Wie die Rente demontiert wurde

Von Dagmar Hühne und Holger Balodis

Die meisten Kritiker der deutschen Rentenpolitik verbinden die Demontage der gesetzlichen Rente mit der Riester-Reform des Jahres 2001. Die von Gerhard Schröder initiierte und von Walter Riester exekutierte Rentenreform gilt als Zäsur in der deutschen Rentenpolitik. Hochoffiziell verabschiedete sich die Bundesregierung von den Rentenzielen Armutsvermeidung und Lebensstandardsicherung. Zusammen mit dem wenige Jahre später beschlossenen Nachhaltigkeitsfaktor und der Rente mit 67 wurde der Anspruch aufgegeben, dass sich Löhne und Renten annähernd im Gleichklang entwickeln sollten. Stattdessen stürzt das neu definierte Rentenniveau (oder wie es korrekt heißt: Sicherungsziel vor Steuern) dramatisch ab, von rund 53 Prozent im Jahr 2000 auf möglicherweise 43 Prozent im Jahr 2030[1].

Doch markieren Schröder und Riester tatsächlich den Anfang vom Ende einer guten Rente? Geht man auf die Geburtsstunde der deutschen Rentenversicherung im Jahr 1889 zurück, dann lassen sich schon hier einige Konstruktionsfehler mit schwerwiegenden Folgen erkennen. So wurde sie zunächst als reine Arbeiterversicherung und dann 1911 als Arbeitnehmerversicherung für Arbeiter und Angestellte angelegt.[2] Das heißt: Beamte, Politiker, Freiberufler und die meisten Selbstständigen blieben von Beginn an außen vor. Das hatte den Nachteil, dass Millionen von potenten Beitragszahlern keinen Cent in die Rentenkasse zahlen mussten und damit die finanzielle Basis der Rentenversicherung schmal ausfiel. Anfangs waren die Renten dann auch sehr niedrig und reichten kaum zum Leben. Erst mit der großen Rentenreform von 1957 wurde der Anspruch einer Lebensstandardsicherung halbwegs eingelöst. Im Kern blieb sie aber eine reine Arbeitnehmerversicherung.[3] So wurde die Rentenkasse verwundbar durch arbeitsmarktpolitische Maßnahmen, die beispielsweise im Rahmen der Agenda-2010-Politik zum Beginn dieses Jahrtausends erfolgten: Die massive Ausweitung von nicht versicherungspflichtigen Tätigkeiten, wie sie Solo-Selbstständige und Minijobber ausüben, grenzt Millionen potenzielle Beitragszahler aus und kostete die Rentenversicherung viele Milliarden Euro an Einnahmen.[4] Wäre sie von Beginn an als Erwerbstätigenversicherung gestartet, spielten Verschiebungen zwischen den verschiedenen Formen der Erwerbstätigkeit für die Einnahmen keine Rolle. Auch gibt es Grund zur Annahme, dass der in den vergangenen Jahrzehnten erfolgte Zerstörungsprozess bei den Renten nicht so drastisch ausgefallen wäre, wenn die Politiker in den Parlamenten und die Beamten in den Ministerialbürokratien die Konsequenzen ihrer Reformen hätten selber mittragen müssen. So aber blieb der staatstragende Beamtenapparat in seiner Versorgungslage weitgehend unbeschnitten, während die Mehrheit der Bevölkerung heute mit Verschlechterungen ihrer Rentenbezüge in Höhe von 30 bis 40 Prozent rechnen muss.[5] Es bleibt die Frage: Wie konnte es geschehen, dass die Bevölkerungsmehrheit sich solche Zumutungen gefallen ließ und die Entscheidungsträger in Politik und Gesellschaft letztlich ohne harte Gegenwehr die Alterssicherung umgestalten konnten?

Die ersten Angriffe der Neoliberalen

Die Angriffe auf die umlagefinanzierte, dynamische Rente begannen schon früh. Die ungemein erfolgreiche Rentenreform von 1957[6] war erst ein paar Jahre alt, da wurde von den Gegnern der gesetzlichen Rente bereits die demografische Karte gezogen: Ab 1975 drohe ein Rentnerberg, der die Rente unbezahlbar machen werde.[7] Tatsächlich nahm in den 1970er Jahren die Zahl der Rentner zu. Aber auch die Löhne wuchsen stark, ebenso wie die gezahlten Renten. Die angekündigte Katastrophe blieb aus. Es war eine Zeit, in der die Rentenpolitik die geschürten Demografie-Ängste noch weitgehend ignorierte. Im Rahmen der von der SPD forcierten Rentenreform 1972 wurde die abschlagsfreie flexible Rente ab 63 beschlossen sowie die „Rente nach Mindesteinkommen“, welche eine Aufwertung von Kleinverdiensten brachte.[8] Dies waren die letzten wesentlichen Leistungsverbesserungen im deutschen Rentenrecht, wenn man von der später erfolgten Berücksichtigung von Kindererziehungszeiten absieht, die zunächst als Babyjahre galten und heute als Mütterrenten bezeichnet werden. Es war die Zeit der sozialliberalen Koalition, eine Zeit, die in den frühen 1970er Jahren mit stark steigenden Löhnen und Renten verbunden war.[9]

Allerdings wuchs ab Mitte des Jahrzehnts auch die Zahl der registrierten Arbeitslosen. Sie überschritt 1975 in Westdeutschland erstmals die Millionengrenze und 1983 gar die Grenze von zwei Millionen, was seinerzeit als gewaltiges Problem galt.[10] Die Wirtschaftskrise blieb nicht ohne Folgen für die Rentenversicherung, die Anfang der 1980er Jahre mit Defiziten zu kämpfen hatte. Immer wieder musste der Bund Gelder nachschießen. Fast folgerichtig stießen die Kritiker der umlagefinanzierten gesetzlichen Rente auf mehr Gehör. Der CDU-Politiker Kurt Biedenkopf meldete sich regelmäßig zu Wort und publizierte zusammen mit Meinhard Miegel 1981 ein Konzept für „Sicherheit im Alter“, das letztlich auf die Abschaffung der gesetzlichen Rente hinauslief.[11] Das immer wieder gleiche Argument: Die demografische Entwicklung mache die gesetzliche Rente spätestens jenseits der Jahrtausendwende unbezahlbar. Jeder, der weiter einzahle, bekomme später weniger raus, mache somit Verlust. Meinhard Miegel gründete damals sogar eigens ein Institut für Wirtschaft und Gesellschaft (IWG), das seinen Hauptzweck in der Verkündung dieser Rentenuntergangsbotschaft sah.[11] Das Forschungsinstitut Prognos veröffentlichte schließlich Horrorszenarien, in denen dargelegt wurde, dass der Rentenbeitragssatz bis zum Jahr 2030 auf das Doppelte steigen müsste oder alternativ die Renten halbiert werden müssten, wolle man der demografischen Entwicklung Herr werden.[12]

