So was kommt von so was: Diakonische IntegrationsBetriebe in der Insolvenz – 34 Menschen haben den Arbeitsplatz verloren

In kirchlichen Einrichtungen sind die Handlungsmöglichkeiten der Gewerkschaften erheblich eingeschränkt. Anders als im Betriebsverfassungsgesetz und den Personalvertretungsgesetzen schließen die kirchlichen Regelungen die Gewerkschaften als Teil der Betriebsverfassung aus. Das ist auch dann der Fall, wenn die Rechtsform eines kirchlichen Betriebs als Gesellschaft mit beschränkter Haftung (GmbH) gewählt wird.

Bei der Regelung der Arbeitsbedingungen sind die Vertreter der Beschäftigten in kirchlichen Einrichtungen und Betrieben weitgehend ausgeschlossen, das bedeutet aber auch, dass eine erforderliche Kontrollfunktion nicht vorhanden ist und wichtige Entscheidungen einsam von einzelnen Personen getroffen werden.

Ein Beispiel für unkontrollierte Agitation in einer nicht mitbestimmten gemeinnützigen GmbH zeigt der Weg der Diakonischen IntegrationsBetriebe in die Insolvenz, in deren Folge 34 Beschäftigte ihren Arbeitsplatz verloren haben.

Seit Jahren ist es ein eingespieltes Verfahren von Geben und Nehmen bei den Lohnkostenzuschüssen und der temporären Beschäftigung langzeitarbeitsloser Menschen, mit immer den gleichen gemeinnützigen und privaten Unternehmen und der Arbeitsverwaltung. Ganze Förderketten hat man geschmiedet und Unsummen in Arbeitsmarktprogramme und Maßnahmen gepumpt, ohne irgendwelche konstruktiven und nachhaltigen Ergebnisse zu erzielen. Trotz diesem hohen Einsatz ist die Langzeitarbeitslosigkeit in Dortmund in den letzten 5 Jahren um 2.000 Personen angestiegen.

Bei diesem fast geschlossenen System der Arbeitsförderung mit öffentlichen Mitteln und mangelhafter Kontrolle ist die Versuchung für die Akteure groß, mal an etwas größeren Rädern zu drehen.

Vor diesem Hintergrund wurde beim Diakonischen Werk Dortmund 2009 die Projektgruppe CAP gebildet, die die Gründung einer neuen gGmbH vorbereiteten sollte.

Mit dem Gesellschaftsvertrag vom 12.04.2010 wurden die Diakonische IntegrationsBetriebe Dortmund-Bochum-Lünen gemeinnützige GmbH, Rolandstr. 10, 44145 Dortmund, Gesellschaft mit beschränkter Haftung gegründet. Gesellschafter waren die Diakonie Ruhr Werkstätten und das Diakonische Werk Dortmund und Lünen.

Auszug Handelsregister 28.06.2010, AZ: 23106:

„Diakonische IntegrationsBetriebe Dortmund-Bochum-Lünen gemeinnützige GmbH, Rolandstr. 10,44145 Dortmund Gesellschaft mit beschränkter Haftung. Gesellschaftsvertrag vom 12.04.2010 mit Änderungen vom 14.06.2010.

Gegenstand: Zweck der Gesellschaft ist die Förderung gemeinnütziger Zwecke in Form der Berufsbildung und des Wohlfahrtswesens. Dieser Zweck wird insbesondere verwirklicht durch die Errichtung, den Betrieb und die Unterhaltung von Lebensmittelmärkten sowie weiteren Einrichtungen, die der Eingliederung von Schwerbehinderten, schwer Vermittelbaren und längere Zeit arbeitslosen Personen in den allgemeinen Arbeitsmarkt dienen.

Stammkapital: 100.000,00 EUR. Allgemeine Vertretungsregelung: Ist nur ein Geschäftsführer bestellt, so vertritt er die Gesellschaft allein. Sind mehrere Geschäftsführer bestellt, so wird die Gesellschaft durch zwei Geschäftsführer oder durch einen Geschäftsführer gemeinsam mit einem Prokuristen vertreten. Geschäftsführer Rabenschlag, Annegret, Dortmund …, einzelvertretungsberechtigt“.

Auszug Handelsregister 14.01.2011, Veränderung, AZ: 23106:

„Diakonische IntegrationsBetriebe Dortmund-Bochum-Lünen gemeinnützige GmbH, Rolandstr. 10, 44145 Dortmund.

