Wahlen – eine Angelegenheit der Reichen? Grenzen der repräsentativen Demokratie bei der Kommunalwahl in einem „abgehängten“ Stadtteil

In Nordrhein-Westfalen werden am 14. September 2025 die kommunalen Vertretungen für 396 Städte und Gemeinden neu gewählt. Nach landläufiger Meinung ist in der repräsentativen Demokratie die Kommunalwahl die höchste Form der Partizipation für den einzelnen Bewohner in der Stadt oder Gemeinde.

Während die Wohlhabenden mitgestalten möchten und wählen gehen, koppeln sich die Ärmeren immer mehr ab, sie stellen den übergroßen Teil der Wahlverweigerer. Dementsprechend haben die reichen Teile der Gesellschaft deutlich mehr Einfluss auf die Zusammensetzung des Bundes- und Landtages und der Kommunalparlamente genommen als die ärmeren.

Die armen Menschen haben gute Gründe nicht zur Wahl zu gehen. Sie finden keine Partei mehr, die ihnen ein Angebot macht, niemand fragt sie nach ihren Interessen und keiner setzt sich für ihre Belange ein. Hinzu kommt, dass in den „Problemstadtteilen“ eine riesige Anzahl von Menschen erst gar nicht an dieser Demokratieveranstaltung teilnehmen darf.

So entsteht ein Kreislauf, der nur den konservativen und rechten Parteien nützt, die ganze Gesellschaft weiter nach rechts ausrichtet und den Menschen das parteipolitische Interesse raubt.

Am Beispiel der Dortmunder Nordstadt sollen die letzten Kommunalwahlen von 2020 einmal genauer betrachtet werden.

In dem statistischen Bezirk Innenstadt-Nord

  • lebten am Jahresende 2019 dort 59.604 Menschen, 27.739 von ihnen hatten einen deutschen Pass und 31.865 besaßen eine andere als die deutsche Staatsbürgerschaft. Von den EU-Bürgern einmal abgesehen, konnte fast die Hälfte der Gesamteinwohner der Nordstadt erst gar nicht an der Kommunalwahl teilnehmen,
  • hatten hier von den 31.255 Wahlberechtigten nur 7.663 Wähler ihre Stimme abgeben, das macht eine Wahlbeteiligung von nur 24,52 Prozent,
  • im Wahlbezirk 3 hatte der neu gewählte Ratsvertreter von den 9.983 abgegebenen Stimmen nur 650 erhalten, das reichte für einen Sitz im Rat der Stadt Dortmund, einer Stadt mit 600.000 Einwohnern

und

im Wahlkreis 3106 wurden den 919 Wahlberechtigten die Unterlagen zugesandt. 111 Menschen haben dort an der Wahl teilgenommen, das sind 12,08 Prozent.

Insgesamt gesehen hatten rund vier Fünftel aller Einwohner der Nordstadt mit der Zusammensetzung ihrer Vertretung rein gar nichts mehr zu tun oder wollten nichts damit zu tun haben. Wahlen – eine Angelegenheit der Reichen? Grenzen der repräsentativen Demokratie bei der Kommunalwahl in einem „abgehängten“ Stadtteil weiterlesen

Den Frieden gewinnen, nicht den Krieg: Dritte Gewerkschaftskonferenz für den Frieden

Während das Risiko eines Dritten Weltkrieges beständig steigt, befördern immer neue Aufrüstungspläne den sozialen Kahlschlag. Verschärfungen beim Bürgergeld, die Beerdigung der Kindergrundsicherung oder die Kürzungen in den Kommunal- und Landeshaushalten, all das sind Vorboten dessen, was bereits die Ampel-Regierung in der „Nationalen Sicherheitsstrategie“ angekündigt hatte: Hochrüstung zu Lasten der Menschen in diesem Land. Merz & Co. werden den Kurs beschleunigen. In dieser „Atmosphäre des Verzichts“ geraten auch Tarifpolitik und gewerkschaftliche Durchsetzungsstrategien unter Druck. Das haben die Tarifauseinandersetzungen im Öffentlichen Dienst, bei der Bahn und der Post deutlich gezeigt.

