Die Einführung der HARTZ-IV Gesetzgebung hatte 2005 offiziell das wichtigste Ziel, die Arbeitslosigkeit, vor allem die Langzeitarbeitslosigkeit, zu senken. Nun, über 10 Jahre später, hat sich nicht viel getan, außer dass die Erwerbslosigkeit immer wieder individualisiert wurde und der HARTZ-IV Bezieher in der untersten sozialen Stellung angelangt ist.
Da ist es leicht, irgendwelche Missbrauchsdebatten anzuleiern, diese Menschen als Minderleister abzutun, die erst einmal gebildet und weiterqualifiziert werden müssen, deren angebliche persönliche Probleme bearbeitet und die mehr und mehr in privaten Unternehmen als Arbeitskräfte fast ganz ohne Kosten für den Betrieb ausgebeutet werden.
Immer wieder geht es um Programme und Maßnahmen und die x-ten Arbeitsmarktstrategien mit einem Sozialen, einem Zweiten oder einem Dritten Arbeitsmarkt, die es nun richten sollen.
Seit 2012 ist überhaupt kein Rückgang der Zahl langzeitarbeitsloser Menschen mehr zu verzeichnen. Die ausschließliche Orientierung in Richtung erster Arbeitsmarkt ist offensichtlich gescheitert.
Vor diesem Hintergrund und in Anbetracht der Flüchtlingstragödie muss eine breite gesellschaftliche Initiative zur Schaffung von guter öffentlich geförderter Beschäftigung entwickelt werden.
Den Menschen in der Bundesrepublik Deutschland wurde 2005 mit der HARTZ-IV- Gesetzgebung vorgegaukelt, dass mit diesem Instrumentarium vor allem die Arbeitslosigkeit abgebaut werden sollte. 10 Jahre später redet niemand mehr davon und das Wort Vollbeschäftigung hört man auch in Gewerkschaftskreisen nicht mehr.
Durch die herrschende öffentliche Meinung ist es für Viele selbstverständlich geworden, dass Menschen die unter der HARTZ-IV-Gesetzgebung zu leiden haben, ihre Lebensgrundlage entzogen wird, um Zwang auszuüben und die besonders Benachteiligten, die über keine sonstigen Mittel verfügen, gefügig zu machen.
Dass die offiziellen Arbeitslosenzahlen etwas gesunken sind, kommt nicht von ungefähr. Dahinter steht eine Fragmentierung und Prekarisierung des Arbeitsmarktes, mit der fast kein Beschäftigungsaufbau einherging. Dennoch und das ist einmalig in der Geschichte der Bundesrepublik ist es gelungen, die Löhne von der Produktivitätsentwicklung zu entkoppeln und die Gewinne explodieren zu lassen.
Der Arbeitsmarkt stellt sich derzeit so dar:
- Die offiziellen Arbeitslosenzahlen von knapp 2,8 Millionen Betroffenen zeigen nur die halbe Wahrheit. Rund eine Million Personen tauchen hier nicht auf, weil sie sich in Maßnahmen der Bundesagentur für Arbeit (BA) befinden oder sich aufgrund anhaltender Erfolglosigkeit bei der Arbeitssuche nicht (mehr) arbeitslos melden.
- Inzwischen ist jeder dritte abhängig Beschäftigte in Teilzeit erwerbstätig, insgesamt sind das 14,7 Millionen Personen. Nach belastbaren Umfragen würde gut die Hälfte von ihnen ihre Arbeitszeit gerne ausweiten. Rechnet man diese Wünsche nach mehr Arbeit und die von der BA ausgewiesene Unterbeschäftigung von 3,6 Millionen Menschen mal zusammen, so fehlen rund fünf Millionen Arbeitsplätze.
- Die Zahl der Erwerbstätigen ist um 0,8 Prozent auf 43 Millionen gestiegen, die der sozialversicherungspflichtig Beschäftigten um zwei Prozent auf 30,8 Millionen. Zusammen mit den (gegenläufigen) Effekten aus der demografischen Entwicklung, ist das Erwerbspersonenpotenzial nur um 100.000 Personen gestiegen.
- Nachdem der Anteil der sozialversicherungspflichtig Beschäftigten an allen Erwerbstätigen jahrelang zurückging, steigt er nun wieder an. Mit 71,5 Prozent lag er im Jahr 2015 aber noch deutlich unter dem Anteil von 74,1 Prozent im Jahr 1995. Ungebrochen ist dabei aber der Trend zu wachsender Teilzeitbeschäftigung.
