Von brauchbaren Arbeitskräften kann die Nation nie genug bekommen. Aber was bedeutet das für den Menschen? Kommentar zu den neuesten Reformvorhaben der Regierung. (Teil 1)
Das Fachkräfteproblem in Deutschland ist ein rundum anerkannter Missstand. Bei seiner öffentlichen Thematisierung werden meist alle einschlägigen Ideologien der Marktwirtschaft abgespult und selbst eine noch recht junge Fachkraft wie der ChatGPT der Künstlichen Intelligenz kann hier in Sekundenschnelle eine Gliederung für einen Besinnungsaufsatz oder für einen Hintergrundartikel im Berufsjournalismus präsentieren. So jedenfalls jüngst der Nachweis bei Telepolis: „Was eine intelligente Maschine zum Fachkräftemangel zusammenträgt„.
Aber es wird nicht nur geklagt: „Fachkräfteland Deutschland“ – unter diesem Titel stellte die Bundesregierung bereits im letzten Oktober ihre Strategie zur Fachkräftesicherung vor. Bundesarbeitsminister Hubertus Heil und Nancy Faeser, Bundesministerin des Innern und für Heimat, gingen nun am 23. April mit diesem Projekt wieder in die Öffentlichkeit, nachdem sie das Weiterbildungsgesetz und das Fachkräfteeinwanderungsgesetz in den Bundestag eingebracht hatten.
Die Strategie der Fachkräftesicherung umfasst fünf Handlungsfelder.
Deren Definition gibt darüber Auskunft, was regierungsoffiziell unter dem vielfach beschworenen Problem am Arbeitsmarkt zu verstehen und was hier zu tun ist. Das Bundesarbeitsministerium erläutert den Handlungsbedarf der Regierungsstrategie:
Mit einer zeitgemäßen Ausbildung, gezielter Weiterbildung und einer modernen Einwanderungspolitik wollen wir die Arbeit als Fachkraft wieder attraktiver machen und Unternehmen bei der Fachkräftesicherung unterstützen.
„Fachkräfteland Deutschland“ – BMAS 1
Berufstätigkeit ist nicht mehr attraktiv? Haben deutsche Arbeitnehmer keine Lust mehr, als Fachkräfte im legendären „Normalarbeitsverhältnis“ zu arbeiten? Das sind ja seltsame Neuigkeiten. Dass viele sich lieber als Hilfsarbeiter irgendwo im Niedriglohnsektor verdingen wollen, gehört doch wohl eher in den Bereich der Legendenbildung.
Was die Regierung durch ihren Arbeitsminister kundtun lässt, zielt auch auf etwas anderes; nämlich darauf, dass sie noch reichlich Potenzial im Inland wie Ausland erschließen will, das bislang der lohnenden Beschäftigung durch die deutsche Wirtschaft nicht zur Verfügung steht und dem Arbeitsmarkt erst zugeführt werden soll. Sonst leide der Standort schwere Not.
Die Politik will in dem Feld jetzt gezielt strategisch handeln. Da hat sie zum einen die Millionen Arbeitslosen im Auge, über die die Wirtschaft das Urteil gefällt hat, dass sie unbrauchbar sind, weil sie nicht über die entsprechende Qualifikation – sprich unmittelbare Brauchbarkeit – verfügen; oder weil sie nicht die geforderte Arbeitsmoral mitbringen, um jederzeit pünktlich oder auf Abruf zur Verfügung zu stehen.
Alleinerziehende Mütter und Menschen mit Behinderung, die nicht immer flexibel einzusetzen sind, oder Menschen mit physischen und psychischen Einschränkungen entsprechen alle nicht den Ansprüchen, die Unternehmen an ihr Menschenmaterial, pardon: an ihre verehrten Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen stellen.
Dieses Urteil will die Regierung so nicht stehen lassen und verspricht nicht weniger, als dass mit Ausbildungs- und Qualifizierungsmaßnahmen ein Teil dieser Menschen brauchbar zu machen ist. Das soll dann sowohl im Sinne derer sein, die auf der Arbeit als Einkommensquelle angewiesen sind, als auch der Wirtschaft nützen, die immer über ein reichhaltiges Angebot an menschlichem Input verfügen muss.
Dabei haben die vielen Überflüssigen bereits nützliche Dienste geleistet. Halten sie doch die Konkurrenz um Arbeitsplätze in Gang und tragen zur Lohndrückerei bei.
Deshalb ist die Meinung, dass ausreichend Arbeitskräfte im Lande vorhanden seien und diese nur entsprechend bezahlt werden müssten, kein willkommener fachlicher Rat, der die Regierung beruhigt. Sie macht sich ernsthaft Sorgen um den Arbeitsmarkt und sieht sich gefordert.
Fachleute wie der Leiter des Bonner Instituts zur Zukunft der Arbeit (IZA) sehen die Sache dagegen etwas entspannter: Von einer „klassischen Mangellage“ könne keine Rede sein; „Arbeitgeber tun bei der Personalsuche zu wenig“, nach jahrelangen Reallohnsenkungen seien sie nicht bereit, attraktive Angebote zu machen; Arbeitnehmer seien heute „mobiler“ und „orientieren sich eher dorthin, wo Löhne besser sind“ (der Arbeitsökonom Jäger im Interview mit dem General-Anzeiger, 20./21.5.23).
