Sick out – ein effektives Arbeitskampfmittel

imagesymdmu9iwSo etwas kommt doch gut. Arbeitskampfmaßnahmen, die wie ein Streik wirken, aber ohne, dass gestreikt wird.

Das gab es in der Luftfahrtbranche schon öfter. Im Kampf um bessere Arbeitsbedingungen meldeten sich 1972, pünktlich zu den Olympischen Spielen in München, komplette Arbeitsgruppen geschlossen krank. Damals fielen in Westdeutschland 40.000 Flüge aus, rund 80.000 starteten mit Verspätung.

Als nun Anfang Oktober 2016 die Geheimverhandlungen zum Verkauf der TUIfly ins Ausland bekannt wurden und die schlechte Kommunikation seitens des Arbeitgebers zu den geplanten Umstrukturierungen, wiederholten sich die Aktionen.

Die Beschäftigten hatten in den früheren Sparpaketen und Arbeitsplatzabbaumaßnahmen schon reichlich Opfer bringen müssen, sie erfuhren nun aus der Presse, dass ihre Stellen gefährdet sind. So etwas macht krank, denn diese ständigen, nervenaufreibenden Wechselprozesse zwischen Hoffnung und Angst führen dazu, dass der Körper signalisiert, jetzt reicht es, ich kann nun nicht mehr.

Erst nach dem die Tuifly-Beschäftigten eine hohe Zahl an Krankheitstagen angesammelt hatte, war der Konzern zu Verhandlungen bereit. Die Krankheitswelle konnte dann mit Hilfe der Gewerkschaften ver.di und Unabhängige Flugbegleiter Organisation (UFO) eingedämmt werden, der TUI Konzern knickte ein und sagte am Ende sogar Arbeitsplatzgarantien und einen Bestandsschutz für drei Jahre zu.

Mit der Qualität der Marke TUIfly waren die Kunden bisher zufrieden. Ein hoher Qualitätsstandard kann nur gehalten werden, wenn die Beschäftigten für ihre Leistungen auch vernünftig bezahlt werden. Das wäre eigentlich auch kein Problem, da im vergangenen Jahr der TUI-Touristikkonzern ein Ergebnis von 379,6 Millionen Euro erwirtschaftete, das sind über 40 Prozent mehr als im Vorjahr.

Aber wie auch in anderen Konzernen, so auch hier, will man gerne am großen Rad drehen. So wurde bekannt, dass TUIfly in ein Holdingmodell unter Führung des Air-Berlin-Anteileigners Etihad eingebracht werden soll, an dem die TUI AG, direkt oder indirekt, unter 25 Prozent der Anteile hält. In diesem Zusammenhang könnte TUIfly in die österreichische Airline Niki eingegliedert werden, bei der mehr als 20 Prozent niedrigere Löhne gezahlt werden und dann auch bei TUIfly Lohndumping betrieben wird.

UFO wie auch ver.di lehnen den Verkauf, die Eingliederung des Ferienfliegers TUIfly in das Holdingmodell unter Führung der Fluggesellschaft Etihad sowie Einschnitte zulasten der Beschäftigten in diesem Zusammenhang ab. Die Gewerkschaften rügen das Vorgehen des TUI-Managements als äußerst fragwürdig, riskant und vollkommen intransparent.

Am Montag, dem 3. Oktober 2016 meldeten sich Piloten, Flugbegleiter und Bodenpersonal bei TUIfly krank. In den folgenden Tagen waren es fast 500 Beschäftigte. Es kam zur kompletten Einstellung des Flugverkehrs zu dem Zeitpunkt des Nationalfeiertags, dem verlängerten Wochenende und dem Beginn der Herbstferien in Nordrhein-Westfalen.

TUIfly zeigt sich völlig überrascht, sie war auf so eine Reaktion in keiner Weise vorbereitet und reagierte hilflos. Zehntausende Touristen saßen auf Mallorca fest und an den deutschen Flughäfen herrschten chaotische Zustände. Dazu droht ihr eine Welle von Schadensersatzforderungen von den verhinderten Urlaubern.

Der so durchgeführte Arbeitskampf muss auch als eine Reaktion auf das Vorgehen des Arbeitsrechtlers Thomas Ubber von der Kanzlei Allen & Overy gesehen werden. Der Mann hatte erfolgreich versucht, den Widerstand der Gewerkschaften durch gerichtliche Streikverbote, Schadensersatzforderungen und Gesetzesänderungen zur Tarifeinheit zu brechen. Er vertritt Air Berlin, Lufthansa, Deutsche Bahn und Fraport. Für Fraport konnte er im Juli ein spektakuläres Urteil des Bundesarbeitsgerichts gegen die Gewerkschaft der Fluglotsen (GdF) erwirken (1 AZR 160/14). Das Gericht erklärte einen Streik vom Februar 2012 wegen Kleinigkeiten für illegal.

Die massenhaften Krankmeldungen hatten sich zu einem unglaublich effektiven Arbeitskampfmittel entwickelt, mit den ein ganzer Konzern in kürzester Zeit stillgelegt wurde.

Die Gewerkschaften müssen mit diesen erfolgversprechenden Methoden besonnen umgehen, denn der Bundesgerichtshof hat solche Aktionsformen in Deutschland mit einem Urteil vom 31.1.1978 (Az. VI ZR 32/77) als sittenwidrig beurteilt. Die Gewerkschaften können mit drakonischen Schadensersatzforderungen überzogen werden.

Trotz alledem. Der Arbeitskampf, der vom 3. bis 7. Oktober 2016 im deutschen Luftverkehr stattfand, hat auf jeden Fall Geschichte geschrieben.

 

 

Quellen: ver.di, UFO, arbeitsunrecht.de

Bild: stuttgarter zeitung.de