- Diese kleinen positiven Tendenzen werden in der öffentlichen Debatte (und in der medialen Darstellung) seit Jahren dazu missbraucht, das weiter drängende Problem der Massenarbeitslosigkeit komplett auszublendenden.
- Im Jahr 2015 waren durchschnittlich 2,8 Millionen Menschen offiziell als arbeitslos registriert. Das waren zwar fast 200.000 weniger als noch im Jahr 2011, aber es bleibt ein riesiges Heer von Menschen ohne Perspektiven. Die Arbeitslosenquote (bezogen auf die abhängigen zivilen Erwerbspersonen) betrug 7,1 Prozent (nach 7,5 Prozent im Jahr 2014).
- Besonders dramatisch ist der weiterhin hohe Bestand an langzeitarbeitslosen Menschen. Im Jahr 2015 waren in Deutschland 1,04 Millionen Personen offiziell bei der BA als langzeitarbeitslos registriert. Diese Menschen waren seit einem Jahr oder länger arbeitslos; dies entspricht einem Anteil von 37,2 Prozent aller 2,8 Millionen Arbeitslosen nach offizieller Zählweise der BA. Hierbei sind nicht diejenigen Menschen berücksichtigt, die sich in Weiterbildungsmaßnahmen befanden, kurzfristig erkrankt oder langzeitarbeitslos und älter als 58 Jahre waren. Ebenfalls nicht berücksichtigt ist hier die stille Reserve von Arbeitslosen, die sich nicht bei der BA melden. Die Zahl der langzeitarbeitslosen Personen war im Jahr 2015 nur wenig geringer als im Jahr 2010 (minus neun Prozent) — anders als die Zahl der registrierten Arbeitslosen insgesamt, die seit 2010 deutlicher – um gut 14 Prozent – zurückgegangen ist.
- Von den 4,4 Millionen erwerbsfähigen Hartz-IV-Beziehern haben 2,8 Millionen seit mindestens zwei Jahren ALG II erhalten. Seit 2010 ist die Zahl der Langzeitbezieher sowohl absolut als auch relativ gewachsen. Inzwischen erhalten 64,4 Prozent aller erwerbsfähigen ALG-II-Empfänger seit mindestens zwei Jahren Leistungen, im Jahr 2010 waren es noch 55,5 Prozent (2,75 Millionen Betroffene). Ein Ausstieg aus HARTZ-IV gelingt somit immer seltener – ganz anders, als es die insgesamt leicht rückläufige Entwicklung der Gesamtarbeitslosenzahlen zunächst vermuten lässt.
- Das mit den HARTZ-Reformen verfolgte Ziel, durch mehr Druck auf Erwerbslose die Langzeitarbeitslosigkeit zu vermeiden, hat sich als Illusion erwiesen.
- Die ausschließliche Orientierung in Richtung erster Arbeitsmarkt ist offensichtlich für viele Arbeitslose nicht erfolgversprechend. Langzeitarbeitslosigkeit kann auch nicht allein auf mangelnde Qualifizierung zurückgeführt werden: Immerhin verfügt die Hälfte der Betroffenen über eine abgeschlossene Ausbildung oder ein Studium.
Beschäftigungs- und Arbeitsmarktpolitik
Der Anteil der langzeitarbeitslosen Menschen am Arbeitslosenbestand insgesamt hat sich seit 2010 stetig von 35,2 Prozent auf 37,2 Prozent erhöht.
Dabei wird die Zahl der langzeitarbeitslosen Personen systematisch unterschätzt. Als Langzeitarbeitslose werden nämlich nur diejenigen gezählt, die durchgehend ein Jahr und länger arbeitslos sind. Nur wenn die Arbeitslosigkeit z.B. wegen Krankheit oder Sperrzeit für weniger als sechs Wochen unterbrochen wird, werden Phasen der Arbeitslosigkeit zusammengerechnet. Bei einer Unterbrechung von mehr als sechs Wochen, egal aus welchem Grund, beginnt die Messung wieder von vorne. Phasen vor und nach einer Unterbrechung werden nicht mehr zusammengezählt, und die Betroffenen gelten zunächst wieder als Kurzzeitarbeitslose.