Deshalb ist es notwendig, sich in Gewerkschaften mit dem Zusammenhang von Kriegspolitik und Sozialkahlschlag auseinanderzusetzen und Schlussfolgerungen zu ziehen. Nach den friedenspolitischen Gewerkschaftskonferenzen 2023 in Hanau und 2024 in Stuttgart findet am 11./12. Juli die dritte Konferenz dieser Art in Salzgitter statt. Die von der Rosa-Luxemburg-Stiftung in Kooperation mit der IG Metall Salzgitter-Peine organisierte Veranstaltung ist eine gute Gelegenheit für die Entwicklung von Strategien, um die Friedenspositionen in den Gewerkschaften zu stärken.

In der Einladung heißt es unter anderem: Den Frieden gewinnen, nicht den Krieg: Dritte Gewerkschaftskonferenz für den Frieden weiterlesen

Ein halbes Jahr Tarifstreit im Land der Zeitenwende – Arbeitgeber sagen harte Zeiten für die Beschäftigten an, die Gewerkschaften gestalten sie mit

Der neue Bundeskanzler fordert, „wir müssen in diesem Land wieder mehr und vor allem effizienter arbeiten“, und verlangt eine „gemeinsame Kraftanstrengung“, damit es mit Deutschland wirtschaftlich wieder vorwärtsgeht. Das muss man Deutschlands Arbeitgebern nicht zweimal sagen. Sie sind längst dabei, die Lohnarbeit unter ihrem betrieblichen Kommando in ihrem Sinne effizienter zu gestalten. Im Umgang mit ihren Belegschaften führen sie dabei vor, was sie an der Errungenschaft einer modernen Tarif- und Sozialpartnerschaft haben: Die Arbeitnehmervertretung muss nicht nur zusehen, wie sie mit dieser Umgestaltung der Arbeitswelt zulasten der Beschäftigten klarkommt, sie bemüht sich auch unermüdlich darum, bei alledem bloß nicht den Anschluss zu verlieren, damit sie weiter ihre Rolle als kompetenter Mitgestalter ‚guter Arbeit‘ spielen kann. So sorgt sie mit für die Fortschritte bei der ‚Effizienz‘ der Lohnarbeit in Deutschland, die der Kanzler einfordert. Ein halbes Jahr Tarifstreit im Land der Zeitenwende – Arbeitgeber sagen harte Zeiten für die Beschäftigten an, die Gewerkschaften gestalten sie mit weiterlesen

Was uns die öffentliche Debatte über das Manifest der ´SPD-Friedenskreise´ über die Verkommenheit der Verhältnisse und des politischen Diskurses in Deutschland und den Un-Zustand der SPD lehrt, während gleichzeitig Angriffskrieg zur geschätzten ´Drecksarbeit´ wird, und das verordnete ‚Wir‘ zu seiner ideologischen Uniform

Von Andreas Buderus

Dass der fromme Wunsch einer Nicole nach ´ein bisschen Frieden´, der Deutschland im Gegensatz zu den heutigen erbärmlichen nationalen Ergebnissen beim ESC, im Jahre 1982 zu Platz 1 an der Sonne gereichte, mal den massiven Protest der Staatsgewalt hervorruft – Leute, wer hätte das gedacht… Fällt euch da nichts auf?! Ein bisschen Frieden, ein bisschen Träumen (wie bei der Guerot, die ja auch will, dass „wir wieder von Europa träumen können“), und dass die Menschen nicht so oft weinen – das grenzt schon an Wehrkraftzersetzung (im Dienste Putins, wie die FAZ gleich weiß, ob der jetzt diese Kollaborateure bezahlt oder nicht).

Die Tragödie der Gegenwart liegt nicht nur in der Barbarei des globalen imperialistischen Mordens, das in den in den Trümmern von Mariupol und Donezk, den Schutthaufen von Gaza und den Straßen von Djenin und Tulkarem, in den Flüchtlingscamps des Sudan, im Feuer Israelischer und US-amerikanischer Bunker-Buster im Iran, im Chinesischen Meer oder auf den Bergen Kurdistans und in Rojava täglich neue Opfer fordert. Sie liegt gleichermaßen in der moralischen Feigheit und politischen Verkommenheit derer, die sich in den Zentren der Macht als Garanten von Frieden und Freiheit gerieren, während sie mit jedem neuen entgrenzten Aufrüstungspaket, jeder Waffenlieferung und jeder Propagandasalve Öl in das Feuer des globalen Kriegsinfernos gießen. Was uns die öffentliche Debatte über das Manifest der ´SPD-Friedenskreise´ über die Verkommenheit der Verhältnisse und des politischen Diskurses in Deutschland und den Un-Zustand der SPD lehrt, während gleichzeitig Angriffskrieg zur geschätzten ´Drecksarbeit´ wird, und das verordnete ‚Wir‘ zu seiner ideologischen Uniform weiterlesen

