Knapp ein Jahr lang wurde der Aufbau einer alternativen Gewerkschaft für den Frankfurter Hochschulbereich vorbereitet. Am 18 November 2016 war es dann soweit – es konstituierte sich feierlich die alternative Hochschulgewerkschaft, die sich für die Goethe-Universität und zusammenhängende Dienstleistungsbetriebe zuständig sieht.
Die neue Gewerkschaft soll alle Angestellten- und Statusgruppen der Universität umfassen und nach partizipatorischen und föderalen Prinzipien funktionieren. Sie will sich nicht nur auf die klassischen Gewerkschaftsfelder beschränken, sondern darüber hinaus (hochschul-) politisch auf die allgemeine Verfasstheit der Universität Einfluss nehmen. Als perspektivisches Ziel benennt die Initiative eine grundlegende Transformation der Hochschule in eine basisdemokratische Selbstverwaltung.
Die Neugründung von Gewerkschaften ist im bundesdeutschen Gewerkschaftsbereich keine temporäre Erscheinung, das zeigen aktuell die Gründung von „Social Peace“ als Antwort auf rassistische Ausfälle von Verantwortlichen der Münchner IG Metall, sowie die in der Versicherungsbranche aktive „Neue Assekuranz Gewerkschaft” (NAG).
Die prekäre Beschäftigung hat seit einiger Zeit auch den Hochschulbereich erreicht, ohne, dass dies in der breiten Öffentlichkeit wahrgenommen wurde. Immer mehr Hochschulangehörige schlagen sich mit kurzen Zeitverträgen herum, immer mehr Dienstleistungen werden outgesourst, es fehlt eine tarifliche Absicherung der Hilfskräfte, die Prekarisierung des wissenschaftlichen Personals schreitet durch ständige Befristung voran und es entstehen zunehmend in allen Bereichen Geschlechterhierarchien.
Gleichzeitig sieht man eine „Ökonomisierung der Bildung” durch die Einrichtung von Globalbudgets für Fachbereiche und dem Zwang für die Lehrstühle, ständig neue Drittmittel einzuwerben. Man spricht von einer „Entdemokratisierung” der hessischen Hochschulen, an denen die klassischen Räte der universitären Selbstverwaltung, wie Fachbereichsräte, massiv an Einflussmöglichkeiten verlieren.
Das will die neue links-alternative Hochschulgewerkschaft unter_bau an der Goethe-Uni Frankfurt am Main ändern und möchte dafür mit dem DGB kooperieren, ohne aber eine Mitgliedschaft einzugehen.
Der Anspruch ist alles andere als bescheiden, man will die „Uni von morgen aufbauen“.
Die neue Hochschul-Gewerkschaft „Unterbau“ versteht sich ganz bewusst als linke Gewerkschaft, die anarchistischen Traditionen nähersteht als der Sozialdemokratie. Die neue Gewerkschaft unterscheidet sich von herkömmlichen Interessenvertretungen durch eine politische Ausrichtung, die auf eine soziale Hochschule in rätedemokratischer Selbstverwaltung abzielt, um damit die Arbeits-, Studien- und Wissenschaftsbedingungen grundlegend neu zu gestalten. Sie hat eine basisdemokratische Funktionsweise, bei der die föderalen Basiseinheiten großzügige Autonomie genießen und alle Beschlüsse in regelmäßigen Vollversammlungen der Basis getroffen werden. Die Beschlüsse werden von einem Sekretariat gemäß dem Prinzip des imperativen Mandats ausgeführt, wobei alle Posten z.B. für die allgemeine Koordination, gewerkschaftliche Organisierung, Öffentlichkeitsarbeit, Außenbeziehungen und Verwaltung, geschlechterparitätisch doppelt besetzt sind. Es sind themenspezifische Arbeitskreise, etwa zu Strukturentwicklung, Rechnungsprüfung und Programmatik, eingerichtet und Mandate für 20 Personen geschaffen worden.
Die Gewerkschaft sieht es als ihren Auftrag an, den Alltag in Hochschule und Gesellschaft zu re-politisieren, um dem sich ausbreitenden Autoritarismus entgegenzuwirken. Die Gründung der Gewerkschaft unter_bau soll auch ein politisches Signal gegen die neoliberale Verrohung und den allgemeinen Rechtsruck sein.
unter_bau will basisdemokratischer und kämpferischer sein, als etwa die DGB – Gewerkschaften GEW und ver.di, die ebenfalls an den Hochschulen aktiv sind.
In diesem Jahr will man sich an der Goethe-Universität Frankfurt am Main auch in die Tarifverhandlungen einschalten. Dabei soll als erstes Ziel die Verbesserung der Zeitverträge mit extrem kurzer Laufzeit für studentische und wissenschaftliche Mitarbeiter sein, um so zu einer längerfristigen Absicherung zu gelangen.
Langfristig ist das Ziel, eine umfassende Demokratisierung der Hochschulen in der Bundesrepublik.
Glück auf!
Weitere Infos: https://unterbau.org/
Quelle: unter_bau, Deutschlandfunk
Bild: unter_bau