Was dieser Fachmann etwas gelassen zur Kenntnis bringt, ist gerade die Gefahr, der die Regierung begegnen will. Ein zu geringes Arbeitskräfteangebot würde die Machtverhältnisse auf dem Arbeitsmarkt verändern, kämen doch die Arbeitsuchenden in die Lage, Bedingungen für ihre Beschäftigung zu stellen, anstatt dass sich die Arbeitgeber an einem Heer von Arbeitssuchenden ungehindert bedienen können.
Die Regierung will daher handeln und verweist auf die vielfältigen Beschwerden der unterschiedlichen Branchen, die über fehlende Fachkräfte klagen. Das wird Insofern deutlich, als die Regierung ein gespaltenes Verhältnis zu ihren Bürgern hat: Zum einen sollen sie sich möglichst komplett für das deutsche Wirtschaftswachstum nützlich machen, zum anderen hat es aber auch immer seinen Vorteil, wenn ein Überfluss an Arbeitskräften existiert, die um eine Beschäftigung konkurrieren müssen.
In der Regierungsinitiative geht es zudem um Migration, also um den Zugriff auf ausländische Arbeitskräfte. Warum es dazu einer „modernen Einwanderungspolitik“ bedarf, erschließt sich auch nicht auf den ersten Blick. An einschlägiger Attraktivität fehlt es Deutschland wahrlich nicht, wird doch ständig über die steigende Zahl von Flüchtlingen oder Migranten geklagt.
Offenbar sind aber diese Menschen in den Augen der den Menschenrechten verpflichteten Politiker nicht die Richtigen. Sie haben sich allein schon deswegen disqualifiziert, weil sie sich ohne Erlaubnis auf den Weg gemacht haben.
Der Wille allein, nach Deutschland zu kommen, um dort sein Glück zu machen, zeichnet eben eine Fachkraft nach den Kriterien der hiesigen Politik nicht aus, auch wenn das Motto des neuen Fachkräfteeinwanderungsgesetzes lautet: „Make it in Germany“. Es sollen nämlich genau diejenigen sein, die die verschiedenen Branchen mit ihren entsprechenden Qualifikationen benutzen wollen. Da gibt es viel zu regeln.
Handlungsfeld 1: „Zeitgemäße Ausbildung“
Mit diesem Titel will die Regierung keineswegs behauptet haben, dass die Ausbildung, die hierzulande stattfindet, weitgehend veraltet ist. Worum es geht, macht sie folgendermaßen deutlich:
Mit dem geplanten Weiterbildungsgesetz entwickeln wir konkrete Maßnahmen und Angebote, die bereits am Anfang des Berufslebens einsetzen. Ein wichtiges Instrument ist die Ausbildungsgarantie für junge Menschen.
BMAS 1
Maßnahmen und Angebote am Ende der Schulzeit und zu Beginn des Berufslebens etwa durch die Agentur für Arbeit gibt es schon seit Jahrzehnten – angefangen von der Berufsberatung über Praktika oder Eingliederungsmaßnahmen bis zu überbetrieblichen Ausbildungsstätten. Was die Regierung mit diesen Maßnahmen unzufrieden werden lässt, bringt sie so zum Ausdruck:
Mit der Ausbildungsgarantie ermöglichen wir jedem jungen Menschen ohne Berufsabschluss den Zugang zu einer vollqualifizierten, möglichst betrieblichen Berufsausbildung. Die bereits bestehenden Angebote der Agentur für Arbeit und der Jobcenter werden geschärft und ausgeweitet. Die Angebote schließen sowohl erste Schritte wie eine Berufsberatung und eine praktische Berufsorientierung ein, als auch ganz konkret die Vermittlung in eine Ausbildung und die Förderung der Ausbildung.
„Zeitgemäße Ausbildung“ – BMAS 2
Mit dem Versprechen der Ausbildungsgarantie weist die Regierung auf die Problemlage derer hin, die nach der Schule arbeiten müssen, um ihren Lebensunterhalt zu bestreiten – die also nicht zur Klasse derjenigen gehören, die dank ihrer familiären Herkunft andere Menschen oder gleich ihr Geld arbeiten lassen. Erstere sind darauf angewiesen, dass sie einen Arbeitgeber finden, der bereit ist, sie auszubilden.
Dabei sind in den Augen der Unternehmer Schulabsolventen, so wie sie vom vorsortierenden Ausbildungswesen geliefert werden, in der Regel untauglich für die lohnende Anwendung; sie müssen erst tauglich gemacht werden – überwiegend durch praktische Arbeit. Die Suche nach einem Ausbildungsplatz ist dabei mit einem dreifachen Problem behaftet:
Zum ersten können Arbeitgeber sich die Auszubildenden aussuchen und schauen dabei auf die Schulzeugnisse. Diese teilen das Ergebnis der schulischen Lernkonkurrenz mit. Eine Drei in Rechnen sagt nichts darüber aus, ob der betreffende Schüler die Prozentrechnung oder den Dreisatz beherrscht, sondern nur darüber, ob er in der Lernkonkurrenz durchschnittlich – also mit der Note Drei –, überdurchschnittlich – Zwei und höher – oder unterdurchschnittlich abgeschnitten hat. Schon die Art der Schule und damit des Abschlusses kann da zum Problem werden.
Haupt- und Sonderschüler werden bei der Zulassung zu einem Ausbildungsplatz meist gar nicht berücksichtigt. Sie gelten als Problemfälle, haben sich vielleicht sogar selbst aus der Konkurrenz um Ausbildungsplätze verabschiedet. Für sie muss die Agentur für Arbeit spezielle Angebote machen, damit sie überhaupt Berücksichtigung bei Arbeitgebern finden.