Bestellt als Geschäftsführer: Werner Bracht

Gesamtprokura gemeinsam mit einem Geschäftsführer: Kalies Sabine; Schöpper-Philipp Frank; Sedelies Ina“.

 

Am 19.Mai 2011 öffnet der neue CAP-Markt in Bochum-Laer. Ein Supermarkt, der nicht nur Arbeitsplätze für behinderte und nichtbehinderte Menschen schaffen wollte sondern auch den Stadtteil insgesamt aufwerten und dem Anwohner eine fußnahe Einkaufmöglichkeit  bieten.

Auszug Handelsregister 07.05.2012, Veränderung, AZ: 23106:

„Diakonische IntegrationsBetriebe Dortmund-Bochum-Lünen gemeinnützige GmbH, Rolandstr. 10, 44145 Dortmund.

Einzelprokura: Werner Bracht

Gesamtprokura gemeinsam mit einem Geschäftsführer: Kalies Sabine; Klein Rainer.“

Auszug Handelsregister 04.07.2012/Veränderung, AZ: 23106:

„Diakonische IntegrationsBetriebe Dortmund-Bochum-Lünen gemeinnützige GmbH, Rolandstr. 10, 44145 Dortmund.

Nach Änderung der Vertretungsbefugnis, weiterhin Geschäftsführer: Werner Bracht, Dortmund, einzelvertretungsberechtigt.

Nicht mehr Geschäftsführer: Rabenschlag, Annegret, Dortmund

Prokura erloschen: Sedelies, Ina, Dortmund.“

 

Ein Jahr nach der Eröffnung des CAP-Marktes in Bochum wurde am 13.09.2012 ein zweiter Supermarkt in Lünen eröffnet. Auch hier hatte die örtliche Politik große Erwartung an das Vorhaben. Nicht nur die Schaffung von 18 Arbeitsplätzen wurde begrüßt, sondern auch die Aufwertung des Stadtteils insgesamt.

Auszug Handelsregister 04.07.2013/Veränderung, AZ: 23106:

„Diakonische IntegrationsBetriebe Dortmund-Bochum-Lünen gemeinnützige GmbH, Rolandstr. 10, 44145 Dortmund.

Nicht mehr Geschäftsführer: Werner Bracht

Bestellt als Geschäftsführer: Klein Rainer, Dortmund, Koch Melanie, Lünen

Prokura geändert; nunmehr: Gesamtprokura gemeinsam mit einem Geschäftsführer oder einem anderen Prokuristen: Kalies Sabine Dortmund; Schöpper-Philipp Frank, Bochum.“

Auszug Handelsregister 04.07.2013/Veränderung, AZ: 23106:

Diakonisches Werk Dortmund und Lünen gGmbH, Rolandstr. 10, 44145 Dortmund.

Prokura erloschen: Werner Bracht“

 

Das Jahr 2013 ging recht ruhig zu Ende, von den beiden CAP-Märkten hörte man wenig. Wenig, besser gesagt gar nichts hörte man von den personellen Änderungen in der Geschäftsführung der Diakonische IntegrationsBetriebe Dortmund-Bochum-Lünen gemeinnützige GmbH bzw. die Gründe für das plötzliche Ausscheiden des Geschäftsführers Werner Bracht.

Dann kam der Paukenschlag. In einer Information für die Medien wurde von den beiden Personen der Geschäftsführung der Diakonische IntegrationsBetriebe Dortmund-Bochum-Lünen gemeinnützige GmbH bekanntgegeben, dass die beiden CAP-Märkt sich seit dem 05.05.2014 im vorläufigen Insolvenzverfahren befinden, das zum 31.07.2014 endet. Man sei bemüht, diese Zeit in Abstimmung mit dem Insolvenzverwalter für eine Übergabe an potentielle Nachfolgebetreiber zu nutzen. Parallel zu diesen Bemühungen habe die Geschäftsführung verschiede Aktivitäten entwickelt, um die Beschäftigten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt weiterzuvermitteln.