So wuchs allmählich der Druck auf die Rentenpolitiker, auch wenn die Demografie damals weder aktuell noch mittelfristig ein Problem für die Rentenversicherung darstellte. Zwar stieg die Zahl der Rentner, doch ebenso stieg auch die Zahl der Einzahler – und das für die nächsten 35 Jahre. Bis heute steigt die Zahl der versicherungspflichtig Beschäftigten und die gute Beschäftigungslage füllt die Kassen der Rentenversicherung. Die Demografie-Apologeten geben jedoch nicht auf. Spätestens ab 2030 werde es richtig kritisch, behaupten sie nun.

Die Gegner gewinnen Oberwasser

Doch zurück in die 1980er Jahre, in denen der Zerstörungsprozess seinen Lauf nahm. Eigentlich waren es keine schlechten Jahre für die Rentner, doch die Arbeitslosigkeit verharrte auf hohem Niveau. Und die Vertreter der zunehmend tonangebenden neoliberalen Ideologie hatten die Rente zum Gegner erklärt.[13] Wie ein Angriff von Tausenden Holzwürmern auf einen ehedem massiven Kleiderschrank wurde die Rente durch die ständigen öffentlichen Angriffe allmählich ausgehöhlt und diskreditiert. Immer mehr junge Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer äußerten Zweifel an der Zukunft der Rente und immer weniger Politiker waren bereit, die Rente mit Überzeugung zu verteidigen. Die Rentenpolitiker von Union und SPD – die damaligen Volksparteien beschlossen Rentengesetze traditionell im Konsens – sahen sich zum Handeln gezwungen. 1989 beschlossen sie tief greifende Reformen, die 1992 in Kraft treten sollten.[14]

Der Übergang von der Bruttolohn- zur Nettolohnanpassung sorgte dafür, dass die Renten fortan deutlich langsamer stiegen.[15] Die abschlagsfreie Rente für Arbeitslose und Frauen schon mit 60 Jahren sowie für langjährig Versicherte mit 63 Jahren wurde mit langen Übergangszeiten abgeschafft. Überhaupt wurden erstmals Abschläge für einen vorzeitigen Rentenbeginn festgesetzt. Pro Jahr werden 3,6 Prozent abgezogen. Die Anrechnung von Ausbildungszeiten wurde deutlich gekürzt und die 1972 eingeführte Hochwertung von kleinen Einkünften in Form der Rente nach Mindestentgeltpunkten wurde ab 1992 abgeschafft.[16]

Alles zusammengenommen ergab eine der gewaltigsten Rentenkürzungen, die jemals beschlossen wurde. Sie betraf mit der Abschaffung der Rente nach Mindestentgeltpunkten die Geringverdiener[17], mit der gekürzten Anrechnung der Ausbildungszeiten die Besserverdiener[18] und mit dem erschwerten Zugang zu abschlagsfreien Renten letztlich alle Rentner. Aber im Gegenzug war damit die langfristige Stabilität der Rentenfinanzen – da waren sich seinerzeit alle Rentenpolitiker einig – gewährleistet. Auch herrschte ein breiter Konsens, dass, selbst wenn die schlimmsten Horrorszenarien in Sachen Demografie tatsächlich eintreffen sollten, ein Beitragssatzanstieg bis auf 26 Prozent hinnehmbar sei.

Die Wiedervereinigung: eine Erfolgsgeschichte auch für die Rente

Nur wenige Stunden, nachdem der Bundestag am 9. November 1989 das Rentenreformgesetz (RRG) verabschiedet hatte, war die Welt eine andere, zumindest in Deutschland. Die Mauer fiel, die Wiedervereinigung kam und die Wirtschaft auf dem Gebiet der ehemaligen DDR erlebte dramatische Veränderungen. Mit gravierenden Folgen, auch für die gesetzliche Rente. Quasi über Nacht wurden 3,8 Millionen ostdeutsche Rentner in die gesetzliche Rente eingegliedert. Ihre Renten fielen gemessen an ihren früheren Bezügen deutlich höher aus, weil ihre Verdienste aus DDR-Zeiten für die Rentenberechnung aufgewertet wurden.[19] Eine grandiose Leistung der Deutschen Rentenversicherung. Die schnelle Integration der Ostrentner konnte, genau wie die Rentenreform von 1957, nur im Umlageverfahren funktionieren.

Doch das half der gesetzlichen Rentenversicherung nicht aus der Vertrauenskrise. Weder im Westen noch im Osten wurde dieser im europäischen Maßstab einmalige sozialpolitische Kraftakt angemessen gewürdigt. Erstaunlich: Die Rentenversicherung integrierte nicht nur die Rentnerinnen und Rentner aus der früheren DDR, sondern federte gemeinsam mit der Arbeitslosenversicherung auch die Folgen der zusammenbrechenden Ostwirtschaft sozial ab. Heute ist klar, dass die Umbrüche der deutschen Vereinigung sehr stark aus den Sozialkassen finanziert wurden. Ebenso eindeutig lässt sich feststellen, dass dies nicht in ausreichender Höhe durch Bundesanteile gegenfinanziert worden ist. Die Folge waren stark steigende Beitragssätze sowohl in der Arbeitslosen- als auch in der Rentenversicherung.[20] Gesellschaft und Sozialsystem wurden in den 1990er Jahren nicht allein durch die deutsche Vereinigung gefordert, sondern auch durch den massiven Zustrom von Bürgerkriegsflüchtlingen aus dem ehemaligen Jugoslawien.[21] Es entstand ein Klima, in dem der Sozialstaat unter Druck geriet und völkische Tendenzen – rechtsextreme Parteien zogen in Landtage ein – hoffähig wurden. Die angeblich zu geringe Geburtenrate wurde öffentlich beklagt. Das Thema Demografie bekam neue Aktualität und wurde mit einem neuen Schlagwort verbunden: Generationengerechtigkeit.[22] Das Magazin „Der Spiegel“ titelte 1997: „Wie die Alten die Jungen ausplündern“. Später folgte „Die Babylücke“ und als Höhepunkt „Der letzte Deutsche – Auf dem Weg zur Greisenrepublik“.[23] Journalisten und Wissenschaftler malten Untergangsszenarien eines aussterbenden Volkes an die Wand und zweifelten den Fortbestand des Rentensystems offen an. Die Forderung nach einer durchgreifenden Rentenreform wurde lauter. Dies passierte zu einer Zeit, da auch mittelfristig noch immer keine gravierenden demografischen Umbrüche zu erwarten waren und die Rentenversicherung ihre Fähigkeit zur Abfederung von Wirtschaftskrisen gerade erst mit großem Erfolg demonstriert hatte.[24]

