Wer in Unternehmen oder Staaten investieren will, kommt an Ratingagenturen nicht vorbei. Dabei sind Ratingagenturen nicht nur extrem mächtige Marktteilnehmer – sie bestimmen die Spielregeln des Kapitalmarkts selbst.
Von Moritz Kudermann
Mit dem Untergang der Investmentbank Lehman Brothers ging der 15. September 2008 in die Geschichtsbücher ein. Hohe Abschreibungen im US-amerikanischen Immobilienmarkt sorgten für Verluste im Milliardenbereich, sodass das Unternehmen nach fast 160 Jahren Geschäftstätigkeit Insolvenz anmelden musste. Der Zusammenbruch überraschte viele Anlegerinnen und Anleger – und das, obwohl große Teile der Verluste von Lehman Brothers bereits im Juni desselben Jahres bekannt waren. Denn trotz der riskanten Lage bewertete etwa die Ratingagentur Moody’s die Investmentbank noch bis zum Tag der Insolvenz mit der Note A2 und bescheinigte ihr damit ein niedriges Kreditrisiko – ein fatales Signal, das den Investoren ein falsches Bild über die Geschäftslage von Lehman Brothers vermittelte.
Denn Ratingagenturen genießen ein hohes Vertrauen am Kapitalmarkt. Insbesondere institutionelle Anleger, die viel Kapital investieren, orientieren sich maßgeblich an den Bewertungen der drei bekanntesten Agenturen: Moody’s, Standard & Poor’s und Fitch Ratings. Gemeinsam decken diese großen Drei 95 Prozent des Marktes für Kreditbewertungen ab. Sie steuern große Teile der globalen Finanzmärkte – sind aber in privatem Besitz.
Wer Geld anlegen möchte, kann sich zwischen zahlreichen Investitionsmöglichkeiten entscheiden. Jedes einzelne Unternehmen oder Wertpapier auf etwaige Risiken zu überprüfen, ist aber wirtschaftlich nicht stemmbar. Hinzu kommt: An viele unternehmensspezifische Daten kommen Anlegerinnen und Anleger überhaupt nicht heran. Um diese Asymmetrie an Informationen zwischen Unternehmen und Investoren auszugleichen, haben sich Ratingagenturen etabliert. Die Strippenzieher der Finanzmärkte weiterlesen