Wir sagen Nein

Kriegsmüdigkeit darf nicht aufkommen, so die Ansage der Regierenden. Es gibt aber immer noch Stimmen im Lande, gerade auch in den Gewerkschaften, die – mehr oder weniger entschieden – Nein sagen. Dazu einige Hinweise von IVA.

Von Johannes Schillo

Zum Spätsommer und Herbst ist eine Reihe von Protestaktionen gegen den deutschen Kurs der Aufrüstung und Kriegsvorbereitung angekündigt. Medienschaffende und Bildungsarbeiter, die auf der Website IVA publizieren, unterstützen die gewerkschaftliche Basisinitiative „Sagt NEIN! Gewerkschafter:innen gegen Krieg, Militarismus und Burgfrieden“, die sich an den Aktionen beteiligt und ihre eigenen Vorstellungen in den Protest der Friedensbewegung einbringt. „Sagt NEIN!“ entstand 2023 im Rahmen der Dienstleistungsgewerkschaft Verdi. Die Initiative wandte sich an alle Gewerkschaftsmitglieder mit der Aufforderung, eine Opposition gegen die Führung der deutschen Arbeitervertretung zu bilden. Denn, so der Aufruf:

„Nachdem der DGB-Bundeskongress 2022 auf Betreiben des DGB-Bundesvorstandes und unter Bruch unserer Satzungen und Beschlüsse das ‚Ja! zu Waffenlieferungen und Aufrüstung‘ beschlossen hat, soll dies nun auf Initiative des ver.di-Vorstandes mit Zustimmung des Gewerkschaftsrates auch auf dem ver.di-Bundeskongress nachvollzogen werden: Ja! zu einer Kriegslogik, die unter dem Deckmantel eines sogenannten ‚umfassenden Sicherheitsbegriffs‘  ausdrücklich ‚militärische Sicherheit‘, indirekt ‚Auf- und Hochrüstung‘ und Kriegseinsätze auch deutscher Soldat:innen befürwortet – ‚was zur Erfüllung ihrer Aufgaben in der Landes- und Bündnisverteidigung erforderlich ist‘.“ Die (mittlerweile über 25.000) Unterzeichner des Aufrufs, Gewerkschafterinnen und Gewerkschafter von ver.di, aber auch von IG Metall und anderen DGB-Gewerkschaften, wandten sich deswegen an die Delegierten des ver.di-Bundeskongresses und konnten dort immerhin eine beachtliche Minderheit für den Einspruch gegen den offiziell angesagten „Burgfrieden“ gewinnen.

„Rheinmetall entwaffnen“ – Kölner Protestcamp im August

Vom 26. bis 31. August findet in der Kölner Innenstadt (sofern die Polizei nicht, wie schon angekündigt, mit Verboten einschreitet) das Protestcamp „Rheinmetall entwaffnen“ statt. Die Veranstalter wollen die Kriegstreiber heimsuchen und die herrschenden Konventionen durchbrechen: „Wir sind das Gegenteil dessen, was sich Regierung und Rüstungsindustrie von ihren Bürger*innen wünschen. Wir lassen uns nicht einspannen in die Rekrutierung der Gesellschaft. Wir stellen uns gegen die kapitalistische Logik, gegen die Umverteilung von unten nach oben, wonach unendlich viel Geld für Kanonen da ist, während es unsereins an Nötigem fehlt.“

Die Initiative „Sagt NEIN!“ wird auf dem Camp vertreten sein und bietet dort am 27. August den Workshop „Wer entwaffnet Rheinmetall…?! Von der Analyse zur Meuterei – Sagt NEIN!“ an, der die anspruchsvolle Entwaffnungs-Losung mit einigen Anfragen versieht. (Die näheren Informationen zu Ort und Zeit finden sich bei IVA unter Termine. Das gesamte Programm ist auf der Website des Camps einsehbar. Dort finden sich auch Informationen zu der für den 30. August geplanten Demonstration in Köln.)

Der Workshop, der von Andreas Buderus und Renate Dillmann geleitet wird, geht von folgender Feststellung aus: Rheinmetall steht als Symbol für die deutsche Rüstungsindustrie – doch wer füttert das Monster? In diesem Sinne soll ein kritischer Blick auf das Zusammenspiel von Rüstungsindustrie, Staat und Gewerkschaften gerichtet werden. Warum richtet sich so viel Kritik nur gegen „die Konzerne“, wenn doch der Staat der eigentliche Auftraggeber ist – und weite Teile der Gesellschaft, darunter die Gewerkschaften, die Aufrüstung mittragen?

Gemeinsam soll bei der Veranstaltung geklärt werden:

  • Was bedeuten der deutsche Großmachtanspruch und die Militarisierung nach innen und außen?
  • Was ist die Rolle der Gewerkschaften im „Burgfrieden“ (so der berühmte Begriff von 1914) mit Staat und Kapital?
  • Gibt es historische und aktuelle Beispiele gewerkschaftlicher Verweigerung und konkrete Ideen für zivile Meuterei und antimilitaristische Praxis?
Antikriegstag am 1. September

Traditionellerweise laden die Gewerkschaften am 1. September zu einem Antikriegstag ein, wobei in diesem Jahr nicht klar ist, ob sich daraus als Protest erkennbare Aktionen ergeben werden. Der aktuelle DGB-Aufruf „Für eine Politik der Friedensfähigkeit! Nie wieder Krieg – in Deutschland, Europa und weltweit!“ findet sich im Gewerkschaftsforum. Dort ist auch schon kurz nach der Veröffentlichung der DGB-Erklärung die Kritik „DGB zum Antikriegstag: Zu den Waffen Kolleg*innen!“ erschienen, verfasst von Suitbert Cechura, der die „Sagt NEIN!“-Initiative unterstützt. Diese Kritik wird auch Thema beim Workshop des Rheincamps sein.