Die Attacke der Lobbyisten

Doch es war eben auch die Zeit, in der Lobbyorganisationen auf den Plan traten und die öffentliche Meinung in Sachen Rente massiv beeinflussten.[25] Zu nennen sind hier insbesondere die Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft (INSM), das Deutsche Institut für Altersvorsorge (DIA), der Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft (GDV), das Institut der deutschen Wirtschaft (IW) und die Bertelsmann Stiftung[26]. Sie alle versuchen bis heute, in der Öffentlichkeit den Eindruck zu erzeugen, sie verträten mehr oder weniger die Interessen des Allgemeinwohls. In Wahrheit stehen hinter diesen Institutionen entweder die Arbeitgeberverbände, Unternehmen der Finanzwirtschaft oder, wie im Fall Bertelsmann, ein Weltkonzern, der über seine Stiftung erfolgreich die Drähte bis ins Kanzleramt zieht. Diese Organisationen haben mittels PR-Kampagnen den Eindruck erweckt, die umlagefinanzierte Rente sei nicht zukunftsfest, sie benachteilige die junge Generation und die Lösung bestehe in dem massiven Ausbau der privaten Vorsorge. Immer wieder bedienten sie sich dabei der Dienste von Wissenschaftlern, die in Studien und Gutachten die gewünschten Thesen bekräftigten. Besonders taten sich die Professoren Meinhard Miegel, Bernd Raffelhüschen und Axel Börsch-Supan hervor. Sie bestimmten wesentlich den Rentendiskurs der vergangenen 20 Jahre. Und Axel Börsch-Supan sitzt auch in der Rentenkommission, die die Bundesregierung über die Zukunftsfestigkeit der Rente beraten und im März 2020 ihren Bericht abliefern soll.[27]

Die Politik kam in den 1990er Jahren nicht umhin, auf den Druck der Lobbyisten zu reagieren. Der bekennende Verteidiger der gesetzlichen Rente, Sozialminister Norbert Blüm (CDU), präsentierte bei einer erneuten Rentenreform den sogenannten demografischen Faktor. Dieser sollte Rentensteigerungen dämpfen, um die junge Generation vor weiteren Beitragssatzerhöhungen zu schützen. Der Beitragssatz war in den 1990er Jahren von 17,7 Prozent bis auf 20,3 Prozent geklettert.[28] Neben den Begriffen „Demografie“ und „Generationengerechtigkeit“ rückte er zunehmend in den Fokus der Politiker. Getrieben vom ständigen Trommelfeuer der Rentenkritiker schien ihnen der Beitragssatz von 20,3 Prozent als nicht mehr akzeptabel. Ein Gesamtbeitragssatz aller Sozialkassen von über 40 Prozent wurde gar als massive Gefährdung für den Wirtschaftsstandort Deutschland gebrandmarkt. Das Perfide daran: Geschickt verdrehten die Kritiker Ursache und Wirkung. Die hohe Zahl der Arbeitslosen in den 1990er Jahren (sie kletterte 1997 auf einen Rekordwert von 4,4 Millionen[29]) hatte aus nachvollziehbarem Grund höhere Beitragssätze zur Folge.[30] Nun wurde aber in der öffentlichen Debatte der Spieß umgedreht und behauptet, die hohen Beitragssätze seien schuld an der hohen Arbeitslosigkeit. Die Metapher von Deutschland als „krankem Mann Europas“ machte die Runde. Der Boden für die Riester-Reform und die Agenda 2010 war bereitet.

Der Umbau des Sozialstaats

Der Angriff auf die gesetzliche Rente lässt sich nur im Zusammenhang mit der neoliberalen Umgestaltung der ganzen Gesellschaft betrachten. Diese begann in den 1970er Jahren. Wie der Hauptgeschäftsführer des Paritätischen Wohlfahrtsverbands, Ulrich Schneider, in seinem Buch „Kein Wohlstand für alle!?“ ausführlich schildert,[31] predigen Arbeitgeber und die ihnen nahestehenden Organisationen seitdem gebetsmühlenartig: Das Lohnniveau ist zu hoch, die Steuern sind zu hoch und die Sozialabgaben sind es auch.[32] Das alles ruiniere die Wettbewerbsfähigkeit der Wirtschaft, erst recht in den Zeiten der Globalisierung. Die Lösungsvorschläge aus neoliberaler Sicht liegen nahe: Die Arbeitskosten müssen runter, ebenso die Ausgaben für Rentner, Arbeitslose und Sozialhilfebezieher. Gefördert werden sollen stattdessen die sogenannten Leistungsträger, das heißt Unternehmen und Besserverdiener.

Mehr und mehr übernahmen die Bundesregierungen diese Positionen. Unter Kanzler Helmut Kohl kam es in den 1980er Jahren zu Steuersenkungen für die Wirtschaft, zu Rücknahmen von Arbeitnehmerschutzrechten („Deregulierung“) und Sparmaßnahmen im Sozialen. Die logische Folge: Den Unternehmen ging es gut. Die Zahl der Arbeitslosen verdoppelte sich jedoch genauso wie die Zahl der Sozialhilfeempfänger.[33] Die sollten allerdings vom Wohlstand weniger abbekommen. Konsequenz: Bei kräftig steigendem Bruttoinlandsprodukt sank der Anteil der Sozialausgaben von 26 auf 24 Prozent.[34]

In den 1990er Jahren ging es verschärft so weiter: Die Zahl der Beschäftigten in Ostdeutschland halbierte sich in kürzester Zeit und die Arbeitslosigkeit stieg auf über vier Millionen.[35] Den „Leistungsträgern“ ging es dagegen gut: Die Einnahmen aus Unternehmertätigkeit und Vermögen wuchsen, die Lohnquote sank, der Spitzensteuersatz wurde von 56 auf 53 Prozent gesenkt und das Bruttoinlandsprodukt stieg von 1,3 Billionen auf über 2 Billionen Euro.[36] Die Leistungen der Renten- und Krankenversicherung wurden massiv beschnitten. Da die Arbeitslosigkeit auf hohem Niveau verharrte, wurden die Rufe nach weiteren Kürzungen noch lauter – und nach der Jahrtausendwende schließlich erhört.

