Das Bürgergeld ist im Visier

Von Tobias Weissert 

Gegenwärtig erleben wir mal wieder eine Kampagne gegen „die faulen Armen“. Das Bürgergeld ist im Visier. Es wird behauptet, viele Erwerbstätige wollten nicht mehr arbeiten. Sie hingen lieber in der Hängematte des Bürgergeldes ab und peppten ihr Einkommen eventuell noch durch Schwarzarbeit auf. Grund dafür: Das Bürgergeld sei zu hoch und der Abstand zwischen dem Arbeitslohn und dem Bürgergeld stimme nicht mehr. Das Lohnabstandsgebot sei verletzt.

Einen Auftakt zu der Kampagne in der Presse bildete ein Artikel von Dietrich Creutzberg in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung vom 14. September. Darin wird eine Vergleichsrechnung des Kieler Instituts für Weltwirtschaft wiedergegeben zwischen dem Anspruch auf Bürgergeld für eine Familie mit zwei heranwachsenden Kindern und einer gleich großen Familie, die von dem Mindestlohn von 12 Euro bei einer Arbeitswoche von 38,5 Stunden lebt. Das Bürgergeld ist im Visier weiterlesen

Kontrolle im Kapitalismus: Eine intersektionale Perspektive

Von Jenny Künkel

Kapitalismus war lange Zeit out. Seit Finanzkrise und Pandemie widmen sich soziale Bewegungen mit unterschiedlichen Verhältnissen zum repressiven Staatsapparat sowie die Kritische Kriminologie, in der abolitionistische Traditionen aufleben, verstärkt der kapitalistischen Vergesellschaftung. Der Beitrag umreißt, welche Fragen gestellt und künftig bearbeitet werden sollten.

Kontrolle im Kapitalismus zu betrachten, ist seit jeher das Metier der marxistisch inspirierten Kritischen Kriminologie. Schon die sogenannten „Neuen Sozialen Bewegungen“ und parallele Theorieentwicklungen seit den späten 1960er Jahren rückten bekanntermaßen Herrschaftsverhältnisse jenseits des Widerspruchs von Kapital und Arbeit verstärkt in den Blick. Kontrolle im Kapitalismus: Eine intersektionale Perspektive weiterlesen

Wer waren die Linken?

Von Roberto J. De Lapuente

Eine Gruppe soll aus den verbliebenen 28 Abgeordneten der Linkspartei werden, nachdem mit dem heutigen Tag der Fraktionsstatus eingestellt wurde. Die Partei ist an einem gravierenden Tiefpunkt angelangt. Vielleicht sogar an ihr Ende geraten. Nach Jahren interner Auseinandersetzungen haben Sahra Wagenknecht und acht weitere Bundestagsabgeordnete die Die Linke verlassen, um eine eigene Partei zu gründen. Eine konservative Linke, die nicht jeder Mode hinterherrennt. Die Linken, die nun ohne Fraktionsansprüche im Bundestag sitzen, wie die gesamte Restpartei, schieben die Schuld für die Misere weiterhin den Abgängern in die Schuhe.

Nicht alles war schlecht an der Linkspartei. Aber fast alles, was nicht schlecht war, ist schon Jahre passé. Man kann ihre Existenz in vier Phasen unterteilen. Es ist die Geschichte eines Niederganges – und einer Kaperung. Denn irgendwann gaben in der Partei Köpfe den Kurs vor, die mit der Spaltungsideologie der Wokeness hantierten. Wer waren die Linken? weiterlesen

Das Schmierentheater mit René Benko, seinen Insolvenzverwaltern und „Sanierern“ kann seit Jahren nur deshalb aufgeführt werden, weil niemand das geltende Insolvenzrecht hinterfragt

Das sollte das Meisterstück von René Benko werden. Mit dem Elbtower an den Hamburger Elbbrücken wollte er der Hansestadt ein 950 Millionen Euro teures Wahrzeichen bauen. Mit 64 Etagen und 245 Metern Höhe wäre es bei Fertigstellung der höchste Wolkenkratzer Hamburgs und der dritthöchste Deutschlands geworden, errichtet vom Signa-Konzern, dessen Brutto-Vermögenswert allein in der Immobiliensparte bei 27 Milliarden Euro liegen soll.