Obwohl die Hartz-Reformen einmal mit der Begründung eingeführt wurden, die Aussichten gerade von langzeitarbeitslosen Menschen zu verbessern, fehlt ihnen bis heute faktisch jede Perspektive. Nur ein sehr kleiner Teil von ihnen hat einen neuen Job auf dem regulären Arbeitsmarkt gefunden. Weit über 80 Prozent aller Abgänge aus der Langzeitarbeitslosigkeit sind auf andere Gründe zurückzuführen, etwa auf einen Rückzug vom Arbeitsmarkt in die sogenannte stille Reserve oder in die Rente, eine längere Krankheit oder eine Teilnahme an arbeitsmarktpolitischen Fördermaßnahmen. Die Chance eine reguläre Beschäftigung zu erhalten ist sehr gering: In den vergangenen Jahren gelang monatlich etwa neun Prozent aller Kurzzeitarbeitslosen (Arbeitslosigkeit unter einem Jahr) die Aufnahme einer ungeförderten Beschäftigung. Von den Langzeitarbeitslosen finden nur 1,4 Prozent je Monat eine reguläre Beschäftigung. Dabei hat sich die Abgangsrate dieser Gruppe seit 2010 deutlich verschlechtert, vor fünf Jahren lag sie noch bei zwei Prozent (IAB-Kurzbericht 20/2015).
Sozialer Arbeitsmarkt
In aller Munde ist derzeit der Soziale Arbeitsmarkt. Auch im Bereich der Wohlfahrtsverbände wird immer wieder über einen Sozialen Arbeitsmarkt für langzeitarbeitslose Menschen diskutiert. Der Hochschullehrer Stefan Sell hat in diesem Zusammenhang ein Konzept vorgelegt, das auf große Resonanz vor allen beim Paritätischen Wohlfahrtsverband, aber auch bei Teilen von SPD und Grünen stößt. Das Sell-Konzept sieht vor, dass bis zu 400.000 langzeitarbeitslose Menschen von Unternehmen auf dem ersten Arbeitsmarkt beschäftigt werden sollen. Der Lohn der Betroffenen wird von den Steuereinnahmen gezahlt, zum großen Teil finanziert durch eine Umwandlung der bisherigen HARTZ-IV-Leistungen dieses Personenkreises in einen Lohnzuschuss (Aktiv-Passiv-Tausch). Bisher vorhandene Beschränkungen öffentlich geförderter Beschäftigung, wie die Zusätzlichkeit und das öffentliche Interesse sollen entfallen.
Doch dieses Modell ist aus gesamtwirtschaftlicher Perspektive äußerst kritisch zu sehen.
Entscheidend ist die Antwort auf die Fragen warum so viele Menschen jahrelang im HARTZ-IV-System ohne Chance auf einen regulären Arbeitsplatz sind und ob es wirklich an mangelnder Qualifikation und persönlichen Problemen der Betroffenen liegt, wie häufig behauptet wird?
Nach Ansicht von Herrn Sell ist die individuelle Minderleistung der Langzeitarbeitslosen ursächlich. Diese Annahme ist jedoch falsch, denn es liegt nicht an den einzelnen Personen, sondern an einem massiven Mangel an Erwerbsarbeit. Würde dieses Modell umgesetzt, so fände schlicht und einfach eine Substitution von regulärer Beschäftigung durch öffentlich geförderte Beschäftigung statt. Denn werden 400.000 Arbeitsplätze im ersten Arbeitsmarkt, also bei privaten Betrieben sowie Unternehmen der Sozialwirtschaft, die Aufträge für reguläre Betriebe ausführen, aus Steuermitteln bezahlt, haben entsprechend viele langzeitarbeitslose Menschen Arbeit. Dafür sind jedoch 400.000 andere Personen erwerbslos. Sie werden entlassen oder gar nicht erst eingestellt, weil sie zu teuer sind, denn sie erhalten ja keine Lohnkostenzuschüsse. Im Endergebnis würde die Zahl der Erwerbslosen gleichbleiben, und die Zahl der Bezieher öffentlicher Transferleistungen würde sich entsprechend erhöhen. Reguläre Jobs würden durch noch mehr „Aufstocker“ ersetzt, ein beschäftigungspolitisch und volkswirtschaftlich katastrophales Ergebnis. Der Trend zur Entlassung der Arbeitgeber aus ihrer zentralen Verpflichtung, der Zahlung existenzsichernder Löhne, würde drastisch verstärkt und hätte weitere Schneeballeffekte zur Folge.
