VKG: TARIFABSCHLUSS ÖD LÄNDER – ENTTÄUSCHEND

Der Tarifabschluss vom 29. November hat sehr unterschiedliche Reaktionen in der gewerkschaftlichen Öffentlichkeit hervorgerufen. Aus den betroffenen Bereichen kommt häufig Kritik an dem Abschluss, vor allem von den angestellten Lehrer:innen und aus dem Gesundheitswesen. Wieder einmal wurde die Forderung nach gleicher Bezahlung von angestellten Lehrer:innen unter den Teppich gekehrt und eine generelle Erhöhung im Gesundheitswesen nicht erreicht. Lediglich verbesserte Zulagenregelungen für bestimmte Bereiche konnten durchgesetzt werden. Es wird sicherlich Mitglieder geben, die mit dem Abschluss zufrieden sind, müssen sie doch nicht bei möglichen unwirtlichen Temperaturen auf die Straße gehen, um für ihre berechtigten Forderungen zu streiten und zu streiken. Das ist für sie der einfachere und bequemere Weg. Aufgeklärte und verantwortliche Funktionär:innen sehen den Tarifabschluss natürlich anders und weitaus kritischer. Tariffragen sind schließlich auch immer Machtfragen und wenn die Gewerkschaftsführungen auf Bundesebene und in den Betrieben es nicht schaffen, ihre Mitglieder zu mobilisieren, ist schnell Schicht im Schacht.

Die Laufzeit ist wieder einmal auf 24 Monate (1.10.21-30.09.23) festgelegt worden, obwohl ein Abschluss für 12 Monate gefordert war. Wie in allen Tarifrunden der letzten Jahre akzeptierten die Gewerkschaften die Bedingung der „Arbeitgeber“ nach besser planbaren Laufzeiten. Schon in der Vergangenheit gelang es durch solche Abschlüsse nicht, die gestiegenen Lebenshaltungskosten auszugleichen, ganz zu schweigen davon, einen größeren Anteil an dem Gesamtvermögen zu erringen. Bei einer aktuellen Inflationsrate um die 5 % und nicht absehbarer Preisentwicklung ist dies aber dieses Mal noch fataler.

Auch der Verlauf dieser Tarifrunde verlief nach den Ritualen, die wir schon gewöhnt sind. Diesmal waren es allerdings die großen Krankenhäuser, für die die aktivste Rolle vorgesehen war. Viele Uni-Kliniken haben mehrere Tage „gewarnstreikt“. Dies ist sicherlich, vor allem in Pandemiezeiten, bemerkenswert, zeigt aber auch an, dass viele Beschäftigte nicht mehr bereit sind, die schlechten Arbeitsbedingungen hinzunehmen, was vor allem in der Berliner Krankenhausbewegung deutlich wurde, wo es Entlastungstarifverträge bei der Charité und bei Vivantes gab.

Eine prozentuale Erhöhung der Tarifeinkommen mit 2,8 % wurde erst zum 1.12.22 vereinbart. Für den Zeitraum vom 1.10.21 bis 30.11.22 gibt es eine Einmalzahlung, eine sogenannte Corona-Prämie von 1300 €, die Anfang 2022 ausgezahlt wird. Da dies eine einmalige Nettozahlung ist, werden dafür auch keine Beiträge für die Sozialversicherungen abgeführt und keine Lohnsteuer gezahlt. Durch die Gewerkschaftsleitungen werden die 1300 € gerne durch 14 Monate geteilt, was einer monatlichen Nettoerhöhung von 92 € entspricht. Dies sind bei einem Nettoeinkommen von 2000 € immerhin 4,6% mehr. Wir halten solch eine Argumentation und diesen Weg aber für falsch. Erstens wird hier die Corona-Prämie, die ja ursprünglich auf eine politische Entscheidung für bestimmte in der Pandemie besonders herausgeforderte Bereiche zurück geht, für die Tarifpolitik eingesetzt. Eine lineare Erhöhung, am besten eine Festgelderhöhung, wirkt sich direkt in allen Tarifgruppen aus. Wichtig ist aber auch, dass mit solch einer Regelung die Sozialkassen geschwächt werden, was sich dann unmittelbar auf die zukünftige Rentenentwicklung auswirkt. Zu guter Letzt ist es eine Entlastung für die Haushalte der Länder, da hiermit zusätzliche Forderungen, z.B. im Gesundheitswesen abgewehrt werden und damit auch keine Sozialversicherungsbeiträge anfallen.