Schröder als Vollstrecker

Unter Gerhard Schröder wurde das neoliberale Wirtschaftsmodell mit der Riester-Reform und der Agenda 2010 endgültig zum Leitbild der Bundesregierung. In der Sozialversicherung wurden niedrige Beitragssätze, das Herzensanliegen der Arbeitgeber, zum zentralen Ziel der Politik. Im Jahr 2005, als die Arbeitslosenzahl einen neuen Höchststand von knapp 4,9 Millionen[37] erreichte, trat die Hartz-IV-Reform in Kraft, um mehr Druck auf Arbeitslose auszuüben. Besonders gut erging es hingegen denen, die über Einkommen aus Unternehmertätigkeit und Vermögen verfügten.[38] Für sie hatte die Schröder-Regierung zuvor ein wahres Feuerwerk gezündet: Der Spitzensteuersatz in der Einkommensteuer wurde von 53 auf 42 Prozent gesenkt. Der Körperschaftsteuersatz, also die Steuer, die beispielsweise Aktiengesellschaften, Kommanditgesellschaften auf Aktien, Stiftungen, Vereine oder GmbHs zahlen, wurde von 40 auf 25 Prozent und später unter Kanzlerin Merkel sogar auf 15 Prozent herabgesetzt. Erlöse aus dem Verkauf von Aktienpaketen oder Unternehmensbeteiligungen wurden zeitweise komplett steuerfrei gestellt. Gerade in einer Phase, als Rentnern und Arbeitslosen besonders viel zugemutet wurde, wurden die Besserverdiener und Vermögenden besonders entlastet. Ulrich Schneider bilanziert: „Es war eine schnörkellose und völlig unverbrämte Hinwendung zu dem, was Neoliberale sich unter einem modernen Sozialstaat vorstellen … Es ging um die Privatisierung sozialer Risiken, die offene Entpflichtung des Staates, den unverblümten Rückzug aus seiner Verantwortung für die soziale Sicherheit der Menschen. Die Sicherung des Lebensstandards hatte als Leitnorm bundesdeutscher Sozialstaatlichkeit ausgedient.“[39]

An die Rentenversicherten sandte die Regierung eine klare Botschaft: Die gesetzliche Rente wird nicht reichen. Ihr müsst zusätzlich privat vorsorgen! Schließt einen Riester-Vertrag ab! Nutzt die Entgeltumwandlung für eine moderne Form der Betriebsrente! Die beiden letztgenannten Punkte nehmen im Zerstörungswerk der Schröder-Regierung eine zentrale Rolle ein. Sowohl Riester-Rente als auch Entgeltumwandlung stehen für das Motto „privat statt Staat“. Beide verschaffen der Finanzwirtschaft milliardenschwere Zusatzgeschäfte.[40] Beide nutzen vor allem den Arbeitgebern, weil sie die Belastung einseitig auf die Arbeitnehmer verlagern und den Unternehmen helfen, Sozialabgaben zu sparen.[41] Und beide reduzieren auf perfide Weise die Leistungen aus der umlagefinanzierten Rente. Seit der Einführung der Riester-Rente sank das offizielle Rentenniveau um rund 10 Prozent.[42]

Der Ausbau der kapitalgedeckten privaten Altersvorsorge entzieht sowohl der gesetzlichen Rente als auch den anderen Sozialkassen und durch Steuerausfälle dem Staat Finanzmittel in Milliardenhöhe.

Der Angriff auf den Sozialstaat konnte gelingen, weil er rund um die Jahrtausendwende in den Zeitgeist passte. Nicht nur die Rente wurde damals teilprivatisiert. Auch in vielen anderen Lebensbereichen wurde das Angebot öffentlicher Güter und Dienstleistungen in die Hände privater Anbieter gegeben: Müllabfuhr, öffentlicher Nah- und Fernverkehr, Post, Energieversorgung, Telekommunikation, Kanalnetze, Schwimmbäder, Krankenhäuser, Radio- und Fernsehanstalten, Autobahnteilstücke. In Hessen wird seitdem sogar ein Gefängnis privat betrieben.[43] Der Rückzug des Staates zeigt sich auch bei den Mietwohnungen. Millionen von Wohnungen haben Bund, Länder, Kommunen oder öffentliche Unternehmen wie Post oder Deutsche Rentenversicherung an private Investoren verkauft.[44] Und auch die Zahl der Wohnungen mit Sozialbindung sank dramatisch: 1987 gab es noch vier Millionen Sozialwohnungen – heute ist es gerade noch gut eine Million.[45] Mittlerweile wird dies als schwerer Fehler angesehen, doch vor rund 20 Jahren war der Sog scheinbar übermächtig: „mehr Eigenverantwortung“ und „privat ist besser und effizienter als Staat“ hießen die Losungen. Begünstigt wurde die Entwicklung durch eine allgemeine Tendenz zur Individualisierung, die breite Schichten der Bevölkerung erfasst hatte.[46] „Sein eigenes Ding machen“, das ist seitdem in allen Bereichen des Lebens der Anspruch: Warum dann nicht auch bei der Rente für sich selber sorgen? Folgerichtig nimmt das Vertrauen in kollektive Sicherungssysteme wie die gesetzliche Rente ab. Viele Menschen verlassen sich lieber – entgegen aller ökonomischen Logik – auf Allianz & Co. als auf die Deutsche Rentenversicherung. Die gewinnorientierten Versicherer geben Unsummen dafür aus, ihren Einzahlern das irrige Gefühl zu vermitteln, dass Sparbeiträge ganz privat für sie angesammelt und sicher und rentierlich verzinst würden.[47]