Die Beschäftigungs- und Sozialrechtsverhältnisse im Sozialen Arbeitsmarkt sind in der Regel gekennzeichnet durch schlechte Bezahlung, geringe bis fehlende Sozialversicherung, fehlende arbeitsrechtliche Standards und tarifliche Regelungen. Bei den Arbeitsgelegenheiten gelten nicht einmal die üblichen arbeitsrechtlichen Regelungen, da sie selbst nicht als Arbeits-, sondern als Sozialrechtsverhältnisse mit einer Aufwandsentschädigung gelten.
Hier zeigt sich deutlich, wie ein vielleicht gut gemeintes Konzept fatale Folgen haben kann, wenn man gesamtwirtschaftliche Folgewirkungen ausblendet und nur die Perspektive von einzelnen langzeitarbeitslosen Personen einnimmt
Stattdessen wird ein Arbeitsmarkt gebraucht, durch den mehr Arbeit geschaffen wird.
Unzweifelhaft gibt es enorme gesellschaftliche Bedarfe zur Verbesserung der sozialen Infrastruktur, vor allem in den Bereichen Erziehung, Bildung, Pflege und Gesundheit. Hier könnten Hunderttausende erwerbslose Menschen sinnvoll bei Kommunen und Wohlfahrtsverbänden auf freiwilliger Basis zu regulären, tariflichen Bedingungen beschäftigt werden. In diesem Zusammenhang ist auch die vorgeschlagene Umwandlung der Transferleistungen in Lohneinkommen wegweisend. Diese Beschäftigung muss zusätzlich und im öffentlichen Interesse sein. Somit geht es um sinnvolle Tätigkeiten, für die die öffentliche Hand vor Ort aktuell keine Mittel hat.
Öffentlich geförderten Beschäftigungssektor (ÖBS)
Eine Vollbeschäftigungslage ist derzeit überhaupt nicht absehbar. Öffentlich geförderte Beschäftigung ist daher notwendig und ohne Alternativen.
Der Einstieg in den öffentlich geförderten Beschäftigungssektor sollte zu Referenzprojekten in mehreren Kommunen gemacht werden, auch um zu zeigen, dass ein anderer als der durch die HARTZ-IV-Gesetze gezeichnete Weg möglich ist. Dabei geht es um einen ÖBS als drittem Sektor/Non Profit, in dem reguläre Beschäftigungsverhältnisse zu existenzsichernden Löhnen geschaffen werden.
Es gibt enorme gesellschaftliche Bedarfe zur Verbesserung der sozialen Infrastruktur, wie in den Bereichen der Erziehung, Bildung, Pflege und Gesundheit. Hunderttausende Arbeitsplätzen fehlen hier kurzfristig bei den Kommunen, sie sollten auf der Basis regulären und tariflichen Bedingungen auf freiwilliger Basis eingerichtet werden.
Mit der Schaffung eines öffentlich geförderten Beschäftigungssektors bedarf es einer anderen Logik und neuer Wege z. B. in der Arbeitsförderung.
Statt Beschäftigung um jeden Preis, brauchen die erwerbslosen Menschen zum einen Angebote, die zur Vermeidung von Erwerbslosigkeit oder zu ihrer Überwindung beitragen und die eine Entwicklung einer beruflichen Perspektive verfolgen. Dabei gilt es, auf die vorhandenen Stärken der erwerbslosen Personen zu setzen, auf ihre Kompetenzen, Qualifikationen und Neigungen. Zum anderen ist die Bekämpfung von gesellschaftlicher Ausgrenzung ein wesentliches Ziel dieser Arbeitsmarktpolitik und damit auch der Arbeitsförderpolitik, weil ganze Bevölkerungsteile durch Arbeitslosigkeit und Armut von der gesellschaftlichen Teilhabe ausgegrenzt werden.