In einer weiteren kurzen Information für die Medien wurde am 22.07.2014 verkündet, dass es keine Nachfolgelösung für die CAP-Märkte Bochum und Lünen geben wird, die Belegschaften am 21.07.2014 über das endgültige Aus informiert wurden und beide Märkte ab sofort geschlossen sind. Es wurde der Hinweis gegeben, dass die Geschäftsführung ihre bereits begonnenen Aktivitäten zur Weitervermittlung der Beschäftigten konsequent fortsetzt.

Das Insolvenzgericht Dortmund gab dann bekannt:

„Öffentliche Bekanntmachung:

Amtsgericht Dortmund Aktenzeichen 255 IN 45/14

Über das Vermögen

der im Handelsregister des Amtsgerichts Dortmund unter HRB 23106 eingetragenen Diakonische IntegrationsBetriebe Dortmund– Bochum – Lünen gemeinnützige GmbH, Rolandstr. 10, 44145 Dortmund, gesetzlich vertreten durch die Geschäftsführer Rainer Klein, Von-der Goltz-Str. 25, 44143 Dortmund und Melanie Koch, Seelhuve 27, 44532 Lünen wird wegen Zahlungsunfähigkeit und Überschuldung heute, am 01.08.2014, um 10:08 Uhr das Insolvenzverfahren eröffnet…”

 

Eine Unterschriftenaktion für den Erhalt der Märkte und Aktivitäten der Politiker vor Ort konnten das Aus nicht mehr verhindern. Auf Nachfrage der Medien ließ der Pressesprecher des Diakonischen Werks verlauten, „an den Beschäftigten hat es nicht gelegen.” Woran es gelegen hat, sagte er nicht. Der CAP-Markt Leiter in Lünen wurde konkreter: „Wir lagen immer knapp unter den Planzahlen. Wir fühlen uns von der Geschäftsleitung im Stich gelassen.”

Auszug Handelsregister zu Werner Bracht, 29.04.2016:

„Werner Bracht in Dortmund war seit Mai 2012 bis Juli 2013 Prokurist der Diakonisches Werk Dortmund und Lünen gGmbH. Als Prokurist war er für das Unternehmen zeichnungsberechtigt. Werner Bracht in Dortmund war seit Januar 2011 bis Juli 2013 Geschäftsführer der Diakonische IntegrationsBetriebe Dortmund-Bochum-Lünen gemeinnützige GmbH. Als Geschäftsführer war er mit der Führung des Unternehmens betraut.“

Derzeit ist Werner Bracht u.a. tätig als „Westfalen Sport & Marketing GBR Werner Bracht / Peter Rieger, Prüferweg 15, 44137 Dortmund.” Das ist eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GBR), in der jeder Gesellschafter mit seinem privaten Vermögen haftet – da war die Haftungsfrage bei der gGmbH doch viel attraktiver.

Bei den gemeinnützigen GmbHs im kirchlichen Bereich befinden wir uns in einem Graubereich zwischen Gemeinnutz und Privatwirtschaft. Nach Außen gibt es als Potemkinsche Dörfer Kontrollinstanzen, die aber in der Regel nicht verhindern können, dass einzelne Personen weitgehende Entscheidungen treffen können, ohne Rechenschaft abgeben zu müssen.

In der Praxis agieren dann folgende Akteure:

Die Wirtschaftsprüfer: z.B. die Firma Curacon, sie führt Unternehmensberatungsaufgaben im Bereich von Kirche/Diakonie/Sozial- und Gesundheitswesen durch und nimmt regelmäßig die Jahresabschlussprüfung nach § 317 HGB vor. Deren Prüfungen scheinen bisher immer zu „keinen Einwendungen“ geführt haben. Sie geben aber in ihren Infomaterialien wichtig Tipps, z.B wie man als gemeinnützige GmbH auch gut eigennützig arbeiten kann…

Einen Aufsichtsrat den gibt es meistens, aber dann als Honoratiorenclub mit sozialem Touch…

Und eine Mitarbeitervertretung (MAV), die wird erst gar nicht eingerichtet oder wenn doch, dann als zahnloses Gremium, das mit sich selbst beschäftigt ist oder sich als Co-Manager versucht und mit vorauseilendem Gehorsam arbeitet…

 

Wenn es keine Gewerkschaften mit starken Betriebsgruppen und Betriebsräten in diesen Betrieben und Einrichtungen gibt, dann kommt so was von so was.

 

Quelle: ruhrnachrichten.de, HRG Dortmund, Justizportal Insolvenzbekanntmachungen

Bild: RN