Von wegen Mindestlohn – Null Euro Jobs werden geplant

1-euro-ausbeutungWas viele befürchtet haben, ist nun eingetreten: Hamburgs Sozialsenator Detlef Scheele (SPD) will Arbeitsgelegenheiten schaffen, für die es keine Entschädigung geben soll. Diese Null-Euro-Jobs sollen „stärker produktionsorientiert“ sein. Bei den neuen Maßnahmen gibt es nur Geld für die tatsächlich anfallenden Kosten für Verpflegung, Kinderbetreuung oder Fahrten. Im nächsten Jahr sind in Hamburg 500 Plätze für „marktferne Langzeitleistungsbezieher“ vorgesehen. Diese Maßnahme „Aktivcenter“ soll die Menschen, die schon lange Arbeitslosengeld II beziehen, über neun Monate motivieren, sich beruflich zu integrieren. Die Teilnahme wird in einer Eingliederungsvereinbarung festgehalten. Bei einem Verstoß gegen die Vereinbarungen kommt es zu den heftigen Sanktionen, die auch in Dortmund, besonders junge Menschen, schon in die Obdachlosigkeit getrieben haben. Eingesetzt werden könnten die Null-Euro-Kräfte in mehr Arbeitsbereichen als die AGH-Kräfte /1-Euro-Jobber, denn die Kriterien für Null-Euro-Jobs sind weniger streng. Es reicht, wenn z.B. der Gaststättenverband bescheinigt, dass Einrichtungen wie Stadteilcafés den Markt nicht kaputtmachen. Diese Persilscheine haben auch die Beschäftigungsträger in Dortmund schnell zur Hand, wenn nach der Zusätzlichkeit der Arbeit ihrer AGH-Beschäftigten gefragt wird.

Wie der Bericht des Bundesgerichtshofs 2010 schon darauf hinwies, dürfte mehr als die Hälfte der Ein-Euro-Jobs eigentlich nicht gefördert werden, weil sie keine zusätzlichen Tätigkeiten im Interesse der Allgemeinheit waren oder in Konkurrenz zu ungeförderten Unternehmen standen. Kommunen, Wohlfahrtsverbände oder Unternehmen aus der Weiterbildungsbranche haben so mit den Langzeitarbeitslosen ungeförderte Tätigkeiten im ersten Arbeitsmarkt ersetzt und ihre eigenen Personalkosten reduzieren können. Auch das Bundessozialgericht hatte geurteilt, dass solche Jobs das Kriterium der Zusätzlichkeit erfüllen müssen. Reguläre Jobs dürfen nicht durch AGH/1-Euro-Jobbs verdrängt werden.

Der Vorstoß des Hamburger Senats hat offensichtlich das Ziel, sich von all diesen Pflichten zu befreien. Es wird ein Stein ins Wasser geworfen und abgewartet, was nun passiert.

Rechtlich bezieht sich der Senat auf § 16 Absatz 1 Sozialgesetzbuch (SGB) II – Leistungen zur Eingliederung – in Verbindung mit § 45 SGB III – Maßnahmen zur Aktivierung und beruflichen Eingliederung. Auf diesem Weg versucht der Sozialsenat offenbar, die Schutzvorschriften des § 16 d SGB II – hier sind die Standards der Arbeitsgelegenheiten festgelegt – zu kappen. So kann immer dann auf die im §16 d SGB II genannten Schutzvorschriften verzichtet werden, wenn die Verwaltung es für die Eingliederung in den Arbeitsmarkt erforderlich hält.

Genauer betrachtet werden mit dem Vorhaben zwei Fliegen mit einer Klappe geschlagen. Einigen Beschäftigungsträgern wurden zum Teil die Ein-Euro-Jobber entzogen, weil die Beschäftigung nicht zusätzlich war oder in Konkurrenz mit dem allgemeinen Markt stand. Mit der Aushebelung des § 16 d SGB II kann genau das umgangen werden. Es profitieren die Träger der Beschäftigungsmaßnahmen und die Arbeitslosenstatistik zu Lasten der Erwerbslosen.

Wir sollten mal ganz laut diese Fragen stellen:

Warum kommt jetzt in der Urlaubszeit der Hamburger Vorstoß?

Hat es etwas mit der neuen „Wirtschaftsfreundlichkeit“ der SPD zu tun?

Soll der Druck noch stärker auf die „Hartz IVer“ werden, während gleichzeitig von der Regierungskoalition an schärferen Sanktionen für die Leistungsberechtigten gebastelt wird?

Soll jetzt nur noch gelten „keine Leistung ohne Arbeit“ und „wer nicht arbeitet, soll auch nicht essen“? Landen wir wieder bei der Zwangsarbeit?

Sollen so ganz bewusst sozialversicherungspflichtige Arbeitsverhältnisse verhindert werden?

Die Beschäftigungsträger, in der Regel sind das ja die Wohlfahrtverbände, sollten sich schämen. Jahrelang profitieren sie schon von den kostenlosen Arbeitskräften und lassen sich deren „Betreuung“ auch noch bezahlen. Sie wuseln sich im Graubereich der nicht ganz so legalen Beschäftigung durch und überschreiten häufig die Grenzen, die ihnen Recht und Gesetz setzen. Waren sie vor Jahren noch stolz auf ihre Anwaltsfunktion für die Armen, so fühlen sie sich jetzt geadelt, wenn sie als Lobbyisten der Politik den Armen gegenüber treten können.

Nicht schämen sollten sich die Erwerbslosen, wenn sie bei diesen Schikanen nicht mehr mitmachen wollen, weil ihnen bewusst wird, dass Arbeit ohne Entgelt sie als gesamten Menschen entwertet.

 

Quellen: TAZ, junge Welt, Harald Thomé

Bild: Syndikalismus