Doch Ende November meldete die verantwortliche Signa-Tochter von René Benko in Deutschland Insolvenz an. Schon seit Wochen ruht der Bau des Elbtowers aufgrund unbezahlter Rechnungen und mit Insolvenzen kennt sich René Benko gut aus.

Hatte doch der gefeierte Retter ab 2012 zunächst Karstadt und 2018 auch Kaufhof übernommen, zu Galeria fusioniert und musste trotz diverser Insolvenz-Schutzschirmverfahren und über 600 Millionen Euro Staatshilfen immer mehr Häuser schließen. Zuletzt kam 2023 das Aus für 42 Standorte und für die anderen sieht es schlecht aus, hat doch nun die Signa-Tochter, zu der Galeria zählt, Gläubigerschutz vor Gericht angemeldet.

Nun soll es wieder der alte Spezi von Benko, der „Sanierer“ Arndt Geiwitz richten, der schon gemeinsam mit Frank Kebekus Karstadt gleich zweimal durch ein Insolvenzverfahren in Eigenverwaltung führte. Kebekus erhielt damals 50 Millionen Euro für seine Dienste als Insolvenzverwalter und Geiwitz wird aktuell die Gesamtleitung von Signa übernehmen, auch um René Benko aus der Schusslinie zu holen.

All dies ist allgemein bekannt und doch hält sich ein Paradoxon beträchtlich und lässt sich nicht auflösen: Die Anzahl der Insolvenzen dient offiziell immer wieder als Konjunkturbarometer und die Insolvenz als öffentlich gefördertes lukratives Geschäftsmodell der Unternehmen will niemand akzeptieren oder erst gar nicht wahrnehmen. Das Schmierentheater mit René Benko, seinen Insolvenzverwaltern und „Sanierern“ kann seit Jahren nur deshalb aufgeführt werden, weil niemand das geltende Insolvenzrecht hinterfragt weiterlesen

DAK-Gesundheitsreport: Personalmangel macht krank – Fast die Hälfte aller Beschäftigten in Deutschland erlebt regelmäßige Personalnot im eigenen Arbeitsumfeld

Beschäftigte in Branchen mit Personalnot und Fachkräftemangel haben ein höheres Gesundheitsrisiko: Ein Viertel leidet unter Schmerzen, ein Drittel hat Schlafstörungen, mehr als die Hälfte ist komplett erschöpft. Überall in Deutschland fehlt Personal.  Das Institut der deutschen Wirtschaft rechnet bis 2030 mit einer Lücke von rund fünf Millionen Fachkräften. Der Krankenstand in Mangelberufen ist bereits heute mit bis zu 7,0 Prozent überdurchschnittlich hoch. Das zeigt der aktuelle DAK-Gesundheitsreport 2023 „Gesundheitsrisiko Personalmangel – Arbeitswelt unter Druck“. Für diesen Report wurden die Daten von 2,4 Millionen erwerbstätigen DAK-Versicherten ausgewertet und mehr als 7.000 Erwerbstätige befragt. Demnach erleben 45 Prozent regelmäßig in ihrem Arbeitsalltag Personalnot. Besonders betroffen sind Kranken- und Altenpflegekräfte sowie alle, die in der Kinderbetreuung arbeiten. Die große Mehrheit von ihnen geht selbst krank zur Arbeit und betreibt somit Präsentismus – was das Gesundheitsrisiko noch erhöht. DAK-Gesundheitsreport: Personalmangel macht krank – Fast die Hälfte aller Beschäftigten in Deutschland erlebt regelmäßige Personalnot im eigenen Arbeitsumfeld weiterlesen