Das Konzept und die Umsetzung des Öffentlich geförderten Beschäftigungssektors (ÖBS) als drittem Sektor zwischen Markt und Staat könnte so aussehen und wäre in der Lage:
- gesellschaftlich notwendige Arbeit zu organisieren und zu existenzsichernden und sozialversicherungspflichtigen Bedingungen zu finanzieren,
- neue berufliche Perspektiven zu eröffnen, indem die Menschen ihre Fähigkeiten und Erfahrungen einbringen und sich weiterqualifizieren können,
- die Rolle und Funktion eines solchen ÖBS unterscheidet sich vom derzeitigen öffentlichen Dienst, der von klaren Hierarchien und gesetzlich festgelegten Aufgabenstellungen und Zuständigkeiten geprägt ist und damit keinen Raum für gesellschaftliche Selbstorganisation lässt. Der ÖBS ist hingegen der Sektor, der im gesellschaftlichen Interesse den Projekten und Initiativen andere Wege öffnen soll, ihre Ideen umzusetzen,
- die Diskussion um die solidarische Erneuerung des Sozialstaats aufzugreifen und aufzeigen wie sich soziale Gerechtigkeit unter den Bedingungen von schnellem gesellschaftlichem Wandel organisieren lässt,
- gesellschaftlich notwendige Arbeit zu verrichten, die sich aber nicht rechnen und Profit erbringen muss. Es handelt sich also um Tätigkeiten, die gesellschaftlich finanziert, aber überwiegend staatsfern organisiert werden sollten z.B. in soziale Beratungsstellen, soziokulturelle Zentren und Nachbarschaftsforen, selbst-organisierten Lernläden, politische oder soziokulturelle Archiven, sozialen und soziokulturellen Projekten und Initiativen,
- die geförderten Projekte entscheiden selbst über die Organisation und Form ihrer Leistungen, für die sie öffentliche Mittel beantragt und erhalten haben, sind aber gegenüber dem Geldgeber rechenschaftspflichtig über die Mittelverwendung,
- die üblichen arbeitsrechtlichen Regelungen sind anzuwenden und nicht die Regelungen der Sozialrechtsverhältnisse,
- es werden sozialversicherungspflichtige und existenzsichernde Beschäftigungsverhältnisse für langzeiterwerbslose Menschen geschaffen, in der Regel als Vollzeitarbeitsplätze,
- die Bezahlung richtet sich nach den gültigen Tarifen und es gilt der Mindestlohn,
- die Umwandlung der Transferleistungen in Lohneinkommen ist der wichtigste Finanzierungspunkt, die Entgelte werden aus den Maßnahme- und Programmtöpfen der Arbeitsverwaltung und den passiven Leistungen, darunter fallen die Regelleistungen aus dem ALG II, inklusive der Sozialversicherungsbeiträge und die Kosten der Unterkunft. Diese Summe wird zusätzlich mit Kommunal-, Landes- und Bundesmitteln aufgestockt und mit Mitteln die die Bundesregierung ohnehin zur Finanzierung der Arbeitslosigkeit ergänzt,
- private Unternehmen erhalten keine Mittel als Lohnkostenzuschuss für die nach § 16a SGB II geschaffenen Stellen mehr, es sei denn, sie sind als gemeinwohl-orientierte Träger anerkannt und sie schaffen Stellen im Rahmen des ÖBS, die zusätzlich und im öffentlichen Interesse sind,
- eine Beschäftigung bei privaten Arbeitgebern scheidet komplett aus, da diese automatisch zu Wettbewerbsverzerrungen führt, da ein Unternehmen, das kostenlose Arbeitskräfte vom Staat erhält, deutlich günstiger anbieten kann als seine Wettbewerber
und
die Instrumente der Arbeitsverwaltung müssen so umstrukturiert werden, dass sie längerfristige berufliche Perspektiven eröffnen, Qualifikationen mit einbeziehen, Fort- und Weiterbildungen ermöglichen, existenzsichernd bezahlt sind und nur auf Grundlage der Freiwilligkeit besetzt werden. Die Begrenzung dieser Instrumente auf Menschen, die schon mindestens 24 Monate erwerbslos sind und auch noch mehrere Vermittlungshemmnisse aufweisen, ist und war schon immer kontraproduktiv.
Das Beispiel „Gute öffentlich geförderte Beschäftigung“
„Die Arbeitsgruppe Alternative Wirtschaftspolitik fordert seit vielen Jahren ein Programm `Gute öffentlich geförderte Beschäftigung` im Umfang von 300.000 Stellen aufzulegen, mit folgenden Grundsätzen:
Langzeiterwerbslosen und Flüchtlingen neue Perspektiven eröffnen
- Die öffentlich geförderten Stellen stehen allen Erwerbslosen offen, die seit einem Jahr oder länger arbeitslos sind. Eine weitere Eingrenzung oder ein Auswahlverfahren über Voraussetzungen, wie sogenannte Vermittlungshemmnisse, findet nicht statt.