Das zweite Problem ist ideologischer Natur. Wird doch den Schülern weisgemacht, sie müssten im Rahmen des vielfach gegliederten deutschen Schulwesens ihre Begabungen und Potenziale entfalten und auf diese Weise einen Beruf finden, der ihren Interessen oder ihrer Persönlichkeit entspricht. Ganz so, als ob die Arbeitswelt ein Angebot für jede Variante der Menschennatur vorhalten würde und die Anwärter aufs Berufsleben nur das zu ihnen und ihrer Persönlichkeit passende Angebot wählen müssten.
Kaum haben Schulabsolventen das ernst genommen, werden sie auch schon mit der Realität konfrontiert, dass die Arbeitswelt sich eben nicht nach ihren Wünschen richtet, sondern diese sich am Bedarf der Arbeitgeber zu orientieren haben. Der Berufswunsch muss realistisch sein; was zählt, sind die Gegebenheiten des Arbeitsmarktes.
Das dritte Problem besteht darin, überhaupt einen Betrieb zu finden, der ausbilden will – in welchem Beruf auch immer. Schließlich wurden lange Jahre Jugendliche zu Problemfällen erklärt; es herrschte Jugendarbeitslosigkeit, wie die Klage hieß. Aktuell sieht die Lage nach offizieller Einschätzung so aus:
Die Zahl neuer Ausbildungsverträge ist im Jahr 2021 auf einem historisch niedrigem Niveau geblieben: Insgesamt wurden 473.100 neue Ausbildungsverträge abgeschlossen. Die Zahl der Neuverträge war damit zwar um 1,2 Prozent höher als im Vorjahr. Sie blieb jedoch noch immer deutlich hinter dem Ergebnis des Vorkrisenjahres 2019 zurück.
BMAS 2
Wenn die geringen Zahlen abgeschlossener Verträge genannt und mit dem kleinen Trost einer ansteigenden Tendenz versehen werden, heißt das selbstverständlich nicht, dass alle Ausbildungssuchenden einen Platz gefunden hätten. Wenn weniger Verträge abgeschlossen wurden, dann haben die Bewerber insgesamt nicht den Kriterien der Ausbildungsbetriebe genügt.
Denn auch in den Zeiten des beklagten Mangels nehmen Ausbildungsbetriebe nicht jeden – und der Zahl der offenen Ausbildungsplätze steht eine große Zahl von jungen Menschen gegenüber, die leer ausgegangen sind. Also zielen die Aktivitäten der „zeitgemäßen Ausbildung“ auf diejenigen, die bislang für eine Ausbildung als untauglich befunden wurden oder schlicht in ihrem Umfeld nichts gefunden haben, um sich für den Arbeitsmarkt fit zu machen.
Wem vor Ort nichts geboten wird, der kann ja auch anderswo in der Republik suchen und sich anbieten. Dafür gibt es dann Umzugshilfen, außerdem sollen neue Lehrlingswohnheime gebaut werden.
Und wo das alles nicht hilft, sollen die unversorgten Schulabgänger in überbetrieblichen Ausbildungsstätten sozialer Träger unterkommen. Möglichst in Kooperation mit Betrieben, damit die zukünftigen Arbeitnehmer auch gleich ein realistisches Bild davon bekommen, was von ihnen verlangt wird, und umgekehrt Betriebe, auch wenn sie nicht selbst ausbilden, das passende Menschenmaterial vorfinden.
Handlungsfeld 2: „Gezielte Weiterbildung“
Warum es die braucht, gibt die Regierung kund:
Die Digitalisierung, der Klimawandel und der demografische Wandel verändern den Arbeitsmarkt maßgeblich. In Zukunft wird der Bedarf an beruflicher Umorientierung und an Job- und Branchenwechsel weiter steigen.
BMAS 1
Digitalisierung und Klimawandel erscheinen in der Darstellung des Ministeriums als schicksalhafte Ereignisse. Dabei steht Digitalisierung für eine umfassende Rationalisierung in Betrieben und Verwaltungen, die viele Arbeitsplätze überflüssig machen wird. Das hat dann die Folge, dass diejenigen, die es trifft, mit dem Arbeitsplatz nicht nur ihre Einkommensquelle verlieren, sondern dass über sie ein Negativurteil gefällt wird: Sie zählen zum Kontingent der Unbrauchbaren, weil ihre Qualifikation nicht mehr gefragt ist.
Der Klimawandel ist auch nicht vom Himmel gefallen, sondern das Ergebnis einer jahrhundertelangen Industriepolitik, die es dem Kapital erlaubt hat, die Umwelt großzügig zur Entsorgung seiner Abgase und Abfälle zu benutzen. Umgesteuert wird nun von der Politik – aber nicht bei der weiteren Expansion der Produktion, sondern im Hinblick auf Energiepolitik. Sie soll Deutschland unabhängig machen von Energielieferungen aus anderen Staaten, diese umgekehrt in eine Abhängigkeit von deutscher Technologieführerschaft bringen.
Die als Transformation bezeichnete Veränderung der Energiepolitik macht ebenfalls viele Arbeitsplätze unsicher und Menschen letztendlich arbeitslos. Auf sie kommt ein Zwang zu, der von der Regierung als deren persönlicher Bedarf gefasst wird – nämlich als Notwendigkeit, sich beruflich umzuorientieren und eine neuen Job zu suchen, womöglich in einer anderen Branche mit ganz anderen Qualifikationsanforderungen:
Der Strukturwandel wird sich auf Branchen und Regionen unterschiedlich auswirken. In vielen Bereichen des verarbeitenden Gewerbes ist mit erheblichem Anpassungsbedarf zu rechnen, ebenso in energieintensiven Industrien sowie in den weiteren klimapolitisch zentralen Transformationsfeldern Energiewirtschaft, Bau- und Automobilwirtschaft.