Die Schere geht auseinander

Das Ergebnis der Rentenreformen ist schlicht ein Desaster. Nimmt man alle Rentenkürzungen der letzten 30 Jahre zusammen,[48] so ergibt sich ein Ausmaß an Verschlechterungen, das schätzungsweise ein Volumen von 30 bis 40 Prozent ausmachen dürfte.[2] Aber es ist eben nicht die Rentenpolitik allein: Auch die Arbeitsmarktpolitik unter Kanzler Schröder trug zum Zerstörungswerk bei. Die Installierung eines Niedriglohnsektors, der nahezu ein Viertel der Arbeitnehmer umfasst,[49] und die enorme Ausweitung von Leiharbeit, von Teilzeitbeschäftigung und von geringfügiger Beschäftigung („Minijobs“) werden künftig zu Minirenten führen. „Als Folge können auch Versicherte mit erfüllten Erwerbs- und Versicherungsbiografien nicht mehr auf ein ausreichendes Alterseinkommen vertrauen“, so Annelie Buntenbach vom DGB-Bundesvorstand. „Wenn der Gesetzgeber nicht gründliche Korrekturen in der Rentenpolitik und der Arbeitsmarktpolitik vornimmt, drohen sozialer Abstieg und Altersarmut in einem bislang ungeahnten Ausmaß.“[50]

Armut ist wiederum nur die eine Seite der Medaille. Während den Versicherten und Kleinverdienern mit den Reformen übel mitgespielt wurde, wurde den Besserverdienern und Vermögenden auf der Sonnenseite gleichzeitig enorm viel gegeben. Betrug das Verhältnis zwischen den Arbeitnehmereinkommen und den Einkünften aus Unternehmertätigkeit und Vermögen noch in den 1980er Jahren 3:1, ist es nun auf 2:1 abgesackt.[51] Das heißt: Der Wohlstand der Gesellschaft wurde massiv zugunsten der Unternehmen und Vermögenden umverteilt. Auch unter den Arbeitnehmern ist die Schere zwischen Arm und Reich weiter aufgegangen: Während die oberen 10 Prozent ihre verfügbaren Einkommen seit 1991 real um 30 Prozent steigern konnten, haben die unteren 20 Prozent heute real sogar weniger.[52] Die Armutsrisikoquote ist in diesem Zeitraum um rund 50 Prozent gestiegen. Der WSI-Verteilungsbericht 2019 der gewerkschaftsnahen Hans-Böckler-Stiftung belegt, dass dieser Trend ungebrochen ist und titelt: „Einkommen immer ungleicher verteilt“.[53]

Auch die Vermögensverteilung hat sich folgerichtig höchst ungleich entwickelt. Das Nettovermögen der privaten Haushalte insgesamt ist in den vergangenen 20 Jahren extrem gewachsen. Es stieg laut Armuts- und Reichtumsbericht der Bundesregierung von 1999 bis 2015 um 4,8 Billionen Euro auf den gigantischen Wert von 12,2 Billionen Euro.[54] Das Nettovermögen des Staates ging im selben Zeitraum vor allem durch Stützungsmaßnahmen im Rahmen der Finanzkrise um 148 Milliarden Euro auf knapp eine halbe Billion Euro zurück.[55] Dies zeigt: Es werden durch die neoliberale Politik nicht nur Verteilungswirkungen innerhalb des Privatsektors (von unten nach oben!) erreicht, sondern auch Umschichtungen vom Staatssektor hin zum Privatsektor. Bis zum heutigen Tag dürfte das private Nettovermögen bei ungebrochener Wachstumsdynamik auf geschätzte 15 Billionen Euro gestiegen sein.[56] Dabei ist die Umverteilung hin zu vergleichsweise wenigen Vermögenden geradezu atemberaubend. Die oberen 10 Prozent verfügen über rund drei Viertel des deutschen Privatvermögens, selbst die obersten 0,1 Prozent besitzen schon über 15 Prozent.[57] Die unteren 50 Prozent der Bevölkerung haben hingegen statistisch nahezu kein Vermögen, viele stattdessen gar Schulden.[58] Fast sieben Millionen Menschen sind in Deutschland offiziell überschuldet. Sie können ihre Kredite nicht mehr bedienen und dürfen nicht mehr auf dem Konto haben, als es die Pfändungsfreigrenze erlaubt.[59] Schon seit Jahren beziehen zwischen sieben und acht Millionen Menschen regelmäßig Grundsicherung oder Hartz-IV-Leistungen.[60]

Dass in der Rentenfrage dringender Handlungs- und Verbesserungsbedarf besteht, lässt sich kaum noch ignorieren. In der Boulevardpresse ist das jedenfalls angekommen. „Wir haben ANGST vor der Rente – Millionen Deutschen droht Altersarmut“[61] – so lautete im Oktober 2019 der Titel der Bild-Zeitung.[62]

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Der Artikel ist ein Kapitel aus dem Buch 

von Holger Balodis und Dagmar Hühne: Rente rauf! So kann es klappen, DVS Verlag, 204 Seiten, 18 Euro (ISBN 978-3-932246-98-2) und wird hier mit freundlicher Genehmigung gespiegelt.

Das Buch kann am besten direkt per E-Mail bei (info@vorsorgeluege.de) oder beim DVS-Verlag bestellt werden. Jeweils portofrei für 18 Euro.

Bild: pixabay cco

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Anmerkungen:

[1] Die 43 Prozent wurden als Mindestziel in § 154 SGB VI festgeschrieben; vgl. https://www.bmas.de/SharedDocs/Downloads/DE/Thema-Rente/rentenversicherungsbericht-2018.pdf?__blob=publicationFile&v=4; https://de.wikipedia.org/wiki/Standardrentenniveau; http://www.sozialpolitik-aktuell.de/tl_files/sozialpolitik-aktuell/_Politikfelder/Alter-Rente/Datensammlung/PDF-Dateien/abbVIII37.pdf

[2] Holger Balodis und Dagmar Hühne: Die große Rentenlüge, Frankfurt, 2017, S. 49; Thomas Ebert: Die Zukunft des Generationenvertrags, Bundeszentrale für politische Bildung, Bd. 10293, 2018, S. 31 ff.

[3] Deutsche Rentenversicherung Bund: 130 Jahre Deutsche Rentenversicherung, Berlin, 2019; Thomas Ebert: Die Zukunft des Generationenvertrags, Bundeszentrale für politische Bildung, Bd. 10293, 2018, S. 41 ff.

[4] Günter Eder: Die Rente im Spannungsfeld von Politik, Wirtschaft und Demografie. Datenbasierte Überlegungen zur Zukunft der gesetzlichen Rente, Berlin, 2018, S. 11; Hermann Buslei et al.: Ausweitung der gesetzlichen Rentenversicherung auf Selbstständige: merkliche Effekte auch in der mittleren Frist, in: DIW-Wochenbericht, Nr. 30/2016, S. 659 ff.; Christoph-Martin Mai und Katharina Marder-Puch: Selbstständigkeit in Deutschland, in: Statistisches Bundesamt, Wirtschaft und Statistik, Juli 2013, S. 482 ff.