Massiver Angriff auf Arbeitszeitgesetz durch Union und SPD

Der Gewerkschafter Taro Tatura über die Verlängerung der Arbeitszeiten

Es ist kein Angriff auf den Acht-Stunden-Tag! Es ist viel schlimmer! Der geplante Angriff aufs Arbeitszeitgesetz durch Union und SPD ist derzeit in aller Munde, und während »die Wirtschaft« den Vorschlag bejubelt, hagelt es von Gewerkschaften und anderen progressiven Kräften Kritik. Doch was wird kritisiert?

Es heißt, die Bundesregierung plane, den Acht-Stunden-Tag abzuschaffen. Aber stimmt das? Kurzfassung: Nein! Langfassung: Im Arbeitszeitgesetz steht zwar etwas von acht Stunden und dass zehn Stunden nur im Ausnahmefall mit späterem Ausgleich möglich sind, doch die Debatte übersieht eins: Die erkämpfte Normalität der Fünf-Tage-Woche hat es nie ins Arbeitszeitgesetz geschafft!

Die täglichen acht Stunden beruhen darauf, dass diese an sechs Tagen pro Woche gearbeitet werden. Dadurch kommen wir auf die wöchentliche Grenze von 48 Stunden. In der heutigen Normalität sind zum Glück eher 40 Stunden an fünf Tagen die Norm. Es ist also schon jetzt möglich zum Beispiel fünf Tage lang je 9,6 Stunden zu arbeiten. Der Ausgleich, den das Gesetz fordert, kommt ganz automatisch dadurch zustande, dass am sechsten Tag nicht gearbeitet wird.

Was will die Bundesregierung nun ändern? Man will im Einklang mit der europäischen Arbeitszeitrichtlinie, eine wöchentliche statt eine tägliche Höchstarbeitszeit festlegen. Massiver Angriff auf Arbeitszeitgesetz durch Union und SPD weiterlesen

Betriebsrat als Gegeninstitution zur Gewerkschaft / Betriebsratswahlen 2026 – Eine Feierstunde der Sozialpartnerschaft wirft ihren Schatten voraus

Von Suitbert Cechura

Die anstehenden Betriebsratswahlen finden zwar erst im März bis Mai des nächsten Jahres statt, doch dafür laufen bereits jetzt die Vorbereitungen. Schliesslich sind diese Wahlen keine Selbstverständlichkeit.

Damit sie in den Betrieben durchgeführt werden, muss vielerorts erst einmal geworben werden; Kandidaten müssen gefunden und geschult und Listen aufgestellt werden. Betriebsratsarbeit ist neben den Tarifverhandlungen ein Schwerpunkt der Gewerkschaften und erfordern von diesen einigen Aufwand, denn für die meisten Arbeitnehmer sind die Betriebsratswahlen nicht das brennendste Problem. Die Belegschaften sind es ja, die zunächst einmal eine solche Wahl beantragen müssen. Und das ist keine Selbstverständlichkeit. So wird aktuell gemeldet, „seit Jahren würden immer weniger Beschäftigte, vor allem in der Privatwirtschaft, durch einen Betriebsrat vertreten. 2024 gab es zwar einen geringfügigen Anstieg um einen Punkt auf 37 Prozent der Beschäftigten in Betrieben mit fünf und mehr Mitarbeitern. Doch in der langjährigen Tendenz sinkt die Praktizierung der betrieblichen Mitbestimmung kontinuierlich.“.

Also muss für die Betriebsratswahlen kräftig geworben werden: Betriebsrat als Gegeninstitution zur Gewerkschaft / Betriebsratswahlen 2026 – Eine Feierstunde der Sozialpartnerschaft wirft ihren Schatten voraus weiterlesen

Die unendliche Karstadt-Pleiten-Geschichte

„Die Definition von Wahnsinn ist, immer wieder das Gleiche zu tun und andere Ergebnisse zu erwarten.“  (Albert Einstein)

Bei der Warenhauskette Galeria, früher noch Karstadt bzw. Kaufhof genannt, kann man wieder einmal beobachten, wie Investoren nach erneuter Entschuldung und Insolvenzverfahren das Unternehmen zur eigenen Bereicherung ausnehmen.