Eine zentrale Herausforderung in diesen Transformationsprozessen besteht darin, Arbeitskräfte in den betroffenen Branchen und Regionen beim Übergang in neue Beschäftigungsmöglichkeiten zu unterstützen und durch den Strukturwandel bedingte Arbeitslosigkeit zu vermeiden. Zugleich besteht ein Ziel darin, Fachkräfte in den Unternehmen zu halten und dort für neue Aufgaben weiter zu qualifizieren.
Entwurf eines Gesetzes zur Förderung der beruflichen Weiterbildung im Strukturwandel und zur Weiterentwicklung der Ausbildungsförderung – Das Arbeit-von-Morgen-Gesetz, Bundestags-Drucksache 19/17740
Die unterschiedlichen Rationalisierungsbemühungen der Wirtschaft, um ihren – hier als Strukturwandel beschriebenen – Erfolg auf dem Weltmarkt zu sichern, werden massenhaft Leute auf die Straße setzen; da ist sich die Regierung sicher und an diesem „Naturgesetz“ will sie auch nichts ändern.
Dennoch sollen die Betreffenden nicht der Agentur für Arbeit dauerhaft zur Last fallen. Das Ideal ist, dass sie sich neu qualifizieren, bevor sie überhaupt arbeitslos geworden sind. Arbeitgeber sollen bereits die neuen Qualifikationen vorfinden, wenn sie entsprechend ihrer Kalkulation andere Arbeitskräfte benötigen.
Eine Sicherheit will die Regierung Arbeitnehmern allerdings nicht versprechen, wenn sie vom lebenslangen Lernen spricht. Die immer wieder aufgelegte bildungspolitische Parole bedeutet nämlich nichts anderes, als dass das Einkommen durch Arbeit per se eine unsichere Angelegenheit ist und bleibt, dass also die Betroffenen ständig gezwungen sind, ihre Verkäuflichkeit an sich (wieder-)herzustellen. An diesem Daseinskampf will und kann auch der hochgelobte deutsche Sozialstaat nichts ändern (vgl. Renate Dillmann und Arian Schiffer-Nasserie, „Der Soziale Staat„).
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Teil 2: Die Bundesregierung und der Mensch als „Arbeitspotenzial“
Die Bundesregierung und der Mensch als „Arbeitspotenzial“
Eine Initiative soll für Fachkräfte sorgen. Sie sagt viel über den Kapitalismus und das Menschenbild aus. Und sie hilft, den globalen Arbeitsmarkt zu verstehen. (Teil 2 und Schluss)
Zeitgemäße Ausbildung und gezielte Weiterbildung – die beiden Erfordernisse stellt die neue Regierungsstrategie „Fachkräfteland Deutschland“ heraus, was Thema des ersten Teils dieses Kommentars war. Der Sache nach geht es hier um eine Betreuung des Arbeitsmarkts, die dem Anspruchsdenken der Kapitalseite mit äußerstem Respekt begegnet, so die bisherige Analyse.
Was alles noch dazugehört, soll im Folgenden erörtert werden.
Handlungsfeld 3: „Arbeitspotenziale und Erwerbstätigkeit erhöhen“
Mit der Bezeichnung „Arbeitspotenziale“ macht die Regierung klar, als was sie die Menschen im Lande betrachtet. Das ist schon eine bemerkenswerte Bestimmung: Sie sind Menschen, deren Arbeit ausgenutzt gehört, sie sind zum Arbeiten da.
„Erwerbstätigkeit erhöhen“ ist ebenso eine seltsame Zielsetzung, schließlich wird damit ausgedrückt, dass die Menschen im Lande mehr für ihren Lebensunterhalt arbeiten sollen – was das Leben natürlich nicht angenehmer macht.
Aber auch so kann man das Grundprinzip des Kapitalismus thematisieren, dass die Menschen nicht arbeiten, um zu leben, sondern leben, um zu arbeiten. Das Ganze soll jedoch als eine einzige Dienstleistung an diejenigen verstanden werden, die vom Verkauf ihrer Arbeitskraft leben müssen und dies bislang nicht konnten, stattdessen auf Sozialleistungen angewiesen waren:
Um die Erwerbsbeteiligung in Deutschland weiter zu erhöhen, bedarf es unter anderem verbesserter Rahmenbedingungen. Wir gehen diese an – bspw. mit dem Mindestlohn, der Brückenteilzeit oder dem Gesetz zur Förderung eines inklusiven Arbeitsmarktes.
BMAS 1
Wenn die Erhöhung des Mindestlohns als Beispiel für die Steigerung der Erwerbstätigkeit angeführt wird, dann unterstellt das Arbeitsministerium, dass viele Menschen nicht oder nur wenig arbeiten, weil sie eingesehen hätten, dass sich für sie das Arbeiten nicht lohnt. Ganz so, als ob ein Leben vom Bürgergeld, das die Existenz nicht sichert und die Menschen zur Tafel treibt, eine Alternative wäre, für die sich viele entscheiden (siehe dazu: „Hartz IV geht, das Bürgergeld kommt – die Notlagen bleiben„).