- Öffentlich geförderte Beschäftigung richtet sich an den Bedürfnissen der Erwerbslosen und an den regionalen Gegebenheiten aus. Langzeiterwerbslose und Flüchtlinge können sich auf die ausgeschriebenen Stellen im öffentlich geförderten Beschäftgigungssektor bewerben. Allerdings sind Qualifizierungs- und Weiterbildungsmaßnahmen vorrangig, wenn sie die Beschäftigungsperspektiven der Betroffenen nachhaltig verbessern. Bei den unter 25-Jährigen steht ausschließlich die Ausbildung und Qualifizierung im Vordergrund, eine öffentlich geförderte Beschäftigung ist ausgeschlossen.
- Besteht bei den Beschäftigten im öffentlich geförderten Beschäftigungssektor Bedarf an individueller Unterstützung, Begleitung, Beratung und Qualifizierung, so werden diese im Rahmen des Beschäftigungsverhältnisses begleitend angelegt. Notwendige Qualifizierungsmaßnahmen sollen dazu beitragen, die Übereinstimmung zwischen Arbeitsplatzanforderungen und persönlichen Arbeitsplatzvoraussetzungen herzustellen bzw. beständig aufrechtzuerhalten, sowie Perspektiven für einen Wechsel in den ersten Arbeitsmarkt zu eröffnen. Wenn nötig, soll passgenaue individuelle, familiäre oder psychosoziale Unterstützung gewährt werden.
Sozialversicherungspflichtige Beschäftigungsverhältnisse, tariflich bezahlt, mindestens nach Mindestlohn und freiwillig
- Die neu zu schaffenden Arbeitsplätze sind voll sozialversicherungspflichtig, enthalten also auch die Arbeitslosenversicherung. Angesichts der Zielgruppe ist es sinnvoll, die Teilnehmerinnen und Teilnehmer im Umfang von ca. 30 Wochenstunden zu beschäftigen. Unter der Annahme eines durchschnittlichen Arbeitnehmerbrutto von 1.500 Euro (entspricht einer 0,75-Stelle TVÖD Entgeltgruppe 3) ergibt einen Arbeitgeberbrutto von ca. 1.800 Euro. Die Förderung eines Arbeitsplatzes ergibt damit eine finanzielle Belastung von rund 23.000 Euro pro Jahr (incl. Jahressonderzahlung). Für Höherqualifizierte erfolgt eine Reduzierung der Arbeitszeit bei gleichem Bruttoentgelt.
- Die Beschäftigungsverhältnisse sind zeitlich begrenzt (auf drei bis fünf Jahre) anzulegen. Verlängerungen müssen bei einer Prüfung des gesellschaftlichen und individuellen Bedarfs möglich sein. Bei älteren Erwerbslosen ist die Tätigkeit so anzulegen, dass der Übergang in eine abschlagsfreie Rente ermöglicht wird. Für die Gruppe der über 55-Jährigen wird der Übergang als Rechtsanspruch verankert.
- Die Beschäftigung ist freiwillig. Um dies sicherzustellen, werden ausdrücklich entsprechende Änderungen im SGB II vorgenommen.
Neue Beschäftigung schaffen, Verdrängung verhindern, gute Umsetzung und Kontrolle sicherstellen
- a) Die Bedarfe und Einsatzfelder öffentlich geförderter Beschäftigung werden vor Ort festgestellt und ermittelt. Es muss sich um neue, zusätzliche Beschäftigung handeln. Öffentlich geförderte Beschäftigung darf nicht dazu führen, dass staatlich geförderte Langzeitarbeitslose reguläre ungeförderte Beschäftigte ersetzen. Es handelt sich um gemeinwohlorientierte Tätigkeiten bei öffentlichen Arbeitgebern, Wohlfahrtsverbänden und nicht erwerbswirtschaftlich tätigen Einrichtungen. Private Gewinnaneignung im Rahmen von im Rahmen öffentlich geförderter Beschäftigung ist auszuschließen. Dabei darf nicht außer Acht gelassen werden, dass in der Vergangenheit das Kriterium der Zusätzlichkeit häufig zu eng ausgelegt wurde. In Zukunft sollte es nicht um „zusätzliche Arbeiten“, sondern um „zusätzliche Beschäftigung“ gehen. Die Fördervoraussetzung der „zusätzlichen Arbeiten“ führte teilweise zu nicht sinnstiftenden und Arbeitsmarktfernen Maßnahmen. Bei einem Dauerhaften gesellschaftlichen Bedarf sollte es das Ziel sein, öffentlich geförderte Beschäftigung in reguläre finanzierte Arbeitsplätze umzuwandeln.