IMI: Das Sondervermögen der Bundeswehr – Finanzen – Projekte – Kritik: Ein antimilitaristisches „living document“

Von Martin Kirsch / Jürgen Wagner 

Das Sondervermögen der Bundeswehr fiel nicht vom Himmel – Kontinuitäten lassen sich mindestens ins Jahr 2014 zurückverfolgen, als bei der Münchner Sicherheitskonferenz die Losung ausgegeben wurde, Deutschland müsse mehr militärische Verantwortung übernehmen (siehe IMI-Studie 2015/2). Nahezu parallel dazu startete die Bundeswehr ihre „Agenda Rüstung“, die aus mehreren „Trendwenden“ (Finanzen, Material, Personal…) bestand. Vor allem der Rüstungshaushalt stieg in der Folge deutlich an (von 32,5 Mrd. Euro (2014) auf 50,4 Mrd. Euro (2022)). Schon im Januar 2016 meldete das Verteidigungsministerium außerdem an, bis 2030 einen Bedarf von 130 Mrd. Euro zu haben, die in die Neuanschaffung von Rüstungsgütern gesteckt werden müssten (siehe IMI-Analyse 2016/2).

Im Fähigkeitsprofil 2018 folgte die Zusage, der NATO bis 2027 eine und bis 2031 drei voll ausgestattete („kaltstartfähige“) Divisionen (mit jeweils rund 15-20.000 Soldat*innen) zur Verfügung zu stellen – ein Zeitplan, der 2022 um zwei Jahre nach vorne verlegt wurde (siehe IMI-Analyse 2022/45). Hierfür wird u.a. deutlich mehr Personal benötigt, weshalb die Bundeswehr von aktuell rund 182.000 aus 203.000 Soldat*innen anwachsen soll. Dies wird ohne einen erheblichen Anstieg der Rekrutierungstätigkeit nahezu unmöglich sein (siehe IMI-Analyse 2023/09).

Bereits im Oktober 2021 soll laut Informationen des Spiegel ein sechsseitiges Argumentationspapier aus dem Verteidigungsministerium vorgelegen haben, in dem es konkret um ein „Sondervermögen Bundeswehr“ in Höhe von 102 Mrd. Euro gegangen sein soll. Versuche, an dieses Papier über das Informationsfreiheitsgesetz zu gelangen, wurden im Juni 2022 durch die Einstufung als Verschlusssache abgeschmettert.

„Deutschland wird in Europa bald über die größte konventionelle Armee im Rahmen der Nato verfügen.“ (Olaf Scholz, Mai 2022) IMI: Das Sondervermögen der Bundeswehr – Finanzen – Projekte – Kritik: Ein antimilitaristisches „living document“ weiterlesen

„Dem Karl Liebknecht haben wir’s geschworen…“ – Am 2. Dezember 1914 stimmte der SPD-Abgeordnete Karl Liebknecht gegen die Kriegskredite

Vor fast 110 Jahren wurde in  ganz Deutschland zur „Kriegstüchtigkeit“ mobilisiert und den Menschen vermittelt, es gehe um einen Verteidigungskrieg. Dafür war ein gigantisches Aufrüstungsprogramm aufgelegt worden.

Am 2. Dezember 1914 stimmte der SPD-Abgeordnete Karl Liebknecht als einziger Abgeordneter im Reichstag gegen die Kriegskredite zur Finanzierung des Feldzugs gegen Frankreich, Großbritannien und Russland. In seiner Erklärung schrieb er. „Der Krieg ist kein deutscher Verteidigungskrieg“ und entlarvte die von der SPD-Mehrheit mitgetragene Rechtfertigungslüge der kaiserlichen Regierung. Es handele sich vielmehr um einen „von der deutschen und österreichischen Kriegspartei (…) hervorgerufenen Präventivkrieg“, „einen imperialistischen Krieg, einen Krieg um die kapitalistische Beherrschung des Weltmarktes“.

