Von Jacqueline Andres und Yasmina Dahm
Als »feministisch« versteht sich die Außenpolitik des Auswärtigen Amtes (AA) aufgrund dreier oberflächlicher »R«-Alliterationen: Rechte, Repräsentanz und Ressourcen. Zu den Rechten heißt es: »Wir setzen uns dafür ein, dass die Rechte von Frauen und Mädchen weltweit geachtet und gefördert werden«. Dieser Absicht widersprechen beispielsweise die bewusst in Kauf genommenen offenkundigen tagtäglichen Frauenrechtsverletzungen in den EU-finanzierten Folterlagern in Libyen, also Haftanstalten für Flüchtende unter der Kontrolle der Küstenwache und anderer staatlicher Einrichtungen. Das zweite »R« steht für Repräsentanz: Hierbei geht es um die gleichberechtigte Teilhabe von Frauen* in allen Gesellschaftsbereichen, unter anderem durch die Stärkung der Repräsentanz von Frauen* und marginalisierten Gruppen in der Außenpolitik. Doch mehr Botschafterinnen machen die zu übermittelnden Botschaften und Ziele des AA noch lange nicht feministisch. Das dritte »R« steht für Ressourcen: Frauen* und marginalisierte Gruppen sollen den gleichen Zugang zu finanziellen, personellen und natürlichen Ressourcen bis zu immateriellen Ressourcen haben, so der fast utopisch anmutende Anspruch.
Perfide Ablenkungstaktik
Dazu soll das »gender budgeting« auf alle Projektmittel des AA ausgeweitet werden – das heißt, Projektförderungen berücksichtigen die Bedürfnisse der Frauen*. Es bleibt eine perfide Ablenkungstaktik, bedenken wir die Selbstbestimmungsrechte der Frauen* in der von Marokko besetzten Westsahara, die Außenministerin Annalena Baerbock für Wasserstoff und Phosphat verriet. Oder bedenken wir die Frauen* in den Dörfern Guineas, die durch die Ausweitung einer Bauxitmine – unterstützt durch Kreditgarantien der Bundesregierung – ihr Zuhause, die fruchtbaren Böden und ihre Gemeinschaft verlieren.
Es stellen sich die Fragen: Kann die Außenpolitik eines imperialen Nationalstaats, der sich für eine Durchsetzung der »nationalen Interessen« gegen die Interessen der im gleichen Atemzug konstruierten »Anderen« einsetzt, überhaupt feministisch sein? Kann sich in der Praxis von Ländern wie Schweden, Mexiko und Kanada, die immerhin seit einigen Jahren offiziell eine »feministische Außenpolitik« betreiben, oder auch der BRD, ein Beispiel konkreter Außenpolitik finden, das sich tatsächlich als »feministisch« bezeichnen lässt? Ein kurzer Blick auf die Praxis deutscher Außenpolitik macht deutlich, dass Euphemismen wie »wertebasiert« oder »feministisch« in diesem Kontext nur als zynisch verstanden werden können.
Deutsche Außenpolitik umfasst asymmetrische Freihandelsabkommen mit den sogenannten AKP-Staaten, Land Grabbing, Ocean Grabbing, eine menschenverachtende EU-Migrationspolitik und deutsche Waffenexporte in Krisengebiete – eine solche Politik zerstört lokale Märkte, vertreibt Menschen gewaltvoll aus ihrem Zuhause und führt zu Hunger und Tod. Die malische Schriftstellerin Aminata Traoré kritisiert dies: »Europa schickt uns seine Hühnerbeine, seine Gebrauchtwagen, seine abgelaufenen Medikamente und seine ausgelatschten Schuhe. Und weil eure Reste unsere Märkte überschwemmen, gehen unsere Bauern und Handwerker unter.«
Gewaltsame Vertreibungen
Auch die sogenannte Deutsche Investitions- und Entwicklungsgesellschaft investierte in der Vergangenheit immer wieder aktiv in Agrarkonzerne, die Menschen von gewohnheitsrechtlich oder gemeinschaftlich genutzten Flächen gewaltsam vertrieben. »Die vermeintlich wertegeleitete Außenpolitik ist nur die schöne Verpackung einer imperialen Strategie, die im Wettbewerb mit anderen Mächten steht und auf die Unterordnung, beziehungsweise Verwertung anderer Gesellschaften im Interesse des ›Standortes Deutschland‹ zielt«, so die Linken-Politikerin Katja Kipping in ihrem im Jahr 2016 erschienenen Buch »Wer flüchtet schon freiwillig«.
Auch afghanische Feminist*innen der Organisation RAWA sahen schon früh die katastrophalen Folgen der sich mit »feministischen« Ambitionen schmückenden Kriegspolitik der NATO voraus. So warnten Aktivist*innen zu Recht schon seit Oktober 2001 davor, dass die »Intervention demokratische Entwicklungen im Land verhindern, den Islamismus in der Region stärken und in einer humanitären Katastrophe enden« würde. Besonders die enge Zusammenarbeit der deutschen Außenpolitik mit der autokratisch regierten Türkei, die im Mai 2021 aus der Istanbul-Konvention zum Schutz von Frauen* und Mädchen vor sexualisierter und häuslicher Gewalt austrat und die immer wieder die nach den Prinzipien der Basisdemokratie, Ökologie und Frauenbefreiung autonom verwalteten kurdischen Gebiete bombardiert, hebt die Leere des instrumentalisierten Feminismusbegriffes hervor. Die Außenpolitik der BRD basiert auf Ausbeutung der Natur und der Menschen und wird einer erheblichen Militarisierung unterzogen. Damit könnte sie kaum weiter davon entfernt sein, den Kapitalismus, Rassismus, Militarismus und Sexismus zu überwinden und davon wegzukommen, dass Gewalt zum Erreichen sozialer Kontrolle eingesetzt wird.
Marginalie
Im März 2023 veröffentlichte das Auswärtige Amt (AA) Leitlinien für eine »feministische Außenpolitik«. Feminismus bedeutete für die im Dezember 2021 verstorbene US-Literaturwissenschaftlerin bell hooks »eine Bewegung gegen Sexismus, sexistische Gewalt und Ausbeutung«. Für hooks wirken Kapitalismus, Patriarchat und Rassismus zusammen, da wir in einem »imperialistischen, kapitalistischen Patriarchat weißer Vorherrschaft« leben. Eine solch grundlegende Analyse findet sich in den Leitlinien nicht. Sogar Waffenlieferungen in ein Kriegsgebiet widersprechen dem »Feminismus« des AA nicht – eine »feministische Außenpolitik« sei nicht gleichbedeutend mit Pazifismus, denn Russlands Krieg in der Ukraine zeige, dass Menschenleben auch mit militärischen Mitteln »geschützt« werden müssten.
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