Wo die Regierung das größte Arbeitspotenzial sieht, macht sie schnell klar:
Durchschnittlich gehen rund 20 Prozent weniger Frauen als Männer einer bezahlten Erwerbstätigkeit nach. Wir wollen bei den Ursachen ansetzen und schaffen Anreize und Rahmenbedingungen, um weiterhin die Lohnungleichheit von Frauen und Männern zu verringern, die Vereinbarkeit von Beruf und Privatleben zu verbessern, und die Anerkennung von Sorgearbeit zu unterstützen. Den Anspruch auf eine Rückkehr zur vorherigen Arbeitszeit haben wir mit der Brückenteilzeit bereits gesetzlich verankert.
In den Augen der Regierung arbeiten Frauen noch zu wenig. Damit ist nicht ihre Hausarbeit gemeint, sie vollbringen vielmehr zu wenig Arbeitsleistung für den Gewinn der deutschen Wirtschaft. Damit sie sich dafür entscheiden, möchte die Politik nachhelfen.
Dabei kommen ihr die ständigen Reallohnsenkungen zupass, die es immer schwieriger machen, von einem Einkommen den Unterhalt einer Familie zu bestreiten. Wenn von der Vereinbarkeit von Beruf und Privatleben die Rede ist, dann wird damit umschrieben, dass die Notwendigkeiten des Alltag mit der zusätzlichen Berufstätigkeit der Frauen nicht weniger werden. Das soll sie allerdings nicht daran hindern, mehr zu arbeiten.
Ein weiteres Potenzial sieht die Regierung bei den Menschen mit Behinderung:
Mit einer besseren Integration von Menschen mit Behinderungen in den allgemeinen Arbeitsmarkt bietet sich den Unternehmen nicht nur ein Gewinn für die Arbeitskultur, sondern auch ein großes Potenzial für die Fachkräftesicherung.
BMAS 3
Eine bessere Integration dieser Menschen in den allgemeinen Arbeitsmarkt entlastet zunächst einmal die Sozialkassen, von denen die meisten leben müssen, weil sie entweder nicht arbeiten können oder keinen Arbeitgeber finden, der ihre Beschäftigung als lohnend erachtet.
Dass ihre Beschäftigung ein „Gewinn für die Arbeitskultur“ darstellen soll, überzeugt nur wenige Arbeitgeber und so ist die Integration von Menschen mit Behinderung abhängig davon, dass der Staat ihre Beschäftigung für das Unternehmen zu einem interessanten Kalkulationsfaktor macht.
So gibt es eine Beschäftigungspflicht für Unternehmen, Menschen mit Behinderung anteilsmäßig zur Größe der Belegschaft einzustellen. Im Gegensatz zu anderen staatlichen Pflichten können sich Unternehmen von dieser Pflicht mit einer Ausgleichsabgabe freikaufen. Darin sieht die Regierung einen Hebel, die Personengruppe besser in den allgemeinen Arbeitsmarkt zu integrieren:
Zur Erreichung der Ziele ist im Wesentlichen Folgendes vorgesehen:
- Erhöhung der Ausgleichsabgabe für Arbeitgeber, die trotz Beschäftigungspflicht keinen einzigen schwerbehinderten Menschen beschäftigen („vierte Staffel“); für kleinere Arbeitgeber sollen wie bisher Sonderregelungen gelten.
- Konzentration der Mittel aus der Ausgleichsabgabe auf die Förderung der Beschäftigung von schwerbehinderten Menschen auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt,
- Aufhebung der Deckelung für den Lohnkostenzuschuss beim Budget für Arbeit…
Entwurf eines Gesetzes zur Förderung eines inklusiven Arbeitsmarkts
Dort, wo der (die Lohnkosten steigernde, weil mit einer Ausgleichsabgabe versehene) Verzicht auf Beschäftigung dieser Personen trotzdem stattfindet, der Anreiz zur Verbilligung also nicht wirkt, bleibt noch eine Alternative: Durch Lohnkostenzuschüsse kann man Arbeitgebern die Beschäftigung von Menschen mit Behinderung lukrativ machen. Lohnen soll sich die Sache – heißt es – für beide Seiten.
Handlungsfeld 4: „Verbesserung der Arbeitsqualität und Wandel der Arbeitskultur“
Der Titel „Verbesserung der Arbeitsqualität“ klingt seltsam. Woran soll sie denn gemessen werden? Am Arbeitsprodukt wohl eher nicht, hieße das doch, dass das Label „Made in Germany“ bislang nur minderwertige Qualität geliefert hat. Doch das ist von der Regierung nicht gemeint:
Eine gute Arbeitsqualität, sichere und gesunde Arbeitsbedingungen, sowie eine mitarbeiterorientierte Arbeitskultur sind zentral, um Fachkräfte zu gewinnen und zu halten.
BMAS 1
Wenn es darum ginge, den Arbeitenden ein gutes Auskommen zu sichern, bei dem sie ihre Gesundheit nicht ruinieren, dann müsste die Regierung sich gegen die Art und Weise des hierzulande üblichen Wirtschaftens wenden.
Denn im Kapitalismus sind Löhne und Gehälter Kosten, also niedrig zu halten. Sie müssen sich lohnen, sind unter diesem Kriterium zu kalkulieren, weswegen das Lohnarbeiterleben immer eine unsichere und auch ungesunde Angelegenheit bleibt.
Denn durch das vom Unternehmen in Personal verausgabte Geld soll immer eine möglichst hohe Leistung erbracht werden, was die Menschen auf Dauer verschleißt.