[5] Die Rentenverschlechterungen gehen weit über die ausgewiesene Senkung des Rentenniveaus hinaus. Beispielhaft seien genannt: Übergang von Brutto- zur Nettolohnanpassung, praktisch keine Anerkennung von Ausbildungszeiten mehr, Rentenabschläge bei vorzeitigem Rentenbezug, schrittweise Einführung einer Rentenbesteuerung und Einführung eines Pflegebeitrags, der voll von den Rentnern zu tragen ist.

[6] Die Arbeiterrenten stiegen um rund 65 Prozent, die Angestelltenrenten um rund 72 Prozent; vgl. Winfried Schmähl: Von der Rente als Zuschuss zum Lebensunterhalt zur Zuschussrente, Wirtschaftsdienst, 2012, S. 306

[7] Walter Bogs et al.: Soziale Sicherung in der Bundesrepublik Deutschland. Bericht der Sozialenquete-Kommission, Stuttgart, 1966, S. 166 f.

[1]8Deutsche Rentenversicherung: 125 Jahre Deutsche Rentenversicherung, 2014, S. 54

[9] So stiegen die Renten 1972 gleich zweimal: zum 1.1. um 6,3 Prozent und zum 1.7. um 9,5 Prozent, 1973 um 11,35 Prozent, 1974 um 11,2 Prozent, 1975 um 11,1 Prozent und 1976 um 11,0 Prozent; vgl. Deutsche Rentenversicherung Bund: Rentenversicherung in Zeitreihen, Berlin, 2019, S. 253

[10] Institut der deutschen Wirtschaft: Zahlen zur wirtschaftlichen Entwicklung der Bundesrepublik Deutschland 1984, Köln, 1985, Tabelle 9

[11 Kurt Biedenkopf und Meinhard Miegel, Sicherheit im Alter, Bonn-Stuttgart, 1981

[12] Meinhard Miegel und Stefanie Wahl: Gesetzliche Grundsicherung, private Vorsorge, der Weg aus der Rentenkrise, Stuttgart, 1985; vgl. Holger Balodis und Dagmar Hühne: Lobbyisten 1: Bestellte Gutachten und käufliche Wissenschaft, in: dies.: Die Vorsorgelüge, Berlin, 2012, S. 44 ff.

[13] Ulrich Reineke: Die gesetzliche RV vor dem Hintergrund langfristiger demographischer und ökonomischer Entwicklungen. Eine Zusammenfassung des PROGNOS-Gutachtens, in: Bundesversicherungsanstalt für Angestellte: Die Angestelltenversicherung, Berlin, 1987, S. 245 ff.

[14] Der 1982 gegründete Kronberger Kreis neoliberaler Wirtschaftswissenschaftler spielte eine wichtige Rolle. Mitglieder waren seinerzeit u. a. Wolfram Engels, Gerhard Fels, Wolfgang Stützel, Hans Willgerodt und Walter Hamm. Ihr Credo: mehr Markt, weniger Staat.

[15] 1989 Gesetz zur Reform der Rentenversicherung (RRG); vgl. http://www.portal-sozialpolitik.de/index.php?page=rentenversicherung-ab-1978#RV1989RRG92

[16] Bis dahin wuchsen Bruttolöhne und Bruttorenten im Gleichklang. Da die Steuer- und Abgabenlast für die Arbeitnehmer im Zeitablauf stieg und die Rentner davon weitgehend verschont blieben, holten die Nettorenten im Vergleich zu den Nettolöhnen auf. Dieser Prozess, der lange Zeit bewusst toleriert wurde, war mit der Nettolohnanpassung beendet. Die Lücke zwischen Nettolöhnen der Arbeitnehmer und Nettorenten der Rentner sollte fortan nicht mehr kleiner werden.

[17] 1989 Gesetz zur Reform der Rentenversicherung (RRG); vgl. http://www.portal-sozialpolitik.de/index.php?page=rentenversicherung-ab-1978#RV1989RRG92

[18] Die Einkommen von Geringverdienern wurden unter bestimmten Voraussetzungen auf 0,75 Prozent des Durchschnittseinkommens angehoben. Etwas ähnliches sieht die von Hubertus Heil vorgeschlagene Grundrente vor.

[19] Bei einem Rentenbeginn bis Ende 1991 konnten bis zu 13 Jahre Ausbildungszeit ab dem 16. Lebensjahr bis zum erfolgreichen Abschluss an einer Universität oder Fachhochschule rentensteigernd angerechnet werden. Das verschaffte auch Menschen mit sehr langem Studium eine sehr gute Rente; vgl. https://de.wikipedia.org/wiki/Anrechnungszeit

[20] So wurden die Ostlöhne beispielsweise aus den 1970er und 1980er Jahren um 100 bis 200 Prozent aufgewertet. Auch für die Jahre nach der Vereinigung werden die Gehälter in Ostdeutschland noch aufgewertet. Auf der anderen Seite erhalten ostdeutsche Rentner bis heute einen geringeren Rentenwert pro Entgeltpunkt; vgl. Deutsche Rentenversicherung Bund: Rentenversicherung in Zeitreihen, Berlin, 2019, S. 252

[21] In der Rentenversicherung stieg der Beitragssatz von 18,7 Prozent im Jahr 1990 auf 20,3 Prozent im Jahr 1998. In der Arbeitslosenversicherung stieg der Satz im selben Zeitraum von 4,3 Prozent auf 6,5 Prozent; vgl. Deutsche Rentenversicherung Bund: Rentenversicherung in Zeitreihen, Berlin, 2019, S. 254

[22] Allein in den Jahren 1991 bis 1995 nahm Deutschland 350.000 Flüchtlinge aus Ex-Jugoslawien auf; vgl. https://www.br.de/nachricht/fluechtlinge-rueckblick-kosovo-balkan-100.html

[23] Annelie Buntenbach vom DGB-Bundesvorstand urteilt: „Der demografische Wandel wird als Keil zwischen die Generationen geschlagen, um mit dem Kampfbegriff ‚Generationengerechtigkeit‘ immer neue Reformen zu rechtfertigen.“, vgl. Annelie Buntenbach: Soziale Sicherheit im Alter – Eine Frage der Solidarität!, in: Christoph Butterwegge, Gerd Bosbach, Matthias W. Birkwald: Armut im Alter, Frankfurt, 2012, S. 228

[24] Der Spiegel: Wie die Alten die Jungen ausplündern, 3.2.1997, S. 25 ff.; ders.: Die Babylücke – Zwang zur Wende, 30.8.1999, S. 30 ff.; ders.: Der letzte Deutsche – Auf dem Weg zur Greisenrepublik (Titel), 5.1.2004, S. 38

[25] In den 1990er Jahren waren die Renten wegen Erwerbsminderung und die Renten wegen Arbeitslosigkeit die dominanten Rentenarten. So sorgte die Rentenversicherung einerseits für eine soziale Abfederung der Arbeitslosigkeit und andererseits für eine optische Senkung der Arbeitslosenzahlen.