Karl Liebknechts Widerstandsgeist sollte heute ermuntern „Nein“ zu sagen: zu Deutschlands Weg in eine Kriegsbeteiligung gegen Russland, zu der massiven Kriegsunterstützung für die Ukraine mit derzeit 50 Milliarden Euro Steuergeldern, zu Sanktionen gegen Russland, die den bisher höchsten Reallohnverlust für Beschäftigte mit verursachten und zu einer Haushaltsplanung, die für 2024 mehr als 90 Milliarden Euro für Militär und Waffen vorsieht.

Die Kriegskredite von damals sind die Waffen- und Finanzhilfen an die Ukraine von heute, für die ungeheure Aufrüstung im Rahmen eines Stellvertreterkrieges von NATO und USA. „Dem Karl Liebknecht haben wir’s geschworen…“ – Am 2. Dezember 1914 stimmte der SPD-Abgeordnete Karl Liebknecht gegen die Kriegskredite weiterlesen

Beim UN-Zukunftsgipfel soll die Weltherrschaft der Konzerne festgeschrieben werden

Von Norbert Häring

Die vollständige Unterwerfung der UN unter die Konzerninteressen, die das Weltwirtschaftsforum mit seiner Global Redesign Initiative 2010 vorgezeichnet und seither erfolgreich betrieben hat, soll auf dem UN-Zukunftsgipfel 2024 im Regelwerk der Weltorganisation verankert werden. Das ist auch in Zusammenhang mit dem geplanten WHO-Pandemieabkommen von Bedeutung, das der UN-Organisation WHO ausufernde Machtbefugnisse geben soll.

UN-Generalsekretär António Guterres hat 2021 im Bericht „Our Common Agenda“ seine Vorstellungen von einer Reform der Arbeitsweise der Internationalen Organisationen (Global Governance) skizziert und einen Hohen Beirat für effektiven Multilateralismus (High-Level Advisory Board on Effective Multilateralism) eingesetzt, der Reformvorschläge erarbeiten sollte. Diese sollten dann eigentlich im September 2023 auf der UN-Generalversammlung diskutiert und in konkrete Beschlüsse umgesetzt werden.

Es gab jedoch Widerstand von den Entwicklungsländern, konkret von der G77-Gruppe, die Länder des Globalen Südens vertritt. Deshalb wurde die Behandlung der Vorschläge des Hohen Beirats auf nächstes Jahr verschoben. Im September 2024 soll dieser „Multi-Stakeholder-Zukunftsgipfel“ nun stattfinden und die Grundzüge der Reform der UN beschließen. Beim UN-Zukunftsgipfel soll die Weltherrschaft der Konzerne festgeschrieben werden weiterlesen

Minijobs – die gewerkschaftliche Dauerbaustelle

Minijobs-Ausstellung-Husum-Gewerkschaftsbund-Über sieben Millionen Menschen in Deutschland waren zu Beginn der aktuellen Wirtschaftskrise von 2020 geringfügig beschäftigt, sie waren als Minijobber tätig.

Problematisch sind Minijobs auch in normalen Zeiten, weil von den Beschäftigten oftmals wichtige Rechte wie der Mindestlohn, die Lohnfortzahlung im Krankheitsfall und Urlaub nicht eingefordert werden. Für viele geringfügig entlohnte Beschäftigte ist es nicht möglich, ihre Arbeitszeit auszuweiten. Dadurch ergeben sich insbesondere für Frauen Nachteile bei der Alterssicherung.