Nach vier Insolvenzen, dem spektakulären Zusammenbruch des Eigners, der Signa-Gruppe,  sollte die Warenhauskette mit weniger Filialen und diesmal mit vorgeblich seriösen Investoren zur Ruhe kommen und die verbliebenen Beschäftigten eine Perspektive erhalten.

Vor zwei Monaten war die Ruhe wieder einmal dahin, in einer Pressemitteilung des Unternehmens hieß es, Galeria strukturiere sein Führungsteam um. So wurde Olivier van den Bossche, der frühere Chef von Galeria Kaufhof, entlassen. Vor allem Lucas Evans, der  Topmanager bei NRDC Equity Partners, die zuletzt bei Galeria eingestiegen sind, soll hinter dieser Entscheidung stehen. Evans konnte dann den Finanzinvestor Bain Capital gewinnen, um den Warenhäusern ein Darlehen zu geben, für das offenbar hohe Zinsen fällig werden. Man spricht von 15 Prozent sowie einer Laufzeit bis April 2029 und der Händler muss umfangreiche Sicherheiten stellen, beispielsweise die Warenbestände. Die Höhe des Darlehns wurde nicht bekannt gegeben, doch wurde die Zahl 60 Millionen Euro genannt.

Galeria steht damit schon wieder mit dem Rücken an der Wand und die nächste Runde der Ausschlachtung hat begonnen. Die unendliche Karstadt-Pleiten-Geschichte weiterlesen

Wer hat uns beraten? Sozialdemokraten! SPD-Dissidenten melden sich zu Wort

Von Johannes Schillo

Anfang Juni treten sozialdemokratische „Friedenskreise“, die sich als Beratungsgremium der Partei verstehen, mit einem Friedens-Manifest an die deutsche Öffentlichkeit und ernten dort zumeist heftigsten Widerspruch. Was ist da los?

Zu dem Manifest, das den Titel „Friedenssicherung in Europa durch Verteidigungsfähigkeit, Rüstungskontrolle und Verständigung“ trägt, hat es in der deutschen (Gegen-)Öffentlichkeit bereits zahlreiche Wortmeldungen gegeben. Die Website IVA ist gleich bei Erscheinen darauf eingegangen und hat die ausführliche Kritik vorgestellt, die die oppositionelle Verdi-Initiative „Sagt nein!“ zu dem Papier vorgelegt hatte. In diesen kritischen Randglossen, die vor dem öffentlichen Eklat abgefasst wurden, konnte auf die neue militante Einheitsfront von Medien, herrschender Politik und Politikberatung gegen jede noch so kleine Abweichung im öffentlichen Diskurs natürlich nicht eingegangen werden. Sie war in der Form auch nicht abzusehen, überraschte selbst die Initiatoren.

Denn an dem SPD-Friedenspapier ist eigentlich „nichts Skandalöses“, wie Ole Nymoen im „Jacobin“-Magazin schrieb: „Eine grundsätzliche Absage an die Kriegstüchtigkeit Deutschlands und Europas ist das nicht. Sondern lediglich eine Warnung vor einer Aufrüstungsspirale, die zukünftige Konflikte eher wahrscheinlicher macht, als sie zu verhindern. Historisch betrachtet ist diese Warnung berechtigt.“ Woher dann die Aufregung? Dazu hier einige Überlegungen. Wer hat uns beraten? Sozialdemokraten! SPD-Dissidenten melden sich zu Wort weiterlesen

Was erwartete die 8,1 Millionen Menschen, die von 2000 bis 2022 nach Deutschland zugewandert sind – wo sind sie verblieben?

Bild: scharf links.deZwischen den Jahren 2000 und 2022 sind 8,1 Millionen Menschen mit ausländischer Staatsbürgerschaft netto (Zuzüge abzüglich Abzüge) nach Deutschland zugewandert. Im gleichen Zeitraum haben netto 0,6 Millionen deutsche Staatsbürger das Land verlassen.

2022 machten eingewanderte Menschen rund 18 Prozent der deutschen Bevölkerung aus, weitere sechs Prozent waren direkte Nachkommen von ihnen. 40 Prozent der nach Deutschland Eingewanderten sind seit 2013 hinzugekommen. Sie waren mit einem Durchschnittsalter von knapp 30 Jahren deutlich jünger als die deutschen Staatsbürger ohne Einwanderungsgeschichte, dort liegt das Durchschnittsalter bei 47 Jahren.