- b) Um die Verdrängung regulärer Arbeitsplätze sowie Wettbewerbsverzerrung zu verhindern, werden für die Entscheidungen über die förderungsfähigen Maßnahmen Regionalbeiräte gebildet. Die Jobcenter entscheiden dann über die Auswahl der Teilnehmerinnen und Teilnehmer. Langzeiterwerbslose und Flüchtlinge können sich auf die ausgeschriebenen Stellen bewerben. Die Kontrolle der Einhaltung der Arbeitsbedingungen und korrekter Bezahlung ist durch die Jobcenter zu gewährleisten.
- c) Die 300.000 Stellen werden entsprechend dem Anteil der Langzeitarbeitslosigkeit und dem Anteil der aufgenommenen Flüchtlinge auf die Bundesländer verteilt. 200.000 Arbeitsplätze werden im ersten Jahr nach dem Programmstart, die anderen 100.000 im Folgejahr geschaffen.
Grundfinanzierung sicherstellen
a). Der Bund stellt eine ausreichende Grundfinanzierung sicher, indem er es ermöglicht, Gelder, die derzeit zur Finanzierung der Arbeitslosigkeit aufgebracht werden, zur Schaffung gemeinnütziger Arbeitsplätze heranzuziehen und zu bündeln. Dazu zählen insoweit das Arbeitslosengeld II, die Bundesbeteiligung an den Kosten der Unterkunft und Heizung (KdU) sowie die entsprechenden Sozialversicherungsbeiträge. Diese genannten Gelder der passiven Arbeitsmarktpolitik müssen in Mittel für aktive Arbeitsmarktmaßnahmen umgewandelt werden können (Passiv-Aktiv-Transfer), etwa mit einem Haushaltsvermerk nach der Bundeshaushaltsordnung, der die gegenseitige Deckungsfähigkeit der verschiedenen Mittel der Arbeitsmarktpolitik sicherstellt. Der Bund stellt dann aus Mitteln der sogenannten passiven Leistungen und den Mitteln der aktiven Arbeitsmarktpolitik eine Grundfinanzierung von 1.700 Euro pro Arbeitsplatz sowie bei Bedarf die Finanzierung der notwendigen Begleitung der Beschäftigung sicher. Neben den Beschäftigungszuschüssen hat die Finanzplanung ferner die Kosten für Infrastruktur und Trägerfinanzierung zu beinhalten, sofern dies notwendig ist.
b) Um das Programm „Gute öffentlich geförderte Beschäftigung“ zu finanzieren, ist die finanzielle Ausstattung in der Arbeitsmarktpolitik dahingehend zu verbessern, dass die Eingliederungstitel von 3,9 Milliarden Euro auf zehn Milliarden Euro erhöht wird.“
Vor diesem Hintergrund und in Anbetracht der Flüchtlingstragödie muss nun eine breite gesellschaftliche Initiative zur Schaffung von guter öffentlich geförderter Beschäftigung entwickelt werden. Sie kann soziale Teilhabe ermöglichen, aus der Armut herausführen und ein wichtiger Baustein bei der Bekämpfung und Vermeidung von Langzeiterwerbslosigkeit sowie zur Schaffung von Arbeitsplätzen für geringqualifizierte Zuwanderinnen und Zuwanderer sein.
Sie kann zugleich jenseits und ergänzend zu bestehenden Beschäftigungsverhältnissen in vielen Bereichen gesellschaftliche Bedarfe aufgreifen und ermitteln.
Der Bedarf an gemeinwohlorientierter Arbeit ist groß, vor allem im sozialen und kulturellen Bereich.
Mit dem Einstieg in den ÖBS wird aber auch gezeigt, dass ein Politikwechsel in der Arbeitsmarktpolitik machbar und überfällig ist.
Quelle: aus Unterlagen der Linksfraktion im Abgeordnetenhaus Berlin und Memorandum 2016 der Arbeitsgruppe Alternative Wirtschaftspolitik 2016
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