Die „Flexibilität durch Minijobs“ nutzen die Unternehmen nun in der Krise, um Personal schnell abbauen zu können. Gleichzeitig räumte die Bundesregierung für die Übergangszeit vom 1. März 2020 bis 31. Oktober 2020 den Unternehmen ein fünfmaliges Überschreiten der monatlichen Verdienstgrenze von 450 Euro ein. Das war die Steilvorlage für die organisierte Unternehmerschaft und interessierte FDP- und CDU- Kreise, lautstark die Anhebung der Verdienstgrenze für Minijobs von 450 auf 520 Euro im Monat zu fordern. Die NRW CDU/FDP-Regierung verpackte die Anhebung der Verdienstgrenze als Bundesratsinitiative des Landes NRW zum „Bürokratieabbau, mit dem Ergebnis, dass die Verdienstgrenze für die geringfügigen Beschäftigungsverhältnisse  zum 1.10.2022 von 450 Euro auf 520 Euro heraufgesetzt wurde und soll zukünftig immer wieder dynamisiert werden.

Die längst überfällige grundlegende Revision der Minijobregelungen ist vom Tisch, mehr noch, dieses Arbeitsmodell wurde erneut in Stein gemeißelt. Minijobs – die gewerkschaftliche Dauerbaustelle weiterlesen

Wie die Deutsche Bundesbahn aufs Abstellgleis gelangte – statt endlich gemeinnützig zu werden

Von Wilhelm Neurohr

Wer hat eigentlich nach 30 Jahren „Bahnreform“ den desolaten Zustand unserer Deutschen Bahn AG zu verantworten, die alltäglich ihre Fahrgäste und Berufspendler zur Verzweiflung bringt und die Beschäftigten zu Streiks provoziert? Was ist dran am Vorwurf vom Lokführer-Gewerkschaftsboss Weselsky über die „Nieten in Nadelstreifen“ im Bahnvorstand mit ihren Jahresgehältern und Boni in Millionenhöhe? Sind die Fahrgäste und deren Mobilitätsbedürfnisse nur Nebensache wegen anderer Konzerninteressen etwa im Auslandsgeschäft der Bahn? Wird die Belastung des Personals verringert? Was bringt die nun geplante Aufspaltung der Bahn in die Teile Infrastruktur und Zugbetrieb mit weiterhin gültiger Gewinnorientierung? Bislang ist die Bahn AG eine Konzernholding mit 5 AGs.

Träumt das Bahnmanagement des privatrechtlich geführten Staatskonzerns insgeheim weiterhin von teilweiser oder vollständiger Privatisierung mit umstrittenem Börsengang, der trotz dreimaligen Anlaufs gescheitert ist und von 70% der Bevölkerung aus guten Gründen abgelehnt wird? Und was haben in all den Jahren die verantwortlichen Bundesverkehrsminister getrieben, von denen seit 1989 insgesamt 13 an der Zahl aus 4 verschiedenen Parteien amtierten? Haben sie vergessen, dass selbstbestimmte Mobilität ein verbrieftes Menschenrecht ist – als eine zentrale Voraussetzung für die gesellschaftliche Teilhabe sowie die persönliche, soziale und berufliche Entwicklung? Wie die Deutsche Bundesbahn aufs Abstellgleis gelangte – statt endlich gemeinnützig zu werden weiterlesen

Zur konkreten Lebenssituation armer und überschuldeter Menschen – Ein Leben an der Pfändungsfreigrenze ist möglich, auch dauerhaft

Nach Angaben der Wirtschaftsauskunftei Creditreform sind in diesem Jahr 5,65 Millionen Personen überschuldet, das ist ein Plus von 17.000 betroffenen Menschen gegenüber dem Vorjahr. Creditreform begründet das mit höheren Lebenshaltungskosten, gestiegenen Zinsen und der schwachen Konjunktur samt gewachsener Arbeitslosigkeit.

Gestiegen ist auch die Zahl der Menschen, die seit Jahren, einige seit Jahrzehnten, in ihrem Schuldensumpf festsitzen, völlig resigniert haben und sich dem Druck der Gläubiger, Inkassounternehmen und Gerichtsvollzieher nicht mehr erwehren können. Sie leisten Ratenzahlungen, weil sie Pfändungen fürchten, obwohl sie das gar nicht können und müssen. Immer mehr der langfristig überschuldeten Menschen werden dazu gezwungen oder entschließen sich aus der Situation heraus, mit ihren Schulden zu leben und ihre konkrete Lebenssituation an der, in der Zivilprozessordnung (ZPO) festgelegten Pfändungsfreigrenze, auszurichten.