Wenn nun Rücksichtnahme auf die Mitarbeiter als eine besondere Kultur gefordert wird, und zwar als Mittel für die Fachkräftegewinnung, dann geht es eben um das Interesse der Unternehmen, eine für sie gewinnträchtige Mannschaft zusammenzubekommen.
Dabei sieht die Regierung die Arbeitgeber in der Verantwortung; sie sollen durch entsprechende Arbeitsbedingungen dafür sorgen, dass sich nicht nur die entsprechenden Mitarbeiter einfinden, sondern dass diese auch gehalten werden können:
Eine gute Arbeitsqualität ermöglicht einen weiteren Baustein zur Fachkräftesicherung: den Einsatz älterer Erwerbstätiger. Denn diese sollen so lange wie möglich und entsprechend ihren individuellen Vorstellungen im Erwerbsleben gehalten werden.
Rentnerinnen und Rentner haben die Möglichkeit, neben einer vorgezogenen Altersrente, weiterhin eine Erwerbstätigkeit auszuüben. Eine wichtige Rolle spielte hierbei bisher die Hinzuverdienstgrenze für vorgezogene Altersrenten. Diese ist zum 1. Januar 2023 weggefallen, so dass nun neben einer vorgezogenen Altersrente unbegrenzt hinzuverdient werden kann. Ab Erreichen der Regelaltersgrenze kann wie bisher ohne Beschränkung hinzuverdient werden.
„Verbesserung der Arbeitsqualität und Wandel der Arbeitskultur“ – BMAS 4
Mit dem Ziel der Verbesserung der Arbeitsqualität zielt die Regierung auf die älteren Erwerbstätigen. Dass die nach einem langen Erwerbsleben meist gesundheitlich angeschlagen und verschlissen sind, ist der Ausgangspunkt für die Forderung nach besseren Arbeitsbedingungen: Diese Menschen sollen länger für den Gewinn der Unternehmen brauchbar bleiben.
Die Regierungen haben bereits in den vergangenen Jahrzehnten durch die Senkung der Renten einiges getan, um den Zwang zur Arbeit auch im Alter zu erhalten. Mit der Riester-Rente hat sich damals Rot-Grün von dem Versprechen verabschiedet, dass die gesetzliche Rente für die Alterssicherung ausreicht, und die Bürger auf die private Vorsorge verwiesen.
Diese muss man sich natürlich auch noch leisten können. Als Leistung für die Alten betrachtet die Regierung nun, dass alte Menschen im Rentenalter unbeschränkt hinzuverdienen dürfen, ohne ihre Rentenansprüche zu verlieren. Eine wahre Großtat angesichts der zunehmenden Altersarmut!
Handlungsfeld 5: „Moderne Einwanderungspolitik und Reduzierung der Abwanderung“
Dieses Handlungsfeld steht wahrscheinlich nicht zufällig am Ende der Regierungsstrategie. Macht die Reihenfolge doch deutlich, dass es zunächst um die eigenen Bürger geht, denen geholfen werden soll, sich nützlich machen zu können. Man will wohl möglichen Einwänden von Kritikern begegnen, die Einwanderung im Prinzip für ein Vergehen an der Nation halten.
Dabei verschafft gerade die Politik Ausländerfeinden die Grundlage für ihre Gegnerschaft. Es ist ja die Leistung der Politik, die Scheidung zwischen Inländern und Ausländern als grundlegende Tatsache herzustellen.
Bei der Initiative geht es nun aber darum, die richtigen Ausländer ins Land zu holen, und so will erst einmal bestimmt sein, wer die Erlaubnis, in Deutschland arbeiten und leben zu dürfen, erhalten soll:
Die Möglichkeiten für akademische und berufliche Fachkräfte haben sich durch das Fachkräfteeinwanderungsgesetz deutlich erweitert. Um die Fachkräfteeinwanderung weiter zu stärken, arbeiten wir an der Weiterentwicklung des Gesetzes.
BMAS 4
Bislang hat die Regierung im Rahmen der EU die Einwanderung mit der „Blauen Karte“ auf Menschen mit akademischem Abschluss und einem überdurchschnittlichem Einkommen begrenzt. Das hat nicht die entsprechende Wirkung gezeigt, die gesuchten Fachkräfte für die deutsche Wirtschaft zu gewinnen.
Hinzu kommt, dass nicht nur akademisch gebildete und hochbezahlte Kräfte gebraucht werden, sondern sich der Bedarf der deutschen Wirtschaft auch auf viele andere Bereiche erstreckt. Also muss das Gesetz entsprechend angepasst werden:
Ausländische Fachkräfte sollen künftig leichter nach Deutschland kommen können. Dafür hat das Bundeskabinett einen Gesetzentwurf zur Reform des Fachkräfteeinwanderungsgesetzes beschlossen, der vom Bundesministerium des Innern und für Heimat sowie vom Bundesministerium für Arbeit und Soziales vorgelegt worden war…
Wir wollen, dass Fachkräfte schnell nach Deutschland kommen und durchstarten können. Bürokratische Hürden wollen wir aus dem Weg räumen. Wenn Menschen Berufserfahrung oder persönliches Potenzial mitbringen, werden wir es ihnen ermöglichen, auf unserem Arbeitsmarkt Fuß zu fassen.
„Bundesregierung schafft neue Wege der Erwerbsmigration“ – BMAS 5
Was vorher der gründlichen Prüfung bedurfte, damit nur die Richtigen die Zulassung zur Arbeit in Deutschland erhalten, erscheint im jetzigen Licht des dringenden Bedarfs als eine bürokratische Hürde. Auch im Hinblick auf Qualifikation sind neue Kriterien angesagt.
