Die meisten Haftstrafen haben einen Armutshintergrund. Zur „Resozialisierung“ wäre die Zahlung von gesetzlichem Mindestlohn und Rentenversicherungsbeiträgen auch hinter Gittern förderlich. Stattdessen ist der Strafvollzug Teil eines Systems individueller Zuschreibung von Armut.
In den letzten Jahren war in der Bundesrepublik Deutschland viel vom Bestrafen der Armen die Rede. Die weit über die Wissenschaft hinaus geführte Debatte ist maßgeblich durch das Buch von Ronen Steinke über „Die neue Klassenjustiz“ geprägt.[1] Er beschreibt eindrücklich das vielfach übersehene große Leid von Verurteilten in vermeintlich kleinen Strafverfahren. Jeder einzelne Fall offenbart ein dramatisches Schicksal des Lebens am ausgegrenzten Rand der Gesellschaft mit all seinen Widrigkeiten, Teufelskreisen und bürokratisierten Schikanen. Dies beruhte auf Beobachtungen im für „einfach gelagerte Fälle“ zuständigen Amtsgericht Berlin-Tiergarten.[2] Dort zeigte sich, was Beratende in Straffälligenhilfe und Haftanstalten längst wissen – weniger schon Strafverteidiger*innen, für die Betroffene regelmäßig kein Geld haben: „Je prekärer die Lebensumstände, desto strenger entscheiden Richter.“[3] Strafvollzug und Armutsspirale – Ungleich vor dem Gesetz und nach dem Urteil weiterlesen