Wechsel an der DGB Spitze – Reiner Hoffmann ist neuer Vorsitzender

Reiner Hoffmann DGB SommerDer Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB) hat einen neuen Vorsitzenden. Reiner Hoffmann ist beim 20. DGB-Bundeskongress am 12.05.2014 zum neuen Vorsitzenden des Deutschen Gewerkschaftsbundes gewählt worden. Er wurde zum Nachfolger von Michael Sommer ernannt. Michael Sommer war seit 2002 DGB-Vorsitzender. 365 von 392 Delegierten (93,1 Prozent) stimmten für Reiner Hoffmann. Der 58-jährige von der Industriegewerkschaft Bergbau, Chemie und Energie (IGBCE) war der einzige Kandidat. Die stellvertretende Vorsitzende Elke Hannack und Annelie Buntenbach wurden im Amt bestätigt. Neu im Bundesvorstand ist Stefan Körzell, bisher Vorsitzender des DGB-Bezirks Hessen-Thüringen.

Weitere Informationen über den neuen Vorsitzenden und was ihn erwartet:

Reiner Hoffmann wurde am 30.05.1955 in Wuppertal als Sohn eines Maurers geboren, seine Mutter arbeitete als Reinigungskraft. Er hat seine berufliche Laufbahn als Auszubildender zum Groß- und Außenhandelskaufmann bei den Farbwerken Hoechst begonnen. Nach dem Zivildienst studierte er mit einem Stipendium der Hans-Böckler-Stiftung über den zweiten Bildungsweg Wirtschaftswissenschaften an der Bergischen Universität-Gesamthochschule Wuppertal. Sein Studium schloss er als Diplom-Ökonom 1982 ab und arbeitete zunächst befristet als Assistent beim Wirtschafts- und Sozialausschuss der Europäischen Gemeinschaft in Brüssel. Anschließend arbeitete er als Wissenschaftlicher Mitarbeiter am Fachbereich Wirtschaftswissenschaften der Gesamthochschule Wuppertal. Von 1984 bis 1994 war er Leiter der Abteilung Forschungsförderung bei der Hans Böckler-Stiftung. Von Oktober 1994 bis Mai 2003 war er Direktor des Europäischen Gewerkschaftsinstituts (EGI), danach, bis 2003, stellvertretender Generalsekretär des Europäischen Gewerkschaftsbundes (EGB). Ab 2009 leitete er den Landesbezirk Nordrhein der IG BCE. Im Oktober 2013 wurde er zum Mitglied des Geschäftsführenden Bundesvorstandes des DGB gewählt und trat dieses Amt im Februar 2014 als Nachfolger von Claus Matecki an. Am 15. Januar 2014 nominierten ihn die Vorsitzenden der acht Mitgliedsgewerkschaften des DGB offiziell für die Position an der Spitze des Gewerkschaftsbundes.

1972 wurde er der Mitglied der SPD und der IG Chemie-Papier-Keramik, diese Einzelgewerkschaft ging 1997 in die IG Bergbau, Chemie, Energie (IG BCE) auf.

Er ist Witwer und hat zwei erwachsene Kinder.

Welche Baustellen erwarten Reiner Hoffmann – ein paar werden hier genannt:

  • Eine der Hauptaufgaben wird sein, den DGB als Dachorganisation von acht Einzelgewerkschaften zu stabilisieren und die Gewerkschaften nach dem inzwischen gestoppten Mitgliederschwund attraktiv für jüngere Arbeitnehmer zu machen.
  • Die Bekämpfung der Massenerwerbslosigkeit muss wieder an erster Stelle gewerkschaftlichen Handelns stehen. Neben der Schaffung von neuen Arbeitsplätzen ist die Verteilung der vorhandenen Arbeit nötig, für alle Beschäftigten und in ganz großen Schritten. Ein erster Schritt wäre die allgemeine Einführung der 30-Stunden-Woche bei vollem Lohn- und Personalausgleich. Der Öffentliche Dienst muss hier vorpreschen und gewährleisten, dass leistungsgerechte Löhne gezahlt werden, menschenwürdige und gesunde Arbeitsbedingungen vorherrschen und schon mal damit beginnen, selbst wieder die Arbeitskräfte einzustellen, deren Leistungen jetzt bei beauftragten Sicherheits-, Reinigungs-, Ordnungs-, Behindertenbetreuungs- und Pflegediensten eingekauft werden.
  • Die Einführung des Mindestlohns ist kein Schwächezeichen der Gewerkschaften oder eine Einmischung des Staates in die Tarifautonomie. Sie ist vielmehr eine wichtige staatliche Rahmenbedingung für die zukünftige Gewerkschaftsarbeit. Die Gewerkschaften müssen dafür sorgen, dass es keine Ausnahmen gibt, die Zeitschiene für die Umsetzung vorgezogen wird und die Zahl 8,50 Euro auf den Prüfstand kommt.
  • Seit Jahren ist der Stellenwert des DGB in der gewerkschaftlichen Politik gesunken und sein gesellschaftlicher Einfluss gering. Dem DGB wird weiter an der Hacke kleben, dass Hartz 4 nicht verhindert wurde und diese „Reform“ ihn gesellschaftspolitisch enorm geschwächt hat. Die kleinen Wohltaten der jetzigen Bundesregierung sind nur bescheidene Korrekturen an der Agenda 2010. Hier wird eine klare Positionierung erforderlich, zumal schon weitere sozialpolitische Einschnitte geplant werden.
  • Die Rivalitäten zwischen den großen Einzelgewerkschaften IG Metall und ver.di müssen ausgeglichen werden, ohne die kleineren zu verärgern. Derzeit gibt es innerhalb des DGB nur noch 8 Einzelgewerkschaften. Diese Reorganisation hat dazu geführt, dass das alte Prinzip der Branchengewerkschaft weitgehend aufgehoben wurde, mit der Folge vielerlei Streitigkeiten über Zuständigkeiten und Mitgliederwerbung. Die Zusammenschlüsse haben den erwünschten Synergieeffekt nicht mit sich gebracht, sondern es geht innergewerkschaftlich um Personalabbau, Kostensenkung und Rückzug aus der Fläche. Diese Entwicklung fördert die Konkurrenz untereinander. Hinzu kommt, dass die Eigentumsstruktur der großen Konzerne gemischt ist und sich über verschiedene Bereiche hinzieht, von der Produktion über den Bereich Logistik, zu den Datenverarbeitungs- und Dienstleistungszentren hin. Die Konkurrenz der Gewerkschaften untereinander steigt so immer weiter an.
  • Seit Anfang der 1990er Jahre ist der DGB in seiner Organisationsstruktur, seinen finanziellen Ressourcen und in seinem politischen Gewicht systematisch demontiert worden. Die strukturelle Macht der Gewerkschaften wurde in der neoliberalen Ära massiv zurückgedrängt. Die Umverteilung von den Löhnen zum Kapitaleinkommen, das hohe Wachstum des deutschen Leistungsbilanzüberschusses seit der Einführung des Euro im Jahre 1999, die preislichen Wettbewerbsvorteile der deutschen Exportwirtschaft, die Flexibilisierung des Arbeitsmarktes und die Einführung eines großen Niedriglohnsektors sind Merkmale einer erfolgreichen neoliberalen Politik. Sie sind aber auch ein Ergebnis der geschwächten gewerkschaftlichen Macht. Auf der betrieblichen Ebene sind verschiedene „Teilbelegschaften“ nebeneinander entstanden. Stammbelegschaften, befristet Beschäftigte, Leiharbeiter mit eigenem Tarifvertrag und Stammbeschäftigte der Dienstleister, die im Rahmen eines Werkvertrags tätig sind und Solo-Selbstständige oder Scheinselbstständige, die mittels Werkverträgen Arbeiten übernehmen, arbeiten unter einem Dach. Der Blick des DGB wird sich auf die Regulierung der Leiharbeit, die Umsetzung des Mindestlohns und Thematisierung der Werkverträge richten. Reiner Hoffmanns Gradwanderung wird darin bestehen, sich um die unteren Einkommensgruppen zu kümmern ohne die oberen Gruppen zu vernachlässigen.
  • Wichtig wird auch das Thema Tarifeinheit werden. Der DGB würde von dem geplanten Gesetz der Großen Koalition vordergründig profitieren, bei genauer Betrachtung ist dies jedoch ein Eingriff in das Streikrecht. Die innergewerkschaftliche Diskussion ist ja schon im Gang, einige DGB-Bezirke haben bereits eine komplette Ablehnung jeder gesetzlichen Regelung beschlossen.
  • Reiner Hoffmann sieht für sich eine wichtige Aufgabe darin, dass die Arbeit der Betriebsräte ungestört erfolgen kann. Er will eine gesellschaftliche Debatte darüber, wie das Mobbing gegen Betriebsräte wirksam unterbunden werden kann. Solche Kampagnen sind aber nur dort möglich, wo überhaupt ein Betriebsrat gegründet wurde. Deswegen ist der volle Kündigungsschutz für alle, die einen Betriebsrat gründen wollen, einzufordern. Dies allein wird nicht ausreichen, da in den letzten Jahren die „Verbetrieblichung“ der Gewerkschaftspolitik dazu geführt hat, dass die Betriebsräte immer häufiger in die Co-Managerrolle kommen, die Reichweite der Flächentarifverträge abnimmt, immer mehr Öffnungsklauseln von den Mindestnormen der Flächentarifverträge abweichen und mehr betriebliche Bündnisse mit betrieblichen Einzelregelungen geschlossen werden. Dies kann für den Betrieb und die dortige Gewerkschaftsarbeit für einen gewissen Zeitraum durchaus sinnvoll sein, langfristig wird die Gewerkschaft nachhaltig geschwächt und ist ganz klar der Verlierer.
  • Reiner Hoffman hat angekündigt, sich für eine Steuerentlastung für kleine und mittlere Einkommen einzusetzen, gegenfinanziert durch Steuererhöhungen „an anderer Stelle“. Hier sollte er doch präziser werden und die notwendige Erhöhung der staatlichen Einnahmen benennen, hier ein paar Vorschläge: Die Wiedereinführung einer allgemeinen Vermögensteuer (Ländersteuer), die Einführung einer einmaligen Vermögensabgabe, die Reform der Erbschafts- und Schenkungsteuer (Ländersteuer), die progressive Besteuerung der Kapitalerträge, die Einführung einer Finanztransaktionssteuer, die Reform der Grundsteuer (Gemeindesteuer) und die Reform der Bankenabgabe.
  • Die langjährige Erfahrung Reiner Hoffmanns auf der europäischen Ebene kann er gut für eine Neuausrichtung der europäischen Gewerkschaftspolitik nutzen. Europa wird wahrscheinlich sein „Steckenpferd“ bleiben, auch, weil die Arbeitsbedingungen und Arbeitsnehmerrechte schon lange auf europäischer wenn nicht sogar global geregelt und diskutiert werden müssen.

Da kommt auf Reiner Hoffmann einiges zu.

Wir müssen ihn dabei tatkräftig unterstützen.

 

Quellen: DGB, Gegenblende

Bild: dpa