Zeichnete sich bislang eine Fachkraft durch eine akademische Ausbildung aus, so reicht nun Berufserfahrung oder persönliches Potenzial, was nichts anderes bedeutet, als dass dieser Mensch für die deutsche Wirtschaft nützlich sein kann.
Eine Fachkraft ist damit ab sofort durch ihre Brauchbarkeit für die Stärkung der deutschen Wirtschaft definiert und damit für Deutschlands Rolle in der Welt – ganz gleich, ob als Servicekraft in der Gastronomie oder als Spitzenkraft im IT-Bereich:
Viele Unternehmen haben seit langem erhebliche Schwierigkeiten, qualifizierte Fachkräfte zu finden. Die Zahl der offenen Stellen lag 2022 bei rund 1,98 Millionen, der höchste je gemessene Wert.
Fachkräfteengpässe betreffen Unternehmen in einer Vielzahl von Branchen und Regionen und zeigen sich zum Beispiel in den Gesundheits- und Pflegeberufen, bei der Kinderbetreuung, in der IT-Branche und in vielen weiteren Produktions- und Dienstleistungsberufen. Der Fachkräftemangel hat sich zu einem Risiko für den Wohlstand in Deutschland entwickelt. Die demografische Entwicklung wird die Entwicklung noch weiter verstärken.
BMAS 5
Dass es angesichts der Vielzahl der offenen Stellen durch die angekündigten Maßnahmen noch mehr Arbeitslose geben wird, bedarf nicht der Erwähnung, haben die anderen Handlungsfelder doch bereits deutlich gemacht, dass das hiesige Arbeitslosenheer nur eingeschränkt benutzbar ist.
Für den Erfolg der deutschen Wirtschaft braucht es eben immer einen gewissen Überschuss an – für jeden möglichen Bedarf – qualifizierten Kräften. Denn dann haben die Unternehmen die Auswahl.
Und da die neuen Regelungen nicht automatisch zu mehr ausländischen Bürgern führen, die die Kriterien des neuen Gesetzes erfüllen und in Deutschland arbeiten wollen, braucht es weitere Anreize. Die vermittelt die Regierung mit einer „Chancenkarte“:
Neu eingeführt wird eine Chancenkarte zur Arbeitssuche, die auf einem Punktesystem basiert. Zu den Auswahlkriterien gehören Qualifikation, Deutsch- und Englischkenntnisse, Berufserfahrung, Deutschlandbezug, Alter und das Potenzial des mitziehenden Ehe- oder Lebenspartners bzw. der mitziehenden Ehe- oder Lebenspartnerin.
BMAS 5
Mussten bislang Anwärter auf eine Beschäftigung in Deutschland vor der Einreise ein entsprechendes Arbeitsverhältnis nachweisen, so sollen in Zukunft auch Menschen einreisen dürfen, die noch keinen Arbeitsplatz gefunden haben und sich auf dem Arbeitsmarkt umsehen wollen. Aber auch dafür müssen sie entsprechende Kriterien erfüllen.
Die machen deutlich, wie sich Deutschland die ideale Fachkraft von morgen vorstellt: Sie sollte möglichst über einen akademischen oder Berufsabschluss verfügen, zumindest über einschlägige Berufserfahrung; je nach Beruf über Deutschkenntnisse, die schon im Ausland erworben wurden; in manchen Berufen kann man auch mit Englischkenntnissen zurechtkommen oder muss sie dafür erwerben.
Deutschlandbezug bedeutet: Wer schon einmal in Deutschland war, dort Verwandte oder Bekannte hat, kann sich leichter integrieren. Über 35 sollte der Bewerber oder die Bewerberin nicht sein – trotz hoher Ansprüche an Bildung und Berufserfahrung.
Denn die Betreffenden sollen noch in der Lage sein, sich nicht nur langfristig in Deutschland nützlich zu machen, sondern damit auch einen eigenen Rentenanspruch zu erwerben und nicht im Alter der Staatskasse zur Last zu fallen.
Mit dem Fachkräfteeinwanderungsgesetz geht Deutschland nämlich nicht mehr davon aus, dass diese Menschen – anders als seinerzeit die „Gastarbeiter“ – die Perspektive einer Rückkehr in ihr Herkunftsland haben, sondern dauerhaft bleiben und dann auch Deutsche werden.
Deshalb ist die Miteinreise des Lebenspartners bzw. der Lebenspartnerin ebenfalls von Bedeutung. Denn es braucht auch langfristig Nachwuchs an Arbeitskräften und die können nicht nur von Deutschen gezeugt werden.
Mit der Festlegung der Kriterien für eine Fachkraft ist die Sache nicht beendet, kennen Politiker doch ganz viele Unterschiede bei Ausländern, die entsprechend dem Verhältnis zu den Herkunftsstaaten getroffen werden und die sich nicht unbedingt in dem Fachkräfteeinwanderungsgesetz, wohl aber in den vielfältigen Regelungen für Ausländer wiederfinden.
Da sind zum einen die EU-Ausländer, die in der ganzen Europäischen Union arbeiten dürfen. Doch auch da machen deutsche Politiker feine Unterschiede, denn es gibt Staaten, die zum Schengen-Raum gehören und deren Bürger sich ohne Grenzkontrollen in diesem Raum bewegen dürfen.