Sie erinnert eingangs noch einmal an die fatale Gewerkschaftstradition in der BRD: „Aus ihrer Haltung zum Aufrüstungsprogramm der Bundesregierung haben die DGB-Gewerkschaften nie einen Hehl gemacht und es in der Sache rückhaltlos unterstützt – bis hin zum Pakt der IG Metall mit der Rüstungsindustrie. Anlässlich des diesjährigen Antikriegstags am 1. September ist die DGB-Führung nun offenbar bestrebt, auch Mitglieder, die gegen diesen Kurs Bedenken geäußert haben, auf Linie zu bringen. Das geht natürlich nicht ohne einige Verrenkungen.“ Den Verrenkungen dabei, die Zustimmung zum Rüstungskurs mit einigen Bedenken hinsichtlich seines Gelingens zu versehen und dies als friedensbewegten Einspruch zu verkaufen, geht der Text im Einzelnen nach. Sei Fazit unter der Überschrift „(K)ein Bündnispartner!“ lautet:

„Der DGB will sich offenkundig in die Reihen derjenigen einreihen, die gegen die Aufrüstungspolitik demonstrieren oder ihre Verunsicherung angesichts der aktuellen Weltlage bekunden. Die Argumente im Aufruf sind aber ein einziges Dementi seiner Gegnerschaft zum staatlichen Aufrüstungsprogramm. Wer also meint, mit der Teilnahme des DGB an Antikriegsprotesten oder -tagen würde der Gegnerschaft gegen die Militarisierung der Gesellschaft ein größeres Gewicht verliehen, müsste durch den neuen Aufruf eines Besseren belehrt werden. Stellt sich der Verein doch hinter die Regierungslinie und bemüht sich, gerade auch mit Blick auf die sozialdemokratische Gewerkschaftstradition, Kritiker des Aufrüstungskurses zu vereinnahmen.

Bundesweite Demo am 3. Oktober

„Nie wieder kriegstüchtig! Stehen wir auf für Frieden!“ Unter dieser Losung wird zur bundesweiten Demonstration am 3. Oktober in Berlin und Stuttgart aufgerufen. Der Bündnisaufruf wurde bei einer Online-Aktionsberatung am 25. Juli 2025 vorgestellt. Erarbeitet wurde er im Rahmen eines Bündnisses, dem die Initiative „Nie wieder Krieg – Die Waffen nieder!“, aber auch ICAN, die DFG-VK, die IPPNW, das Netzwerk Friedenskooperative, Ohne Rüstung Leben und Pax Christi angehören. Den Wortlaut des Aufrufs sowie weitere Erklärungen aus der Friedensbewegung findet man ebenfalls im Gewerkschaftsforum. Die Initiative „Sagt NEIN!“ hat dazu erklärt, dass sie diesen Protest mitträgt:

„Wir sagen Nein zu allen Kriegen und lehnen die gefährliche Hochrüstung ab“ – so beginnt der Aufruf zur Friedensdemo am 3.10. Als gewerkschaftliche Basisinitiative „Sagt NEIN!“ können wir dazu nur JA sagen, möchten das aber gleich mit Nachfragen verbinden, vor allem: a) wem sagt man b) damit was? Eine solche Klärung ist besonders dringlich angesichts des breiten Forderungskatalogs von „Dialogfähigkeit“, „Abrüstung für Soziales, Klima und Entwicklung“, „Entspannungspolitik für Europa“ etc.

  1. a) Adressiert man damit die regierenden Kriegstreiber? Erwartet man von ihnen ernsthaft, dass sie auf die Sorgen in der Bevölkerung eingehen? Sind denen der ungeheure Kostenaufwand und die verheerenden Konsequenzen einer Kriegsvorbereitung unbekannt? Soll hier eine Vertrauensbildung für abweichende Positionen im Regierungslager (siehe das Manifest der SPD-Dissidenten) stattfinden? Oder das Vertrauen in die UN-Charta, die bei den Gewaltaffären der Staatenlenker Erlaubtes von Verbotenem trennt, als Wertehimmel der heutigen Weltkriegslage gestärkt werden? Wie ist die Forderung nach „Verteidigung der Demokratie“ zu verstehen? So wie sie in Deutschland und der EU derzeit definiert wird? …
  2. b) Kündigt man hier wirklich einen Konsens auf, z.B. den sozialen Frieden, der die Grundlage für das deutsche Hochrüstungsprojekt darstellt? Was soll man unter der Forderung nach einer neuen „Entspannungspolitik für Europa“ verstehen, „die die Friedens- und Sicherheitsinteressen aller Beteiligten berücksichtigt“? Wird hier einer Sicherheitspolitik, die sich als Verteidigung vorstellig macht, der Segen erteilt? Ist die werdende Großmacht Europa mit ihrer Führungsmacht Deutschland ein Hoffnungsschimmer? Ist der Ausschluss von „demokratiefeindlichen Kräften“ aus der Protestbewegung so gemeint, dass das Extremismuskonzept des deutschen Staatsschutzes übernommen wird? …

 

 

 

 

 

 

Der Beitrag erschien auch auf texts25 [https://i-v-a.net].
Weitere Infos bei der gewerkschaftlichen Basisinitiative ´SAGT NEIN! Gewerkschafter:innen gegen Krieg, Militarismus und Burgfrieden