[26] Holger Balodis und Dagmar Hühne: Die Manipulation der öffentlichen Meinung, in: dies.: Die Vorsorgelüge, Berlin, 2012, S. 79 ff.

[27] https://lobbypedia.de/wiki/Bertelsmann_Stiftung

[28] https://www.bmas.de/DE/Presse/Meldungen/2018/rentenkommission-verlaesslicher-generationenvertrag-eingesetzt.html; Eine kritische Würdigung der Rentenvorschläge Börsch-Supans lieferte Gerd Bosbach für den Deutschen Gewerkschaftsbund, vgl. https://www.bund-verlag.de/aktuelles~Das-sind-die-Rechentricks-vom-Rentenpapst~

[29] Deutsche Rentenversicherung Bund: Rentenversicherung in Zeitreihen, Berlin, 2019, S. 254

[30] http://www.sozialpolitik-aktuell.de/tl_files/sozialpolitik-aktuell/_Politikfelder/Arbeitsmarkt/Datensammlung/PDF-Dateien/abbIV31.pdf; https://www.bpb.de/nachschlagen/zahlen-und-fakten/soziale-situation-in-deutschland/61718/arbeitslose-und-arbeitslosenquote

[31] So stieg im Jahr 1997 der Beitragssatz in der Rente auf 20,3 Prozent und der Gesamtbeitragssatz in der Sozialversicherung auf 42,08 Prozent; vgl. Deutsche Rentenversicherung Bund: Rentenversicherung in Zeitreihen, Berlin, 2019, S. 254

[32] Ulrich Schneider: Kein Wohlstand für alle!? – Wie sich Deutschland selber zerlegt und was wir dagegen tun können, Frankfurt, 2017

[33] Neben der Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände (BDA) und dem Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI) ist hier insbesondere das arbeitgeberfinanzierte Institut der deutschen Wirtschaft (IW) zu nennen. Später übernahm die 1999 von den Arbeitgeberverbänden der Metall- und Elektroindustrie gegründete Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft (INSM) eine tragende Rolle bei der Verbreitung neoliberalen Gedankenguts.

[34] Die Arbeitslosigkeit stieg von 0,9 Millionen 1980 auf 2,3 Millionen in den Jahren 1983 bis 1985, um bis 1990 leicht auf 1,9 Millionen zurückzugehen. Die Zahl der Sozialhilfeempfänger stieg von 851.000 1980 auf 1,772 Millionen 1990; vgl. http://www.sozialpolitik-aktuell.de/tl_files/sozialpolitik-aktuell/_Politikfelder/Arbeitsmarkt/Datensammlung/PDF-Dateien/abbIV33.pdf; https://www.destatis.de/GPStatistik/servlets/MCRFileNodeServlet/DEHeft_derivate_00013959/erwerbsstatus_sozialhilfempfaenger_2003.pdf;jsessionid=A883A53E882B126F41E184185C003272

[35] Ulrich Schneider: Kein Wohlstand für alle!? – Wie sich Deutschland selber zerlegt und was wir dagegen tun können, Frankfurt, 2017, S. 46

[36] Di Zahl der Arbeitslosen stieg von 2,6 Millionen 1991 (erster gesamtdeutscher Wert) auf 4,4 Millionen im Jahr 1997, um dann bis 2000 leicht auf 3,9 Millionen zu sinken; vgl. https://www.kas.de/c/document_library/get_file?uuid=21593393-4d59-3806-114c-17d164465456&groupId=252038

[37] Ulrich Schneider: Kein Wohlstand für alle!? – Wie sich Deutschland selber zerlegt und was wir dagegen tun können, Frankfurt, 2017, S. 48

[38] https://www.bpb.de/nachschlagen/zahlen-und-fakten/soziale-situation-in-deutschland/61718/arbeitslose-und-arbeitslosenquote

[39] http://www.sozialpolitik-aktuell.de/tl_files/sozialpolitik-aktuell/_Politikfelder/Einkommen-Armut/Datensammlung/PDF-Dateien/abbIII1a_grafik_monat_03_2014.pdf

[40] Ulrich Schneider: Kein Wohlstand für alle!? – Wie sich Deutschland selber zerlegt und was wir dagegen tun können, Frankfurt, 2017, S. 49 f.

[41] Anja Krüger: Gute Freunde: Politiker und Versicherer, in: dies.: Die Angstmacher – wie uns die Versicherungswirtschaft abzockt, Köln, 2012

[42] Thomas Ebert: Die Zukunft des Generationenvertrags, Bonn, 2018, S. 153 ff.

[43] Das Sicherungsniveau vor Steuern sank von rund 53 Prozent auf heute 48 Prozent, was einer Senkung um 5 Prozentpunkte oder 10 Prozent entspricht; vgl. http://www.sozialpolitik-aktuell.de/tl_files/sozialpolitik-aktuell/_Politikfelder/Alter-Rente/Datensammlung/PDF-Dateien/abbVIII37.pdf

[44] https://de.wikipedia.org/wiki/Justizvollzugsanstalt_H%C3%BCnfeld

[45] https://www.iwkoeln.de/fileadmin/user_upload/Studien/policy_papers/PDF/2018/IW-Policy-Paper_2018_08_Verkauf_oeffentlicher_Wohnungen.pdf; https://www.zeit.de/wirtschaft/2015-07/sozialer-wohnungsbau-grossstadt-mieten-kommunale-wohnungen; vgl. auch Andrej Holm: Privatisierung des kommunalen Wohnungsbestandes,2008, https://www.budrich-journals.de/index.php/stadtregion/article/view/4688

[46] https://www.manager-magazin.de/lifestyle/artikel/miete-zahl-der-sozialwohnungen-in-deutschland-geht-drastisch-zurueck-a-1273129.html; Ulrich Schneider: Kein Wohlstand für alle!? – Wie sich Deutschland selber zerlegt und was wir dagegen tun können, Frankfurt, 2017, S. 60; https://de.wikipedia.org/wiki/Sozialer_Wohnungsbau

[47] Thomas Ebert: Die Zukunft des Generationenvertrags, Bonn, 2018, S. 124 f.; Ulrich Schneider: Kein Wohlstand für alle!? – Wie sich Deutschland selber zerlegt und was wir dagegen tun können, Frankfurt, 2017, S. 136 ff.