In der Debatte um die Zuwanderung werden das Asylrecht, die Abwehr unwillkommener Menschen bzw. sogenannter Wirtschaftsflüchtlinge und die Behebung eines angeblichen Fachkräftemangels durch die Abwerbung qualifizierter Personen aus dem Ausland miteinander vermischt: So verschieden diese Fragen auch erscheinen, sie haben doch dieselben Ursachen.

Im Folgenden soll versucht werden, nachzuvollziehen, in welchen Arbeitsbereichen die meisten der zugewanderten Menschen unterkommen und ob sie wirklich für die moderne Reservearmee erforderlich sind. Was erwartete die 8,1 Millionen Menschen, die von 2000 bis 2022 nach Deutschland zugewandert sind – wo sind sie verblieben? weiterlesen

IMI-Standpunkt: Eskalation Nahost: Zerschlagung des Irans – Beteiligen sich westliche Militärs an den Angriffen auf Iran?

Von Pablo Flock

Die durch Israel ohne Kriegserklärung begonnenen Angriffe auf den Iran und dessen Vergeltungsschläge halten an und haben im Iran schon über 200 und in Israel über 20 Menschenleben gefordert. Während die deutsche Regierung das israelische Narrativ eines präventiven Verteidigungsschlags nachplappert, zitiert mittlerweile sogar die Tagesschau hauptsächlich Völkerrechtler, die diesen Fall nicht vom Völkerrecht gedeckt sehen. Auf den Punkt bringt es Kai Ambos, Professor für Völkerrecht an der Universität Göttingen, mit den Worten: „Wenn wir die Schwelle für Selbstverteidigung immer weiter nach vorne verlagern, wird das Gewaltverbot – eine Fundamentalnorm des Völkerrechts – praktisch bedeutungslos.“

Während also der ganze Angriff Israels wahrscheinlich völkerrechtswidrig ist, also kein Recht zum Krieg „jus ad bellum“ besteht, hat Israel auch in den letzten Tagen und besonders in der ersten Nacht schwere Kriegsverbrechen begangen, also Vergehen im Krieg „jus in bellum„, nämlich die Morde an zivilen (Nuklear-) Wissenschaftler, sowie die Angriffe auf nukleare Kraftwerke und Forschungszentren. Der ehemalige Chef der Internationalen Atomenergie Behörde (IAEA) und Friedensnobelpreisträger Mohamed ElBaradei kritisierte die Nichtbenennung dieser Kriegsverbrechen im Post des Auswärtigen Amts auf X, in dem Israels „Recht auf Selbstverteidigung“ bestärkt wird.

Deutschland und andere westliche Länder stehen Israel dabei nicht nur diskursiv und diplomatisch bei, wie es beispielsweise die Erklärung der G7 tat. Die Gruppe der (ehemaligen) Kolonialmächte (+ Kanada) – verzeiht – der „zur Gründung reichsten Industrienationen“ kritisiert in dieser einzig den Iran und nicht Israels Vorgehen. Auch die Streitkräfte der USA, Großbritanniens und Deutschlands scheinen dem israelischen Militär auf Dauer und nicht nur zu defensiven Zwecken beizustehen. IMI-Standpunkt: Eskalation Nahost: Zerschlagung des Irans – Beteiligen sich westliche Militärs an den Angriffen auf Iran? weiterlesen

Gewerkschaften zu Aufrüstung und Krieg

Von Frank Bernhardt und Rainer Brügel

Antikriegsprotest: eigentlich eine Selbstverständlichkeit für Gewerkschaften – oder doch nicht? Aber wie sieht die Lage heute in Deutschland aus? Dazu hier einige Streiflichter.

In den modernen Gesellschaften, die auf dem Gegensatz von Kapital und Arbeit beruhen – ob sie dies nun offen erkennen lassen, sozialpartnerschaftlich abzumildern versuchen oder schon den definitiven Vollzug solcher Versuche in ihrer „Sozialen Marktwirtschaft“ melden –, gehören die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer zu den Hauptleidtragenden von Aufrüstung und Krieg. Der DGB hat das in seinen Grundsatzerklärungen seit der russischen Invasion in der Ukraine immer wieder betont. Und dies hat ja auch seine Tradition in der Arbeiterbewegung.

