Im Gegensatz zu anderen Ländern wird in Deutschland die Verschuldung mit dem persönlichen Versagen im calvinistischen Sinn gleichgesetzt, weil wegen der nicht gelebten protestantischen Askese und mangelndem Fleiß und Arbeitseifer der gepriesene wirtschaftliche Wohlstand nicht erreicht wurde. Der religiöse Überbau bedeutet auch, dass nach den fetten Jahren, in denen man in Saus und Braus gelebt hat, magere Jahre folgen müssen, indem man sich wohl verhalten und Reue zeigen muss.
Für das Kreditaufnehmen gibt es das Wort Schuldenmachen, das das Wort Schuld beinhaltet und so auf etwas moralisch höchst Verwerfliches schließen lässt.
Die Sache mit der sprachhistorischen Moralisierung scheint sich bei uns derzeit zum Drama zu entwickeln.
Auch auf der staatlichen Ebene soll ganz im neoliberalen Sinn auch politisch die Priorität auf den Abbau der Schulden gelegt werden und man kreierte eine Schuldenbremse, um Staatsschulden abzubauen, obwohl Schulden machen die wirtschaftliche Entwicklung erst ankurbelt.
Das Ergebnis der Schuldenbremsung sind die ausgebliebenen Investitionen in der gesamten Infrastruktur, wo kaum noch etwas funktioniert. Begleitet wird das noch mit dem irren Argument der neoliberalen Vordenker, dass wir unseren Kindern möglichst keine Schulden hinterlassen dürfen. Allerdings hinterlassen wir ihnen heute die ganzen Mängel bei Straßen, Streckennetzen, Bahnhöfe, S-Bahn-Ausstattung, Schulgebäuden, Lehrern, Kita-Erziehern, medizinische Notaufnahmen, Breitbandnetze, Tankstellennetze für Elektroautos, Gebäudesanierungen zum Klimaschutz, vernünftige Mindestrenten und die flächendeckende Ausstattung mit Internet… …vergib uns unsere Schuld, wie auch wir vergeben unseren Schuldigern – Moralisierung der Verschuldung weiterlesen