[48] Holger Balodis und Dagmar Hühne: Fass ohne Boden: Der Beschiss mit den Kundengeldern, in: dies.: Garantiert beschissen – Der ganz legale Betrug mit den Lebensversicherungen, Frankfurt, 2015, S. 44 ff.

[49] Es handelt sich um weit über 30 renten- und alterssicherungspolitisch relevante Gesetze.

[50] Die wichtigsten Leistungsverschlechterungen: die Umstellung von Brutto- auf Nettolohnanpassung, die Einführung von Rentenabschlägen bei vorzeitigem Rentenbezug, die radikale Streichung der Anrechnung von Ausbildungszeiten, die Abschaffung einer Aufwertung von Kleinverdiensten durch die Rente nach Mindesteinkommen beziehungsweise Mindestentgeltpunkten, die Abschaffung der Berufsunfähigkeitsrente, die Abschaffung der Rente für Frauen mit 60 Jahren, die Abschaffung von Sonderregeln für Arbeitslose und Schwerbehinderte, die deutliche Verschlechterung der Hinterbliebenenrente, die Einführung von Pflegebeiträgen in voller Höhe für Rentner, die schrittweise Einführung einer Besteuerung der Renten, die Erhöhung des Renteneintrittsalters auf 67 Jahre und die Einführung von Dämpfungsfaktoren wie dem Riester- und dem Nachhaltigkeitsfaktor. Allein für den Zeitraum von 2002 bis 2030 (und damit ohne die gravierende Reform von 1992) schätzt Annelie Buntenbach vom DGB-Bundesvorstand das Kürzungsvolumen auf rund 30 Prozent.

[51] Markus M. Grabka und Carsten Schröder: Der Niedriglohnsektor in Deutschland ist größer als bislang angenommen, in: DIW-Wochenbericht, Nr. 14/2019, S. 250 ff.; Darin stellen die DIW-Forscher fest, dass 2017 über neun Millionen Millionen Menschen zu Niedriglöhnen arbeiteten, wobei sie den Stundenlohn hierfür bei 10,90 Euro ansetzten. Sie stellten ein große Immobilität fest: Für zwei Drittel der Niedriglohnbeschäftigten hat sich schon viele Jahre an ihrer Situation nichts geändert. Da der eingeführte staatliche Mindestlohn unterhalb der Niedriglohnschwelle liegt, hat dieser den Niedriglohnsektor nicht verkleinert.

[52] Annelie Buntenbach: Soziale Sicherheit im Alter – eine Frage der Solidarität, in: Christoph Butterwegge, Gerd Bosbach, Matthias W. Birkwald: Armut im Alter, Frankfurt, 2012, S. 228

[53] Ulrich Schneider: Kein Wohlstand für alle!? – Wie sich Deutschland selber zerlegt und was wir dagegen tun können, Frankfurt, 2017, S. 64

[54] Markus M. Grabka und Jan Göbel: Einkommensverteilung in Deutschland: Realeinkommen sind seit 1991 gestiegen, aber mehr Menschen beziehen Niedrigeinkommen, in: DIW-Wochenbericht, Nr. 21/2018, S. 450 ff.

[55] Dorothee Spannagel und Katharina Molitor: Einkommen immer ungleicher verteilt, WSI-Verteilungsbericht 2019, WSI-Report, Nr. 53, 2019, https://www.boeckler.de/pdf/p_wsi_report_53_2019.pdf

[56] Bundesregierung: „Lebenslagen in Deutschland“, Der fünfte Armuts- und Reichtumsbericht der Bundesregierung, 2017, S. 45

[57] Ebenda, S. 43; Die Existenz dieses Nettovermögens zeigt, dass es sich bei der häufig beklagten Staatsverschuldung in Höhe von rund 2 Billionen Euro um eine Chimäre handelt. Solange unterm Strich noch ein Nettovermögen von rund einer halben Billion Euro existiert, gibt es genau genommen keine Nettostaatsverschuldung.

[58] Der fünfte Armuts- und Reichtumsbericht der Bundesregierung weist für 2015 ein Nettovermögen der privaten Haushalte von 12,2 Billionen Euro aus, in den vier Jahren zuvor war es um rund 2 Billionen Euro gestiegen. Dies lässt für 2020 ein privates Vermögen in Höhe von 15 Billionen Euro realistisch erscheinen.

[59] Christian Westermeier und Markus M. Grabka: Große statistische Unsicherheit beim Anteil der Top-Vermögenden in Deutschland, in: DIW-Wochenbericht, Nr. 7/2015, S. 131

[60] Die untere Hälfte besitzt rund 1 Prozent des Nettovermögens. Das ist ungefähr so viel wie die reichsten 45 Personen in Deutschland besitzen; vgl. Bundesregierung: „Lebenslagen in Deutschland“, Der fünfte Armuts- und Reichtumsbericht der Bundesregierung, 2017, S. 17; https://www.spiegel.de/wirtschaft/soziales/vermoegen-45-superreiche-besitzen-so-viel-wie-die-halbe-deutsche-bevoelkerung-a-1189111.html

[61] https://www.creditreform.de/aktuelles-wissen/pressemeldungen-fachbeitraege/show/schuldneratlas-deutschland-2018; https://www.zdf.de/nachrichten/heute/das-wichtigste-zum-schuldneratlas-deutschland-2018-100.html

[62] Bundesregierung: „Lebenslagen in Deutschland“, Der fünfte Armuts- und Reichtumsbericht der Bundesregierung, 2017, S. 15

[63] Bild-Zeitung Köln, 5.10.2019, S. 1

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Der Artikel ist ein Kapitel aus dem Buch von

 

 

 

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Holger Balodis und Dagmar Hühne: Rente rauf! So kann es klappen, DVS Verlag, 204 Seiten, 18 Euro (ISBN 978-3-932246-98-2)

Und wird hier mit freundlicher Genehmigung der Autoren gespiegelt.

 

Holger Balodis
Dagmar Hühne
www.vorsorgeluege.de

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