Das Faktum der Kriegsträchtigkeit der betreffenden Wirtschaftsweise (die früher „Kapitalismus“ hieß) ist dabei ja fast eine Trivialität – also die Tatsache, die der französische Sozialist Jean Jaurès vor dem Ersten Weltkrieg mit dem berühmten Ausspruch fasste: „Der Kapitalismus trägt den Krieg in sich wie die Wolke den Regen.“ Seit der Durchsetzung dieser Wirtschaftsordnung Ende des 19. Jahrhunderts kennt ja alle Welt den „Imperialismus“ als Ausfluss des entsprechenden Staatenverkehrs, in dem – über die Politik vermittelt – ökonomische Gegensätze zum Zuge kommen. Gewerkschaften zu Aufrüstung und Krieg weiterlesen

Ursachen des „Fachkräftemangels“ sind systembedingt und hausgemacht (4) – Duale Berufsausbildung am Ende

Wenn in den Unternehmen irgendetwas nicht rund läuft, wird sofort auf den vorgeblichen „Fachkräftemangel“ verwiesen, man zuckt mit den Schultern, meint damit, da „kann man nichts machen“, als wäre das Problem mit der geringen Zahl an Fachleuten wie ein Naturereignis vom Himmel gefallen.

Auch stimmt die Lobhudelei über das Duale Ausbildungssystem in Deutschland schon lange nicht mehr, mehr noch, dieses System scheint wohl völlig gescheitert zu sein. Die einzige Lösung wird in der Zuwanderung von Fachkräften aus dem Ausland gesehen, doch die Ursachen des Mangels an Fachkräften sind systembedingt und hausgemacht. Wer meint, dass die Unternehmen nun ihre Ausbildungsanstrengungen steigern und auch die Bundesagentur für Arbeit ihre Vermittlung junger Menschen in die Berufsausbildung hinterfragen würden, der ist auf dem Holzweg. Ursachen des „Fachkräftemangels“ sind systembedingt und hausgemacht (4) – Duale Berufsausbildung am Ende weiterlesen

Die neue Grund-Verunsicherung

Von Sarah-Lee Heinrich

»Das bisherige Bürgergeldsystem gestalten wir zu einer neuen Grundsicherung für Arbeitssuchende um«, heißt es im Koalitionsvertrag. Ein Win für die CDU, die Wahlkampf damit gemacht hat, das Bürgergeld »abzuschaffen«. Auch die SPD signalisierte im Wahlkampf, dass sie für Änderungen am Bürgergeld offen wäre, immerhin »kratze es am generellen Gerechtigkeitsempfinden der hart arbeitenden Menschen«.

Der Wahlkampf ist vorbei und die Große Koalition nimmt ihre Arbeit auf, im Vergleich zur Ampel ungewöhnlich geräuschlos. Die neue Arbeitsministerin und designierte Parteivorsitzende der SPD, Bärbel Bas, kündigt an, zügig an der neuen Grundsicherung arbeiten zu wollen. Carsten Linnemann betont, dass man »wirklich an die Substanz des Systems gehen müsse«.

Was erwartet uns jetzt? Die Veränderungen am Bürgergeld haben eine andere Natur als eine einfache Abschaffung, in der das Bürgergeld »gestrichen« wird. Doch die CDU kann und will nicht auf das Bürgergeld verzichten. Sie wollen es zu einem noch effektiveren Werkzeug zur Disziplinierung der Beschäftigten weiterentwickeln. Die neue Grund-Verunsicherung weiterlesen

„Sind wir unfähig zum Frieden?“ – oder: Die fatale Aktualität eines 45 Jahre alten Essays

Im Mai 1980 – der damalige Bundeskanzler Helmut Schmidt hatte kurz zuvor erklärt, die aktuelle Situation erinnere stark an die Vorphase des Ersten Weltkriegs 1914 – publizierte der Arzt, Psychoanalytiker und spätere Mitbegründer der deutschen Sektion der „Internationale Ärzte für die Verhütung des Atomkriegs“ (IPPNW), Horst-Eberhard Richter (1923-2011) einen langen Essay, der nicht unwesentlich zur Entstehung der Friedensbewegung der Achtziger Jahre beitrug. Wir veröffentlichen hier unkommentiert Auszüge, denn dieser Text bedarf angesichts der heute aktuellen Weltlage keiner weiteren Erläuterung. – Die Zitate ausgewählt hat Leo Ensel.

