Von Otto König und Richard Detje
Die paritätische Beteiligung der Beschäftigten an unternehmenspolitischen Entscheidungen spielte in den gewerkschaftlichen Neuordnungsvorstellungen der Nachkriegsjahre eine zentrale Rolle, allerdings nicht als singuläre Forderung, sondern als Teil einer umfassenderen Neuordnung der Produktions-, Besitz- und Vermögensverhältnisse. In seinen »Wirtschaftspolitischen Grundsätzen« (Münchener Programm) forderte der neu gegründete Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB) 1949 einen Dreiklang aus Mitbestimmung, Vergesellschaftung und gesamtwirtschaftlicher Planung in den Schlüsselindustrien.
Die Durchsetzungschancen schienen zunächst günstig. Um der drohenden Entflechtung und Sozialisierung zu entgehen, hatten die geschwächten Stahlbarone bereits Anfang 1947 »freiwillig« Zugeständnisse an die Arbeiterschaft gemacht. Die Gewerkschaften sollten in den Aufsichtsräten die gleiche Anzahl an Sitzen wie die der Anteilseigner erhalten, lautete das Angebot der Aufsichtsratsvorsitzenden der Klöckner-Werke, Karl Jarres, und der Gutehoffnungshütte, Hermann Reusch.
Im Frühjahr 1947 kam ein Kompromiss zustande: In 25 Unternehmen der Stahlindustrie, die ausgegliedert und in selbständige Aktiengesellschaften umgewandelt wurden, setzte sich der Aufsichtsrat wie folgt zusammen: fünf Anteilseigner, davon ein von der Kapitalseite benannter Vertreter der öffentlichen Hand, und fünf Arbeitnehmervertreter, davon zwei Betriebsräte, zwei Gewerkschaftsbeauftragte und ein von den Arbeitnehmern benannter Vertreter der öffentlichen Hand und als elftes Mitglied ein »Neutraler« als Vertreter der Treuhandverwaltung. 70 Jahre Montan-Mitbestimmung – Ein Auslaufmodell? weiterlesen