Richtig organisiert, gibt es sogar ein würdevolles und selbstbewusstes Leben an und mit der Pfändungsfreigrenze. Zur konkreten Lebenssituation armer und überschuldeter Menschen – Ein Leben an der Pfändungsfreigrenze ist möglich, auch dauerhaft weiterlesen

Finanzmärkte

Von Redaktion Lunapark21

Finanzmärkte entstehen überall dort, wo die vielfältigen Interessen von Kapitalanlegern und -nachfragern aufeinandertreffen,
z.B. im Schalterraum einer Bank, auf der Börse, im elektronischen Handel mit Währungen oder im Büro einer Unternehmung, wenn ein neuer Gesellschafter seine Geschäftseinlage tätigt. – Finanzmärkte erscheinen seit den 1980er Jahren in der öffentlichen Diskussion zunehmend als anonyme und allmächtige Subjekte, deren Funktion es ist, ökonomische Gesetze zu exekutieren. Sie beurteilen und testen wirtschaftliche Situationen und wirtschaftspolitische Maßnahmen, bestrafen bestimmte politische Entscheidungen und belohnen andere. Gegenüber den F ist Politik machtlos, sie muss sich bei Strafe des Scheiterns ihren Geboten anpassen. F treten so zunehmend an die Stelle demokratischer Diskussions- und Entscheidungsprozeduren. Sie sind – als reale Mystifikationen bestehender Klassen-und Herrschaftsverhältnisse – insofern Bestandteil des neoliberalen Projektes der Gegenreform, das seit Mitte der 1970er Jahre die Welt überzieht. […] Finanzmärkte weiterlesen

30 Jahre PKK-Verbot sind 30 Jahre zu viel

Von Kerem Schamberger

Und jährlich grüßt das Murmeltier, wenn tausende Menschen an einem verschneiten oder verregneten Samstag Ende November in der Hauptstadt gegen die Verfolgung der kurdischen Freiheitsbewegung hierzulande protestieren. Das mag nach Ritual aussehen, ist aber aktueller denn je. Denn nach wie vor werden KurdInnen in Deutschland wegen ihrer politischen Aktivitäten verfolgt – und das abseits medialer Öffentlichkeit und damit gesellschaftlicher Aufmerksamkeit. Es finden Einschränkungen grundlegender Rechte statt, die viele in Deutschland nicht für möglich halten würden.

Grundlage hierfür ist das am 26. November 1993 durch den damaligen Innenminister Kanther ausgesprochene sogenannte Betätigungsverbot für die Arbeiterpartei Kurdistans (PKK) und ihr angegliederte Organisationen. Ein Geschenk an den NATO-Partner Türkei, dessen Terror-Definition man einfach übernahm. Zudem konnten so auch die an die türkische Armee verschenkten NVA-Kriegsgeräte gerechtfertigt werden. Als Anfang der 1990er-Jahre Bilder von Newroz-Feierlichkeiten um die Welt gingen, die von türkischen Soldaten niedergemetzelt wurden, gab es Empörung, dass dabei auch deutsche Waffen zum Einsatz kommen könnten. Nach dem 26. November 1993 war es dann – schwuppdiwupp – Hilfe im Kampf gegen den Terrorismus. Und das ohne, dass es dafür einen 11. September gebraucht hätte. 30 Jahre PKK-Verbot sind 30 Jahre zu viel weiterlesen