In der internationalen Presse wurde unlängst offen diskutiert, dass die aktuelle Weltlage stark an die Vorphase des Ersten Weltkrieges erinnere. Wir alle haben in der ersten Hälfte dieses Jahres aus den täglichen Nachrichten ein bedenkliches Missverhältnis ablesen können zwischen der Bedrohlichkeit der Weltlage einerseits und einer Politik der Großmächte andererseits, die das Risiko einer Katastrophe laufend erhöht statt vermindert hat. Wir beobachten eine eskalierende Strategie der Konfrontation, obwohl aus weltpolitischer Verantwortung genau umgekehrt mit allen Energien um die Wiederherstellung von Kooperation und Vertrauen gerungen werden müsste. „Sind wir unfähig zum Frieden?“ – oder: Die fatale Aktualität eines 45 Jahre alten Essays weiterlesen

Die SPD bleibt Friedenspartei – bei jedem Krieg, den Deutschland führt

Randglossen zum Manifest ´Friedenssicherung in Europa durch Verteidigungsfähigkeit, Rüstungskontrolle und Verständigung´

„SPD-Friedenskreise“ sorgen sich um das Erscheinungsbild der Partei und bringen ein „Manifest“ in gewerkschaftliche Debatten ein. Dazu hier kritische Anmerkungen aus der antimilitaristischen gewerkschaftlichen Basisinitiative „Sagt NEIN!“

Von Andreas Buderus und Johannes Schillo

Seit Anfang Juni kursiert in Teilen der SPD und in DGB-Gewerkschaften ein „Manifest“, verfasst von „SPD-Friedenskreisen“. Diese stellen sich als „Beratungsgremium“ vor, „das in regelmäßigen Abständen zusammenkommt, um über Fragen der SPD-Friedenspolitik zu beraten“. Man scheint hier aber mehr mit sozialdemokratischer Selbstverständigung oder Gewissensberuhigung befasst zu sein, große Außenwirkung war bisher nicht zu verzeichnen. Das kann sich natürlich ändern, da jetzt der „Spiegel“ groß ins Land posaunt: „Prominente SPD-Politiker stellen sich gegen Außenpolitik der Bundesregierung“, während andere Medien als Novum vermelden, dass SPD-Politiker „Gespräche mit Russland“ fordern. Wenn also der kleinere Koalitionspartner will – oder genau so der größere –, kann man damit einen – kleineren oder größeren – Koalitionsstreit inszenieren, der die Öffentlichkeit dann mit nationalen Abwägungen beschäftigt.

Zuvor hatte allenfalls der Neustart des Erhard-Eppler-Kreises unter dem Ticket „Frieden 2.0“ – neuer Vorsitzender seit Mai 2025: Ralf Stegner – die Öffentlichkeit erreicht und Andeutungen zu internen SPD-Beratungen gemacht. Stegner war ja auch schon mit seiner Rede bei der Berliner Friedensdemo am 3. Oktober 2024 aufgefallen, in der er Vorsicht bei Waffenlieferungen an die Ukraine anmahnte und so eine Variante der legendären „Besonnenheit“ von Kanzler Scholz vor friedensbewegtem Publikum zum Besten geben durfte, dort allerdings auch einigen Widerspruch erntete.

Im April 2025, unterm neuen Kanzler Merz, trat Stegner wieder als Warner auf: „Jetzt gibt es Bemühungen um Waffenstillstand“, so sein Votum, „da sollten wir keine Einzelwaffen öffentlich debattieren.“ Overton kommentierte das noch recht wohlwollend: Von SPD-Seite sei man wohl bei der militärischen Eskalation „zurückhaltend“ und nehme Rücksicht auf „die Stimmung im Land“, da die Meinungsumfragen damals noch nicht eindeutig pro Taurus-Lieferung entschieden waren. Seit Ende Mai kann man jetzt besichtigen, was diese Zurückhaltung praktisch bedeutet: Geliefert wird, bis es kracht, und Merz ist genau der Meinung von Stegner, dass man das nicht mehr öffentlich zu debattieren braucht.

So konstruktiv sind die angeblich oppositionellen SPD-Stimmen gegenüber der Regierungspraxis ihrer Partei und ihres Koalitionspartners! Aber halt, jetzt gibt es ja das besagte Manifest. Es trägt die Überschrift: Die SPD bleibt Friedenspartei – bei jedem Krieg, den Deutschland führt weiterlesen