Schlagwort-Archive: Sozialpolitik

Das Verbraucherinsolvenzverfahren ist nicht immer das richtige Mittel bei Zahlungsunfähigkeit und Überschuldung von Privatpersonen

In den vergangenen Wochen wurde fast täglich das Gespenst einer hohen Welle von Privatinsolvenzen an die Wand gemalt. Nicht ohne Grund, denn wegen der aktuellen Wirtschafts- und Umweltkrise, mit hoher Inflationsrate und den horrenden Preissteigerungen ist die Gefahr für Einzelpersonen und Familien sehr groß, in eine Situation zu geraten, die Überschuldung und Zahlungsunfähigkeit genannt wird. Bezeichnend für so eine Lebenssituation ist, dass die Einnahmen die Ausgaben nicht mehr decken und die Schulden sich auftürmen und in eine Überschuldung führen.

Im Gegensatz zu Unternehmen, haben Privatpersonen nicht die Verpflichtung, bei Zahlungsunfähigkeit einen Insolvenzantrag zu stellen. Das ist auch gut so, denn für arme Menschen ist eine Insolvenzanmeldung auch nicht immer eine angemessene Möglichkeit, der Schuldenspirale zu entkommen. Das Verbraucherinsolvenzverfahren ist nicht immer das richtige Mittel bei Zahlungsunfähigkeit und Überschuldung von Privatpersonen weiterlesen

Arbeitsminister Heil und wie seine Ankündigungen zu werten sind

Von Harald Thomé 

Arbeitsminister Heil kündigt öffentlichkeitswirksam eine deutliche Erhöhung der Hartz-IV-Sätze an. Gleichzeitig sagt er „mit dem Bürgergeld werden wir das System entbürokratisieren und dafür sorgen, dass Menschen in der Not verlässlich abgesichert sind“ und „Unser Sozialstaat muss dafür sorgen, dass Menschen, die keine finanziellen Rücklagen haben, auch über die Runden kommen können“. Eine der vielen Quellen: https://t1p.de/0rjmb  Nichts anderes hat Herr Heil schon Ende Mai 2022 erzählt. Damals hieß es, er plane, dass die Regelsätze im Bürgergeld pro Person und Monat in etwa um 40 bis 50 Euro höher sein würden als in der Grundsicherung. Das entspricht einer Steigerung von etwa 10 Prozent. Arbeitsminister Heil und wie seine Ankündigungen zu werten sind weiterlesen

Gesteuerte Massenverarmung – Es war lange vorhersehbar und nun ist es unübersehbar: die Inflation frisst Existenzen

Von Susan Bonath

Die Preise explodieren, die Inflation treibt Massen in die Armut. Auch vor der Industrienation Deutschland macht die Entwicklung, beschleunigt durch zwei Jahre Corona-Management, nicht halt. Medien und ihre „Experten“ schieben das aktuell vor allem auf die Ukrainekrise. Doch der Grund ist die systembedingt profitgetriebene Überausbeutung der Ressourcen und ihre Folgen. Handelt es sich um einen koordinierten Crash mit verwaltetem Massen-„Kollateralschaden“?

Ein halbes Kilo Tomaten, zehn Freilandeier, ein Blumenkohl: Mit drei Euro aufwärts pro Artikel sind Sie dabei — nein, nicht im hippen Reformhaus, sondern im Billigdiscounter um die Ecke. Und das Ende der Teuerung nach oben ist offen.

Die Inflation frisst die Einkommen der „kleinen Leute“ bis rauf in die untere Mittelschicht. Immer mehr Monat bleibt am Ende des Geldes übrig, die Tafeln können den wachsenden Andrang schon jetzt nicht mehr bewältigen. Die Auswirkungen von Energiekrise und kapitalistischer Misswirtschaft haben Deutschland erreicht, die Slums am Rande von New York rücken in beängstigende Nähe. Die Politik tut, was sie immer tat: Den Ärmsten verspricht sie lächerliche Sonderalmosen, ansonsten stellt sie sich blind und taub. Gesteuerte Massenverarmung – Es war lange vorhersehbar und nun ist es unübersehbar: die Inflation frisst Existenzen weiterlesen

Neue Töne von den Tafeln: „ Bürgerschaftliches Engagement darf nicht dazu dienen, staatliches Versagen zu kaschieren“