Der Mensch ist ein soziales Wesen – und er muss dieses pflegen

Von Albert Einstein

Ich bin jetzt an dem Punkt angelangt, an dem ich kurz aufzeigen kann, was für mich das Wesen der Krise unserer Zeit ausmacht. Sie betrifft das Verhältnis des Individuums zur Gesellschaft. Der Einzelne ist sich mehr denn je seiner Abhängigkeit von der Gesellschaft bewusst geworden. Aber er erlebt diese Abhängigkeit nicht als positives Gut, nicht als organisches Band, nicht als Schutzmacht, sondern als Bedrohung seiner natürlichen Rechte, ja sogar seiner wirtschaftlichen Existenz. Darüber hinaus ist seine Stellung in der Gesellschaft so beschaffen, dass die egoistischen Triebe seiner Veranlagung ständig akzentuiert werden, während sich seine sozialen Triebe, die von Natur aus schwächer sind, nach und nach verschlechtern. Alle Menschen, unabhängig von ihrer Stellung in der Gesellschaft, leiden unter diesem Prozess des Verfalls. Unwissentlich Gefangene ihres eigenen Egoismus geworden, fühlen sie sich unsicher, einsam und des naiven, einfachen und unkultivierten Lebensgenusses beraubt. Der Mensch kann den Sinn des Lebens, so kurz und gefährlich es auch ist, nur dadurch finden, dass er sich der Gesellschaft widmet.

Die wirtschaftliche Anarchie der kapitalistischen Gesellschaft, wie sie heute besteht, ist meiner Meinung nach die wahre Quelle des Übels. Der Mensch ist ein soziales Wesen – und er muss dieses pflegen weiterlesen

Die Dienstleistungsgewerkschaft ver.di hat es zugelassen, dass die kommunale öffentliche Daseinsvorsorge filetiert und weitgehend abgeschafft wurde

Der Begriff der kommunalen Daseinsvorsorge meint, dass die Gemeinde oder Stadt wirtschaftliche, soziale und kulturelle Dienstleistungen ursprünglich mittels eigener Einrichtungen für alle Einwohner bereitstellt. Sie ist dazu durch das Sozialstaatsprinzip gemäß Art. 20 I des Grundgesetzes verpflichtet. Kommunale Daseinsvorsorge fasst entsprechend alle Aufgaben und Leistungen zusammen, die Stadt oder Gemeinde erbringt, um ihren Einwohnern die Grundversorgung zu gewährleisten.

Die Auswüchse des Neoliberalismus seit rund 50 Jahren mit dem Credo des Sparens und Maßhaltens und dem Einsetzen der Privatisierungswelle haben kaputt gesparte Stadt- und Gemeindeeinrichtungen zur Folge. Ganze Abteilungen und Betriebe sind aufgrund von eingesparten Stellen nicht mehr arbeitsfähig, die Menschen können ihre rechtlich zugesicherten Dienstleistungen nicht mehr in Anspruch nehmen und rutschen zunehmend in Armut und unsicherer Lebenssituation ab.

Bis heute hat die zuständige Dienstleistungsgewerkschaft keine wirkliche Gegenwehr organisiert. Spricht man die Personal- und Betriebsräte in den Einrichtungen der Daseinsvorsorge darauf an, wird von ihnen als Mitverantwortliche vor Ort nur auf die drückenden Sachzwänge, wie die klammen öffentlichen Haushalte, die keine kreative Politik erlauben, Vorgaben der EU und neue Steuerungsmodelle in der Verwaltung hingewiesen. Auch seien moderate Lohnabschlüsse erforderlich gewesen, um die in öffentlicher Hand verbliebenen Bereiche abzusichern.

Aufgabe der Gewerkschaften wäre es gewesen, breite Kampagnen für massive Investitionen in das Gesundheitswesen, die Bildung, Soziales und einen Umstieg auf öffentlichen Verkehr zu führen und der Profitlogik in all diesen Bereichen inklusive der Zusammenarbeit mit Investoren ein Ende zu bereiten. Die Dienstleistungsgewerkschaft ver.di hat es zugelassen, dass die kommunale öffentliche Daseinsvorsorge filetiert und weitgehend abgeschafft wurde weiterlesen