, sind es die angeblich zu faulen Beschäftigten. Da spricht CDU-Kanzlerkandidat Friedrich Merz davon, dass Arbeit nicht länger als „unangenehme Unterbrechung unserer Freizeit“ gelten darf, während sein Generalsekretär Carsten Linnemann in Deutschland „gar keine Leistungsbereitschaft mehr“ vorhanden sieht. Ins gleiche Horn stößt auch FDP-Chef Christian Lindner, wenn er pauschal längere Arbeitszeiten fordert.
Arbeitszeitgesetz im Fokus
In diesem Sinne haben sich beide Parteien programmatisch aufgestellt. Auf ihrem Parteitag hat die Union für den Fall ihrer Regierungsübernahme ein Sofortprogramm beschlossen, nach dem im Arbeitszeitgesetz zügig statt einer täglichen eine wöchentliche Höchstarbeitszeit – heißt Aufweichung des 8-Stunden-Tages – festgeschrieben werden soll. Um einen Anreiz für Mehrarbeit zu setzen, ist zudem vorgesehen, Überstundenzuschläge von der Steuer zu befreien. Beide Punkte finden sich ebenfalls im FDP-Wahlprogramm wieder.
Arbeitsvolumen auf Rekordniveau
Es ist nicht nur eine Beleidigung, den Beschäftigten, die täglich harte Arbeit leisten, ihren Fleiß abzusprechen. Vor allem ist diese Unterstellung faktenfrei: In den vergangenen Jahren ist das Arbeitsvolumen, nur unterbrochen durch den Corona-Knick, stetig angestiegen und hat zuletzt einen Höchststand erreicht (siehe Grafik). Ebenso irreführend ist der Ruf nach steuerlichen Vorteilen. 2023 wurden fast 1,3 Mrd. Überstunden geleistet, 57 Prozent wurden nicht vergütet. Es kann also keine Rede davon sein, dass zu wenig gearbeitet wird oder sich für die meisten Beschäftigten durch Mehrarbeit finanzielle Vorteile ergeben würden.
Mehr Deregulierung als Ziel
Die stumpfe Forderung nach längeren Arbeitszeiten als Mittel der Krisenbewältigung soll letztlich nur dazu dienen, den zeitlosen Wünschen der Arbeitgeberlobby nach mehr Deregulierung zu entsprechen. Ihnen geht es vor allem darum, frei nach ihrem Gusto über die Arbeitskraft der Beschäftigten verfügen zu können. Deshalb sollen bestehende Schutzstandards im Arbeitszeitgesetz, wie die maximale Tagesarbeitszeit und verpflichtende Ruhezeiten, geschliffen werden.
Gesundheit steht auf dem Spiel
Die Beschäftigten haben davon nichts Gutes zu erwarten. Schon jetzt ist das Arbeitszeitrecht ausreichend flexibel, Tarifverträge und Betriebsvereinbarungen gewähren Spielräume. Weitere Entgrenzungen sind dagegen eine Gefahr für die Gesundheit. Wird die Marke von als acht Stunden überschritten, nimmt das Unfallrisiko am Arbeitsplatz signifikant zu. Überstunden und kürzere Ruhephasen stören die Work-Life-Balance und lösen körperliche Beschwerden, Schlafstörungen und psychischen Stress aus. Wem ist damit geholfen?
Hände weg vom Arbeitszeitgesetz
Wer das Arbeitszeitgesetz, und damit die historische Errungenschaft des 8-Stunden-Tages, untergaben will, hat daher mit erheblichem Widerstand seitens des DGB und der Gewerkschaften zu rechnen. Statt ideologischer Scheindebatten wäre es sinnvoller, ernsthaft über die Hebung noch vorhandener Fachkräftepotenziale zu diskutieren. Hierzu liegen gute Vorschläge parat. Für ihre Arbeit verdienen die Beschäftigten Respekt, keine Belehrungen.
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#Schlaglicht 04/2025 – Längere Arbeitszeiten? Hände weg vom Arbeitszeitgesetz! (PDF, 171 kB)
Quelle und Grafik:https://niedersachsen.dgb.de/schlaglicht