Wieder mehr junge Menschen im HARTZ-IV-System – die im Dunkeln sieht man nicht

im-Dunkeln-webVor zwei Jahren war das Thema Griechenland noch in aller Munde, ebenso war die Rede von einer verlorenen Generation, von den arbeitslosen Jugendlichen in den südlichen EU-Ländern, man sprach von Europas Tragödie.

Beide Themen sind aus den Schlagzeilen raus. Dabei ist in Italien immer noch mehr als jeder dritte der unter 25-Jährigen arbeitslos, in Griechenland jeder zweite, in Frankreich immer noch jeder vierte. Die Verarmung der jungen Menschen schreitet voran.

In Deutschland ist die Zahl der HARTZ-IV-Empfänger zwischen 15 und 24 Jahren von 2014 zu 2015 erstmals seit Jahren wieder gestiegen. Der DGB spricht von einer Verfestigung von Armutslagen im Hinterhof unserer Wohlstandsgesellschaft.

Die DGB Studie zeigt auf, dass die Zahl der HARTZ-IV-Empfänger zwischen 15 und 24 Jahren von 2014 zu 2015 erstmals seit Jahren wieder um 8.600 auf 746.000 gestiegen ist. Etwa 300.000 junge Menschen sind sogar schon seit vier Jahren auf die staatliche Grundsicherung angewiesen.

Immer mehr Menschen erfahren die gesellschaftliche Benachteiligung und Spaltung oftmals schon in jungen Jahren. Sie wachsen mit permanentem Verzicht auf, während andere sich scheinbar alles leisten können.

Jugendliche, die im Umfeld des Hartz-IV-Systems leben, haben ein höheres Risiko für mehrfache Benachteiligung. Neben finanziellen Problemen und Überschuldung sind es vor allem Arbeitslosigkeit, niedriges Erwerbseinkommen in der Familie und entsprechend schlechte Wohnverhältnisse. Dazu kommen schlechtere Chancen in der Schule, im Berufsausbildungssystem und in der Arbeitswelt.

Wenn man genauer hinschaut wird deutlich, dass nicht jeder junge Mensch, der HARTZ-IV bezieht, automatisch als Arbeitsloser registriert ist. Bei den unter 25-Jährigen geht ein großer Teil noch zur Schule, er studiert, macht eine Ausbildung und lebt noch bei den Eltern, die meistens selbst hilfebedürftig sind.

Die andere große Gruppe ist tatsächlich auf Jobsuche und benötigt staatliche Hilfe, da sie über kein Einkommen verfügt. Wieder andere sind krank oder stehen dem Arbeitsmarkt nicht zur Verfügung, weil sie Kinder erziehen oder ihre Eltern pflegen.

Die Ergebnisse der DGB-Studie in Kürze:

  • Die Arbeitslosigkeit junger Menschen sinkt, während die Hartz-IV-Bedürftigkeit steigt. 800.000 Menschen im Alter von 15 bis 24 Jahren sind Hartz-IV-Bezieher und/oder arbeitslos. In einem Großteil der Bundesländer sind 10 Prozent dieser Altersgruppe auf Hartz-IV angewiesen, in Berlin sind es sogar 20 Prozent aller hier lebenden jungen Menschen.
  • Die Verfestigung von Armutslagen ist bei jungen Menschen weit stärker als die Arbeitslosigkeit zunächst vermittelt. 300.000 junge Menschen sind schon seit vier Jahren auf Hartz IV angewiesen. Die Zahl dieser Langzeitbezieher ist deutlich höher als die der Arbeitslosen im Alter von 15 bis 24 Jahren insgesamt.
  • Bildungsarmut droht sich wieder zu vererben. Erwerbsfähige Hartz-IV-Bezieher unter 25 Jahren haben sechs Mal häufiger keinen Schulabschluss als Gleichaltrige in der Bevölkerung insgesamt.
  • Das Armutsrisiko junger Menschen steigt wieder, doch die Chancen auf eine Ausbildung oder Beschäftigung junger Hartz-IV-Bezieher haben sich in den letzten Jahren verschlechtert.Soweit arbeitsmarktpolitische Integration gelingt, ist diese oftmals instabil und viele fallen nach kurzer Zeit wieder auf Hartz-IV zurück.
  • Trotz steigendem Förderbedarf sinkt die Zahl der jungen Menschen, die im Hartz-IV-System gefördert werden. Nur selten werden Vorschaltmaßnahmen für abschlussorientierte Weiterbildung eingesetzt.
  • Der Bund kommt seiner finanziellen Verantwortung zur Integration junger Hartz-IV-Bezieher nur völlig unzureichend nach und greift in die Taschen der Beitragszahler zur Sozialversicherung, um gesamtgesellschaftliche Aufgaben zu finanzieren und betreibt so Umverteilung von unten (Beitragszahler) nach oben (Steuerzahler).
  • Neben einer besseren Finanzausstattung sollten neue Ansätze zur Integration junger Hilfebezieher ausgebaut werden, wie die assistierte Ausbildung und zweite Chance für benachteiligte junge Erwachsene.
  • In der aktuell im Bundestag beratenen Gesetzesinitiative sollten die Sanktionen für junge Hilfebezieher entschärft werden und Vermittlungskräfte die Möglichkeit erhalten, auch positive und stabilisierende Anreize setzen zu können. In keinem anderen Rechtsgebiet sind die Sanktionen gegenüber jungen Menschen bisher schärfer als für Erwachsene.

Damit die Verfestigung von Armutslagen im Hinterhof unserer Wohlstandsgesellschaft nicht weiter geht,

  • müssen Arbeitsmarkt- und sozialpolitische Integrationsmaßnahmen diesen unterschiedlichen Lebensumständen der Jugendlichen Rechnung tragen.
  • sind individuelle und kreative Ansatzpunkte gefragt, die die gesamten Lebensumstände einschließlich der jeweiligen Netzwerke in den Blick nehmen.
  • sind neue Formen von Arbeiten und Lernen erforderlich, die auch schulmüden Jugendlichen Mut machen können.
  • sollten Bund und Länder bessere Möglichkeiten schaffen, einen Hauptschulabschluss nachzuholen.
  • ist es dringend nötig, die Vermittlung von Ausbildungsplätzen für junge Menschen aus Hartz-IV-Familien von den Jobcentern auf die Arbeitsagenturen zu übertragen.
  • statt auf Repression, sollte mehr auf positive und stabilisierende Anreize gesetzt werden.
  • muss die Jugendhilfe endlich so gestaltet werden, dass ihre Angebote auch tatsächlich und flächendeckend zur Verfügung stehen. Benachteiligte Jugendliche sind auf eine funktionierende Jugendhilfe angewiesen – das ist Staatsaufgabe
  • die unübersichtlichen Zuständigkeiten zwischen Arbeitsagenturen und Jobcentern bei Berufsberatung und der Vermittlung von Ausbildungsplätzen für benachteiligte Jugendliche beseitigt werden, sie führen meist zu unterschiedlichen und wechselnden Ansprechpartnern. Das ist vollkommen kontraproduktiv, wenn es um eine gute Betreuung und die Ausbildung dieser Jugendlichen geht.

Denn die einen sind im Dunkeln

und die andern sind im Licht

und man siehet die im Lichte

die im Dunkeln sieht man nicht“. – Bertolt Brecht

 

 

Weitere Infos: http://www.dgb.de/themen/++co++248e712e-1754-11e6-b1d6-52540023ef1a?t=1

Quelle Arbeitsmarkt aktuell-DGB

Bild: alsocentrum