Für die Beschäftigten im Gesundheitswesen wurde eine Erhöhung der Einkommen von 300 € gefordert. So erfreulich die Erhöhung der Zulagen für nicht wenige Bereiche, zwischen 70 € bis 220 €, ab 1. Januar 2022 auch sind: für die große Mehrheit der Beschäftigten bleibt es bei den üblichen Vereinbarungen. Die Krankenhäuser haben bewusst auf solch eine Regelung hingearbeitet, um damit einer Welle von Abwanderungen der Beschäftigten dieser Bereiche vorzubeugen.

Ritualisiert ist mittlerweile auch das Schönrechnen von mageren Ergebnissen. Damit ist niemandem gedient. Ehrlicherweise müsste man sagen: Wenn drei Verhandlungsrunden vereinbart sind, wir dazwischen nur zweimal eintägig warnstreiken und ohne längere Kampfmaßnahmen abschließen, dann ist eben nicht mehr drin.

Für den Bildungsbereich standen keine gesonderten Zulagen zur Verhandlung an: hier bringen die Ergebnisse dem Lehrpersonal an Schulen und Hochschulen nur Reallohnverluste. Besonders großer Unmut herrscht über die lange Laufzeit. Zu den eingeforderten Tarifvertragsverhandlungen für die studentischen Hilfskräfte gab es lediglich eine Gesprächszusage der Arbeitgeber.

Die GEW-Mobilisierung ist im Verlauf der letzten Länder-Tarifrunden schwächer geworden. Das liegt auch daran, dass die Streiks maßgeblich von den angestellten Lehrkräften getragen werden, die aber nach wie vor deutlich schlechter bezahlt werden als ihre verbeamteten Kolleg:innen. Tarifiert ist dies seit ein paar Jahren in der TV Entgeltordnung. Die GEW ringt seitdem mit den Länder-Arbeitgebern um substantielle Angleichungsschritte – allerdings bisher nur auf der Gesprächsebene, auf der nichts erreicht wurde, nicht einmal die sogenannte „Paralleltabelle“ (gleiche Entgeltgruppe wie Besoldungsgruppe, was wegen unterschiedlicher Sozialabgaben netto immer noch keine Gleichstellung wäre).

Um eine angemessene Entgeltordnung für angestelltes Lehrpersonal zu erreichen, müsste die GEW eigenständig streikfähig werden. Denn weder ver.di und schon gar nicht der Beamtenbund (der die schlechte Entgeltordnung als erster unterzeichnet hatte) werden dies für die GEW erledigen. Solange die GEW dafür keine ernsthaften Vorbereitungen trifft, wird sie von den öffentlichen Arbeitgebern kaum ernst genommen werden. Und auch nur einen bescheidenen Beitrag in den Länderrunden leisten können.

Da schon bald die nächsten Tarifrunden im Öffentlichen Dienst anstehen, sollten sich die Mitglieder Gedanken machen, wie die gewerkschaftlichen Ziele besser durchgesetzt werden können. Abschlüsse, bei denen nicht einmal die Absicherung der Einkommen erreicht werden, untergraben das Vertrauen der Mitglieder. Damit die Gewerkschaftsvorstände nicht ihre Vorstellungen von Verlauf und Ergebnisse durchsetzen können, braucht es stärkere Kontrollrechte der Mitglieder. Hier kann von der Berliner Krankenhausbewegung sicherlich viel gelernt werden.

 

 

 

 

Quelle: VKG – Vernetzung für kämpferische GewerkschaftenBildbearbeitung: L. N.