Und es gibt Staaten wie Rumänien oder Bulgarien, deren Bürger weiterhin kontrolliert und bei denen man durch sozialpolitische Regelungen einiges tut, damit sie sich bei uns nur dann aufhalten, wenn sie als billige Saisonkräfte oder LKW-Fahrer gebraucht werden.
Weiterhin gibt es sogenannte Drittstaaten, bei denen noch einmal danach unterschieden wird, wer ein Visum zur Einreise benötigt und wer ohne es einreisen, aber deswegen noch lange nicht hier arbeiten oder sich dauerhaft aufhalten darf.
Zu den bevorzugten Staaten, bei denen auf ein Visum verzichtet werden kann, gehören die Staaten des sogenannten freien Westens, der angeblich zu gemeinsamen Werte verpflichtet. An ihrer Spitze die USA, die sich bekanntlich bei der Verteidigung der Werte in Guantánamo und Abu Ghraib besonders hervorgetan haben und die ihre Freiheit in der Verfolgung von Denunzianten ihrer Kriegsverbrechen wie Snowden oder Assange praktizieren.
Mit der Unterzeichnung der Genfer Konvention zur Behandlung von Flüchtlingen und zum Asylrecht haben sich die Staaten dazu aufgeschwungen, andere Herrscher danach zu beurteilen, inwieweit sie ihre Herrschaft legitim ausüben.
Dieses Recht ist keins, das die Untertanen dieser Herrschaften zu irgendetwas – etwa dazu, anderswo Unterkunft zu finden – berechtigen würde. Denn welche Bürger als lebende Beweismittel gegenüber einer fremden Herrschaft taugen, entscheiden immer die aufnehmenden Staaten nach ihren Kriterien.
Dass irgendwo auf der Welt Herrscher ihre Kritiker schikanieren, gehört zur Normalität in dieser Welt; wer deswegen Asyl hierzulande verdient, ist dabei eine ganz andere Angelegenheit. Die Herren Snowden und Assange gehören jedenfalls nicht dazu.
Wegen der vielen Kriege gibt es zudem in Massen sogenannte Schutzbedürftige aus humanitären Gründen, die deshalb des Schutzes bedürfen, weil sie in einer Gegend zu Hause sind, in der gerade Krieg herrscht. Ihr Aufenthalt in Deutschland gilt als vorübergehend, nämlich für die Zeit des Krieges. Doch auch hier ist nicht Krieg gleich Krieg und ebenso entscheidet die Regierung des Aufnahmelandes, wie lange ein solcher Konflikt und damit die Schutzbedürftigkeit dauert.
Auch wird bei den Kriegsflüchtlingen noch einmal sortiert. Schutzbedürftige aus Syrien mussten sich registrieren lassen und durften nicht automatisch arbeiten. Ganz anders die Flüchtlinge aus der Ukraine, aus einem Land, in dem „unser Krieg“ stattfindet.
Auch der Krieg in Afghanistan hat Flüchtlinge nicht davor bewahrt, dorthin wieder abgeschoben zu werden, hatte doch die deutsche Regierung entdeckt, dass nicht überall in dem geschundenen Land der Krieg tobte.
Da nicht alle Staaten darauf erpicht sind, ihre Staatsbürger zurückzubekommen, wenn sich diese aus irgendeinem Grunde abgesetzt haben, gibt es auch noch viele Menschen in Deutschland, deren Aufenthalt nur geduldet wird. Sie leben deshalb in der ständigen Unsicherheit, abgeschoben zu werden; zudem wird bei ihnen alles dafür getan, dass ihnen der Aufenthalt so schwer wie möglich fällt.
Also muss auch bei der Begutachtung der Ausländer im Lande wie derjenigen, die ins Land möchten, genau geprüft werden, wer es verdient, sich für Deutschlands Erfolg in der Welt nützlich zu machen.
Und wie man von den Meinungsmachern und Meinungsforschern im Lande hört, kommt die von Scholz umrissene Migrationspolitik deutlich besser an als die „Willkommenskultur“ seiner Amtsvorgängerin Merkel, die in der Parteienkonkurrenz den Aufstieg der Wettbewerber von der AfD begünstigte – so das Fazit von Georg Schusters Analyse „Wir und die anderen im Jahr 2023„. Bei Scholz ist ja auch nicht der internationalistische Tonfall maßgeblich, sondern das klare Bekenntnis zum Dienst an Deutschland.
Fazit
Dass die Regierung nichts für ihre Bürger tun würde, kann man ihr wahrlich nicht vorwerfen. Sie weiß um deren Abhängigkeit vom Erfolg der deutschen Wirtschaft, die sie als billige und willige Arbeitskräfte braucht. Wenn die zur Mangelware werden und das freie Unternehmertum „nachhaltige Planung auf dem Arbeitsmarkt“ vermisst, sieht sich die Regierung zum Handeln herausgefordert.
Also tut sie alles, damit möglichst viele Menschen als Arbeitskräfte zur Verfügung stehen und ihren Beitrag zum Erfolg der Nation leisten. Die Ansprüche der deutschen Wirtschaft reichen aber weit über das Potenzial der heimischen Arbeitskräfte hinaus, somit braucht es auch Zuwanderer, aus denen gute Deutsche werden können.
So wird deutlich, was einen guten Deutschen auszeichnet: nicht sein Pass oder sein Geburtsort, sondern sein Dienst an der Nation. Wer meint, einfach wegen seiner (bio-)deutschen Herkunft eine besondere Behandlung verdient zu haben, hat eben den Witz verpasst, was es heißt, ein guter Deutscher zu sein.
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