Im Interview mit der Junge Welt schlug Jochen Brühl, Vorstand der Tafel Deutschland e.V. neue Töne an. Er sagte: „Bürgerschaftliches Engagement darf nicht dazu dienen, staatliches Versagen zu kaschieren. Mit Minijobs oder Niedriglohn klappt es nicht, gesellschaftlich teilzuhaben, auch wenn letzterer jetzt zwölf Euro betragen soll. Wir fordern statt dessen 100 Euro Zuschuss pro Monat. Auch Regelsätze und Sozialleistungen müssen angehoben werden. Die Versorgung der Menschen ist Aufgabe des Staates. Wir von den Tafeln unterstützen nur, wir sind keine Existenzhilfe. Unser Anliegen ist es, kurzfristig in Not geratene Menschen zu unterstützen.“

So ein Statement war von den Tafeln bisher nie zu hören. Vielleich ist das Umdenken der aktuellen Lage bei den Tafeln geschuldet, bei der die Preissteigerungen zur Belastungsprobe werden.

Das Umdenken über das staatliche Versagen in der Sozialpolitik kommt spät, aber es kommt. Neue Töne von den Tafeln: „ Bürgerschaftliches Engagement darf nicht dazu dienen, staatliches Versagen zu kaschieren“ weiterlesen

Bürgergeld: Abschaffung von Hartz IV oder Etikettenschwindel?

Von Christoph Butterwegge

Die Ampelkoalition verspricht, Hartz IV abzuschaffen und durch ein Bürgergeld zu ersetzen. Das ist Schönfärberei. Denn an der sozialen Härte von Hartz IV ändert die Reform nichts.

SPD, Grüne und FDP vermitteln den Eindruck, dass mit der von ihnen geplanten Einführung des Bürgergeldes die Abschaffung von Hartz IV verbunden sei. Um zu prüfen, ob das tatsächlich der Fall ist, muss Klarheit darüber herrschen, welche negativen Auswirkungen die Hartz-Gesetze hatten und ob sie von der Ampelkoalition beseitigt werden. Was bisher über die Pläne der potenziellen Koalitionspartner bekannt ist, lässt allerdings eher befürchten, dass es sich beim neuen Bürgergeld um eine Mogelpackung handelt. Offenbar sollen nicht einmal die Regelbedarfe des Arbeitslosengeldes II stärker erhöht werden, als es die Große Koalition kurz vor der Bundestagswahl am 26. September beschlossen hat. Bürgergeld: Abschaffung von Hartz IV oder Etikettenschwindel? weiterlesen

Dortmund: die Großstadt, die meint, seit Jahrzehnten ohne Sozialpolitik auskommen zu können – SPD und DGB-Gewerkschaften im sozialpolitischen Dauerschlaf

Es scheint kein Zufall gewesen zu sein, dass Marco Bülow im letzten Jahr seiner SPD-Mitgliedschaft sich vor allem sozialpolitisch engagierte. Er gründete das Projekt „Sozialwende jetzt“, auch weil er bei der Dortmunder SPD das große sozialpolitische Defizit erkannte, durch das die Kommunikation mit den kleinen Leuten schon lange nicht mehr funktionierte.

Der SPD hatte es über Jahrzehnte gereicht, dass die sozialen Aufgaben in der Stadt irgendwie durch die von ihr durchdrungene AWO erledigt werden, deren Aktivitäten seit einiger Zeit durch die Überalterung der Mitglieder immer weniger wurden. Die anderen Wohlfahrtsverbände schauten, dass ihre Mitarbeiter in den Ausschüssen des Rates das Einwerben von öffentlichen Förderungen garantierten und das Wort Sozialpolitik mit Lobbyarbeit verwechselten.

Die Gewerkschaften versuchten seit Anfang des Jahrhunderts sich mit der Hartz Gesetzgebung zu arrangieren und verwalteten die Erwerbslosigkeit in der Stadt mit, ohne für eine kollektive Arbeitszeitverkürzung einzutreten, die einzig geeignet ist, die Erwerbslosigkeit nachhaltig zu bekämpfen.

Die Initiative von Marco Bülow kam zu spät  und sie wurde von „Unterstützern“ begleitet, die überwiegend in Partei, Gewerkschaft und Verbänden das sozialpolitische Defizit nicht beseitigen können, weil sie selbst das Problem darstellen.

An fünf konkreten sozialpolitischen Negativentwicklungen soll im Folgenden der Finger in die Wunde der Dortmunder Sozialpolitik von SPD und Gewerkschaften gelegt werden. Dortmund: die Großstadt, die meint, seit Jahrzehnten ohne Sozialpolitik auskommen zu können – SPD und DGB-Gewerkschaften im sozialpolitischen Dauerschlaf weiterlesen